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ZWEITE BEILAGE

Vorwürts G DIENSTAG& NOV. J

Berlins Polizei und Reichstagswahl

Schwere Tage auch für die Schupo- Ein aufschlußreiches Wahlergebnis

In unserer von Krisen geschüttelten Zeit ftand die Polizei mehr als einmal vor der Lösung schwieriger Aufgaben. Die Anforderungen, die durch die letzten Tage vor der Reichstagswahl an die gesamte Berliner Polizei geftellt wurden, haben jedoch alles Bisherige noch übertroffen. Zu der Sicherung des Wahlattes trat die außer­ordentlich schwierige Arbeit, die der Verkehrs­streik den Polizeibeamten gebracht hat. Wenn trotzdem im allgemeinen einzelne Mißgriffe sollen nicht entschuldigt sein J die Beamten ruhig und besonnen ihre Pflicht taten, so verdienen fie Dank und Anerkennung. Seit Donnerstag­miffag war die Mehrzahl der Berliner Schuh­polizeibeamten nicht mehr aus der Uniform ge­tommen. Die Borgänger des augenblicklichen Polizeipräsidenten haben nach ähnlichen Reford­leiffungen und anstrengenden Tagen den Beamten stets als Erholungspause und sichtbare Aner­fennung einige Urlaubstage gewährt. Wir haben noch nicht gehört, daß Herr Dr. Melcher dieser Tradifion freubleiben will.

Am Wahltag, für den für die gesamte Polizei höchste Alarmstufe angesetzt war, glichen einzelne Bezirke der Stadt einem Heer­lager der Polizei. Bis zum letzten Wachtmeister

war alles alarmiert worden, um sowohl die Wahl als auch den Teilverkehr der städtischen Verkehrs­mittel zu schützen und vor Sabotageakte zu be= wahren. Der schwere Dienst hörte auch in den Abendstunden nicht auf, denn auch nach der Ein­stellung des Verkehrs mußten die Straßen weiter gesichert bleiben, um die ordnungsmäßige Ueber­führung der Stimmzettel aus den vielen Wahl­lofalen zu gewährleisten.

Als ein erfreuliches Kennzeichen der Wahl in Berlin darf man die Tatsache ansehen, daß die Ergebnisse in den Wahllokalen, in denen über­wiegend Polizeibeamte ihrer obersten Staats­pflicht genügten, für die Sozialdemokratie und die übrigen republikanischen Parteien recht günstig ausgefallen find. Als beste Stich probe für die Frage nach der politischen Stellung der Polizeibeamten galt auch bei früheren Wahlen schon das Ergebnis des Polizeifranfen= hauses in der Scharnhorststraße, in dem stets Beamte aus den verschiedensten Revieren und der großen Unterkünfte abstimmen. Bei der Wahl am 6. November wurden im Staatstranten­haus folgende Stimmen abgegeben: National­fozialisten 40, Sozialdemokraten 135, Kommunisten 3, Zentrum 31, Deutschnationale 37, Bolkspartei 2 und Staatspartei 6. Die über wiegend größte Stimmenzahl hat also die sozial­

Heute Vollverkehr

Langsame Zunahme der Beförderungsmöglichkeiten

Gestern am frühen Nachmittag konnte die BVG. nahezu sämtliche Straßenbahn-, Autobus und U- Bahnlinien in Betrieb setzen. Auf 76 Straßenbahnlinien fuhren 710 Straßenbahnwagen, zum Teil doppelt behängt. Der Autobusbetrieb wurde auf 22 Linien mit insgesamt 235 Wagen und der U- Bahnverkehr mit Ausnahme der Teilabschnitte Gesundbrunnen - Neukölln, Pankow Alexanderplak, Warschauer Brücke- Kottbusser Tor, Hermannplatz­Grenzallee und Alexanderplat- Fried­richsfelde, durchgeführt.

Trog des ruhigen Straßenbildes patrouillierten verstärkte Schupostreifen durch die Straßen und bis in die Abendstunden hinein wurde die Mehr­zahl der BVG.- Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen weiter von Polizeibeamten begleitet.

Wenn sich keine unvorhergesehenen Zwischen­fälle ereignen sollten, ist nun endgültig damit zu rechnen, daß der Straßenbahn- und Autobusver­fehr wieder planmäßig durchgeführt werden kann.

