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BEILAGE

Vorwärts

X. will ein Haus bauen...

Brief aus der Provinz  / Von Erich Preuße

Die Versteifung der Wirtschaftskrise hat die in den Großstädten wohnenden Arbeitslosen ausge­powert: alle entbehrlichen Wertgegenstände sind ins Leihhaus gewandert; der Wäsche- und Kleider­vorrat ist aufgebraucht; bei den sich häufenden Ermissionen werden die legten pfändbaren Möbel­stücke versteigert. Welcher Berliner   Erwerbslose hat in diesem Winter noch einen halbwegs an­ständigen Mantel anzuziehen? Die Wohl= fahrtsjoppen sind die Mehrzahl in den Stempelämtern. Ein Achtel Mariechen!" sagte ein ausgemergelter Mann, der vor mir dran war, als ich neulich in einer Konsumzweigstelle in Berlin   N. meine Einkäufe machte. Er warf die fünf einzelnen Pfennige mit trozig- wütender Ge­bärde auf den Zahltisch. Er schämte sich. Zu Hause liegt noch ein trockenes Brot im Schrank. Morgen erst wird es Stüge" geben. Das vor= handene, Barvermögen besteht aus fünf einzelnen Pfennigen. Also: Ein Achtel Margarine. So lebt der Arbeitslose in Berlin  , in Hamburg  , in den anderen Großstädten.

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So war es.

In den Kleinstädten und auf dem Lande kam der Erwerbslose bislang immer noch besser durch. Die arbeitslos gewordenen Handwerker und Ar­beiter, die auf dem flachen Lande wohnen, haben meist ein Grundstück. Die Miete, die dem Großstadterwerbslosen über die Hälfte seiner Unterstützung verschlingt, fällt fast ganz aus. Denn Ortslasten, Brandkassengeld und Repara­turen erreichen niemals die Höhe der Summe, die der Großstädter( und da vor allem der Berliner  !) für Mietegeld in seinen Etat ansezen muß. Dann: das zum Grundstück gehörende Acker- und Gartenland wirft einen ansehnlichen Zuschuß ab. Soviel wenigstens, daß im Sommer fein Ge­müse gekauft zu werden braucht und der Winter­bedarf an Kartoffeln gedeckt wird. Weiter: die erwerbslosen Dorfinsassen können bei den Bauern in Tagelohn arbeiten. Die Männer verdienten hier( Lüneburg  - Land) bislang 3 Mart, die Frauen 2 Mart je Tag bei voller Kost. Nie­mand hat hier bis jetzt zu hungerr brauchen. Der Erwerbslose in der Kleinstadt fand zwischendurch immer noch wieder Arbeit. Die Haus und Grundbesizer der Umgebung vergaben notwendige Reparaturen in Schwarzarbeit und zahlten mit Lebensmitteln Biele halfen bei den Erntearbeiten. Und: die Bande b: Urbeiisiple.. zwischen Kleinstadt und Land sind enger als die zwischen Großstädter und Landbewohner; der Berwandte vom Lande, der dann und wann ein Futterpaket schickte, erschien im Etat des Klein­stadterwerbslosen als beachtenswerter Attivposten.

So ist es.

Jezt ist die Vorzugsstellung der auf dem Lande wohnenden Arbeitslosen erschüttert. Die von der Papen   Regierung verordnete Bedürf tigkeitsprüfung hat die auf dem Lande wohnenden Erwerbslosen auf eine Stufe mit ihren Leidensgenossen aus den Großstädten gestellt. Die von Schiele eingeleitete und von Papen weiter betriebene 301lpolitik zugunsten der Groß­agrarier läßt den kleinen und mittleren Bauern eine immer magerere Rente aus seinem Boden ziehen. Die in Hannover   ehemals gutgehende Schweinezucht liegt infolge der unsinnigen Futter­getreidezölle vollkommen danieder. Kein Wunder, daß die Tagelohnsäge Neigung zeigen, sich dem Vorkriegsstande anzupassen, als Männer 1 Mark und Frauen 50 Pfennig verdienten. Ein lediger Landarbeiter, der zuwenigst 12 Stunden am Tage arbeiten muß, erhält jetzt 6 Mark Lohn je Woche und Kost und Wohnung. Wer bei einem Gemüsebauern in Arbeit steht, muß dreimal in der Woche zu den Markttagen 22 Stunden arbeiten. Dann wird nämlich bis nachts um 2 Uhr Rosenkohl gepugt und Mohr­rüben gebündelt. Und um 5 Uhr muß schon wieder das Vieh gefüttert werden... Der Lohn beträgt bei dieser Arbeitszeit auch nur 6 Mark je Woche und Kost und Wohnung. Und die Verdienstmög­lichkeiten werden immer weniger

