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Buchthaus!

Gegen streikende Straßenbahner

Während bisher die anläßlich des Straßen­bahnerstreits Festgenommenen vor den Schnell­richter tamen, follen nach einer Meldung der TU. etwa 20 verhaftete Kommunisten und National­sozialisten vor das Sondergericht gestellt werden. Die Anklage gegen sie geht auf Trans­portgefährdung, schweren Landfriedensbruch sowie ähnliche Delikte, die nach der Notverordnung vom 9. Auguft mit 3uchthausstrafen bis zu 10 Jahren, gegen sogenannte Rädelsführer" fogar mit 3 uchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft werden. Es handelt sich um Personen, die die Straßenbahn am Fahren ge­hindert, Steine nach den Wagen geworfen und an Zusammenrottungen teilgenommen haben.

Wir haben die Erzesse weder unterstützt noch ge= billigt. Aber mögen sich eine Anzahl Personen auch strafbar gemacht haben, ihre Motive und die angewandten Mittel der Gewalt unter­scheiden sich nicht wesentlich von denen der holsteinischen, ostpreußischen, oldenburgischen usw. Bauern, die mit Gewalt unlängst mit 3wangsversteigerungen verhindert haben. Diese erzedierenden Landbewohner aber find freigesprochen worden. Das aller­höchste deutsche Gericht, das Reichsgericht, hat ihnen feierlich den strafausschließenden über= staatlichen Not stand" zugebilligt. Wir hal­ten das nicht für richtig, wir halten es für ebenso verkehrt, daß man Erzesse gänzlich straffrei läßt, wie daß man sie mit barbarischen Zuchthausstrafen belegt. Was aber das allerschlimmste und abträglichste für das Ansehen des Staates und der Justiz sein müßte, das wäre ein 3 wiefaches Recht, wie es jetzt an­scheinend geschaffen werden soll: für exzedie­rende Bauern Freispruch, für egze= dierende Arbeiter 10 Jahre 3ucht. haus. Wir warnen nachdrücklichst vor einer folchen Praxis, die die Massen des Volkes in einen Zustand wachsender Empörung hinein­treiben muß.

Hoover ,,, der Engländer"

Sehr starke Kräfte arbeiten gegen Hoover und nuzen alle Blößen aus, die fich Hoover gegeben hat. Eine nicht unwichtige Rolle im Kampf gegen Hoover spielt das Material, das John Knox in einem Buch The great Mistake" über den Präsidenten veröffentlicht hat, und nicht nur sehr unerquickliche Geschäfte des Präsidenten der Vereinigten Staaten behandelt, sondern vor allem, zur Verblüffung der Amerikaner, die begründete Behauptung aufstellt, daß

Hoover gar kein Amerikaner ist, sondern ein Engländer.

Welche Bedeutung eine solche Tatsache im ameri­tanischen Wahlkampf hat, versteht man, wenn man sich der mächtigen amerikanischen natio nalistischen Bewegung erinnert, wenn man bedenkt, daß das hundertprozentige Ameri­fanertum mit allen Mitteln daran arbeitet, aus Amerika eine auch von England unab hängige Nation zu machen, die eifersüchtig auf ihre frisch geschaffene Unabhängigkeit Europa gegenüber macht. Jedenfalls stellt der Verfasser in der letzten schon für den Wahlkampf bestimmten Auflage fest, daß Hoover weder selbst noch durch seine Anhänger ein Wort der Rechtfertigung ver­öffentlichen konnte, und nichts gegen das Buch zu unternehmen vermocht hat, trotz der Mittel, die dem Präsidenten die ameri­tanischen Gerichte bieten würden.

Hoover kam schon als junger Mensch nach Australien und arbeitet seitdem vorwiegend für englische Firmen. Daß er dabei oft gegen Ameritas Interessen arbeiten

Sensationelle Enthüllungen und Anklagen

mußte, soll ihn ungeeignet machen, wieder ameri­kanischer Präsident zu werden. Von Australien ging Hoover, wieder für Engländer, nach China , arbeitete in Bergwerksgeschäften, verdrängte die Chinesen aus ihrem Besiz, es kommt zu einem Prozeß, in dem Hoover nach Aussage eines Hauptzeugen

England als sein Vaterland angegeben

hat. Der von Hoover getätigte Bertrag wurde von einem englischen Gericht aufgelöst, weil er auf be= trügerischer Grundlage errichtet sei.

