,, Der Fall Abegg"
Der neue Reichsminister und als Kommissar in Breußen tätige Dr. Bracht schickt uns mit einem Briefbogen" Der Preußische Minister des Innern" die folgende Auflage", die nach der Pressenotverordnung underändert und ohne sofortige Stellungnahme wiederzugeben ist:
In Nr. 520 vom 3. November 1932 beschäftigt sich der Vorwärts" in einem Aufsatz mit der lleberschrift ,, Der Fall Diels" mit den angeblichen Enthüllungen des 8- Uhr- Abendblatts" zu der Bekundung des Oberregierungsrats Diels über die bekannten Verhandlungen des Staatssekretärs Abegg mit fommunistischen Abgeordneten. Die Ausführungen der Zeitung geben Anlaß zu folgender amtlicher Entgegnung:
1. Es besteht nicht der geringste Anlaß, den Bekundungen des Oberregierungsrats Diels über die Haltung des Staatssekretärs Abegg bei der Besprechung mit den kommunistischen Abgeord neten Kasper und Torgler weniger Glaubwürdigfeit beizumessen als den Einlassungen des Staatssekretärs Abegg. Die allgemeine politische Einstellung Abeggs spricht vielmehr für die Richtigkeit der Aussage des Oberregierungsrats Diels. Daß der Staatssekretär Dr. Abegg die ihm zur Last gelegte Haltung bestreitet, ist verständlich, aber in Anbetracht der Sachlage ohne besonderes Gewicht.
2. Es ist bereits in der amtlichen Entgegnung vom 2. November 1932 auf die irreführenden Mitteilungen des 8- Uhr- Abendblatts" festgestellt worden, daß dem Staatssekretär Abegg nicht der Vorwurf der Begünstigung kommunistischer
Kürzungen der Beamtengehälter usw.) gegen die Interessen des Landes verstoßen hätten. Ein Zusammenarbeiten erscheine kaum noch möglich. Der Zusammenbruch der Harzburger Front nunmehr auch im Lande Braunschweig wurde ausgerechnet in einer Hugenberg - Kundgebung bekannt gegeben.
Eigener Bericht des Vorwärts"
Weimar , 5. November. Die sozialdemokratische ,, Ostthüringer Tribüne" in Gera ist vom thüringischen Innenminister Sautel ab heute bis einschließlich Dienstag nächster Woche verboten worden wegen eines Artikels, in dem Kritik an dem Haßgebeterlaß des nationalsozialistischen Volksbildungsministers" Wächtler geübt wird. Und zwar erblickt das Innenministerium in diesem Artikel eine Aufforderung zum Ungehorsam an die Schulfinder!
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Außerdem hat die Polizeidirektion in Alten burg eine für heute einberufene öffentliche Kundgebung der Eisernen Front wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten. Begründet wird das Verbot damit, daß in einer Versammlung am Mittwoch die Verfammlungsleitung angeblich nicht mehr Herr der Lage war!
Wie bereits kurz mitgeteilt, wurde in der vergangenen Nacht von einem SA. - Terrortrupp auf das Reichsbanner- Verkehrslokal in der Stra auer Straße 10 ein Ueberfall verübt. Gegen 23.30 Uhr, als nur wenige Gäste in der Gastwirtschaft weilten, fuhr plöglich ein Lastauto mit dem Erkennungszeichen IA 71481 durch die Stralauer Straße und hielt unmittelbar vor dem Restaurant. Vom Wagen sprangen etwa 30 bis 35 fast ausnahmslos uniformierte SA.- Leute herunter und brangen mit Hiebwaffen und abgeschnallten Koppelriemen in das ReichsbannerBerkehrslokal ein. Die Anwesenden seßten fich heftig zur Wehr, wobei vier Reichsbannerfameraden Kopfverlegungen erlitten. Die Rowdys zertrümmerten dann die Lokaleinrichtung, schlugen die Scheiben entzwei und flüchteten. Als das alarmierte Ueberfallkommando in der Stralauer Straße eintraf, waren die Täter bereits geflüchtet. Die vier verlegten Reichsbannerkameraden wur den von den Beamten des Ueberfallkommandos zur nächsten Rettungsstelle gebracht.
Nach Schluß der gestrigen Kundgebung im Sportpalast wurden an verschiedenen Stellen der Stadt sozialdemokratische Versammlungsteilnehmer von nationalsozialistischen Wegelagerern überfallen. Mehrere Täter wurden feftgenommen.
