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Was geschah 1924? Die Vernehmungen im Prozeß Bullerjahn

Verleumdung untersagt! Der ,, Angriff" am Pranger Vor dem 5. Zivilsenat des Kammerge­richts wurde am 11. November der bekannte Prozeß des Schriftstellers Dr. Hellmuth Klotz gegen den Verlag desAngriff" unü feinen verantwortlichen Redakteur Dr. L i p p e r t ver- handelt. DerAngriff" hatte im Anschluß an den . Üeberfall der nationalsozialistischen Abgeordneten im Reichstag aus Dr. Klotz letzteren in einer Reihe von Artikeln unglaubwürdig machen wollen, um die Wahrheit über die Echtheit der von Dr. Klotz veröffentlichten Röhm-Briefe zu ver- dunkeln. So verbreitete 0erAngriff" die Be­hauptung. Dr. Klotz sei wegen Unterschlagungen aus der NSDAP , ausgeschlossen worden, sei im Irrenhaus interniert gewesen und habe mit einer Fälschung der Röhm-Briefe den Hauptmann a. D. Röhm verleumdet. In der sehr bewegten Verhandlung konnte Rechtsanwalt Karlheinrich Franke, der Vertreter desnAngriff", keinerlei Material für die Richtig- keit der Veröffentlichungen desAngriff" bei- bringen und machte zur Verteidigung nur geltend, derAngriff" habe keine eigene Meinung über Dr. Klotz gebracht, sondern habe nur die amt- lichen Auslassungen des Parteivor- standes der NSDAP , über Dr. Klotz pflicht- gemäß publiziert. Demgegenüber führte der Vertreter des Dr. Klotz, Rechtsanwalt Pröll, aus, daß nach dem Strafgesetzbuch nicht nur das Aufstellen, sondern auchdas Verbreiten unwahrer Behauptun- gen als Beleidigung strafbar sei, so daß auch ein zioilrechtlicher Anspruch auf ein Verbot derartiger Verleumdungen gegeben sei. Rechtsanwalt Pröll bat um Erlaß einer sehr weitgehenden einstweiligen Verfügung, um endlich einmal einer solchen Verwiloerung des politischen Kampfes, wie ihn die vorsätzliche Verleumdung / des politischen Gegners darstelle, ein Ende zu machen. Aus den dem Kammergericht vorliegen- den Privatklageakten Dr. Klotz-Behrends wurde die Echtheit der Röhm-Briefe auf Gruna der eidlichen Vernehmung des Dr. H e i m s o t H, des Empfängers der Röhm-Briefe, festgestellt. Das Kammergericht schloß sich den Ausführun- gen des R.-A. Pröll an und verbot nicht nur unter Androhung von Geld- uno Haftstrafen dem Angriff" weitere derartige Veröfsenllichunzen, sondern ordnete auch eine recht ungewöhnlich«, aber nachahmenswerte Entscheidung die Ver­öffentlichung dieses Urteils im Haupt- blatt desAngriff" an.

Am siebenten Verhandlungstage des Bullerjahn- Prozesses wird die Zeugenvernehmung fortgesetzt Zunächst wird der Kaufmann Felix Vorhang als Alibizeuge für den 23. Dezember 1924 gehört An diesem Tage soll nach den Aussagen des Herrn von Gontard Bullerjahn bei der Inter- alliierten Kontrollkommission gewesen sein. Auch die Zeugen Pagenstecher und Pittelkow hatten be> kündet, daß nach den Aussagen der unbekannten Vertrauensperson Bullerjahn an dem fraglichen Tage bei Leutnant Jost den Verratssold abgeholt hätte. Der Zeuge Vorhang war ebenso wie Bullerjahn Zögling des Militärwaisen- Hauses. Beide gehörten dem Verein der ehe- maligen Zöglinge an, der Zeuge als 1. Schrift- führer und Bullerjahn als 2. Schatzmeister. Am 23. Dezember 1924 fand eine W e i h n a ch t s- befcherung des Bereins im Wilhelmshof in der Anhaltstraße statt. Der offizielle Beginn der Feier war für S Uhr angesetzt, die Vorbereitungen, die von Bullerjahn und dem Zeugen getroffen wurden, haben aber bereits vorher begonnen. Auf Fragen des Vorsitzenden erklärte der Zeuge, daß er sich nicht genau entsinnen könne, wann Bullerjahn ge- kommen sei. Vors.: Sie haben früher gesagt, es fei etwa 19 Minuten vor 3 Uhr gewesen. Zeuge: Wenn ich das damals gesagt habe. so wird es stimmen. Jedenfalls ist Bullerjahn später gekommen, als wir uns verabredet hatten, nämlich um 2 Uhr. Vors.: Ist Bullerjahn während der Feier einmal weggegangen? Zeuge: Das ist schwer zu sagen. Die Ver-

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Der Nazi:140 Beamte abgebaut? Da wird Platz frei für uns Herren­menschen!"