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Eine Kleinstadt, wie Lüneburg  , die vor gut einem Jahre noch ein behäbiges Aussehen zur Schau trug ehrwürdig und ein wenig hochmütig fast standen die alten Patrizierhäuser da, mit den Giebeln nach der Straße, abendlicher Bummel der Hängezöpfe vom Lyzeum und der bunten Müzen des Gymnasiums, fonntägliche Kleiderparaden der Kleinstädter, die einander in die Kochtöpfe guden und weiter nichts wissen, als sich darüber aufzu= regen, wer jegt nach Lüneburg   kommt, der ist über einige Veränderungen erstaunt. Da ist erst einmal eine allgemeine( und im Gegensatz zu dem Früheren erschreckend auffallende) Herab fegung der Lebenshaltung zu vermerken. Diese sonntäglichen Kleiderparaden, bei denen über den weniger nobel oder standesgemäß" ange­zogenen Mitbürger die Nase gerümpft wurde die haben aufgehört. Man kann jetzt im schlechten Anzuge durch das sonntägliche Lüneburg   gehen, ohne Spießruten laufen zu müssen. Dann: an Werktagen sind frühmorgens auffallend viele Männer in den Straßen zu sehen; sie trollen mit Markttaschen ausgerüstet zu den Wochenmärkten:

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Arbeitslose. Am Rande der Stadt ist eine Elendssiedlung entstanden: in fürchterlich primitiven Holzbaracken hausen dort die, denen die Miete in der Stadt unerschwinglich geworden ist. Da herrscht so ungefähr dieselbe Stimmung wie in Berlin   N. Und der Geruch des Elends zieht lähmend durch die winkligen Gassen der Stadt... Der Verwandte vom Lande fällt für den Erwerbslosen in der Kleinstadt jetzt aus. Die fortgesetzten Lohn- und Unterstützungskürzungen haben einen fatastrophalen Kauftraftschwund be­wirkt, der in erster Linie wieder den kleinen bäuer­lichen Besitz den Verwandten vom Lande getroffen hat, der ohne Stügungsaktionen und Subventionen wirtschaften muß. Die Umsätze der Geschäftsleute sind in diesen legten Monaten gleich­falls verheerend zurückgegangen. Die Ladenglocke scheppert und der Inhaber stürzt bedrückt in den Verkaufsraum: es könnte der Gerichtsvoll= zieher sein, der ihm die legte Ware pfänden kommt...( Das ist bestimmt nicht übertrieben!) Man geht jetzt daran, auf eigene Faust das drohende Verhängnis der allgemeinen Berarmung abzuwenden: Bertreter aller Berufe und aus allen Wirtschaftszweigen haben sich zu einer Arbeits­gemeinschaft Niedersachsen  " zusammengefunden, um die einheimische Wirtschaft anzufurbeln. Vor kurzem hat eine gutbesuchte Versammlung der Arbeitsgemeinschaft stattgefunden. Den Vorsitz führte übrigens der aus dem Bombenlegerprozeß

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bekannte und später amnestierte Hofbesitzer Becker Rottorf. Der Redner führte aus:

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Die Arbeitsgemeinschaft will durch Belebung der Bautätigkeit die Wirtschaft ankurbeln. Ihr Ziel ist, allen Interessenten ein Eigenheim zu ermög­lichen und dadurch Arbeit zu schaffen. Das nötige Kapital wird durch Verrechnungsscheine der Arbeitsgemeinschaft aufgebracht.

Dor.

So wird es.

Beispiel: X will ein Haus bauen. Er hat aber kein Geld. Er tritt der Arbeitsgemein­schaft bei.( Eintrittsgeld 5 M.; Wochenbeitrag. 20 Pf.) Der Bau wird nun begonnen. Der Bau­meister legt nach der ersten Woche seine Rechnung Sie soll, angenommen, über 2000 m. lauten. Er bekommt dafür eine Gutschrift von der AG.  , die über 2000 m. ausgestellt ist. Damit bezahlt er die Ziegelei und seine Arbeiter. Die Arbeiter er= halten Verrechnungsschecks in Höhe ihres Wochen­lohnes. Diese Schecks werden von den der AG. angeschlossenen Geschäften in Zahlung genommen.