China vertauscht Hoover bald mit England selbst. Das sind die Jahre vor dem Weltkrieg. Hoover gründet allmählich etwa 20 Gesellschaften, die er gleichzeitig leitet und die alle zu= fammen pleite gehen.

Auch im Kriege arbeitet Hoover zuerst für England, als Leiter des englischen Hilfs­komitees für Belgien . Als später während des Krieges Hoover nach Amerika ging, fam er nicht dahin, um als Amerikaner seinem Vaterland zu dienen, sondern als beauftragter Agent der europäischen Staaten.

Der Haupttrumpf des Buches für Amerika ist aber die Feststellung, daß

Hoover fich fogar als Engländer naturali­fieren ließ.

Wahrscheinlich schon 1911. Denn in den Wähler­liften von Campden Hill figuriert Hoover von 1911 bis 1915 als Wähler. Es besteht also gar fein Zweifel, daß seit erdenklich langen Zeiten, seit

Hamilton, die Vereinigten Staaten in Hoover wieder einen Präsidenten hatten, der mindestens ein Jahrzehnt einen fremden Paß besaß und, was für amerikanische Borstellungen besonders schlimm ist, seine amerikanischen Papiere aufgegeben hatte, um sich dadurch geschäft­liche Vorteile zu sichern.

In Amerifa wurden diese Tatsachen zum ersten­mal nach der Wahl Hoovers im Jahre 1929 be­tannt. Da fürchtete man wohl den Skandal und drückte ein Auge zu, obwohl die amerikanische Ver­faffung Ausländer von der Möglichkeit, Präsident zu werden, ausdrücklich ausschließt. Noch 1917 gab Hoover bei seinem Eintritt in einem ameri­tanischen Klub als ständigen Wohnsiz London an. Seine Absicht, in Amerika zu bleiben, bestand also damals noch nicht.

Hoover wurde im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen vor einen Untersuchungsausschuß ge­laden, der aber nicht feststellen konnte, ob Hoover jemals in Amerika gewählt habe. Hoover hat das qualifizierte Wahlrecht in Amerika nie beseffen. Er ist dort passiver Wähler geworden, ohne aktiver gewesen zu sein.

Ob nun Hoover noch einmal passiver Wähler werden wird, das heißt gewählt wird, werden wir am 8. November wissen. Besonders in der Pro­vinz und im Westen spielen die Vorwürfe, die Hoover als Ausländer gemacht werden, feine kleine Rolle. Hätte er als Ausländer die ameri­fanische Properity durchgehalten, wäre ihm alles verziehen worden. Aber Wirtschaftskrise und als englischer Wähler ins Weiße Haus zu kommen, das wird wohl den hundertprozentigen Yankees zu viel des Guten sein. F. Stössinger.

,, Naziminifter"

Reichsanwalt Jorns beantragt wieder!

Der Schriftleiter unferes Deifauer Partei­organs ,, Volksblatt für Anhalt", Genosse Seeger, wurde am&. August 1932 vom Dessauer Land­gericht wegen Beleidigung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Bergehen gegen die Not­verordnung vom 8. Dezember 1931 zu insgesamt pier Monaten Gefängnis verurteilt, weil er angeblich den anhaltischen nationalsozialistischen Ministerpräsidenten Freyberg öffentlich beleidigt haben soll.

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Diese ,, Beleidigungen" werden darin erblickt, daß Genosse Seeger während eines Telephongespräches dem Ministerpräsidenten Freyberg geantwortet haben soll: ,, Wenn ich es nicht unter meiner Würde hielt, würde ich Ihnen etwas sagen!" Im zweiten Fall war der Führer des Dessauer Reichs­banners von Nationalsozialisten Anfang Juli 1932 ermordet worden. Das anhaltische Staatsministerium gab eine Preffenotiz heraus, in der festgestellt wurde, daß das Reichsbanner die Nationalsozialisten planmäßig überfallen habe. Das Boltsblatt" wehrte sich gegen diese Be= hauptung und stellte demgegenüber in einem Wahl­platat fest, daß die Ermittlungen von der unter dem Kommando des ,, Naziministers" stehenden Dessauer Polizei einseitig geführt wor­den seien.

