Muffolinis ,, Amnestie"
Bluff und Irreführung
Die Amnestie zum zehnten Jahrestag soll nach Den offiziellen Meldungen der Presse die umfassendste sein, die bisher in Italien gewährt wor= den ist. Sie ist das in der Tat, denn nie vorher hat das Land feine Gefängnisse und Zuchthäuser fo bis zum Plagen voll gehabt mie das faschistische Italien . Massenhaft Leute, die hinter Schloß und Riegel faßen, merden die Menschheit wieder durch ihre Gegenwart beglücken. Die faschistische Presse spricht stolz von gegen
zwanzigtausend gemeinen Verbrechern, die freigelassen werden. Sie gibt auch bescheidene Zahlen von politischen Verbrechern, aber wir wollen vor allem feststellen, daß die heutige Amnestle fich überhaupt nur auf ganz wenige politische Verbrechen erstreckt. Aus Reklamegründen kann der Faschismus die Sache anders darstellen, aber das ist die Tatsache.
Amnestie wird gewährt für alle Verbrechen, für die das Gesetz eine Höchststrafe von nicht mehr als fünf Jahren vorsieht. Welche Verbrechen sind das unter den 61 in den 72 Paragraphen über die Verbrechen gegen den Staat vorgesehenen? Zehn dieser Paragraphen sehen die Todesstrafe vor, zwanzig Höchststrafen über fünf Jahre. Unter fünf Jahren bleiben erstens die Schieberverbrechen in Kriegszeiten, zweitens die Beihilfe, weiter Propagandadelikte, Mussolini- Beleidigung, Be schimpfung der Landesfahne. Schon die Beschimpfung des Großen Rates überschreitet die Fünfjahresgrenze. Da nun aber alle antifaschistischen Verbrechen vor das Ausnahmegericht kommen und dieses sich nie an die Höchstgrenze gefehrt hat, so sind auch die von der Amnestie ausgenommen, die bei Anwendung des Strafgesetzes auf sie Anspruch hätten. Die offiziellen Zahlen sind falsch. Wegen Verbrechen des Antifaschismus wurden nicht 1056, sondern 1648 Personen allein vom Ausnahmegericht verurteilt, davon 257 zu Strafen von mehr als zehn Jahren, zu insgesamt 6076 Jahren 10 Monaten und 25 Tagen Zucht haus . Zu weniger als zehn Jahren wurden 1391 Personen verurteilt, zu einer Gesamtstrafe von 4030 Jahren, 9 Monaten, 8 Tagen. Die 423, auf die nach dem Kommuniqué der Stefani- Agentur die Amnestie Anwendung findet, dürften nur zum geringsten Teil unter den Opfern des Ausnahmegerichts ausgewählt werden.
Auf die politischen Verschickten findet der „ Gnadenatt" feine Unwendung.
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Das steht klar, und deutlich im Artikel 4 des De trets: Von den Bergünstigungen der vorhers gehenden Bestimmungen find alle ausgeschlossen, die sich am 4. November 1932 in polizeilicher Ber schidung befinden oder unter Polizeiaufsicht stehen." Wenn alfo das offizielle Telegraphenbüro meldet, Don 1086 politisch Berschickten würden 595 de m nächst freigelassen werden, so handelt es sich eben um solche, die ihre Zeit ab gebüßt haben. In Wirklichkeit beläuft sich die Zahl der aus politischen Gründen Verschickten auf ungefähr 2000. Eine
Begnadigung" bei administrativer Berschickung wäre übrigens ein juristischer Unsinn. Die Berschickung ist ja teine Strafe, sondern eine soziale Sicherheitsmaßnahme: sie umschließt in der liebevollen Umarmung ein und desselben Paragraphen die Zuhälter, Rauschgisthändler, Kuppler und ,, Umstürzler".
Neben der Amnestie, die ja alle juristischen Fol gen der Verurteilung auslöscht, gibt es einen Strafnachlaß. Alle Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren werden aufgehoben, von allen Strafen bis zu zehn Jahren werden drei, von den Strafen über zehn Jahre fünf Jahre nachgelassen, immer jedoch müssen den Verurteilten bis zu zehn Jahren
und über zehn Jahre noch sieben weitere zu ver büßen bleiben.
Schließlich werden zahllose, darunter auch die allergemeinsten Betrügereien gegen den Staat, falsche Steuerangaben, Nahrungsmittelfälschung, Schmuggel, Abgabenhinterziehung usw. amnestiert. Das Defret segt massenhaft Bankrotteure, Betrüger, Wechselschwindler usw. in Freiheit.