Bei jedem Umsatz nimmt die AG. 2 Proz. Nach= laß vom Rechnungsbetrage. Der Baumeister be­tommt also nicht 2000 M., sondern 2000-2 Proz. = 40= 1960 m. Der Arbeiter erhält nicht 60 M. Wochenlohn, sondern 60 2 Proz. 58,80 m. Der Krämer erzielt für ein Pfund Kaffee nicht den Preis von 3 M., sondern von 3-2 Proz. 0,06

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DIENSTAG, 8. NOV. 1932

= 2,94 M. Nach 50maligem Umsatz ist der Rech­nungsbetrag in der Wirtschaft aufgehoben. Das hat den Zweck, die Verwaltungskosten zu beseitigen. Denn: Herr X zum Beispiel hat ein Haus, das 10 000 m. toftet. Er hat diese 10 000 m. in monatlichen Raten von 30 M ab­zuzahlen. Für je 1000 M. 3 M. im Monat. 30 Jahre lang. Zinsen werden nicht erhoben. Dadurch, daß einerseits die AG. die Forderung von 10 000 m. an X hat( die erst in 30 Jahren einkommt), andererseits die Mitglieder für Lei­stungen und Lieferungen Forderungen an die AG. haben und berechtigt sind, ihr jeweiliges Guthaben gegen Leistungen oder Lieferungen an andere Mit­glieder weiterzugeben, so hat die AG. während der 30 Jahre die Arbeit der Verrechnung der Konten zu leisten. Das würde ziemliche Kosten verur­sachen. Durch den Umsagnachlaß sind die Schwie­rigkeiten behoben. Und 2 Proz. Rabatt gibt jeder gern, der Aufträge, Löhne, Barzahlung für ge­lieferte Ware empfängt.

Das ganze Experiment stützt sich darauf, daß Waren und Arbeitskraft sich in einem geschlossenen Wirtschaftskreis austauschen lassen Je größer der Kreis, desto besser. Im Anfang werden insofern noch Schwierigkeiten auftreten, als verschiedene Stellen: Grossisten, Aemter, Behörden, Verkehrs­institute usw. usw. keine Verrechnungsscheine an­nehmen werden. Die Arbeiter sollen deshalb 20 Proz. ihres Lohnes in Bargeld ausgezahlt be= kommen. Die Grossisten werden von der AG.   mit Bargeld befriedigt werden. Die AG. muß also zu Beginn solche Bauluſtigen bevorzugen, die bereits einen Bauplatz und möglichst auch 20 Proz. der Bausumme auf der Hand haben. Später wird die Zuteilung nur nach der Reihenfolge des Ein­tritts erfolgen.

Eine Stadt stirbt an einer Maschine

Der ,, Krefeld  " Apparat/ Stündlich 10 000 Rafierklingen

Die Maschine.

In Krefeld   stellt man jetzt für eine Million Mart eine höchst komplizierte Ma­schine auf, die wie ein schweres Geschütz ihre Stellung bezieht... die Mündung drohend über den Rhein   in das Herz des Bergischen Landes  gerichtet.

Diese Maschnie frißt endlose Bänder dünnen Stahls und gibt in Massen fertiggepadte Rafier­klingen von sich. In einer einzigen Stunde soviel, daß ein Mensch sein ganzes Leben damit ausreicht, vom 17. bis zum 72. Lebens­jahre, wenn er sich täglich rasiert und jede Klinge nur zweimal benußt: das sind 10 000 Stück. Der Apparat entwickelt eine Fruchtbarkeit, die man nur mit der des Koloradokäfers oder eines Fisches vergleichen kann; die aber selbst diesen Tieren noch dadurch überlegen scheint, daß sie an keine Paarungs- oder Laichzeit gebunden ist, sondern Tag für Tag, Jahr für Jahr von gleich­mäßiger Produktion bleibt: 25 Millionen Stüc im Jahr.

Dieser Automat frißt aber nicht nur Stahl­bänder, sondern verschlingt auch einen Absatz­markt, der bisher einer ganzen Industrie Arbeit und Brot gegeben hat; er verschlingt also, falls er sich bewährt, diese ganze Industrie, die älteste dieser Branche, die vor 30 Jahren, gleich­zeitig mit der amerikanischen Firma Gillette, die Rasierklinge auf den Markt brachte: die Solin­ ger   Rasiertlingen Industrie.

Der Ort.

