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Vorwärts
15]
ROMAN VON STEFAN POLLATSCHEK
Copyright Saturn- Verlag.)
Hinter ihr war Weltlin ins Zimmer getreten. Dasselbe Zimmer, in dem er vor einiger Zeit dem Toten gegenübergesessen war. Da stand der Schreibtisch, davor das bequeme Fauteuil, zur Seite der Stuhl, auf dem er gesessen war. Aber was war das? Am Boden lag Krüger. Ihm zur Seite. fniete Erna, ein weißes Tuch, das auf dem Gesicht des Toten gelegen war, hatte sie behutsam meggezogen und Weltlin sah in ein übernatürlich weißes Antliz. An der Schläfe tlaffte ein kleines, schwarz umrandetes Loch. Das also genügt, um das Leben entfliehen zu lassen? dachte Weltlin. Und er entsann sich der verflossenen Nacht. Da war er gelegen und hatte selbst an Gleiches gedacht. Die Hand nur hätte er ausstreden müssen und er wäre dagelegen wie dieser. Vielleicht märe Krüger vor ihm gestanden, wie jetzt er vor ihm, vor seiner Leiche stand. Und er fühlte, wie sich ein Krampf in ihm löste, wie seltsame Klarheit sein ganzes Wesen erhellte. Warum tatest du das, sprach eine Stimme in seinem Innern zu dem Toten. Aus Furcht? Aus Ueberdruß? Aus Efel? Warum? Man hätte dich wohl verhaftet, wie? Man hätte dir den Prozeß gemacht und dich vielleicht auch bestraft? Aber du hättest gelebt! Du wärest im Gefängnis gesessen, hättest Papierdüten geklebt( und Weltlin sah sich selbst im Sträflingsgewand dieser Arbeit obliegen), aber du hättest gelebt, du hättest die Sonne gesehen und eines Tages wärest du wieder in Freiheit gewesen, hättest spazieren gehen können, die herrliche Luft genießen, dich von der Sonne bescheinen lassen können. Und nun liegst du da und Stille ist um dich und nichts siehst du und nichts empfindest du, weder Freude noch Schmerz, ein Klumpen Erde bist du, empfindungslos, ich könnte mit dem Fuß nach dir stoßen und du fühltest es nicht, während ich hier stehe und bald im Freien in Luft und Helle atmen werde, du dummer, dummer Mensch! Du meinst, daß dieser Zustand doch einmal gefommen wäre, auch menn du ihn nicht selbst herbeigeführt hättest, daß er auch mich einmal erreichen wird einmal, einmal! Ja, gewiß! Aber bis dahin hättest du gelebt, bis dahin hättest du ge= atmet, gelitten! Hättest Freude empfunden und Kummer, hättest gesehen, gefühlt und geliebt! So lange wirst du nun tot sein, auf die paar Jahre ist dir's angekommen, du dummer, dummer Mensch?! Du bist geflüchtet wohin? Ins Nichts, das dir ja doch nicht erspart geblieben, in die Vernichtung, der du doch nicht entronnen wärest! Und wenn ich nun von dir gehe, du armer, dummer Mensch und in der nächsten Stunde tot zu Boden stürze, wenn mich ein Auto über fährt, ein herabfallender Stein zerschmettert, ein Schmerz mich tötet diese Stunde habe ich doch gelebt, die habe ich voraus vor dir, ich lebe und du bist tot!"
-
Weltlin riß sich aus seinen Gedanken. Er fah nach Erna. Die hatte sich erhoben und schritt rasch aus dem Zimmer. So rasch ging sie, daß er Mühe hatte, ihr zu folgen.
4.
Als Weltlin frühmorgens die Fabrik betreten wollte, bot sich ihm auf der Straße ein ungewohntes Bild. In kleinen Gruppen standen Arbeiter vor dem Gebäude.
Einige grüßten, andere sahen weg, als sie ihn erblickten. Weltlin dachte zunächst an Streit, aber im Betrieb wurde gearbeitet- wie gewöhnlich. Er erkundigte sich bei Hanau , der ebenfalls über die Ursache der Ansammlung nichts wußte und gab dann Auftrag, die Polizei für alle Fälle in Kenntnis zu setzen.
Die eingelaufene Post, die er mit Lechner und den einzelnen Abteilungsvorständen durchfah, war recht erfreulich. Troz der herrschenden schweren Wirtschaftskrise war der Eingang an Ordres gleichmäßig starf. Die Reisenden und Vertreter berichteten, daß die Konkurrenz nun ganz bedeutungslos geworden sei und kaum mehr Offerten
Nanu?