Bei Eintritt der Dunkelheit wurden wieder von Rechts- und Linksradikalen an einigen Stellen Steine gegen fahrende Straßen bahnen geschleudert, dabei wurden verschiedene Scheiben zertrümmert. Wie bekannt wird, ist in einem Falle ein Fahrgast durch Steinwurf am Kopf erheblich verlegt worden, er mußte die Hilfe einer Rettungsstelle in Anspruch nehmen. Ein mit besonderer Brutali­

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tät verübter Ueberfall wird aus Reiniden= dorf Oft gemeldet. Dort fielen mehrere uni­formierte S.- Leute über den Straßenbahn­schaffner Koppermann her und schlugen ihn zu Boden. Erst als ein Schupobeamter dem Straßen= bahner zu Hilfe eilte und einen Schreckschuß ab­

feuerte, ließen die rohen SA.- Patrone von ihremt Opfer ab und flüchteten. Einer der Hitlerbanditen fonnte von dem Beamten eingeholt und fest­genommen werden. Der feige Bursche wurde der Politischen Polizei übergeben. Roppermann mußte mit schweren Verletzungen in das Jüdische Krankenhaus nach der Ererzierstraße im Norden Berlins gebracht werden.

Eine Nazisaalschlacht

Die Richter machens wieder gnädig

Vor dem Schnellschöffengericht war die Harz­burger Front jünst wieder einmal gespalten: Der eine Teil saß auf der Anklagebant, der andere Teil stand am Zeugentisch und spie Gift und Galle gegen die bösen Buben.

Drei Nationalsozialisten, die sich an der Schlacht in der deutschnationalen Versammlung am 5. Of= tober im Deutschen Hof" beteiligt hatten, mußten sich wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körper­verlegung verantworten. In dieser Versammlung hatte eine Gruppe Nationalsozialisten in der Nähe der Rednertribüne Platz genommen und versuchte schon während des Vortrags des ersten Redners, durch Lärmen und Brüllen die Versammlung zu sprengen. Der Versammlungsleiter drohte mit seinem Hausrecht. Ein Nazi rief seinen Rame­raden zu: Laßt ihn doch erst eine Zeitlang quatschen!" Irgend jemand schrie: Ruhe!" Das war das Signal zum allgemeinen Tumult. Die Nazis schlugen mit Stühlen und Tischen auf die

demokratische Lifte erhalten. Es stehen 172 Stim men der republikanischen Parteien 79 Stimmen der reaktionären Listen gegenüber.

Auch hier zeigt sich, daß die Arbeit, die Männer wie Carl Severing und Albert Grzesinsti für den Staat und seine Polizei geleistet haben, nicht umsonst gewesen ist. Die Mehrzahl der Beamten hat erkannt, daß Volk und Polizei zusammengehören und daß es ein Verbrechen am Volke ist, wenn Maßnahmen dazu führen, wieder jene Entfremdung zwischen der Polizei und den Werftätigen zu bringen, die dem Vorkriegs­deutschland eigen war. Interne Maßnahmen der ,, grundsäglich neuen Staatsführung", die manch­mal aus dem Wunsch geboren schienen,

aus dem modernen Polizeibeamten mit seinen ftaatsbürgerlichen Rechten wieder den politisch

rechtlosen Soldaten zu machen,

waren zudem wenig geeignet, für die Parteien der Reaktion zu werben. Der gesunde Sinn des republikanischen Beamten sträubt sich gegen die Kräfte, denen die frische Luft in den Polizeiunterkünften unerwünscht ist und die jene stidige Atmosphäre der Ka= serne wieder schaffen möchten, in denen Freiheit, eigenes Verantwortungsbewußtsein und bundenheit mit dem Bolle nicht gedeihen.

Ver=

Versammlungsbesucher ein. Der Angeklagte Schmidt, bereits wegen Körperverlegung und unbefugten Waffenbesizes vorbestrafter mar gerade am 5. Oktober aus dem Gefängnis ent< lassen worden-, marf auch gegen die Polizei eiren Stuhl; vorher wollte er mit einem Tisch dreinschlagen; die anderen beiden, der Handlungs­ gehilfe Sasse und der Schlächter henfe, famen nicht dazu. Schmidt behauptete, es liege eine Personenverwechslung vor und bat um Ver­tagung, damit er in der nächsten Berhandlung feinen Doppelgänger mitbringen könne. Der Staatsanwalt beantragte gegen Schmidt 1 Jahr 6 Monate Gefängnis und Haftbefehl, gegen die beiden anderen wegen groben Unfugs je einen Monat Haft. Das Gericht vertagte die Ver­handlung.

Schmidt hatte eine Woche später, d. h. jetzt am Montag, mit seinen Zeugen nur einen Teilerfolg; er wurde nur wegen Widerstandes zu drei Mo­naten Gefängnis verurteilt. Die anderen beiden Nazis tamen sogar mit Freispruch davon.

Nazi- Jaekel muß blechen

Eine für die Nationalsozialistische Partei äußerst peinliche Klage stand vor dem Potsdamer Arbeitsgericht an. Als Kläger trat der Schriftleiter der nationalsozialistischen Wochen­schrift ,, Die Potsdamer Wacht", Dr. Graf von Schwerin, auf.