Ist man vom Wuppertal   nach Höhscheid empor­gestiegen, so liegt etwas tiefer ausgebreitet eine ganze Stadt zu unseren Füßen. Aber man ist er­staunt, nichts von dem Wald von Fabrikschloten zu bemerken, den man von einer Industriestadt erwartet. Nur vereinzelt zeigen hohe Kamine größere Werke an. Im übrigen hat man das Bild zusammengewachsener Kleinstädte.

In den Straßen aber fällt bald ein Stampfen auf, ähnlich dem der Dampfhämmer des Ruhr­gebiets: die Gesentschmieden. Das ist zu­nächst alles, was man von der Stahlwarenfabri­fation dieser Stadt wahrnimmt, deren Fabrikate in aller Welt getauft wurden. Dann erst be= merkt man auf Schritt und Tritt an fleinbürger­lichen Häusern unauffällige Schilder: Stahl­warenfabrik, Gesenkschmiede"," Rasierklingen­fabrit"," Fabrikation feiner Stahlwaren", Be­steck waren- Fabrik".

Dort also fizzen diese Fabrikanten, deren Er­zeugnisse Kontinenten bekannt sind, in Neben­räumen, Anbauten und Werkstatt- Hinterhäusern. Die großen unter ihnen, mit wirklichen modernen Fabriken und einigen hundert Arbeitern, haben etwa eine Million Mark Kapital; die kleinsten eine oder zwei Maschinen im Werte von einigen tausend Mart, eine Werkstatt und zwei, drei Ar­beiter.

Eigenartig ist die Arbeitsteilung dieser Industrie. Da stanzt einer dieser kleinen Unter­nehmer aus einem Stahlband Küchenmesser und härtet sie. Diese rohen, ungeschliffenen Messer kommen dann zu dem nächsten Unternehmer", der sie glatt schleift und poliert. Ein anderer

vernickelt sie. Dann wird die Schneide ge= schliffen, der Holzgriff befestigt, und dann kommen sie zur Ablieferung an den eigentlichen Fabrikanten", der sie kontrolliert, verpackt und versendet.( Das fertige Fabrikat aber fostet heute im Einzelhandel nur 10 bis 20 Pfennig)

Gerade diese halb handwerkliche Organi­sation der Industrie schuf ihr in der Vergangen­heit den großen Namen. Viel länger als in an­deren Gewerben fonnten die meisterlichen Spezia listen mit der Maschine tonkurrieren; und sie geben auch heute das Rennen nicht auf. Obwoh! sie Schritt für Schritt an Boden verloren haben. Maschinen und Automaten leisten heute in manchen Artikeln ebenso präzise Arbeit wie individuelle Be­arbeitung, ja, einzelne Fabrikate sind erst durch Automaten zu dem geworden, was sie heute sind. So ist die Rasiertlinge, als Massenartikel, ohne Schleifautomaten und Maschinenstanzen kaum noch zu denken. Aber die Solinger   Spezialarbei­ter, deren jeder früher den Feldherrnstab des Unternehmers im Tornister hatte, verelenden da­bei immer mehr und werden proletarisiert.

Die Industrie.

Hier in Solingen   wurden einst die ersten Ber= suche angestellt, ein völlig gefahrloses Rasieren zu erreichen, aus denen sich der erste Rasierapparat mit einem Stück Rasiermesser, einer hohlgeschliffe­nen Klinge, herausbildete. Das war 1902. Wenige Jahre später konstruierte ein Solinger   Fabrikant, Robert Middeldorf, den ersten Sicherheits­rafierapparat mit dünner, zweischneidiger Klinge, den gleichzeitig und unter Patentschutz die amerikanische   Gillette- Compagnie herausbrachte. Noch heute streiten beide Firmen um die geistige Urheberschaft.

