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Abend-Ausgabe Nr. 526 B 255 49. Jahrg.

Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 207 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

7. November 1932

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Fort mit Papen und den Baronen!

Ein rechtsgültiges Mißtrauensvotum: 514: 68 gegen Papen

Das Kabinett der Barone, das so groß­spurig auf seine Macht und seinen. Willen gepocht hat, dem Volke eine konterrevolutio­näre Verfassung aufzuzwingen, mustert im neuen Reichstag, nehmt alles nur in allem, eine Truppe von 68 Mann. Ganze 68 Mann von 582! Das ist ein Miß­trauensvotum des Volkes von unzweideutiger Wucht! Dieses Mißtrauensvotum läßt sich nicht als rechtsungültig erklären wie das Mißtrauensvotum des alten Reichstages! Das Kabinett der arone ist vom Bolte gerichtet!

Der neue Reichstag hat 582 Abgeordnete. Die Mehrheit beträgt 292. Eine schwarz= braune Roalition ist unmöglich ge­worden. Ein Rechtsblock, der eine parlamen­tarische Mehrheit hätte, ist nur möglich, wenn zum Zentrum und den Nationalsozialisten entweder die Deutschnationalen, oder sämt­liche Splitterparteien stoßen würden. Anderer seits besteht nach wie vor eine national sozialistisch- kommunistische Mehrheit. Auf jeden Fall aber besteht eine gewaltige Mehr heit gegen Papen !

Hitler , der Mann, der 35 Mandate verlor, hat einen Aufruf an seine Partei erlassen, in dem er einen neuen Propagandafeldzug gegen Hugenberg und Papen verlangt. Er fündigt an: Ehe dieses Regiment und die es deckenden Parteien nicht bis zur Vernich tung geschlagen sind, gibt es kein Verhan­deln." Hitler will also Koalitionsverhand­lungen führen, sobald Papen gestürzt sein wird.

Das Kabinett der Barone aber läßt un bekümmert um das Mißtrauensvotum des Volkes verkünden, daß für das Schicksal des neuen Reichstages die Haltung maßgebend sein würde, die er zu der Ver= fassungsvorlage

der Papen, Gaylund Genossen einnehmen werde! Das Kabinett der geschlagenen Barone zeigt Gelüste, den Weg gegen das Volk und sein Recht weiter zu gehen! Diese Parteiregierung einer verschwindenden Minderheit spielt meiter mit dem Gedanken einer Vergewal­tigung des Volkswillens!

Die Front gegen die konterrevolutionären Pläne ist heute stärker als nach dem Juli 1931. Der Widerstand gegen die reaf­tionären Diktaturpläne steigt unaufhaltsam! Er wird noch wachsen und noch stär­fer steigen, wenn die Barone sich hartnäckig an die Regierungssessel flammern, um dem Volke ein neues Junkerregiment zu diktieren! Die Verfassungspläne, die Freiherr von Gayl herstellen läßt, find an gesichts des Wahlausganges nicht das Papier wert, auf dem sie entworfen werden! Wenn die Barone das Recht des Bolkes mit Füßen treten wollen, so werden sie ihr blaues Wunder erleben!

Das Kabinett des Herrn von Papen hat zu verschwinden, und mit ihm die reaktionären Pläne gegen die Volkssouveränität und die demokratischen Rechte des Boltes! Wenn Herr von Papen dem Mißtrauensvotum des Boltes nicht weichen will, so ist es die Pflicht des Reichspräsidenten , das Urteil des Volkes zu vollstrecken.