Zu verantworten hatte sich der nationalsozia­listische Verleger der Potsdamer Wacht", Re­dakteur Jaekel. Der Graf war seinerzeit bei der ,, Wacht" angestellt worden mit dem Auftrag, mit Potsdamer und Berliner Behörden Fühlung zu nehmen. Plötzlich jedoch wurde der Wacht" das Geld knapp, Graf Schwerin erhielt feine Bezah­lung und drohte nun mit einer Klage. Daraufhin wurde er plötzlich beurlaubt. Zu dem Termin war

DIENSTAG, 8. NOV. 1932

der beklagte Nazi- Jaekel nicht erschienen. Fünf Minuten vor Beginn des Prozesses überbrachte ein strammer Nazimann einen Brief, wonach Jaetel plöglich verreisen mußte. Es erging ein Bersäumnisurteil gegen ihn, wonach er dem Grafen Schwerin noch 90 Mart Gehalt nachzahlen muß. Ferner erkannte das Arbeitsgericht, daß das Dienstverhältnis des Grafen zur ,, Wacht" bis zum 31. Dezember 1932 fortbesteht.

Tolles Funkprogramm

9. November

mit Jazz und August Winnig

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Der 9. November gilt uns Sozialisten als der Tag, an dem das in der Heimat mehr und mehr verhungernde Volt und sein an den Fronten durch Hunger, Not und feindliche Uebermacht dezimiertes und zermürbtes Heer sich dem er­barmungslosen Diktat seiner fiegreichen Gegner beugen mußte. Es ist ein Tag furchtbarster, tiefster Tragit, die nur erhellt werden konnte durch den Gedanken, daß das schändliche gegen­seitige Morden der Völker endlich ein Ende ge­funden hatte. Bon jeher hat die Sozialdemo fratie diesen Tag durch entsprechende Feiern mürdig begangen. Die neue Leitung der Funkstunde, weit entfernt, den Ernst des Tages zu begreifen, beginnt den Nachmittag des 9. November mit heiteren Opern duetten" und läßt ihn abends um 22 Uhr das Endergebnis des großen Krieges" am Abend des 9. November 1918 waren bekanntlich acht Millionen Tote mit fröhlicher Tanz Zwischendurch erdreistet man sich, an diesem Tage den Hörern einen Mann mie August Winnig zuzumuten, der zu dem Thema sprechen darf: Gelebtes Leben, Pflicht ohne Ende!" Die seit einiger Zeit so sehr be= tonte deutsche" Note kommt am 9. November offenbar durch folgende Konzertstücke zum Aus­druck: Im Wein ist Wahrheit" Bacchus" ,, Polfina Humoreste" rosenwalzer" ,, Carnevalouvertüre" sendundeine Nacht" und schließlich durch Tango, Fortrott, Shimmy, Blues und Jazz. Offenbar zur lebendigen Illustrierung des Winnig'schen Vortrages vom Gelebten Leben wird schließlich auch noch am 9. November 1932 ein Be richt vom Sechstagerennen durchgegeben. In der Tat, so sieht sie heute aus, die deutsche Kultur, wie sie Deutschnationale und National­sozialisten in trautem Verein im Berliner Rund­funtausschant verzapfen.

musik enden.

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Vivat Herbst­,, Lau­

Sühne für Doppelmord

Zehn Jahre Gefängnis

Das große Jugendschöffengericht verurteilte den 17jährigen Ernst Waldow , der am 2. Mai dieses Jahres das Hausbesiherehepaar Baars mit einem Beil erschlagen und beraubt hat, und der auch bekanntlich einen Raubüberfall auf Lilian Harvey geplant hate, wegen Mordes in zwei Fällen in Tateinheit mit schwerem Raub zu der für Jugendliche gesehlich zulässigen Höch ft­strafe von zehn Jahren Gefängnis. Sechs Monate der erliffenen Untersuchungshaft wurden ihm angerechnet.

Die Humanität der deutschen November­revolution." Im Rahmen einer Erinnerungs stunde an den 9. November 1918 spricht Pastor i. R. Frande bei der Deutschen Liga für Menschenrechte, Ortsgruppe Nord, 9. November, 20.30 Uhr, im Restaurant ,, Humboldt­Hütte", Brunnenstraße 94.

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Viele hundert Marken kamen und gingen,

IN DER ERSCHEINUNGEN FLUCHT

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Juno blieb

weil Millionen Raucher den Wert einer gleichmäßig hohen Leistung anerkennen. Dieses ehrende Vertrauen

wird Juno stets zu rechtfertigen wissen. Jhre hervorragende Qualität verlangt unbedingt den Ausschluß aller unsachlichen Zugaben wie Wertmarken, Gutscheine und Stickereien.

Nur so kann Juno für alle Zukunft ihren Ruf aufrecht erhalten.

Juno steht fest!

Josetti

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