Grossartig! das geht ja wie geött!
mache. Dabei war es Weltlin gelungen, mit der gleichen Arbeiterzahl sein Auslangen zu finden und wenn sich die Berechnungen, die Crusius an einer vorzunehmenden Verbesserung seiner Erfindung eben anstellte, als richtig erweisen sollten, dann könnten noch mehr Arbeiter entlassen, das Produkt noch weiter verbilligt werden. Weltlin sah bereits, während er in den Papieren blätterte und Weisungen an seine Mitarbeiter erteilte, all diese Neuerungen durchgeführt, wurde aber von Lechner aus seinen Träumen gerissen. Der Prokurist wies auf die Geldschwierig
keiten hin, die eine Hereinnahme all dieser Aufträge zweifellos herbeiführen würde. ,, Ja, Sie haben recht, merken Sie vor, daß ich dann Krüger anrufe."
Lechner sah Weltlin vorwurfsvoll an. Zu oft ereignete es sich in letzter Zeit, daß der Chef nicht bei der Sache, daß er geistesabwesend war.
,, Ach ja, Krüger ist tot", sagte Weltlin und vor ihm tauchte eine Vision auf: der tote Krüger ging spazieren, Arm in Arm mit Erna und aus einer kleinen, schwarzumrandeten Wunde floß rotes, dickes, schweres Blut...
Der Träumende wurde aufgeschreckt. Er hörte auf sich einsprechen. Es war Lechner. Ein Abnehmer hatte geschrieben, daß er an= dere Waren geliefert erhalten, als er bestellt hatte. Der schuldtragende Beamte wurde herbeigerufen, zitternd trat ein langer, schmaler, etwas ältlicher Mensch im abgetragenen Bürorock ein. Der Fehler wurde ihm vorgehalten, der Beamte suchte sich zu rechtfertigen. Lechner ließ feine Entschuldirechtfertigen. Lechner ließ keine Entschuldigung zu: der Schaden werde berechnet wer
FREITAG, 11. NOV. 1932
den und sei von dem Beamten in monatlichen Raten zu bezahlen. Weltlin stellte fest, daß der Mann von seinem bescheidenen Einkommen wohl zwei Jahre hindurch an der Abſtattung werde tragen müssen, doch er mengte sich in die Debatte nicht ein, als be= rührte sie ihn nicht.
Es folgten eine Reihe unangenehmer Briefe. Im fernen Osten hatte eine Handelsgesellschaft die Zahlungen eingestellt. Das bedeutete für das Unternehmen einen Verlust von beträchtlicher Höhe. Eine Schiffsladung, die wertvolle Rohmaterialien für die Fabrik führte, war in Genua verbrannt und wenn auch der Schaden durch Versicherung gedeckt war, die Kontinuität der Erzeugung litt empfindlich darunter. Da war das Schreiben eines Vertreters, in dem von drohender Zollerhöhung die Rede war, hier eine Zuschrift der Steuerbehörde, die Vorhalte über angegebenen Umsatz und Erfolg machte und Aufklärung wünschte. Da wurde gemeldet, daß Ware in unbrauchbarem Zustand ange= kommen sei, hier kam die Anzeige einer Bank, daß Rimessen nicht eingelöst worden ( Fortsetzung folgt.)
maren.
Sejim war mein Freund; ich hatte ihn in Frisko auf einem Arbeitsnachweis kennengelernt, und wir maren zusammen losgetippelt bis runter nach Monterey und dort hatten wir in der vornehmen Del Monte Lodge Arbeit gefunden. Sejim als Koch für die kalte Küche und ich als Abwäscher. Wir hatten ein Zimmer zusammen, und die Arbeit war nicht sehr schwer. Manchmal waren überhaupt keine Gäste da und wir kochten nur für uns selber. Es war im Sommer, die Berge waren grün und der Himmel hatte jeden Tag eine strahlende Sonne. Und wir hatten viel freie Zeit, der Geschäftsführer klagte, es war ein kleiner Mann mit schütterem grauem Haar ,,, das Personal frißt ja das Unternehmen bankerott", sagte er, aber die vornehmen. Autos rollten vorbei, manchmal blieb eine kleine Gesellschaft zum Lunch, dann pfiff Sejim und schnitt Tomaten und rote Rüben und ich kriegte davon auch immer etwas ab.
Die Nachmittage waren frei. Und das Meer lag blau und weit, mir badeten und faulenzten im Sande, bauten Burgen und Kanäle, und die Sonne bräunte unsere Haut. So gut hatten wir es lange nicht gehabt. so satt zu essen, ein Dach über dem Kopf und die Bezahlung war auch nicht allzu schlecht. Wir bauten ein Lager am Strande und verbrachten die Nächte draußen. Wir maren beide noch nicht zwanzig Jahre und konnten der Romantik eines nächtlichen Feuers natürlich nicht widerstehen. Sejim sang traurige Lieder aus seiner Heimat, Liebeslieder, er stammte aus irgendeinem Nest auf dem Balkan , und dann lagen wir wach, und die gelben Sterne flimmerten in unsere Augen.