Beim Bekanntgeben dieser Amnestie hat man eine neue Methode der Irreführung der öffentlichen Meinung des Auslandes angewendet, Erst hat man die Tatsache der Amnestie verkündet, ihre Anwendung auf die Antifaschisten, die Freilassung der Verschickten alles in offiziellem Kommuniqué. Man verläßt sich nun darauf, daß das Ausland noch diesem Beweis faschistischer Menschlichkeit sich nicht weiter um die Angelegenheit be=
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Deutsches Recht
Finanz Amt
Notstand- Freispruch!
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Transportgefährdung
Gesetze
kümmern werde und es nicht so genau nachrechnen, Nobelpreis für Galsworthy Gefeße der Schönheit unternimmt und damit die
wieviel Gramm das Mäuslein faschistischer Milde wiegt, das der Berg faschistischer Grausamteit unter dem Läuten aller Reflameglocken zur Welt gebracht hat. Wir erlauben uns, das Mäuslein genau zu besehen; es ist sehr winzig, denn nur so schlüpft es durch die Paragraphen, die den faschistischen Staat vergittern. In dem Bericht an den König heißt es, daß der vorgeschlagene ,, Akt der Milde" an ,, Grandiosität den Ereignissen gleichkommt, an die er anknüpft". Das ist wahrhaftig
war.
Bluff und Irreführung
beim einen wie beim anderen. Man entlastet die überfüllten Zuchthäuser, läßt eine fleine Zahl von Antifaschisten frei und posaunt eine noch nie dagewesene Amnestie ins Ausland. Im Inland fann man das nicht, weil man sich dort noch er= innert, daß die politischen Amnestien nach den Unruhen von Sizilien und der Lunigiana( 1894) und dem Mailänder Maiaufstand( 1898) viel umfassender waren.
Die Regierung gibt weiter bekannt, daß sie in den nächsten zehn Jahren teine Am. nestie mehr gewähren wird. Es könnte sein, daß in zehn Jahren die heutigen Herrscher mehr Interesse an einer Amnestie hätten als die, denen die jeßige Amnestie die Zuchthauspforten nicht öffnet...
Beschluß
der schwedischen Akademie
Die schwedische Akademie hat beschlossen, den Nobelpreis für Lite ratur 1932 dem englischen Schriftsteller John Galsworthy zu verleihen. Galsworthy , wohl der repräsentativste Romanschriftsteller des heutigen England, steht im 65. Lebensjahr. Er entstammt einer alten wohl habenden Familie, studierte in Orford Jura und machte nach seiner Zulassung zum Rechtsanwalt Reisen durch die englischen Kolonien, durch Europa , Rußland und Amerita. Nachdem schon vorher unter Pseudonym einige wenig beachtete Abenteurerromane von ihm erschienen waren, be= gann seine eigentliche literarische Laufbahn 1900 mit dem Roman Villa Rubein", die bereits in jene bürgerliche Welt einführte, der er selbst angehört. Sein Dichterruhm gründet sich auf die vielbändige Forsyte Saga", deren erster Band 1906 erschien. In dieser noch nicht abge= schlossenen Romanreihe zeichnet er die Entwidlungslinie des wohlhabenden englischen Bürgertums auf.
Galsworthy ist, wie Gerhart Hauptmann und Thomas Mann in Deutschland , der Repräsentant jener abgeschlossenen Epoche der gesicherten bürgerlichen Existenz, für die die soziale Frage noch
Hoffnung der Schuldner ein Problem ist, in bie bie Fragwürdigkeit bieſes
Washington , 10. November. ( Reuter.) Der britische Botschafter übergab heute Staatssekretär Stimson eine Note der englischen Regierung, die sich auf die britischen Kriegsschulden an die Bereinigten Staaten bezieht.
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Die Abzahlung der britischen Kriegsschulden an USA . ist längst geregelt; sie erfolgt in 63 Jahres= raten. Die Note tann offenbar nur eine Milde= rung, wenn nicht gar die Streichung der gewaltigen Restschuld bezwecken.
Daseins aber bereits gewitternd hineinleuchtet. Anzeichen des Verfalls und der Defadenz, Zweifel an den Ansprüchen bürgerlicher Ronvention und bürgerlicher Tradition machen sich bemerkbar. Aber noch fiegen Ronvention und Tradition, und die Befreiung des Menschtums aus den Feffeln einer erstarrten Gesellschaftsform( an die Gesellschaftsordnung selbst wird nicht gedacht) flingt nur als ein Hauch melancholischer Sehnsucht durch das Gesamtwert Galsworthys.
Dieses Aesthetisierende, die Formgesetze des Schönen ängstlich wahrende, auf innere Vornehmheit und Wohlanständigkeit stets behutsam Bedachte ist das typisch Englische an Galsworthys Erscheinung. Es seht ihn in einen gewissen Gegensatz zu der jüngeren englischen Dichtergeneration, die den Durchbruch zu einer Realistik jenseits der
3ölle statt Kontingente?