In Röntgental schossen Hakenkreuzler auf heimkehrende Reichsbannerleute, Der Ueberfall trug sich in der Nähe des berüchtigten Lokals ,, Edelweiß" zu. Die Schüsse gingen zum Glück sämtlich fehl. Die Täter flüchteten und ent famen.
Befferung im Befinden Severings. Das Befinden des Genossen Severing, der nach einer Wahlversammlung in Frankfurt a. M. an Luftröhrenkatarrh erfrantte, ist soweit gebessert, daß er nach Bielefeld zurückkehren fonnte.
Terrorakte, sondern der Vorwurf zu machen ist, bei der Unterhaltung mit den kommunistischen Abgeordneten diesen zugeredet zu haben, Legalität zu ,, betonen", wobei es dahingestellt bleiben soll, ob er selbst der Meinung war, daß die Kommunisten auf sein Zureden hin tatsächlich legal werden würden, oder ob sie die Legalität nur mit dem Munde betonen sollten. Diese Darstellung hat der Oberregierungsrat Diels niemals eingeschränkt oder geändert, insbesondere auch nicht dem Rechtsanwalt Dr. Feder gegenüber, als dieser ihn bei einem zufälligen Zusammentreffen darauf ansprach, warum er das Verhalten des Staatssekretärs Abegg als Hochverrat be= zeichnet, ihn gleichwohl aber nicht angezeigt habe. Oberregierungsrat Diels hat darauf dem Rechtsanwalt Dr. Feder unmißverständlich entgegnet, daß er zwar den äußeren Tatbestand einer strafbaren Handlung immerhin für gegeben erachtet, bei Berücksichtigung der eigenartigen ideologischen Einstellung des Staatssekretärs Abegg den Kommunisten gegenüber aber die subjektiven Vorausfegungen nicht für vorliegend habe halten können. Die objektive Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens eines hohen preußischen Beamten bleibt hiernach bestehen; bei den Reichsmaßnahmen war der Vorgang auch nur unter diesem Gesichtspunkt gewertet worden.
Berlin , den 4. November 1932.
Der preußische Minister des Innern. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt Dr. Bracht.
Zorgler erklärt
Worüber hat er verhandelt?
Der Reichstagsabgeordnete Tor gler und der Landtagsabgeordnete Kasper übergeben der Deffentlichkeit folgende Erklärung:
,, Die ,, Deutsche Allgemeine Zeitung" vom Freitag, dem 4. November, veröffentlicht Auszüge aus dem amtlichen Protokoll über Befundungen, die der Oberregierungsrat Diels über unsere Unterredung mit dem Staatssekretär Dr. Abegg am 4. Juni 1932 gemacht haben soll. Nach den Aus= zügen der., DA3." widersprechen die proto follierten Bekundungen durchaus dem wirklichen Verlauf der Unterredung.
Es ist unwahr, daß bei jener Unterredung, zu der wir durch den Staatssekretär Abegg und den Oberegierungsrat Diels aufgefordert wurden, zwischen uns und Herrn Abegg irgendwelche Vereinbarungen, wenn auch nur unformeller Art, getroffen wurden. Die Unterredung verlief vielmehr in der Form, daß wir verschiedene seitens des Herrn Abegg gegen die Kommunistische Partei und kommunistische Presse erhobene Anschuldigungen ebenso richtigstellten und zurückwiesen, wie wir in absolut unzweideutiger Form die Forderung Abeggs auf Abschwächung der revo lutionären Agitation und Propa ganda der KPD. aufs schärfste ablehnten. Ebenso unwahr ist, daß wir auf Fragen des Herrn Abegg über das Verhalten der KPD. im Preußischen Landtag bei der Wahl des Ministerpräsidenten erklärt hätten, uns Vorschläge über eine der selbstverständlichen prinzipiellen Stellungnahme der KPD. entgegengesetzte Taktik„, durch den Kopf gehen lassen zu wollen". Weder wörtlich noch dem Sinne nach ist eine ähnliche Formulie= rung von uns gebraucht worden. Vielmehr wurde in dieser wie in allen Fragen von uns in flarer
Kaputte Finanzen
Pressenotiz: Das Defizit in Preußen wächst.
FINANZE
BRACHT
Bracht: Bis zum 6. November werde ich's gerade noch halten können."
