Abend- Ausgabe
Nr. 524 B 254 49. Jahrg.
Vorwärt
Wählt Liste 2
Sozialdemokraten
SONNABEND
5. November 1932
Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 8 Sernsprecher: 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemokrat Berlin
BERLINER
VOLKSBLATT
Für Lifte 2!
Unser Kampf für Recht und Freiheit!
Die gestrige Kundgebung im Sportpalast hat für die unerschütterliche Stärke der Sozialdemokratischen Partei in Berlin das eindrucksvollste Zeugnis abgelegt. Daß sie unter den erschwerenden Umständen des Verkehrsstreits einen jo glänzenden Verlauf nehmen konnte, gibt ihr eine besondere Bedeutung. Aufs neue hat sich die sozialdemokratische Arbeiterschaft als ein Zentrum des moralischen Widerstandes gegen die nationalbolschewistische Verwirrung erwiesen. Ohne ihre Besonnenheit und Stärke wäre Deutschland schon längst ein einziges Trümmerfeld!
Am morgigen Wahlsonntag steht die Sozialdemokratie vor einer neuen Kraftprobe. Im Dreifrontenkrieg gegen die Regierung der Barone, gegen den Faschismus und die KPD . soll und wird sie aufs neue ihre Unerschütterlichkeit beweisen. Ihr werden sich alle zugesellen, die erkannt haben, daß die wirtschaftliche Krise nur mit Sozialismus und die politische krise nur mit Demokratie zu heilen ist.
Auch hier ist der Berliner Verkehrsstreif geradezu Sinnbild der Situation. Getreu der Parole, daß der Hauptschlag gegen die Sozialdemokratie zu führen ist, sind die kommunistischen Arbeiter in eine politisch und moralisch unmögliche Einheitsfront mit den HitlerGarden gegen ihre gewerkschaftlich disziplinierten Kollegen hineinmanövriert worden. Rotfront mit Hitler- Heil ist die neueste Mode. Aber auch diesem Rausch wird ein fahenjämmerliches Erwachen folgen.
Durch das tolle Treiben tingsum geht die Sozialdemokratie aufrecht ihren Weg. Sie ist und bleibt die Partei jener Boltsmassen, die in aller Not und Sorge dieser Zeit ihren politischen Verstand bewahrt haben, und sie ist das gegebene Sammelbecken für jene Schichten, die nach dem Zusammenbruch törichter Jllusionen zur Vernunft zurückfinden. In Verteidigung und Angriff, im Zerstören alter unhaltbar gewordener Zustände wie im Aufbau einer neuen besseren Ordnung der Dinge fällt ihr die entscheidende Arbeit zu.
Die Zukunft des arbeitenden Bolkes, der Demokratie und des Sozialismus hängt von der Stärke ab, in der die Sozialdemokratische Partei morgen aus der Wahlschlacht zurücktehrt.
Daran denkt, in diesem Sinne handelt jeder Genosse und jede Genoffin im unermüdlichen Ram für Liste 2!
Autoritäre Staatsführung
Polizei als Allheilmittel
In der Reichskanzlei fand am Freitagabend eine Besprechung zwischen Vertretern der Reichsregierung und den in Preußen tätigen Kommisfaren der Papen- Barone über den Berliner Verkehrsstreit statt. Man kam dahin überein, daß die gesamte Berliner Schuhpolizei heute aufgeboten werden soll, um dem Streit unter allen Umständen ein Ende zu bereiten.
Mit Polizei und Auflagenachrichten allein stell auch der fommiffarischste Reichskommissar die „ öffentliche Sicherheit und Ordnung" nicht her. Dazu bedarf er auch eines Mindestmaßes von Verfrauen im Bolte selbst!
Sozialdemokratische Riesenkundgebung im Sportpalast
Zehntausende demonstrieren für Freiheit und Sozialismus
Frieden im Gasbetrieb
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Bis 1. Februar 1933 erfolgt kein Lohnabbau Die Arbeit geht weiter
Der Konflikt in der Gasbetriebsgesellschaft ist heute nacht um 2 Uhr nach Berhandlungen zwischen der Direktion und den freigewerk. schaftlichen Vertrauensleuten beigelegt worden. Wie erinnerlich, hatte die Direktion mit einer Berkürzung der Arbeitszeit von zwei Stunden zur Vermeidung von Entlassungen eine weitere Sentung der Löhne verlangt, so daß insgesamt eine Berdienstminderung von 7 bis 8 Proz. eingetreten wäre, nachdem innerhalb eines Jahres die Berdienstminderung der Belegschaft der Gasbetriebsgesellschaft bereits 30 Proz. betragen hat.
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Die Gasbetriebsgesellschaft hatte mit der notwendigen Verkürzung der Arbeitszeit immer wieder gewartet. Während in den Städtischen Gaswerken die Arbeitszeitverkürzung auf 44 Stunden bereits im Januar 1931 einsetzte, als ein Lohnabbau noch nicht stattgefunden hatte und somit die
Berdienstminderung die Belegschaft weniger hart traf, begann die Gasbetriebsgesellschaft mit der Berkürzung der Arbeitszeit ein Jahr später, als die Löhne schon erheblich abgebaut waren. Dieser Umstand hat zur Verschärfung des Konflikts beigetragen.