Der drohende offene Kabinettskonflikt hindert die Entscheidung
Nach der vorgestrigen Kabinettssigung hat man vergeblich auf eine Mitteilung gewartet, was denn nun in der Frage der Kontingente geschehen wird. Am 3. November hat das Reichskabinett den berühmten Beschluß gefaßt, daß das reichhaltige Ma
Die Heze gegen Brolat terial der Tomatentommiffion erst geprüft und
Verfahren
wegen Begünstigung eingestellt
Wie wir erfahren, hat die untersuchende Staatsanwaltschaft I in Berlin das Verfahren, das gegen den Genossen Brolat wegen Begünstigung der Stlarefs geführt wurde, eingestellt. Die Einstellung, die bereits in der vergangenen Woche erfolgte, aber fennzeichnenderweise erst jetzt der Deffentlichkeit bekanntgegeben wird, ist ,, aus rechtlichen Erwägungen" beschlossen worden.
Selbst der nationalsozialistische Staatsanwalt Freiherr von Steinäder, der aus seinem Raziglaubensbekenntnis tein Hehl gemacht hat, konnte nichts gegen Brolat finden und mußte das Verfahren einstellen!
Nach diesem Zusammenbruch der Heze gegen Brolat teilt die Telegraphenunion mit, daß die Staatsanwaltschaft noch ein Ermittlungsverfahren gegen Brolat megen Meineid in drei Fällen betreibe. Davon hat bisher meder Brolat noch sein Rechtsbeistand auch nur ein Sterbenswörtchen erfahren! Es wird ausgehen falls es wirklich betrieben wird wie das Verfahren wegen Begünstigung! Die Hege bricht zusammen, so sehr sich auch die reaktionären Kreise bemühen, sie hinzuschleppen!
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gesichtet werden müßte, bevor in der grund fäßlich zu bejahenden Frage der Kontingente praftische Entscheidungen getroffen werden könnten.
Die Kundigen wußten schon damals, daß die Rontingente einfach nicht zu machen sind, weil die Reichsregierung fich die wirtschaftliche Bernunft zur Richtschnur ihres Handelns gewählt hätte, sondern weil einfach die Mehrheit der Minister nicht mitmacht, eine sofortige Regierungskrise die nicht mitmacht, eine sofortige Regierungskrise die Folge wäre, und weil man vor den Wahlen die deutschen Unternehmer nicht vor den Kopf stoßen tonnte.
Dann tam nach den Wahlen die Meldung, die Reichsregierung wolle Gleitzölle statt der Kontingente einführen, natürlich mit dem Ziel, die Zölle so hoch zu sehen, daß sie prohibitio mirten.
Es dürfte nun so sein, daß das Reichskabinett vorgestern auch über die Gleitzölle nichts be= schlossen hat, und man darf wohl der Deutschen Tageszeitung" glauben, die schwermütig genug berichtet, daß die Kontingentsfrage von neuem vertagt worden sei. An sich sollte freilich auch die ,, Deutsche Tageszeitung" eine Vertagung begreifen; denn nach der Erklärung der Reichsregierung selbst war ja das Material der Tomatentommission außerordentlich reichhaltig, und zur Prüfung eines so reichhaltigen Materials ist
eben Zeit nötig.
Auf der anderen Seite darf man sich nicht darüber täuschen, daß Gleitzölle sich in der prakti= schen Wirkung, wenn sie das Ziel der Kontingentierung erreichen sollten, in nichts von Ron
tingenten unterscheiden. Auch hier wäre die Kündigung der wichtigsten Handelsverträge Borausseßung, der deutsche Industrieerport würde genau dieselbe Schädigung erfahren wie bei den Kontingenten und die Krisengefahr im Reichstabinett würde um nichts verringert. Ebenso ist es sicher, daß der Widerstand der Industrie, der im Kampf um die Kontingente erfreulicherweise einen vollen Erfolg zu verzeichnen hatte sich gegen den jetzt verschämt unter dem Namen Bleitzölle verbergenden Exportmord mit unverminderter Energie zur Behr feßen wird.
So wird es also voraussichtlich dabei bleiben, daß die Frage der Kontingente vertagt wird und vertagt bleibt, es sei denn, daß man nach beliebter Methode Herrn v. Braun erlaubt, mit irgendeinem fleinen Zugeständnis, das auch die Unternehmer schlucken tönnen, der Landwirtschaft Sand in die Augen zu streuen.