Das Dessauer Landgericht hatte dem Genossen Seeger die Wahrung berechtigter Interessen ver­sagt. Im ersten und im zweiten Falle habe sich Seeger einer Beleidigung schuldig gemacht, die besonders in dem Wort Nazi­minister" erblickt wurde.

Gegen das Urteil legte Seeger Revision beim Reichsgericht ein, die vor dem ersten Straffenat, unter Vorsiz des Senatspräsidenten Gündel, ver­handelt wurde. Seeger machte in der Hauptsache geltend, daß der Begriff der Beleidigung verkannt worden sei. Eine sachliche, aber scharfe Kritik er­fülle nicht den Tatbestand einer Beleidigung. Es hätte vom Gericht auch geprüft werden müssen, ob nicht die§§ 199 und 193 des StGB. hätten an­gewandt werden müssen. Die Wahrung berech tigter Interessen sei vom Gericht zu Unrecht ab­gelehnt worden. Der Ausdruck ,, Naziminister" sei eine persönliche Gefühlssache und nicht beleidigend. Außerdem rügte die Revision die Ablehnung einer ganzen Reihe von Beweisanträgen.

Als Hüter des Rechts trat dann Reichsan­walt Jorns, der durch den Prozeß um die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Lurem­burgs bekannt wurde, auf den Plan. Er erklärte, daß die Aeußerungen ohne Zweifel geringschäßiger Natur gewesen seien. Die Wahrung berechtiger Interessen sei mit Recht versagt worden. Was den zweiten Fall betreffe, so habe sich der Ange­flagte nicht nur mit einer einfachen Richtigstellung begnügt, sondern er habe der Polizei den Vorwurf gemacht, daß sie die Ermittlungen einseitig geführt habe. Daß der Ministerpräsident Freyberg damit in Verbindung gebracht worden sei, beweise, daß der Angeklagte den Ministerpräsidenten habe be­leidigen wollen. Dies tomme namentlich in dem Ausdruck ,, Naziminister" zum Durchbruch. Dieser Ausdruck sei für ein Staatsober­haupt herabseßend.

Der erste Straffenat folgte dem Antrag Jorns und verwarf die Revision tostenpflichtig.

Damit ist das Urteil rechtsträftig geworden. Eine Kritik an dieser reichsgerichtlichen Entschei bung erübrigt sich, denn sie spricht für sich selbst!

Wintersaison im Wohlfahrtsamt

Der Massenschrei nach Kleidung und Schuhen

Auf den Straßen des Westens konnte man vor furzem vielfach noch Damen im schicken, pelzver­brämten Herbstmantel sehen, über dem Arm einen mollig- warmen Wintermantel aus dickem Woll­stoff oder Pelz. Das waren die Wintersachen, die man den Sommer über in Aufbewahrung hatte. Jezt ist es soweit, jetzt braucht man diese Sachen. Dazu die wärmenden lleberschuhe, und dann ist man gewappnet gegen Wind und Wetter. Die so handeln können, haben es gut. Auf den Woh! fahrtsämtern aber meldet sich jetzt dringlich das Heer jener, deren ausgemergelte, widerstandslose Rörper feinerlei wärmende Hülle umschließt, die nicht mal ganze Schuhe, geschweige denn warme Ueberschuhe besigen; die vor Hunger und falter Stube und Blutleere und zermürbendem Untätig­fein mit dem Frieren seit Wochen begonnen haben und den ganzen, langen Winter aus ihm nicht mehr herauskommen.

