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Abend-Ausgabe

Nr. 528 B 256 49. Jahrg.

Rebattton und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialbemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

8. November 1932

In Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreije fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Reaktionäre Pläne

Neues Spiel mit Reichstagsauflösung?

Das Häuflein der junkerlichen Reaktion gebärdet sich, als ob die neue Ver­fassung, die bei dem Freiherrn von Gayl fabriziert werden soll, schon in Kraft sei. Dann wäre nämlich der Reichstag  nur noch eine Dekoration, eine spanische Wand vor der Willkürherrschaft ostelbischer Junker und Schlotbarone. Diese neue Ver­fassung der Reaktion ist zunächst nur ein Projekt, und je mehr der Freiherr von Gayl davon redet, um so größer wird die Empörung über diese Sorte von Projeftenmacherei gegen das Volk! Was steht dahinter? Eine dünne Oberschick des Besizes, feudale Junker und Barone  , und einige feuilletonifierende Staats­rechtslehrer, die sich an die Reaktion an­gehängt haben. Dagegen aber steht eine entschiedene Mehrheit des Volkes.

Die Herren reden so viel von ihren neuen Verfassungsplänen, daß sie nicht mehr Zeit haben, sich ihre augen­blickliche Lage unter dem Gesichtspunkt der geltenden Verfassung zu überlegen.

Maffen- Maßregelung

BVG. entläßt Tausende

Die deutschnationale Direktion der BVG. läßt heute mitteilen, daß sie außer den wegen Streifteilnahme bereits enflaffe­nen 1000 Angestellten noch weiteren 1000 Fahrern und Schaffnern sowie 500 Ar­beitern die Entlassungspapiere zu­gestellt hat.

Diese Maßregelung von Taufenden von Angestellten und Arbeitern wird neue Er­bitterung schaffen. Hat die deutschnationale Direktion das beabsichtigt?

Der Aufsichtsrat muß unverzüglich ein­greifen und dafür sorgen, daß M a ßreglungen unterbleiben.

Sie offenbaren Ansichten, die sich mit der Verfassung nicht vereinbaren lassen. Man hört, die totgeborenen Projekte des Freiherrn von Gayl sollten dem Reichstag als Prüf­stein vorgelegt werden. Man möchte den Verfassungsartikel, daß die Reichs­regierung des Vertrauens des Reichstags bedarf, dahin verkehren, daß der Reichstag das Vertrauen der Reichsregierung haben muß, wenn er sich versammeln will. Das Kabinett der Barone   möchte ,, dem Reichs­tag eine Chance geben".

Was aber dann, wenn der Reichstag   nicht so will wie Papen und Genossen? Man hört von den deutschnationalen Freunden des Kabinetts, daß es kein Kunststück sei, mit dem Reichstag   fertig zu werden". Das heißt, die Auflöserei soll fortgesetzt werden.

Es ist möglich, daß die Herren, die eine neue Verfassung fabrizieren wollen, mit ähnlichen Gedanken spielen. Wir erinnern fie beizeiten daran, daß die Verfassung von Weimar in Kraft ist, und wir empfehlen ihre Vorschriften ihrem Studium! Vielleicht läßt der Freiher von Gayl bei sich ein Zehn­männerkollegium zusammentreten, das sich statt mit den reaktionären Projekten, mit der geltenden Verfassung beschäftigt!

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Denn die Fortsetzung der Auflöserei wir sagen das beizeiten- würde mit der Verfassung völlig unvereinbar sein und würde einen Konflikt hervorrufen, gegen den die bisherigen Verfassungskonflikte Kinder­

Nur kein Parlament!

Die Aengste der Rechten vor einer Mehrheitsregierung

Auch den eingefleischten Papen- Anhängern dämmert es, daß nach diesen Wahlen die Situation der Baronsregierung unhaltbar ge= worden ist. Warum? Man kann die Sache drehen und wenden wie man will: es tommt doch immer wieder darauf hinaus, daß eine Regierung, die neun Zehntel des stimmberechtigten Volkes und des von ihm gewählten Parlaments gegen sich hat, eine Unmöglichkeit ist.

Aber indem man dies bekennen muß, mittert die Rechte eine Gefahr: daß nämlich die neue Regierung auf Grund parlamentarischer Mehrheitsbildung zustandekommen könnte. Man war doch so schön dabei, sich vom Parlament gänzlich unabhängig zu machen. Man ignorierte Reichstagsabstimmungen und regierte, wie es einem paßte. Und das sollte sich jetzt ändern? Warnend erhebt die Deutsche Zeitung"( schwarz­weißrot mit Hafenkreuz) den Zeigefinger:

,, Es tann nicht im Sinne einer verant wortungsbewußten nationalen Politik liegen, die Dinge überhaupt aufs Parlamen tarische zuzufpitzen. Mit dem Reichstag fertig zu werden, wird fein Kunststüd sein."