Zeit keine dringendere Aufgabe hätten. Der Reichsinnenminister habe davon gesprochen, daß er bei der Reform des Wahlrechts be- absichtige, den Kriegsteilnehmern eine Zusatz stimme zuzubilligen. Er habe stch damit zum Teil die Pläne der NSDAP , zu eigen ge- macht, einer Partei, die ja auf das schärfste den Parlamentarismus an sich bekämpfe. wir wünschen aber keine neue Klassifi­zierung, wir deutschen Kriegsteilnehmer wollen nicht mehr Rechte, sondern gleiches Recht, wir lehnen es ab, und ich betone das ausdrücklich an dieser Stelle." Der Kanzler spreche sich oft gegen Parteimiß- Wirtschaft aus. Wenn aber die Parteien praktisch ausgeschaltet würden, was nütze dann ein« Zusatz- stimme? Die Staatsgewalt gehe vom Volke au«. An diesem Grundsatz müsie man festhalten. Deshalb ersehne der Reichsbund auch nicht» mehr, als«in Wiederzustandekommen der Parlamentstätigkeit.

Opfer der Sonderjufti» Die Z�uchthausurteile gegen Arbeiter Auf der Rebaktion desVorwärts" erschien heute oormsttag eine größere Anzahl von Ange- hörigen der vom Sondergericht zu schweren Zuchthaus st rasen verurteilten oder noch in Untersuchungshast befindlichen Arbeiter. Männer, deren Frauen ins Zuchthaus kommen sollen, und Frauen, die als Auswirkung der Schreckensurtelle ihre Familie und ihre Existenz zusammenbrechen sehen, klagten ihre Not. Unter den Erschienenen befand sich die Frau des vor einigen Tagen von der Tolk -Kammer zu 2% Iahren Zuchthaus ver-

ciusräume im Wllhelmshof liegen im ersten Stock, das Restaurant zu ebener Ende. Da ist es leicht möglich, daß man stch zeitweise auch im Restaurant aufhiell. Die Teilnehmerzahl an der Feier war ziemlich groß. Gesehen habe ich Buller- !ahn während des Abends bestimmt. Daß er iängere Zeit abwesend gewesen sein könnt«, halte lch nicht für möglich, well Bullerjahn die Geschenke besorgt und das Zimmer gemietet hatte. Der Berichterstatter Reichsgcrichtsrat K lim- m e r bemerkt, daß dieser Alibibeweis in bezug auf die Aussage des Herrn von Gontard keine Bedeutung mehr habe, da Herr von Gontard seine Aussage dahin geändert habe, daß der Besuch Bullerjahns bei der Interalliierten Kommission

Ein blutiges Eifersuchtsdrama spielte sich am Freitagabend auf dem Reu städtischen Laubengelände in Spandau ab. Die 31 Zahre alte Angestellte Gertrud hübsch, die bei ihren Eitern in der 3 a g o w st r a h e 2 2 in Spandau wohnt, schlug ihren Freund, den 31 Zahre alten Maurer Arthur M i e l k e. der in der dortigen Kolonie wohnt, mit einer Axt hinterrücks nieder. Der schwer getrosfene Mann mußte in» Krankenhaus in Spandau gebracht werden. Die Täterin wurde von Laubenkolonisten sestgenommen und der Polizei übergeben. Das Paar kennt sich seit Juli dieses Jahres. Die Hübsch war sehr eifersüchtig und hatte Mielke verschiedentlich schon heftige Szenen gemacht. Er hatte ihr deswegen auch erklärt, daß er sich von ihr trennen wolle. Trotzdem er sie gebeten hatte, ihn nicht mehr in der Laube aufzusuchen, kam sie doch wieder. Am vergangenen Montag kam es zwischen beiden zu einer heftigen Aus- einanderfetzung. Schließlich ging M. fort und ließ das völlig verzweifelte Mädchen in der Laube zurück. Zunächst trank sie B l e n d o l, es war aber glücklicherweise nur noch wenig in der Flasche. Dann sie Rattengift, das aber alt und unwirksam war. Zum Schluß versuchte sie, stch die Pulsadern zu öffnen. Als Mielke am nächsten Tage zurückkam, fand er sie ohnmächtig auf. Das Mädchen hatte 2 6 Stun- den bewußtlos auf dem Bett gelegen. Der Mann brachte sie nun nach Hause, wo sie sich langsam wieder erhalle. Am Freitagabend suchte sie ihn erneut auf. Wieder kam es zwischen beiden zu heftigen Streitigkeiten. Das Mädchen ging voller Wut aus