Es fehlt überall am Notwendigsten Könnte man, wie man wollte und wie man müßte, so gäbe es für die Unterstügungsempfänger Schuhzeug, marmes Unterzeug und warme Ueber­Kleidung genug. Wo Menschen, besonders Fa= milien, nur ein Jahr lang ohne Einkommen sind von denen, die bereits jahrelang vegetieren, ganz zu schweigen, da fehlt es an allen Eden und Enden am Allernötigsten. Den Kleinen und Kleinsten kann man zur Not immer noch was Wärmendes zusammenflicken, und wenn gar nichts da ist, dann kommen sie einfach nicht auf die Straße. Die Großen aber müssen den täglichen zermürbenden Leerlauf nach dem Nachweis tun, fie pflanzen fich, ob Sturm ob Regen, vor den Zeitungsverlagen auf, um den neuen Stellen­martt noch drudfeucht zu erhaschen, sie müssen nach der Stempelstelle und nach der Massen­speisung, sie fragen hier und horchen da. Und Mutter hängt schon morgens um vier das Ein­holeneg über den Arm und drängelt sich am Bieh hof beim Freibantfleisch. Anschließend wird auf den Großmärkten nach Billigstem, wenn es geht nach Ausrangiertem gefahndet. Ueberhaupt, mer da meint, die Arbeitslosen hätten den ganzen Tag nichts zu tun, der ist auf dem Holzweg. Gewiß, fie schaffen nichts und erwerben daher nichts, aber um sich nur ihr armseliges Dasein überhaupt er­halten zu können, dazu bedarf es gar vieler und oft weiter Wege. Und weil sie alle zu Fuß zurück­gelegt werden müssen, so erfordern sie eine Menge Zeit, ganze Schuhe und wärmende Kleidung.

Die Fürsorgerin hält Umschau Jawohl, warme Kleidung! Aber woher neh­men? Einen warmen Männerwinter mantel gibt es nur auf ärztliches Attest. Aus­genommen hiervon sind die Lungenkranken und fonstwie Schwertranten. Wer feine Knochen noch so halbmegs im Lot hat, der friegt nur eine Joppe. Auch damit muß hausgehalten werden, und jetzt, wo die eigentliche Kälte noch nicht da ist, heißt es vorläufig den Sweater unter dem Anzug tragen. Später wird man weitersehen. Der dringend erneuerungsbedürftige Anzug wird nach Möglichkeit auch bewilligt. Die Mittel hier­für sind eben knapp, und jedes Kleidungsstück mird von der Fürsorgerin nach allen Seiten auf seine etwaige Berwendungsmöglichkeit beäugt. Wenn Vaters Wintermantel zu eng geworden ist

und der Aelteste, der ihn so gern als Nachfolger übernehmen würde, selbst noch ein mantelähnliches. Gebilde besitzt, dann wird der getragene Mantel in der Kleiderverwertungsstelle gegen einen passenden eingetauscht. Findet sich dort nichts Passendes, dann erhält Vater einen neuen, und sein bisheriger Mantel kommt dann wieder einem anderen zugute.

Aehnlich ist es mit den Stiefeln. Ist der Aelteste aus den Schuhen herausgewachsen und sein brüderlicher Hintermann hat die seinigen taputtgelaufen, dann kriegt der Große neue und der Kleine übernimmt die Nachfolge, wobei natur­gemäß nicht streng auf Baßform gesehen werden fann. Zu flein geht natürlich nicht, zu groß iſt nicht weiter schlimm. Da behilft man sich eben mit einer oder auch mehreren Pappsohlen. Wäre mehr Vorrat an getragenen Kleidungsstücken, so fönnten mehr frierende Körper bedeckt werden. Aber die Kleiderverwertungsstelle, besonders in den rein proletarischen Bezirken, hat wenig Sachen. Wer hätte hier, wo die Armen wohnen, etwas Getragenes abzugeben? Eine Kleidersamm­lung verbietet sich hier ganz von selbst, und was die bessergestellten westlichen Bezirke aus ihren Sammlungen den einzelnen Arbeitervierteln zu­weisen können, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem liegen da noch vom Vorjahre

eine Unmasse unberücksichtigt gebliebener An­träge vor, die zuerst einmal dran tommen müssen. Und nun die Schuhe! Wenn die Sohlenfarenz­zeit von 4 Monaten bei Erwachsenen, von etwa 2 Monaten bei Kindern herum ist, geht es nach dem Wohlfahrtsamt. Dort werden die faputten Sohlen vorgezeigt, worauf der Besohlungsschein ausgestellt wird. Ausgerüstet mit diesem, geht es erst zum Schuharzt" im gleichen Hause, der sein Urteil abgibt, ob der lederne Patient überhaupt noch geheilt werden kann. Ist gar nichts mehr zu machen, wird der Besohlschein gegen einen Schuhschein umgetauscht, und man holt sich ein Paar neue. Brennend ist jetzt die Schuh­frage geworden.

