DIENSTAG, 1. NOV. 1932
ERSTE BEILAGE
VomUs
Vormarsch aus dem Tande
Wo t>1e!I>en die Nazis?
Seit einigen Wochen hat auch auf dem Lande die Wahlagitation wieder in verstärktem Maße eingesetzt. Die ländliche Ruhe ist gestört, Plakate fordern „Entscheidet euch!", und auf einmal gibt es auch in Dustersdorf und Zuckelhausen Parteien und widerstreitende Meinungen, UaenniicUicller Kampieseiier Unsere Genossen auf dem Lande, die in diesem Wahljahre wie wir alle bereits ein gehöriges Quantum Arbeitsleistung hinter sich haben, sind trotzdem wieder mit unermüdlichem Kampfeseifer für die Partei tätig. Diese Funktionäre auf vor- geschobenem Posten, Pioniere auf schwierigem Gelände, sind mit einem Mut und einer Tapfer- kcit bei der Sache, die wahrhaft bewunderungs- würdig sind, Sie haben sich meist noch mit Widerständen auseinanderzusetzen, mit denen wir in der Stadt vor etwa dreißig Jahren noch zu tun hatten. Da hat der Mutige, der unerschrocken iür die Ziele der Sozialdemokratischen Partei ein- tritt, damit zu rechnen, mit kleinlichen Schikanen und Intrigen bekämpft zu werden. Cr muß dauernd befürchten, seine Arbeitsstelle zu ver- lieren. Ja, wie die Ersahrungen dieses Jahres mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt haben, er hat mitunter alle Veranlassung, für den Schutz seines Lebens Sorge zu tragen. Daß sich unsere Genossen auf dem Lande trotz- dem nicht entmutigen lassen, verdient unsere größte Anerkennung. Die ländliche Werbe- arbeit ist heute so wichtig geworden, daß wir'
Kilometersteine mit der Ausschrift 23,3 gibt es viele in Deutschland , aber nur einen, bei und um den es„spukt". Leider ist er für die Berliner Motoristen nicht greisbar. Im Gegenteil, er ist ziemlich weit von uns entsernt, liegt an der Chaussee zwischen Bremen und Wesermünde und hat sich durch sein offen- kundig feindliches Verhalten den wilden, mit Furcht gepaarten Zorn aller Motoristen jener Gegend zugezogen. Rund fünfzig teils leichte, teils schwere Auto- Unfälle haben sich, wie früher berichtet wurde, an diesem Stein 23,9 zugetragen. Das wäre nun in der Tat mehr als auffällig, aber es hat sich herausgestellt, daß sich diese 50 Autounfälle auf einen Raum von 7 Kilometer um jenen ominösen Stein verteilen. In der Nacht zum legten Sonn- tag hat sich wieder bei dem unheimlichen Stein ein Autounglück zugetragen. Ein aus Richtung Wesermünde kommender mit 6 Personen be- setzter Kraftwagen eines Geestemünder Fischhänd- lers fuhr bei Kilometerstein 24,6, also in der Ge- sahrenzone des berüchtigten Kilometersteins 23,9, gegeneinenBaum. Das Auto wurde schwer beschädigt, zwei Insassen wurden leicht verletzt. Der verunglückte Wagen mußte ab- geschleppt werden. Der Unfall ereignete sich auf schlüpfriger Straße 400 Meter vor der Kreuzung der Landstraße Hagen— Stubben und ist besonders bemerkenswert, weil das Auto aus Richtung Wesermünde und nicht wie sonst bei den über 50 Unfällen in jenem Bereich aus Rich- tung Bremen kam. Die Geschwindigkeit des Wa-
ohne die Unterstützung der Genossen draußen nur unter den größten, fast unüberwindlichen Schmie- rigkeiten für uns Boden gewinnen könnten. Für die Parteireserenten sind die dörflichen Ver- trauensleute die unerläßlichste Hilfe, Von ihnen erfährt er lokale Einzelheiten, die er zur Aus- einandersetzung mit dem Gegner braucht. Ohne ihre Vorarbeit wird der beste Redner, und sei er auch die größte Kanone, wirkungslos ver- puffen. Der folgende Brief eines Parteireferenten gibt ein gutes Bild von der schwierigen und mühevollen Arbeit auf dem Lande, Eia Refereat schreibt: „Gestern abend hatten wir eine Versammlung in I. Wir sind vier Mann hoch auf Rädern hin- gefahren. Die drei Genossen, die mit mir waren, sind schon seit Jahr und Tag arbeitslos. Sie haben selbst im Sommer und zur Erntezeit ab und zu einmal ein paar Tage Arbeit gehabt. Die Bauern hier sind alle nur kleine Besitzer, die ihre Arbeit selbst machen, und die Gutsbesitzer sind Nazis und stellen nur SA.-Leute ein. Auf diese Weise wird allerdings mancher Nazi, der es im Innern gar nicht ist. Bei den Bauern vollzieht sich eine bemerkenswerte Wandlung in ihrer Ein- stellung gegenüber den Nationalsozialisten, Viele sind von den Nazis enttäuscht, manche erwarten von den Autarkiebestrebungen der Regierung Papen eine Besserung ihrer Lage, aber viele be- ginnen doch zu begreifen, daß es ihnen schließlich nur besser gehen kann, wenn der Arbeiter in der