Nazipräsident abgesägt
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Grenzen der bisherigen englischen Kunst sprengt. Als Psychologe, als Gesellschaftsfritifer im tiefe ren Sinn, als Stilist, als Dichter bleibt Gals worthy trotzdem einer der Ersten unserer Zeit. Die Verleihung des Nobelpreises, die seit Jahren vorgesehen war, bleibt eine Selbstverständlichkeit.
, 10. November. An der Breslauer Universität fam es heute vor= mittag zu einem Zwischenfall. Eine Vorlesung von Professor Cohn, der erst gestern seine Lehrtätigkeit aufgenommen hat, wurde von antisemitischen Studenten verhindert. Der Rektor der Universität sah sich schließlich ge= zwungen, Polizei herbeizurufen, die die Ruhe. wiederherstellte.
Die Störungsversuche haben sich bei der zweiten Vorlesung Professor Dr. Cohns um 11 Uhr in verstärktem Maße wiederholt. Die Polizei, die nach dem ersten Zwischenfall zurückgezogen worden war, mußte wieder gerufen werden, um die Ruhestörer aus dem Hörsaal und vom Korridor zu entfernen. Der Räumungsaktion wurde feinerlei Widerstand entgegengesetzt. Professor Dr. Cohn fonnte seine Borlesung durchführen.
Die Schuldigen schreien
Wolfgang binom
1: 0 3: Die Kommunistische Partei hat in trauter Gemeinschaft mit den Nazis den Streit bei der Verkehrsgesellschaft organisiert zu dem ausgesprochenen 3wed, die Gewerkschaften auszuschalten. Sie haben erzielt, daß auf dem Schlichtungswege ein 3 wangstarif festgelegt wurde, den die Gewerkschaften ablehnen, aber, dem Gesetz entsprechend, befolgen müssen, wenn sie nicht finanziell haftbar gemacht werden wollen. Es iſt weiter erzielt, daß Tausende von Arbeitern und Angestellten gemaßregelt wurden. Durch die kommunistisch- nationalsozialistische Heze ver leitet, haben Arbeiter fich berechtigt geglaubt, nach dem Schiedsspruch Gewalttaten gegen fahrende Straßenbahnwagen begehen zu dürfen. Sie werden jetzt im summarischen Sondergerichtsverfahren zu schweren Zuchthausstrafen verurteilt, müssen also leiden für das verantwortungslose Treiben derer, die sie zu solchen Handlungen an getrieben haben.
Der Vorwärts" und mit ihm die ganze Sozialdemokratie hat gegen diese Anwendung des Sonbergerichtsverfahrens und der gegen nationalsozia listische Bombenwerfer gerichteten Terrorverord nung schärfsten Einspruch erhoben.
Das hindert aber das fommunistische Abendblatt des Herrn Münzenberg nicht, in großer Aufs machung zu behaupten:„ Die SPD. und Ge wertschaftsführer stehen als Schat ten hinter dem Staatsanwalt." Sie wären sogar die eigentlichen Staatsanwälte gegen die Arbeiterschaft! Man fönnte den Prozeß auch nach der Lindenstraße oder dem Engelufer ver. legen!
Wir hängen diese Schamlosigkeit des Kommunistenblattes hier niedriger. Dieselben Bersonen, die die unorganisierten Arbeiter der BVG. zu Wahlzweden in Streit und Not getrieben, beschimpfen und verleumden heute wie immer die Sozialdemokratie und die Gewerks schaften, die nicht so leichtsinnig mit dem Schicksal der Arbeiter umzugehen pflegen. Die gleichen Leute fordern aber heute zur Hergabe von Bettelfuppenfür die Gemaßregelten auf, um ihre angebliche Hilfsbereitschaft zu beweisen.
Diese Schimpferei und diese Bettelei auf der gleichen Seite Drudpapier fennzeichnen vollends die moralische Berwilderung einer politischen Gruppe, die sich als Arbeiterpartei" ausgibt!
Der Repräsentant des neuen, das heißt nationalsozialistischen Kurses in der ostpreußischen Landwirtschaftskammer, Freiherr v. Butt. lar, ist ausgerechnet am 9. November- von seiner Parteileitung abgefägt worden. Er läßt in der Oeffentlichkeit sein Be= dauern darüber mitteilen, daß es ihm nicht vergönnt war, wie beabsichtigt, sich nach anderthalbjähriger Amtsführung einmal der Bollversammlung zu stellen". Das sei ihm jetzt unmög- Bei Erfä tunasfrantheiten, bei Schmerzen lich, nachdem die Presse den von ihm vollzogenen Rücktritt vorzeitig bekanntgegeben habe. Jedenfalls hat Herr v. Buttlar so glänzend gearbeitet, daß es selbst der Königsberger Gauleitung zuviel wurde, und das dürfte einiges heißen!
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