Wir versuchten, mit der blonden Telephonistin anzubändeln, aber der waren wir zu gewöhnlich, die verkehrte mit dem Oberfellner. Und sonst waren feine Mädchen weiter da, aber im Stalle standen zehn Pferde für die Gäste, die auch nicht da waren, sie standen schon lange und schlugen schon fast die Verschläge entzwei. Und Sejim und ich ritten los. Immer am Strande entlang, hopp= hopphopp, und die Tiere waren ganz wild von soviel Weite, und eines Tages flog Sejim aus dem Sattel und knallte in den Sand. Er spuckte etwas Blut, und von den Pferden hatte er genug. Dann machte ich aus Langweile ein paar Gedichte, aber Sejim verstand kein Wort Deutsch , und ich ließ es wieder sein. Es machi eben ohne Publikum nicht den richtigen Spaß.
Eines Tages fam Sejim ganz aufgeregt ins Zimmer gerannt. ,, Eben ist eine wunderbare Frau vorbeigefahren, sowas, solche Augen, und angelacht hat sie mich auch!" Er war sich auf sein Bett und strampelte mit den Beinen. So, vorbeigefahren, na ja", sagte ich und schrieb weiter an einem Briefe für ein Mädchen in Deutschland .„ Eine Künstlerin ist sie", schwärmte Sejim weiter ,,, fie malt und in Carmel hat sie eine Villa." Da lag er nun auf dem Bett und war in eine Frau verknallt, die eine Künstlerin sein sollte und nur vorbeigefahren war. Und auch noch eine Villa, es war ein bißchen unglaubhaft. Aber Sejim bestand darauf, der Golflehrer hatte es ihm erzählt, und
Die beiden hole ich mir mit einem Sprung!
er meinte, daß mir etwas unternehmen müßten. Carmel by the Sea war ja nun die nächste Ortschaft, und ich wußte auch, daß es eine Künstlerfolonie war. Ich war schon mal in der Buchhandlung dort gewesen und hatte einen ganzen Monats= lohn in Büchern vernascht. Aber ich war immer noch sehr steptisch. ,, Wenn du sie gesehen hättest!" sagte er, und tanzte wieder im Zimmer umher und sang und pfiff, daß der misanthropische Shorty wütend an die Wand pochte und Ruhe verlangte.
Am anderen Tage schleppte er mich mit zum Bootshaus. Wir fahren hin", sagte er ,,, wie die Argonauten." ,, Du hast ja keine Ahnung von diesen Leuten", sagte ich ihm, du leidest an einer Zwangsvorstellung, du bist verrückt, Mann, und überdies ist das Meer in dieser Jahreszeit ge= fährlich."
Das Meer lag glatt wie eine himmelblaue Tischdede, minzige meiße Schaumfronen huschten manchmal auf, es mar allerliebst. Ich schaute in den klaren Himmel und prophezeite einen schweren Sturm. ,, Es liegt etwas in der Luft", jagte ich, ,, vor dem Taifun im Gelben Meer war es ge= nau so."
,, Hier, faß mal mit an", sagte er ,,, na los, eins, zwei, drei, hopp!"
Das Boot schaukelte auf den kleinen Wellen. ,, Es ist Wahnsinn, Sejim", sagte ich ,,, du kannst nicht mal richtig schwimmen."
Er stieß ab und legte sich in die Riemen. Und es mar nur ein kleines Boot und das, worauf mir jetzt ganz lustig schwammen, das war der Anfang des Großen Ozeans. Sejim sang und ruderte. Sein Gesicht glühte heiß und freudig, man konnte dem Kerl nicht böse sein. Aber die Wellen waren doch viel größer hier draußen als man am Strande gedacht hatte, und das Boot schaukelte, und an der Spize zerbrach das Wasser und machte schwipp. Es war ein böses Geräusch und bedeutete sicher nichts Gutes. Wir mußten ziemlich meit hinausrudern um eine Landzunge herum, die ins Meer hineinragte, und ein Küstendampfer fuhr ganz in unserer Nähe vorbei.
,, Ist es nicht herrlich?" fragte Sejim und ruderte mit Absicht in das Kielwasser des Dampfers hinein. Das Boot schwankte, versant in den Abgründen schäumender Wellen und stieg dann wieder empor wie eine Luftschaukel, daß man es bis tief in den Magen spürte. Ich hielt mich fest und redete kein Wort mehr. Denn das reizte ihn nur zu neuen Tollkühnheiten, und ich hatte keine Luft, hier draußen kurz vor Carmel mit diesem Verrückten zu versinken.