Papens himmlische Ruhe

In ihren ersten Berlautbarungen will die Re­gierung Papen dem Bolle einreden, daß sie mit dem Wahlergebnis im ganzen recht zufrieden sei. Bescheidener fann man taum sein. Sie läßt am Montagmittag folgendes verlautbaren:

An der Situation habe sich nichts Wefent­liches geändert. Die Regierung habe teine Beranlassung, von ihrem bisherigen

Das Ergebnis der Wahl

Das vorläufige amtliche Endergebnis stellt feft, daß 35 402 306 Stimmen abgegeben worden sind gegen 37 162 084 am 31. Juli. Dic Wahlbeteiligung betrug 79,5 Proz. gegen 84 Proz. am 31. Juli. Der nene Reichstag wird 582 Abgeordnete haben gegen 608 im alten Reichstag. Stimmen und Mandate verteilen sich wie folgt:

Juli 1932

Manbate Juli 1932 Prozent Juli 1932

Nationalsozialisten 11713 785( 13745 781) 195( 230) 33,2( 37,3) Sozialdemokraten. 7 237894( 7959 712) 121( 133) 20,4( 21,6) ( 5 282 626) ( 4589335)

Kommunisten Zentrum Deutschnationale. Bahr. Volkspartei D. Volkspartei.. Staatspartei. Christlichsoziale. Hannoveraner... Wirtschaftspartei. D. Bauern Partei Landbund Landvolk. Volksrechtspartei.

SAP. Württ. Bauernbd. Nat. Minderheiten Sozialrepubl. Part.

5974 209 4228 633 3064 977

100

( 89) 16,8( 14,3)

69

( 75) 11,9( 12,1)

( 2177414)

51

( 37) 8,6

( 5,9)

1081932 660 092 338 064

( 1192 684)

19

( 22) 3,1

( 3,2)

( 436 012)

11

( 7)

1,8

( 1,2)

( 371 792)

2

( 4) 0,9

( 1,0)

( 364 542)

5

( 3) 1,1

( 1,0)

( 46.929)

1

( 146 876)

( 2) 0,3( 0,4)

( 137 138)

3

( 4)

1

( 90 554) ( 40825)

0,1( 0,2)

-

( 1)

412 685 63 999 110 181 148990 60065 46 498 46 096 45 036 105 188 34510 8498

Kursabzugehen. Es werde jetzt die Sache der Parteien sein, dafür zu sorgen, daß der Reichstag positiv arbeite. Die Reichsregierung sei nach wie vor bereit, ihre Basis zu erweitern. Wie der Reichskanzler in einer seiner letzten Reden jagte, halte die Reichsregierung die Arme offen für jeden, der bereit sei, mit ihr zufammenzu­arteiten.

Um ihre Selbstzufriedenheit zu begründen, geht also die Regierung der Barone davon aus, daß der neue Reichstag gegenüber dem früheren keine wesentliche Veränderung aufweisen werde. Aber wenn diese Feststellung zutrifft, dann liegt ge= rade darin schon eine e flatante Nieder­

lage Papens . Denn wozu hat er denn den Reichstag aufgelöst, wenn nicht in der Hoffnung, daß aus den Wahlen ein wesentlich anders aus= sehender Reichstag hervorgehen würde.

( 96 851)

2

13

0,3( 0,1)

teilt, haben sich heute insgesamt über 6000 Ar­beiter und Angestellte zur Arbeits­wiederaufnahme auf ihren Arbeits- und Dienst­stellen eingefunden. Die Zahl der Arbeitswilligen mächst ständig.

In Mariendorf an der Kreuzung Dorf­und Chauffe estraße wurde gegen 3 Uhr nachts ein Sabotageaft verübt Eine dort befind­liche Umformersäule, in der der Stark­strom umgewandelt wird, wurde von unbekannten Tätern in Brand gesezt. Es erfolgte Kurz­schluß und der Feuerschein war filometerweit zu erkennen. Da die Starkstromkabel sämtlich zer­stört wurden, gerieten die Schienen unter Hoch­spannung. Glücklicherweise ist niemand zu Schaden gekommen. Die alarmierte Feuerwehr mußte fich darauf beschränken, die Gefahrenzone in weitem Umfange zu sichern. Die Täter hatten auf den Schienen Zettel niedergelegt, auf denen geschrieben stand: Nicht betreten Lebensgefahr." Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen auf­