Das ist deutlich. Die ,, Deutsche Zeitung" möchte, wie fie weiter ausführt, daß Hitler und Bapen sich miteinander versöhnen und zusammen regieren. Wobei dann allerdings der für die Deutsche Beitung" nebenfächliche Umftanb bleibt, daß auch Hitler und Papen   zusammen im Reichstag über nicht mehr als 43 Proz. der

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Stimmen, also nur über eine Minderheit ver­fügen. Aber die Nationalsozialisten werden be­schworen, sich nicht von den Zentrums= intriganten wieder in parlamentrische Abenteuer verstricken zu lassen". Auf dem Umwege über Preußen würden angeblich schon in der nächsten Woche die Koalitionsver handlungen zwischen Zentrum und Nazis aufgenommen werden. Käme aber in Preußen wo noch die schwarzbraune Mehrheit besteht, eine Koalition zufammen, so sieht die Deutsche Zeitung" Unheil voraus:

Im Reiche aber könnte es unter diesen Um­ständen am 6. Dezember, wenn der Reichstag  zusammentritt, zu einem zusammenbruch tommen, der die Tragit des 13. August weit hinter sich lassen würde. Wir können also nicht glauben, daß diejenigen Recht behalten sollten, die der Meinung sind, daß die NSDAP  nunmehr versuchen wird, in Preußen mit dem Zentrum und im Reich wo eine schwarz­braune" Mehrheit nicht mehr vorhanden ist- vielleicht auf andere Weise parlamen tarische Scheinerfolge zu erzielen, die den Tod der Bewegung bedeuten

würden."

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Die NSDAP., so wird daraus geschlußfolgert, müsse sich wieder stärker darauf befinnen, daß fie eine Bewegung, nicht eine Bartei sei. Aller­dings: eine start abflauende Bewegung! Wenn fich aber jetzt die Nazis der Baronsregierung, ihren ingrimmig gehaßten feinen Leuten" in die Arme werfen, so wird das noch zu ganz anderen

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Ein Steuer- Panama

Sensation in Frankreich   die Elite der Nation beteiligt Eigener Bericht des Vorwärts"

Paris  , 8. November.

Der sozialistische Populaire" enthüllt einen neuen Finanzffandal, der das größte Aufsehen erregen wird. Der sozialistische Abgeordnete Albertin hat bereits eine Interpellation an­gefündigt. Es handelt sich um einen Steuer­betrug in größtem Maßstab, an dem etwa 2000 Personen, in der Hauptsache Senatoren, Generäle, Adlige, furz, die sogenannte Elite der Nation, beteiligt find. Alle diese Pa­trioten haben sich durch die Basler Handelsbank seit Jahren die Kupons ihrer Aktien unter Um­gehung der 18prozentigen Steuer auf Wertpapiere auszahlen lassen. Der Diref= tor der Handelsbank brachte das Geld selbst nach

50 Jahre 3uchthaus!

Ungeheuerliche Strafanträge in Greifswald  

Stralsund  , 8. November. Nach elftägiger Berhandlung vor dem Schwur­gericht Greifswald   über den Nazisturm auf die Greifswalder   Arbeiterbaraden stellte heute morgen der Oberstaatsanwalt ungeheure Strafan­träge gegen die angeklagten Arbeiter. Für zwei Arbeiter forderte er je 10 Jahre Zucht haus, für einen Arbeiter 8 Jobre 3ucht. haus. Weiter forderte er Zuchthausstrafen von 7 bis zu 2 Jahren und Gefängnisstrafen von 1 Jahr 9 Monaten bis zu 4 Monaten. Ingesamt beantragte er 50 Jahre 9 Monate Zucht­haus und 15 Jahre 1 Monat Gefängnis. Der Oberstaatsanwalt versuchte in seinem Plädoner den Beweis für die Schuld der Angeklagten dadurch zu erbringen, daß er anführte, daß das Blut auf

Paris   und übergab es den Aktionären in seinem Hotelzimmer. Der Staat ist dadurch um viele Millionen geschädigt worden.