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Das Kapitel Wäsche ist womöglich noch viel trauriger. Kaum daß einer mehr als eine Gar nitur hiervon hat. Die wird nun eben getragen sin und getragen, bis sie tatsächlich nicht mehr trag­bar ist. Und dann, wie soll Mutter die Wäsche sauber friegen? Wer gibt ihr Geld für Wasch­mittel, deren gerade solch strapazierte Wäsche in ganz besonders reichlichem Maß bedarf. Es ist ja überhaupt schon so, daß in all den Familien, wo das Elend herrscht, nichts, einfach nichts außer Miete und Essen aufgebracht werden kann. Was taputt geht, das ist für immer dahin. Was fehlt, fann nicht angeschafft werden. Die Lichtrech= nung bedeutet bei den meisten längst feine Ge fahr mehr, der elettrische 3ähler und der Gasautomat sind auf unabsehbare Zeit wohl­versiegelt. Mit der Kohlenration von zwei Zentnern pro Monat wird in der Küche ein arm­seliges Feuerchen unterhalten, um das sich die Familie schart.

Bullerjahn- Prozeß in Berlin

Verhandlung im Oberpräsidium- Lokalter min am Horstweg

Im Berliner Oberpräsidium, das am Sophie­Charlotte- Platz zwischen dem Kaiserdamm und dem Horstweg liegt, trat heute vormittag der 4. Straffenat des Reichsgerichts zusammen, um heute und morgen die Verhandlung des Bullerjahn- Prozesses in Berlin fortzu

führen.

Nachdem der Vorsitzende, Präsident Dr. Bünger, die Berliner Zeugen, die hier vernommen werden sollen, eindringlich zur Wahrheit ermahnt hatte, begaben sich die Prozeßbeteiligten aus dem großen Sigungsfaal wieder auf die Straße, um den Lokaltermin vorznehmen, der dem wesent­lichen Grund zur vorübergehenden Berlegung des Prozesses nach Berlin bildet. Es handelt sich da­bei um die Nachprüfung der Aussage des Ehe poares Langner, durch die Bullerjahn im ersten Prozeß belastet worden war. Die Eheleute Langner, die zum Bekanntenkreise Bullerjahns gehören, wohnen am Horstweg. also in derselben Straße, in der auch der französische Leutnant Jost wohnte, dem Bullerjahn angeblich das Waffenlager verraten haben soll. Im ersten Pro­zeß hatten die Eheleute Langner bekundet, sie hätten am 25. Dezember 1924, also einen Tag nach der Beschlagnahme der Waffenbestände in Karlshorst , Bullerjahn vor dem Oberpräsidium auf dem Sophie- Charlotte- Blaß gesehen und dabei den Eindruck gehabt, daß Bullerjahn bei Jost die Belohnung für den Berrat einfassiert habe.

Das Gericht versucht heute, an Ort und Stelle den Borgang zu rekonstruieren. Frau Langner, die zuerst vernommen wurde, gab die Stelle an,

an der sie sich umgesehen nud etwa zehn Schritte hinter sich Bullerjahn auf dem Bürgersteig be= merkt haben will. Sie sagt, aus der Frontstellung Bullerjahns habe sie den Schluß gezogen, daß er aus dem Horstweg auf den Sophie- Charlotte­Plaz, wo sie ihn nun sah, gekommen sei.

Von einem Beisiger und vom Präsi­denten wurde die Zeugin darauf aufmerksam gemacht, daß Bullerjahn, wenn er tatsächlich aus dem Horstweg gekommen und den Eheleuten Langner in dem angegebenen Abstand gefolgt märe, im Horstweg eine ganze Strede lang mit den Langners parallel gegangen sein müßte, so daß es wahrscheinlich gewesen wäre, daß die Eheleute Langner ihn schon vorher, und zwar im Horstweg selbst, gesehen hätten.

Der Ehemann Langner bestätigt im wesent­lichen die Bekundungen seiner Frau. Er fonnte die Stellung Bullerjahns in dem kritischen die Moment nicht mehr genau angeben und erklärte, er habe nur aus den ganzen Umständen den Schluß gezogen, daß Bullerjahn aus dem Horstweg gekommen sei.

A. Litwat, einer der Gründer und bedeutend­sten Führer des Bund"( Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund ), ist im Alter von 58 Jahren in New York , wo er die letzten Jahre in der ameri­fanischen sozialistischen Bewegung publizistisch und rednerisch tätig war, nach furzer Krankheit ge­storben.