gens betrug auf der als Gefahrenzone bekannten Strecke nur 40 Stundenkilometer. Was hat das alles zu bedeuten? Ein Berliner Hugenberg-Blatt hat sich mit Dem merkwürdigen steinernen Feind der Automobilisten spaltenlang beschäftigt. Ein sogenanter Rutengänger aus Lesum hat angeblich ein geheimnisvolles Metall- kästchen konstruiert und bei dem ominösen Stein eingegraben. Sofort sollen all« Autounfälle hier aufgehört haben, um sich sogleich wieder einzu- stellen, nachdem das Kästchen entfernt war. Wahr- scheinlich ist der Stein selber und seine Umgebung gar nicht so unheimlich, aber nachdem irgendeiner seine angebliche fatale Eigenschaft entdeckt hat, ist beim Vorbeifahren wahrscheinlich den meisten Fahrern so unheimlich geworden, daß sie ent- weder so zu schnell fuhren oder vor Angst so unsicher wurden, daß etwas passieren mußte. Viel- leicht geht es mit diesem spukhaften Kilometerstein wie bei jedem Spuk: wenn man ihn bei Tag« besieht und sich über ihn gründlich ausspricht, bleibt nichts Geheimnisvolles mehr übrig.
Der Berek-Vertrag Die neue Magistratsvorlage, die das Pacht- Verhältnis der Stadt zur Berek auf einer neuen Grundlage regeln soll, wurde in einem Ausschuß eingehend behandelt. Bisher war die Pacht- summe, die von der Berek an die Stadt gezahlt
Lage ist, ihre Produkte zu kaufen. Die psycho- logische Situation ist günstig für uns, es kommt jetzt darauf an, sie richtig auszunutzen. Wir hatten eine gut besuchte Versammlung. An der Theke haben wir noch bis Mitternacht zusammen- gestanden, das ist dann ja erst die eigentliche Dis- kussion. Und hier, im Gespräch von Mann zu Mann, haben wir noch manchen für uns ge- wonnen. Heimwärts mußten wir zwei Stunden laufen, da es in Strömen regnete und der Weg völlig aufgeweicht war. Ein paar Stunden Schlaf, und um 6 Uhr bin ich mit dem Postauto wieder weitergefahren. Es ist eine Anstrengung — aber man sieht den Erfolg. Es geht vorwärts!" In den größeren Städten gebärden sich die Nationalsozialisten ja ziemlich hoffnungsvoll, aber auf dem Lande, und das kann man auch schon in kleineren Städten beobachten, sieht es doch wesentlich anders aus. Bei den letzten Wahl- kämpfen haben die Nazis das flache Land förm- lich mit Flugblättern und Plakaten überschwemmt, in kleinen Städten hatten sie mitunter jeden zweiten Tag eine Versammlung oder sonst einen Klamauk, Diesmal ist es merkwürdig still ge- worden bei den Braunhemden. Und das liegt nicht nur daran, daß die Geldgeber zurückhalten- der geworden sind, auch die Stimmung der Wählermassen ist umgeschlagen. Der Klamauk wirkt nicht mehr. Der Katzenjammer beginnt. Die Zeit ist mit uns. Wirke jeder auf seinem Platze: Stadt und Land gemeinsam für den Sozialismus— so werden wir allen Widerständen trotzen!
werden soll, auf 2,4 Millionen Mark jährlich fest- gelegt worden. Aber die Entwicklung der Wirt- schost in den letzten Jahren hat in der Tat eine wesentlich geringere Pachtabgabe gebracht. Schon 1930 blieb die Berek hinter dem vereinbarten Be- trage mit 750000 Mark zurück, und im Etat sür 1932 sind überhaupt nur noch 1,25 Millionen als Pachtsumme angesetzt worden. Der Ober- bürgermeister empfiehlt nun, ein passenderes System der Pachtabgabe anzuwenden, und zwar von den monatlichen Roheinnahmen einen be- stimmten Prozentsatz zu erheben. Diese monat- lichen Pachtraten sollen von der Berek immer erst nach drei Monaten abgelöst werden, damit ihr selbst die nötigen Mittel für ihre Betriebs- führung bleiben. Der Ausschuß stimmte diesem Vorschlag grundsätzlich zu.