Eine ernste Mahnung
Das Schreiben, das Ministerpräsident Otto Braun an den Reichspräsidenten gerichtet hat, wird nun veröffentlicht. Es heißt darin:
,, Die preußische Staatsregierung ist übereinstimmend der Auffassung, daß das Reich seine Pflicht, die Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober dieses Jahres durchzuführen, bisher nicht erfüllt hat. Die Staatsminister müssen es nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zwar dulden, daß Zuständigkeiten des Landes in weitem Umfange vorübergehend auf das Reich übertragen werden, sie haben aber Anspruch darauf, daß sie in ihr Amt als Staatsminister und als Landesregierung ohne jeden Vorbehalt wieder eingesezt werden. Das ist bisher nicht geschehen.
In erster Linie habe ich namens der Staatsregierung den Wunsch ausgesprochen, daß nunmehr die Verordnung vom 20. Juli aufgehoben und von allen Sondermaßnahmen in Preußen abgesehen wird. Wenn Sie, Herr Reichspräsident, es nicht für möglich gehalten haben, diesem Wunsche zu entsprechen, so bedauert dies die Staatsregierung aufrichtig. fügt sich aber selbstverständ= lich denjenigen Anordnungen, zu denen Sie nach der Verfassung und der Auslegung der Verfassung durch die Entscheidung des Staatsgerichtshofs befugt sind. Um so mehr war es aber
Gewählt wird
von 9 bis 6 Uhe
Liste 2
Weise der Standpuntt unserer Partei vertreten, die den schärfsten Kampf gegen die Papen- und Schleicher Regierung im Reich und die HitlerBewegung, auf deren Rücken Papen zur Macht gekommen ist, mit dem rückhaltlosen Kampf gegen die Braun- Severing- Regierung in Preußen stets verbunden hat."
den
Polizeichef verhaftet Polizei Eigener Bericht des Vorwärts" Eutin , 4. November. Der Schwabenstreich des nationalsozialistischen Regierungspräsidenten Böhmker, der deutschnationalen Bürgermeister jeines Amtes entfeht hat, löst miffamt feinen Begleiterscheinungen mehr und mehr ein schallendes Gelächter aus. Trotzdem ist die Amtsentsetzung noch längst nicht so eine herrliche Köpenickiade wie folgender Vorgang, der sich am Freitag in Eutin ereignete.
Die Polizei verhaftete einen flüchtigen Nationalsozialisten, der wegen einer Anzahl Bergehen im Zusammenhang mit den Bombenattentaten gesucht wurde und sich vorübergehend in Eutin aufhielt. Der verhaftete Nazi wurde dem nationalsozialistischen stellvertretenden Bürgermeister vorgeführt, der ihn in seiner Eigenschaft als Polizeiverwal ter jedoch wieder freiließ. Dieser Bürgermeister wußte nicht, daß bereits zwei Polizeibeamte vom Bolizeipräsidium in Altona sich auf den Fersen des gesuchten Nazis befanden. Als die beiden Polizeibeamten, ein Polizeileutnant und ein Bolizeiassistent, ankündigten, den freigelassenen Nazi zu verhaften, wurden sie von dem stellvertretenden Bürgermeister verhaftet. Noch ehe aber die beiden verhafteten Polizisten in Gewahrsam ab geführt werden konnten, gelang es ihnen zu flüchben. Sie alarmierten sofort die dem Naziregierungspräsidenten unterstellte Landespolizei und verhafteten nunmehr ihrerseits den flüchtigen Naziverbrecher, der sich jeßt in Haft befindet.
In Eutin hat dieser Streich neben anderen, die sich in den letzten Tagen ereignet haben, das GeIlächter noch weiter ansteigen lassen.
Liebling des Gerichts
Nazirowdy straffrei
Die Straftammer des Landgerichts II hob heute das Urteil des Schöffengerichts Schöneberg gegen den bereits einmal wegen Körperverlegung vor= bestraften SA.- Mann Kaminiti, der 4 Monate Gefängnis erhalten hatte, auf und sprach ihn von der Anklage der gemeinschaftlichen gefährlichen
unter diesen Umständen die Pflicht der Kommisfare des Reiches, der verfassungsmäßigen Landesregierung mit der erforderlichen sachlichen und formellen Achtung ihrer Rechte zu begegnen.“
Der Brief schildert dann im einzelnen, wie fich die kommissarische Regierung weigere, dem Staatsministerium den ausreichenden amtlichen Apparat und die notwendigen Amtsräume zur Verfügung zu stellen."