Mit dem Kriege nahm die Zahl der Klingen­verbraucher ungeheuer zu. Aber der halbmecha­nische Produktionsprozeß mit Schleif  - und Back­automaten erforderte immerhin ein fleines Kapi­tal. So ging die Rasierklingenfabrikation in die Hände größerer Unternehmer über. Nur das Paden der Klingen wurde lange Zeit an Heim­arbeiter vergeben. Als dann der Hessesche Klingenpadautomat" erschien, änderte sich das teilweise. Bemerkenswert aber ist, daß von vielen Firmen der Padautomat außer Betrieb gesezt wurde, da Heimarbeit sich augenblid­lich billiger stellt. Billiger als die Arbeit einer nun doch einmal vorhandenen Maschine! Für das Packen von 1000 Klingen erhält der Heimarbeiter heute 50 bis 60 Pfennig. Dazu sind fünf bis acht Arbeitsgänge erforderlich: 1. das Stearinpapier wird gefalzt; 2. die Klinge wird hineingelegt; 3. Zufalzen des Stearinpapiers; 4. Falzen des farbigen Umschlags; 5. Hineinlegen der Klinge; 6. Zufalzen; 7. Falzen des Zehner­fartons; 8. Hineinschieben der zehn Klingen und Schließen. Diese Arbeiten werden meist von ganzen Familien ausgeführt. Je nach der Zahl der Angehörigen werden die Handgriffe des Hineinlegens und Zufalzens auch in einem Arbeitsgang ausgeführt, so daß aber stets mindestens fünf Arbeitsgänge bleiben, für 50 Pf. also 5000 Handgriffe. Von einer vier bis fünfköpfigen Familie werden durchschnitt­lich 8000 bis 10 000 Stüd für 4 bis 5 Mart

pro Tag bei angestrengtester Arbeit geleistet. Die Preise für Klingen wurden in den letzten Jahren sinnlos unterboten. Für die besten Quali­täten zahlte man 1910 noch 20 Pfennig pro Klinge( Fabrikpreise). 1925 nur noch 8 Pfennig, und 3

Quale nur noch auf etennig. Geringere

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1,2 Pfennig ge=

sunken, ja es sollen schwedische Angebote von 0,7 Pfennig gemacht worden sein. Der Stunden­arbeitslohn ist deshalb heute für geübte Arbeite­rinnen auf etwa 30 Pfennig gesunken. Die Unternehmer.

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Da tauchte vernichtend für die ganze So­ linger   Rasierklingenindustrie dieser Riesen­automat amerikanisch- schwedischer Erfindung auf, der so vorzüglich konstruiert sein soll, daß er in Verbindung mit einer neuen, außerordentlich fein­förnigen Stahlforte von großer Härtefähigkeit eine Klinge erzeugen will, die nicht nur den besten Rafierklingen ebenbürtig ist, sondern sie sogar übertrifft.

Dieser Vollautomat, der sämtliche Arbeitsgänge selbständig in höchster Präzision erledigen soll, wurde im vorigen Jahre von der AEG. auch den Solinger   Industriellen angeboten Er forderte eine Investierung von 1 Million Mark.

Für den einzelnen Industriellen in Solingen  war dieses Kapital zu groß. Aber auch ein ge= meinsamer Ankauf tam nicht zustande, obwohl die Gefahr, die Erfindung könnte von anderer Seite ausgenutzt werden, auf der Hand lag. In Kreisen der Solinger   Industriellen herrschte nämlich die Ansicht, daß die vollständig automatische Her= stellung von Qualitätsschneidewaren nicht mög= lich sei, daß dazu unbedingt eine solche Tradition und Erfahrung gehöre, wie sie nur Solingen   be= fäße. Sie vergessen dabei, daß die fortschreitende Technik mit immer präziseren Maschinen tatsäch­lich individuelle Qualitätsarbeit vollständig ersehen kann. Schon der fabrikmäßig her­gestellte Schuh verdrängte den Maßschuh vollstän dig. Eine Rasierflinge ist zudem ein typischer Massenartikel, der nach kurzem Gebrauch fort geworfen wird. Er ist durch diesen Charakter geradezu für maschinelle Massenanfertigung prä­destiniert.

Solingen   produziert jährlich annähernd 500 Millionen Klingen. Bedeutet schon die Inbetrieb­nahme eines Automaten, der 25 Millionen Klingen im Jahre herstellt, eine empfindliche Schädigung für diese Industrie, so würden 20 Automaten diese Industrie vollständig vernichten.

Aufgestellt wird der erste Automat von den Krefelder   Edelstahlwerfen, einem Tochterunternehmen der Bereinigten Stahla werke, dem Riesenkonzern der westlichen Schwerindustrie, hinter dem ein Kapital von 775 Millionen Mark steht. Im Vergleich dazu sind selbst die größten Solinger   Industriellen winzige Kleinunternehmer. Und genau in der gleichen Weise, wie bisher die kapitalfräftigeren Solinger   Industriellen immer neue Zweige der handwerklichen Kleinindustrie zum Erliegen brachten, genau so werden sie jetzt selbst durch das Bordringen der kapitalkräftigeren Schwerindustrie bedroht. Paul Schenk.