Aus den Dünen am Strand ragten jetzt die ersten Häuser, mir waren noch immer weit draußen, und sie sahen wie Spielzeuge aus. Sejim zeigte auf einen einfachen weißen Bau, die großen, breiten Fenster fingen die Sonnenstrahlen auf und warfen sie hinaus aufs Meer. Dort wohnt sie" sagte er. Er ruderte auf das Haus zu.„ Sie ist sicher längst abgereift", sagte ich ,,, Künstler find merkwürdige Leute." Du mit deiner Kurzsichtig feit", sagte Sejim ,,, sie steht am Fenster und erwartet mich."
Der Junge war ganz hin. Er hatte die Riemen eingezogen und ließ das Boot treiben. Er wurde melancholisch. Seufzte. Leise gludste das Wasser am Holz des Bootes. Er war am Ziel und wußte nichts damit anzufangen. So eine Dämlichkeit. ,, Wink' ihr doch schon mal, wenn sie am Fenster steht, vielleicht kommt sie raus."
Aber dazu kam er gar nicht mehr. Wir hatten ganz vergessen, daß wir uns in einem Boote befanden und ließen es der Länge nach parallel mit dem Strande treiben. Es war ja so still. Und als wir aufschauten von einem plötzlichen Getöse, stand die große Welle schon wie eine grüne Mauer hoch über uns. Man konnte sich nur noch instinktiv zusammenbucken. Das Boot schlug um, ich wurde gefaßt und hinausgerissen und hatte Boden unter den Füßen als ich zum Stehen kam. Das Boot trieb fieloben in meiner Nähe, unsere abgelegten Kleidungsstücke schwammen zerstreut umher. Ich spuckte und wischte mir das Wasser aus meinen Augen. Eben kam Sejims Kopf zum Vorschein, puuahh, er pruſtete und schüttelte sich. Wir schauten uns an. Was war denn eigentlich passiert? Das Meer war doch ganz ruhig. Das war ja wie ein schlafendes Kind so friedlich.
Sejim warf einen scheuen Blick nach dem Hause. Da tam wirklich jemand die Treppen herabgeeilt, sie hatte sicher alles mitangesehen, unsere Ungeschicklichkeit, aber das geschah uns ganz recht. Wir zogen das Boot aufs Trockene und erwarteten sie. Auch mein Herz klopfte. Es waren die Schritte einer Frau, die über den Sand kamen. Dann fagte eine Stimme im breiten Alabama - Dialekt, ,, Yessuh, die Lady wünscht drei Gallonen Royal Scotch für nächsten Sonnabend. Mei, wir ihr naß seid!"
Sejim zudte zusammen. Wir drehten uns um. Wir verstanden kein Wort. Eine ältere Negerin in einer weißen Schürze grinste uns freundlich an. ,, Es ist schon mal einer hier umgefippt", erklärte sie strahlend ,,, das ist eine gefährliche Stelle. Ihr müßt vorsichtig sein, wenn ihr den Whisky bringt." Dann ging sie, breit und schlürfend, und ver= schwand im Hause. Eine Möwe schrie. Fabelhafte Frau, Villa, Künstlerin, Scotch Whisky, Moon of Alabama" sagte ich monoton. Sejim war ganz blaẞ...
"
Wir begannen, das Boot auszuschöpfen. Und famen wieder zu uns. Es war led und Sejim stopfte seine Jacke in das Loch. Er arbeitete mie ein Wilder. Und dann hatten wir eine höllische Mühe, das Boot durch die Brandung hindurch zu bekommen. Endlich glückte es, und wir schwammen wieder. Naß und frierend. ,, Sejim", sagte ich... Er erwiderte mir in seiner Muttersprache. Das klang nicht sehr nett. Aber mit der Zeit wurde er zugänglicher. ,, Die haben uns mit ihrem Alkoholschmuggler ver= wechselt, uns!" Er lachte, und dann lachten wir zusammen. Es schallte über das Meer. Ganz hinten am Horizont lag ein Schiff. Außerhalb der Bannmeile, das war der Schmuggler. Und Sejim sagte: ,, Brrrr, die Schwarze! Zum Teufel mit den Weibern !" Er redete wie ein alter Seemann.
Donnerwetter schon ferlig?
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Nächstens schneller, Herr Nachbar! Rasieren mit Jgemo- Rasiercreme geht halt wie der Blib
grosse Tube nur
75,
Normal Tube
nur 44
P
B.
Harania