Zum Schluß heißt es in dem Schreiben:
,, Nach Artikel 19 Absatz 2 der Reichsverfassung vollstreckt der Reichspräsident das Urteil des Staatsgerichtshofs. Zugleich ist der Reichspräfident diejenige Instanz, welche nachzuprüfen hat, ob der Reichskommissar bei seinen Maßnahmen fachgemäß verfahren ist. Namens der preußischen Staatsregierung bitte ich Sie, Herr Reichspräsident, die loyale Durchführung der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zu veranlassen. Zugleich bitten wir Sie, die wenig ritterliche Art und Weise, in der Kommissare des Reichs die Mitglieder der rechtmäßigen Landesregierung Preußen behandeln, abzustellen
Wir bitten Sie, Herr Reichspräsident, durch Ihre Anweisung es dem Lande Preußen und dem Reiche zu ersparen, daß nochmals der Staatsgerichtshof angerufen wer den muß"
Körperverletzung frei. Es sei ihm nicht zu widerlegen, hieß es in der Urteilsbegründung, daß er in Notwehr gehandelt habe. Das Gericht hat sich wieder einmal von den verlogenen Naziaussagen einwickeln lassen. Die väterliche Mahnung des Vorfigenden, so etwas nicht wieder zu tun", dürfte wenig nügen, der Freispruch dagegen enthoben wurde? Richtig, er ist's!
Im Juli d. J. befanden sich fünf Schöneberger Jungbannerkameraden auf dem Wege zum Jugendheim in der Hauptstraße. Ihnen entgegen tamen etwa 18 S.- Leute. Der größte Teil der Nazis war bereits an ihnen vorbei, als einer der Reichsbannerkameraden zu einem anderen sagte: Das ist der Zeitungshändler sowieso. Dieser maç das gehört haben, er fehrte um, ging auf den Reichsbannermann zu, es entstand ein Wortwechsel, der SA.- Mann versetzte den ersten Schlag. Die Nazis stürmten herbei, die Jungbannerleute verteidigten sich, so gut sie das gegenüber der Uebermacht konnten, es gelang, den SA.- Mann Kaminski, der mit dem Koppel geschlagen hatte, festzustellen. Seine Verteidigung im ersten Termin, er habe in Notmehr gehandelt, zog nicht; er wurde verurteilt. In der gestrigen Verhandlung hatte er mit dem üblichen Notwehr- Nazimärchen vollen Erfolg. Er behauptete, die SA.- Leute wären die Angegriffenen gewesen. Da wir in der Uebermacht waren, meinte er mit treuem Blick, hätten wir niemals den Gegner angegriffen! Na, wir haben auch das schon erlebt, erwiderte darauf der Borsigende, Troß dieser verlogenen Beweisführung wurde der bereits wegen Körperverlegung vorbestrafte Rowdy freigesprochen. Man dürfte ihn in Moabit bald wiedersehen.
Bom Auto erdrückt
SA.- Leute in Schlesien verunglückt Ciegnig, 5. November. Als gestern abend die ersten Teilnehmer einer nationalsozialistischen Bersammlung in Groß- Baudiß aus dem Bersammlungslokal auf die Dorfrief in einer kurve ins Schleudern. Der Lastzug mit Anhänger entgegen. Der Anhängerwagen gerief in der Surve ins Schleudern. Der Laftzug fuhr mitten in die auf dem Heimweg befindlichen Bersammlungsteilnehmer. Die Arbeiter Hoffmann und Kretschmer und der Schmied Hielscher wurden von dem Anhänger an eine Mauergedrückt und getötet. Der S.- Mann Schistan wurde schwer verletzt. Die drei tödlich Berunglückten waren verheiratet.
Beamtengehälter
Streit auch in Frankreich Eigener Bericht des Vorwärts" Paris , 5. November. Die Regierung Herriot hatte auf dem radikalen Parteifongreß durch die Ablehnung des Fraktionszwangs bei Abstimmungen eine flare Niederlage erlitten. Wenige Stunden darauf trug Herriot einen Erfolg davon. Trog heftiger Oppofition billigte der Kongreß den Finanzplan der Regierung, der eine Verringerung dec Beamtengehälter und Pensionen vorsieht. Der Kongreß hat damit einen tartellfeindlichen Beschluß gefaßt, denn die Sozia= listen sind entschlossen, sich mit allen Mitteln einer Senkung der Gehälter zu widersezen. Der linke Flügel der Radikalen, der ein Zusammengehen mit den Sozialisten wünscht, will daher eine neue Offensive gegen die Regierungspolitik unternehmen, die aber wenig Aussicht auf Erfolg hat.