Nachdem das Ergebnis der Urabstimmung, worüber wir heute früh bereits berichteten, bekannt war, fanden noch in der Nacht neue Berhandlungen statt. Die Direktion erklärte sich schließlich bereit, die Arbeitszeitverkürzung ab 15. November eintreten zu lassen, jedoch die Cohnfürzung, die eine Angleichung an die Stundenlöhne der Städtischen Gasarbeiter bezweckt, er st a b 1. Februar 1933.
Diesem Ergebnis der Berhandlungen haben die Vertrauensleute noch heute nacht zugestimmt. Den Belegschaftsmitgliedern ist darüber heute vormittag Bericht erstattet worden. Damit ist der Konflikt bei der Gasbetriebsgesellschaft beigelegt.
Nach den blutigen Zwischenfällen des Freitagnachmittags verlief die letzte Nacht im großen und ganzen erfreulicherweise ruhig. An einzelnen Stellen hatten sich noch Menschenmassen zusammengerottet, ohne daß es jedoch zu größeren Zwischenfällen gekommen wäre. Im Osten Berlins am Baltenplag und in der Reuchlin und Huttenstraße in Charlottenburg wurden Straßenbahnweichen durch Kommunisten und Nationalsozialisten durch Verschmieren mit 3ement unbrauchbar gemacht.
Während in den frühen Morgenstunden die Straßen noch von jedem städtischen Verkehrsmittel entblößt waren, tauchten in der zehnten Stunde in den einzelnen Bezirken der Stadt die ersten Straßenbahnzüge auf. Auf den Straßen= bahnhöfen hatten sich eine große Anzahl Arbeitswilliger eingefunden. Auch bei der U- Bahn konnte deshalb bald ein Teilverkehr und zwar zuerst auf der Strede Spittelmarkt- Nürn berger Play eingerichtet werden. Sowohl die Straßenbahnzüge als auch die U- Bahnwagen waren durch Schußpolizeibeamte stark gesichert. Trotzdem zeigte sich, daß manche Straßenbahn
züge vom Publikum nur sehr schwach benutzt wurden, weil man nach den gestrigen Borfällen noch Befürchtungen hegte verlegt zu werden.
Gegen Mittag hatte die BBG. bereits über 20 Straßenbahnlinien mit etwa 140 Straßenbahnzügen im Betrieb. Außer dem wurde der Verkehr auf der Hochbahnstrede Warschauer Brüde- Gleis= dreied Westen wieder aufgenommen. Es hat den Anschein, daß im Lauf des Tages mit einem ziemlich normalen Verkehr gerechnet wer den fann.
In den Vormittagsstunden zeigten sich in der Umgebung der Straßenbahndepots wieder verschiedentlich Gruppen von Nationalsozia listen und Kommunisten. Nirgends fam es jedoch zu neuen Sabotageaften, da die Polizei überall starke Posten aufgestellt hatte.
Vollbetrieb in Spandau und Köpenick
Auf einem Teil der Straßenbahnhöfe, so auf dem Bahnhof 28 in Spandau , dem Bahnbof 26 in Köpenid fonnten alle Linien in
Betrieb genommen werden. Bis 11 Uhr waren 130 Straßenbahnzüge, zum Teil mit Anhänger, im Betrieb. Der Omnibusverkehr soll vorläufig aus Sicherheitsgründen nicht aufgenommen wer= den. Auf der Stammstrecke der Hoch- und Untergrundbahn Breitenbachplatz- Binetastraße in Pantom wurde gegen 10% Uhr vormittags der Betrieb wieder aufgenommen, nachdem Leerzüge die Strecke abgefahren hatten.
Monatskarten
Das Nachrichtenamt der Stadt Berlin teilt mit:
Die Zeitkarten der U- Bahn gelten bis auf Widerruf auch auf allen Linien der Straßenbahn und umgekehrt die Monatskarten der Straßenbahn auf der U- Bahn.
Müllabfuhr streikt
Sympathiekundgebung
mit der BVG.- Belegschaft Gestern abend und heute vormittag fanden in den Depots der Städtischen Müllabfuhr Abstimmungen über ei nen Sympathie streik statt, der zur Unterstützung der BVG.- Belegschaft statt. finden soll. Von den rund 1100 Beschäftigten stimmten 893 für Streit, 155 dagegen, während 20 Stimmen ungültig waren. Infolgedessen hat die gesamte Belegschaft der Städtischen Müllabfuhr die Arbeit niedergelegt.
Klagges am Ende Hugenberg kündigt Koalition Braunschweig , 5. November. In einer öffentlichen Erklärung künden die Deutschnationalen heute das Ende der gegenwärtigen Regierungskoalition und baldige Landtags= neuwahlen an. Die nationalsozialistischen Koalitionsfreunde werden als„ parlamentarische Schwätzer" und als Parteiklüngel und Bonzen bezeichnet, die durch einen großen Vertrauensbruch über die finanzpolitischen Absichten Dr. Küchenthals( Einfüh rung einer Schlachtsteuer, das Zollsystem,