Berkehr kommt in Gang genommen. An anderen Stellen ist es nirgends

45 Straßenbahnlinien in Betrieb

3m Laufe des heutigen Bormittages ift es der BBG. gelungen, auf 45 Straßenbahnlinien rund 430 Straßenbahnwagen zum Teil mit Anhängern in Betrieb zu sehen. Damit waren aber erst 45 Proz. des normalen Berkehrs er­reicht. 3m Autobusverkehr fonnten 150 Wagen, die sich auf 12 Linien verteilen, die Depots verlaffen. Das sind 40 Proz. des normalen Verkehrs. Recht schwach dagegen ist noch immer der U- Bahnbetrieb. Bisher fonnten nur die Teilffreden Steffiner Bahnhof- Tempelhof- Süd­ring auf der Nordfüdbahn, Breitenbachplatz­Alexanderplatz und Nollendorfplah- Hauptstraße ( Schöneberg ) befahren werden. Während sich in der Innenstadt der Verkehr schon recht flott ab­widelte, machten sich in den Außenbezirken die Folgen des Streifs noch recht bemerkbar.

Sämtliche im Betrieb befindlichen Fahrzeuge wurden wieder wie an den Vortagen von Schupo­beamten begleitet. Auch auf den U- Bahnhöfen standen überall Doppelposten. Wie die BVG. mit­

zu weiteren Ausschreitungen gekommen.

*

Bon gestern nacht bis heute früh wurden 106 Personen, meist hafentreuzler und Kommunisten, wegen politischer Aus­schreitungen festgenommen und der Politischen Polizei des Polizeipräsidiums zugeführt.

Hitler - Defensive

Neue Parolen vom Braunen Haus

Die Niederlage der NSDAP . hat eine Serie von Hitler- Aufrufen hervorgerufen, in denen heftig gegen Papen und Hugenberg polemisiert wird. Es heißt in dem Hauptaufruf:

Keinerlei Kompromisse und fein Gedanke an irgendeine Verständigung mit diesen Elementen! Ich treffe für die Weiterführung des Kampfes daher folgende Anordnungen:

1. Alle organisatorischen Fragen und Ar­beiten der Partei treten ab sofort zurüd gegen­über der Aufgabe der äußersten Ber. tärkung unserer Propaganda.

2. Sämtliche Parteiinstanzen treffen sofort hre Maßnahmen zur Einleitung des neuen ẞropagandafeldzuges.

3. Ehe dieses Regiment und die es deckenden Barteien nicht bis zur Vernichtung geschlagen sind, gibt es fein Verhandeln!

Es ist klar, daß dieser Parolebefehl getragen ist von der Sorge, daß der Rückgang der NSDAP . lawinenartig weitergreifen könnte! Es

qw.

Enttäuschung

..Der Schaden wird sich wohl nicht mehr reparieren lassen."

ist Defensivpropaganda die hier ange­fündigt wird!

Politisch will die Deflamation nichts anderes besagen, daß Hitler verhandeln will. Auch mit Hugenberg , aber ohne Papen .

Marr stärker als Hitler!

Eigener Bericht des Vorwärts" Wien , 7. November. Die Arbeiter 3eitung schreibt zu dem Ergebnis der deutschen Wahlen:

,, Die entscheidende Tatsache dieser Wahlen ist, daß der Aufstieg der Hafenkreuzler zu Ende ist. In beispiellofem Tempo hatte die faschistische Welle in den Jahren der Krise Deutsch­ land zu überfluten und alle Dämme zu durch­brechen gedroht. Bei den letzten Wahlen hat sich eine Berlangsamung des Tempos gezeigt; bei diesen Wahlen ist zum ersten Male der wirkliche Rückschlag eingetreten. Die Nationalsozialisten haben verloren. Der mystische Glanz, der der Hitler- Bewegung so viele Mitläuser warb, iſt dahin. Die Legalität, auf die sich diese aus ent­wurzelten proletarischen Existenzen und Klein­bürgern zusammengesetzte Bewegung festgelegt hatte, hat sie auf dem Boden der Demokratie, den sie wider Willen betreten mußten, geschlagen.