urteilten Arbeiters Bratengeier mll chrem drei Monate alten Kindchen. Diese verzweifelnden Menschen sind von der Unschuld ihrer Angehörigen Uberzeugt. Im Falle Bratengeier sind zahlreiche Zeugen vorhanden, die bekunden wollen, daß der Verurteilte die ihm zur Last gelegten Aus- schreitungen nicht begangen hat. Man fordert hier wie in anderen Fällen energisch das Wieder- aufnahmeverfahren. Von den Vertretern der Redaktion wurde den Bedauernswerten erklärt, daß derVorwärts" es nach wie vor als seine Pf!li!cht ansehen wird, gegen das Unrecht der Sonderjustiz zu protestieren und zu kämpfen. Es werde alles getan werden, um die öffentliche Meinung Immer wieder gegen die Verhängung solcher Schreckens- Urteils zu mobilisieren, ebenso wie die Sozial- demokratie in den Parlamenten olles tun werde, um den Opfern zu helfen. Die erste Möglichkeit dazu wird die Beratung des von der sozialdemo- kratischen Reichstagssraktion eingebrachten A m- nestieantrages im neuen Reichstag bieten.

Die Hölle von Kuba Man rechnet mit 2500 Todesopfern New Bork. 12. November. Tie Meldungen über die Sturm, und Wasserkatastrophc auf der Insel Kuba lauten immer trostloser. Aus Camagueh wird jetzt berichtet, das, über 2800 Menschen das Leben eingebüßt haben. 3vv Tote sind bereits begraben worden. Ter neugewählte Bürgermeister von Santa Cruz del Sur Antonio Martine;. erschoß sich aus Verzweiflung, nachdem er festgestellt hatte, daß feine ganze Familie durch die Sturmflut umgekom. men war. Augenzeugen berichten, daß sich Schreckensszenen unbeschreib- licher Art abgespielt haben. Zahlreiche Kinder wurden vor den Augen ihrer verzweifelten Eltern weggeschwemmt.

möglicherweise nicht am 23., sondern schon ein paar Tage vorher stattgefunden habe. Es wird dann festgestellt, daß laut Ausgangs- buch Bullerjahn das Werk um 2.30 Uhr verlassen hat. Bullerjahn bemerkt hierzu noch: Das Ein- treffen der Kommission wars mein Vorhaben für den Rachmittag über den Haufen. Ich rechnete darauf, hinzugezogen zu werden, und hatte auch etwas dem Zugriff der Kommission zu entziehen. So blieb ich, bis die Kommission aus dem Werk war. Sodann wird die gestern abgebrochene Vernsh- mung des Zeugen Rechtsanwalts Meyer, des Leiters der Personalabteilung bei den Berlin - Karlsruher Industrie-Wsrken. fortgesetzt. Zunächst wird ausführlich die Schrottschiebung behandelt. Im Anschluß an diese Schiebung hat bekanntlich der Angeklagte Vullerjahn ein von den Direktoren Hellwig und Schweizer unterzeichnetes V e r wa r- nungs schreiben erhalten, das sich auf die manaelnde Aufsicht Bullerjahns bezog und ihm nicht etwa selbst Verfehlungen vorwarf.

der Laube heraus. Mielke nahm an, daß sie noch Haufe gegangen fei. Er saß an seinem Tisch, mit dem Rücken der� Tür zugewandt. Gertrud H. war aber in einen Schuppen gegangen und halle eine Axt geholt. Ehe er sich zur Wehr setzen konnte, schlug die Eifersüchtige mit der Art zu und brachte ihm eine stark blutende Wunde am Hinterkopf bei. Mielke taumelle. Das Mädchen oersuchte, ihm noch mehrere Schläge beizubringen, die er aber zum Teil abwehren konnte. Auf seine Hilferufe kamen Nachbarn herbei, die die Tobende festhielten und sie der Polizei übergaben. Mielke mußte ins Kranken- haus gebracht werden, wo die Aerzte eine Schädelspaltung feststellten. Scheidungstragödle Xindesmord und Doppelselbstmord Dortmund , 12. November. Hausbewohner fanden auf dem Trockenboden des Hauses Am Bruchheck 36 im Stadlleil Hörde die 22jährige Ehefrau E l l i Weber, die in diesem Hause ein Zimmer bewohnte, und den 2öjährigen Arbeiter Ludwig Lügger er- hängt auf. Die benachrichtigte Polizei fand in dem Zimmer der Frau Weber das 2 jährig? Söhnchen der Frau Weber erwürgt auf. Frau Weber und der Arbeiter Lügger unterhielten ein Liebesverhältnis. Sie waren zwar beide ver- heiratet, lebten aber von ihren Ehegatten gellennt. Frau Weber Halle bereits die Scheidung ein- geleitet. Das ermordete Kind stammte aus der Ehe der Frau Weber.