Das Finanzministerium befam von der Sache Wind. Ein Polizeikommissar erschien in dem Hotel des Basler Bantiers und gab sich als dessen Beauftragten aus. Er konnte auf diese Weise eine ganze Menge von Titelinhabern, die Geld abheben wollten, tennenlernen und etwa zehn Listen von Kunden der Bank entdecken. Da aber zu den Aktionären sehr hoch­gestellte Personen gehören, so u. a. ein mit Tardieu befreundeter Senator, hat das Finanzministerium bisher gezögert, ein ge= richtliches Verfahren einzuleiten. Abgeordneter Albertin wird von der Regierung Auskunft for­dern, wann sie endlich gegen die Schuldigen gerichtlich vorgehen will.

seiten der Nationalsozialisten geflossen sei und daß der Sturm auf die Baracken von den Natio­nalsozialisten nicht hätte vorbereitet sein können. da nur 17 von ihnen den Heimweg, der an den Der Baracen vorbeiführte, angetreten hätten. Sturm auf die Baraden sei von den National­sozialisten nur aus Gründen der Abwehr erfolgt. Sie feien auf den Hof der Baraden gestürmt, weil von dort geschossen worden sei.

Heute wählt Amerika  

47 Millionen Wahlberechtigte

New York  , 8. November. Die vereinigten Staaten stehen heute im Zeichen der Präsidentenwahl. Die Zahl der männlichen und weiblichen Wahlberechtigten be­läuft sich auf rund 47 Millionen. Die Tanzsäle und Kabaretts dürfen bis 5 11hr früh offen

Erscheinungen führen, als zum bloßen Abflauen. Tod der Bewegung so oder so!

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Papen redet

Reichskanzler von Papen hielt heute morgen im Berein der ausländischen Presse eine Früh­stücksrede, in der er ausführte:

,, Sie werden von mir zunächst eine Aeuße­rung über die Lage erwarten, die durch den Ausgang der Reichstagswahlen bedingt worden ist. Ich fann meinen Gesamteindruck dahin zu­sammenfassen: Eine erfreuliche Zu= nahme des Verständnisses für die Regierungsarbeit ist festzustellen. Keine Partei wird noch Berechtigung zu der Annahme haben, daß sie die Alleinherrschaft in Deutschland   ausüben kann. Dagegen glaube ich die Hoffnung hegen zu dürfen, daß es nunmehr zu einer wirklichen nationalen Kon zentration tommt; möge die erfreuliche Einigkeit, die das deutsche   Volk heute in den großen Fragen der auswärtigen Politik durch alle Parteien hindurch beseelt, jetzt auch der Führung der Gesamtpolitik die notwendige breite Grundlage schaffen! Personen fragen spielen hierbei ich habe es schon immer betont teine Rolle. Die fachlichen Ziele der Regierung, die Sie kennen, werden unverändert verfolgt werden."

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Das Ziel der Regierung ist demnach: Barons­politif, wenn es sein muß, ohne Papen. Die Stellung Bapens ist erschüttert, er wartet fchon auf den Nachfolger.

halten, um ihren Besuchern die Wahlergebnisse mitteilen zu können. Die Verkehrsgesellschaften, die der Beförderung von Reisenden zu Lande, zu Wasser oder in der Luft dienen, werden ihre Fahrgäste während der Reise durch Funk­sprüche über die Wahlergebnisse ebenfalls auf dem laufenden halten.

Verboten!

Zeit, 8. November. Der Oberpräsident der Provinz Sachsen   hat, nachdem er am Montag bereits das Boltsblatt" Halle verboten hatte, nunmehr auch den Beizer Boltsboten" für zwei Tage verboten. Zur Begründung muß wieder jener Artikel herhalten, in dem die Massenmaßregelung preu. ßischer Beamter nach der Wahl durch die Papen- Barone angekündigt war.

Rentengelder geraubt

Raubüberfall in Bergfelde  

In Bergfelde   an der Nordbahn wurde auf zwei Gemeindeboten ein Raubüberfall ausgeübt. Die beiden Männer hatten 1800 Mark Unterstützungsgelder bei sich. Unterwegs wurde fie von zwei Banditen mit vorgehaltenen Pistolen überfallen. Die Räuber flüchteten mit der Beute und entfamen.

Gegen 9 Uhr früh hatten die Gemeindeboten auf der Kreissparkasse in Hohenneuendorf   1800 Mart Unterstützungsgelder für die Gemeinde Bergfelde  abgehoben. Das Geld, zum Teil Scheine und zum Teil Silbergeld, verteilten die Gemeindeboten in zwei Aktentaschen, die sie an den Rahmen der Fahrräder befestigten. Auf dem Rückweg nach Bergfelde  , am sogenannten Verbindungsweg zur Chauffee am Rotpfuhl, stellten sich den Radfahrern zwei Männer mit vorgehaltenen Pisto len entgegen. Mit der Drohung, bei Widerstand zu schießen, zwangen die Wegelagerer die Beam­ten, von ihren Rädern zu steigen. Die Banditen schwangen sich auf die Fahrräder, an denen sich die Attentaschen mit dem Geld befanden, und fuhren in Richtung Frohnau  - Hermsdorf   davon. Die bisherigen polizeilichen Ermittlungen haben