Iliegertod im Kanal Nachkorsdhuaxen ergebnislos Es scheint leider Tatsache zu sein, daß die Be- satzung des vermißten Postflugzeuges O 2017 ein Opfer ihres Berufes geworden ist und den Tod in den Wellen des Kanals gefunden hat. Alle Nachforschungen nach der Maschine sind bisher vergeblich gewesen, es sind auch keine Flug- zeugtrllmmer oder Postsäcke von der Ladung ge- sichtet worden. Man hat noch festgestellt, daß der e r st e 8 G 8- R u f bei der englischen Funkstation in Croydon ganz klar ankam, während die späteren Hilferufe in der etwas flüchtigen Weise, wie sie gefunkt waren, für den Sachverständigen erkennen ließen, daß der sendende Funker offen- bar in großer Erregung die Taste bediente. Man
nimmt jetzt an, daß das Flugzeug nach Eintritt der Motorpanne über dem Kanal zum Gleitflug ansetzte und wohl den Versuch machte, die eng- tische Küste wieder zu erreichen. Dabei ist die O 2017 aber wahrscheinlich in der Dunkelheit und bei dem zu jener Zeit im Kanal herrschenden Sturm nach Nordwesten abgetrieben worden und hat infolgedessen das rettende Land verfehlt. Der Flugzeugführer Wilhelm C u n o stand im 32, Lebensjahr und war ein gebürtiger Danziger, Im Dienst der Lufthansa hat er insgesamt 302 000 Kilometer zurückgelegt, davon mehr als 120 000 Kilometer im Nachtslug. Auf der Nachtpoststrecke Köln— London war er seit länger als zwei Jahren tätig. Sein Begleiter, der Funkermaschinist Werner D r e b e s, stammt aus Berlin , stand im 31. Lebensjahre und war in Köln verheiratet.
Brand in Stettin i�we! Tote, vier Schwerverletzte Wie der Berliner Feuerwehr aus Stettin berichtet wird, wütete gestern in den Z ü I l- chower An st alten in Warsow bei Stettin ein Großfeuer, das für die cöschmannschaften der SIettiner Wehr von furchtbaren Folgen war. Nachdem der Brand eingedämmt war, stürzte ein Teil des Gebäudes krachend zusammen. Sechs Zeuerwehrbeamte, Brandirektor Senkel, Ober- brandingenieur Rösener, die Brandmeister Machet und Meier sowie die Oberseuerwehrleute Boß und waser wurden unter den glühenden Trümmern begraben. Nur mit Mühe konnten die Ver- unglückten aus ihrer entsetzlichen Lage befreit werden. Brandmeister Machet, dem ein Bein abgequetscht wurde, und Oberbrandingenieur Röse- oer sind inzwischen ihren furchtbaren Verletzungen erlegen. Leider ist zu besürchlen, daß die Brand- katastrophe noch ein drittes Todesopfer fordern wird, denn dem Brandirektor Senkel mußte ein Bein amputiert werden. Außerdem hat Senkel schwere Knochenbrüche und innere Verletzungen erlitten.
„Blinder Passagier" bekannt Elncht wegen Mietschulden Das Geheimnis um den seltsamen Reisenden, der vor einigen Tagen in dem D-Zug 45 Wiesbaden— Berlin anscheinend bewußtlos aufgefunden wurde, konnte jetzt endlich aufgeklärt werden. Eine ganze Woche war es dem Mann gelungen, seine Personalien vor der Polizei geheim zu halten, Die Vermutung, daß es sich um einen Simulanten handelt, hat sich nun als richtig herausgestellt. Wie der Berliner Polizei gestern abend aus Wies- baden mitgeteilt wurde, ist der„Mann im D-Zug" ein 35 Jahre alter Schlosser Richard Bauer, der lange Zeit in Wiesbaden möbliert wohnte. Da B, ohne Verdienst war, hatte er bei seiner Wirtin beträchtliche Mietschulden. In den Abend- stunden des 17. Oktober entfernte er sich heimlich aus der Wohnung und einige Tage später trat er die Fahrt nach Berlin an. Vermutlich hat er eine Bahnsteigkarte benutzt oder für eine kurze Strecke eine Fahrkarte gelöst. Den größten Teil legte er dann als„blinder Passagier" zurück.
Todessturz auk dem Neubau! Auf dem Neubau in der Schneewittchenstraße 30 in Köpenick ereignete sich ein tödlicher Unfall. Beim Ueberschreiten einer Laufplanke verlor der 55 Jahre alte Zimmermann Fritz Hausknecht aus der Niederbarnimer Straße 11 in Berlin den Halt und stürzte kopfüber in die Tiefe. Der Ar- beiter erlitt einen Halswirbelbruch, an dessen Folgen er im Köpenicker Krankenhaus einige Zeit nach seiner Aufnahme gestorben ist.
Spuk am Kilometerstein i£ukall, Angst oder was sonst?
KON LINON
weil sie in dieser Cigarette stets ihre berechtigten Ansprüche aut Qualität, Frische und Format erfüllt sehen. /?äs ist höher zu bewerten eis Zugehen wie Wert merken, Gutscheine und Stickereien, die aruno dusschiießen muß, um ihre anerkennte Güte zu wehren. So besteht eine Verbundenheit des Rauchers mit seiner Juno!