Nach den» Zurückgehen der Sturmflut waren die Bäume und die höher gelegene« Häuser mit zahllosen Leichen übersät. Miami (Florida ), 12. November. Die Küstenwache sing den Funkspruch eines englischen Dampfers an den Gouverneur von Jamaika auf, der besagt, daß der Wirbeksturm, der Kuba am Mittwoch heimsuchte, auch auf den Inseln nordwestlich von Jamaika großen Schaden angerichtet hat. Auf den Cayman- inseln sind 60 Personen getötet und viele hundert verletzt worden. Außer vielen anderen Häusern wurden sämlliche Regierungsgebäude zerstört.

Der Genfer Proteststreik Genf . 12. November. Der Parole zum Generalstreik sind in Genf vollzählig nur die B a u a r b e l k e r und die Lelegschaslen der industriellen Betriebe gefolgt. Die Trambahner haben in einer Rachtfitzung den Streikbeschluß ihrer Delegierten wieder umgestoßen. Doch haben sie um die Miltagszeil, als die meisten der Beerdigungen stattfanden, eine halbe Stunde lang durch einen Sympalhiestreik den Verkehr in der Stadl lahmgelegt. Dadurch füllten sich die Straßen mit allen von der Arbelt heimkehrenden Angefkelllen. Die B e» e i l i g u n g an den Beerdigungen war ungeheuer: über eine halbe Stunde defilierten schweigende Massen vor den in den hänsern auf­gebahrten Leichnamen. Da» Gefängnis von St. Anlolne Ist von Truppen stark beseht, die Fenster und Höfe sind mit geladenen Maschinen­gewehren gespick». Durch die Stadl fahren Last- aulos mit bewaffnelen Truppen mil fchuhbereilen Gewehren._

Grubenunglück in England London , 12. November. Auf der Kohlengrube Sdge Laue in der Mhe von W I g a n(Lancaster) ereiguele sich eine schwere Explosion. Bisher konnten elf Leichen geborgen werden.

Buttereinfuhrverbot! Nur noch Kontingente zugelassen Mit Wirkung vom 13. November wird die Ein- fuhr von Butter neu geregell. Der Zollsatz für Butter beträgt von diesem Tage ab autonom 100 M., jedoch vertragsmäßig für alle meistbe» günstigten Länder 75 M. für einen Doppelzentner. Die Einfuhr von Butter wird von diesem Tage ab grundsätzlich ver» boten. Sie wird jedoch ohne Einfuhrbewilli- gung zugelassen für bestimmte an einzelne Er- zeugungsländer zugeteilte Kontingente, die nur über die mit den Erzeugungsländern verein- barten Zollstellen eingeführt werden dürfen. Als Einlaßstellen gelten bis auf weiteres die bisher zur Abfertigung der Butterzollkontingente be- fugten Zollstellen. Die für das Kalenderjahr 1933 festgesetzten Kontingente dürfen, wie bisher die Zollkontln- gente, nur in Monatstellen von nicht mehr als dem zehnten Teil des einzelnen Kontingents bis zu dessen Erschöpfung eingeführt werden, jedoch können in den einzelnen Monaten nicht ausge- nutzte Köntingentsteile in den folgenden Monaten bis zum Ende des Kalenderjahres eingeführt werden. Sobalö das dem einzelne� Lande zugeteilte Kontingent erschöpft fft, darf Butter, die aus dem betreffenden Lands stammt, nicht mehr zur Einfuhr zugelassen werden. Mit manchen Ländern, wie Dänemark . Estland , Finnland , Lettland , Litauen , den Niederlanden , Oesterreich, Schweden sowie Rußland ist eine Ver- einbarung getroffen, wonach Butter, di« in diesen Ländern erzeugt ist, nur dann auf das ihnen zu- stehende Kontingent anzurechnen ist, wenn die Sendung mll einer Kontingentsbescheinigung des Ursprungslandes versehen ist.

Antwort an Gay! Die Kriegsteilnehmer gegen Zusatz­stimmen Königsberg, 12. November. Sonnabend und Sonntag findet in Königsberg di« 21. Reichstonferenz des Reichs- bundesderKrieg, beschädigten, Kriegs- teilnehmer und Kriegerhinterbliebsnen stall. Der 1. Bundesvorsitzende. Pfändner. eröffnete die Konferenz im Sitzungssaale des Provinzial- landtages. Er kam in seiner Rede auch auf die Bersasfungsreformpläne der Reichs- rsgierung zu sprechen. Bei der Beurteilung dieser Pläne, so sagte er etwa, dränge stch unwillkürlich die Frage auf, ob wir in Deutschland denn zur

Den Freund erschlagen Likersuektscirama in Lpandau

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