Aus Selb in Bayern wird uns geschrieben: Die kommunistische RGO. im trauten Verein mit den Nazis entfachte am Freitag, dem 28. Oktober, bei der Firma Krautheim u. Adelberg in Selb einen wilden Streit. Der Streit wurde zum Zwecke kommunistischer und nazio= tischer Wahlpropaganda unter folgendem Vorwande vom Zaun gebrochen:
Die Firma vermehrte die Belegschaft um 15 Proz. und schlug einen Lohnabzug für die 31. bis 40. Stunde von 27 bzw. 30 Proz. an.
Dies ließen sich die RGO. und Nazis ruhig gefallen.
Die freien Gewerkschaften versuchten wiederholt zu verhandeln, jedoch waren die Verhandlungen in folge der Zerrissenheit der Belegschaft ohne Erfolg. Die Neueinstellungen überstiegen 25 Broz. und die Firma gab durch Anschlag bekannt, die Löhne laut Notverordnung für die 31. bis 40. Stunde um 45 bzw. 50 Proz. zu kürzen. Die freigemertschaftlich Organisierten machten gegen diesen Anschlag abermals Front und
erreichten durch Verhandlungen, daß die werk
leitung diese 45- bzw. 50prozentige kürzung nicht durchführte.
Die Berliner und Nürnberger RGO.- Leitung mußte aber unter allen Umständen einen Streik machen, denn die Reichs= tagswahl stand vor der Tür. Den Verzweifelten und Unorganisierten wurde eingetrichtert, die Arbeiterschaft fönne ihre Lage nur durch einen Streik verbessern. Auch wurden ihnen reichliche Geld unterstützungen und kräf= tiges Essen versprochen. So kam es, daß die Belegschaft auf die Versprechungen hereinfiel und die Arbeit niederlegte.
Schon in der ersten Woche mußten die Streifenden erfahren, daß ohne Pulver und gewissenhafte Vorbereitungen fein Streit geführt werden kann.
Die Streifenden mußten auf kommando der RGO.- Führer bei den klaffengegnern um
Geld und Lebensmittel betteln.
Die Mittel gingen aber sehr spärlich ein, so daß nur dünne Suppen an die Streifenden abgegeben werden konnten; von Geldunterstützungen war wenig zu spüren.
Die RGO. hat in ihrem Grenzboten" ge
Der Retchs bunoder Kriegsbeschädige ten, der älteste und größte Bund der Kriegsopfer, hat in Königsberg , wo er in diesen Tagen seine 21. Reichskonferenz abhielt, in gemeinsamer Front mit der Arbeiterschaft scharf und klar Kampfstellung gegen die Papen Regierung bezogen.
Das von der Papen - Regierung den Kriegsopfern als„ Geschent" angebotene 3 usaz= stimmrecht ist scharf abgelehnt worden. Der Bundesvorsitzende Pfändner erklärte, daß die im Reichsbund vereinigten Kriegsopfer die von der Reichsregierung angekündigte Verfassungsreform für überflüssig und für die fortschrittliche Entwicklung der deutschen Sozialpolitik sowie der Kriegsopferversorgung gefährlich halten. Der Reichsbund stehe seit seiner Gründung im Jahre 1917 auf dem Boden der Gleich= berechtigung aller Staatsbürger.
Die Kriegsopfer wollten feine Vorrechte, sondern gleiches Recht für alle.
Die Kriegsopfer hätten von dem Zusatzstimmrecht auch nicht den geringsten Nuzen, wenn die Reichsregierung mit Hilfe einer Verfassungsreform ihren bisher bereits gesteuerten antisozialen Kurs auf viele Jahre hinaus festlege und die soziale Entrechtung der breiten Volksmassen wieder herstelle. Die Kriegsopfer wünschten nichts dringlicher als die Rückkehr zu geordneten verfas= fungsmäßigen parlamentarischen Verhältnissen; denn sie hätten bei der Wahrung ihrer sozialpolitischen Interessen mit der bisher zu Unrecht oft geschmähten Parlamentsdemokratie die besten Erfahrungen gemacht.
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Im Mittelpunkt der Beratungen stand ein Vortrag des Nationalökonoms Prof. Dr. Herm= berg von der Universität Jena über das Thema: Wirtschaftskrise und Sozialpolitik. In der Krise so lautete im wesentlichen der Gedankengang Hermbergs verweigert die Wirtschaft der Gesellschaft die Mittel zur Erfüllung ihrer sozialpolitischen Pflichten, und aus Sorge um den Fortbestand des erschütterten Wirtschaftsapparats trauen sich die Organe des Staates nicht, auf dem notwendigen Schutz des Menschen zu bestehen.
Die Sozialpolitik wird in der krise zur unzureichenden Armenhilfe.
Die Betrachtung des Erwerbslosenhaushalts zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Sozialpolitik ihre Aufgabe in der Wirtschaftskrise nicht erfüllt. Gegen die Gesellschaftsordnung ist der schwere Vorwurf zu erheben, daß der Staat praktisch nicht in der Lage ist, die durch die Krise notwendig gewordene Korrektur in der Verteilung der Verbrauchseinkommen durchzuführen. Wenn sich aber einerseits die öffentliche Hand in der Krise nicht start genug erweist, um die Forderungen der Sozialpolitik durchführen zu können, und wenn andererseits Wirtschaftskrisen als notwendige Begleiterscheinun gen der kapitalistischen Tauschwirtschaft hingenommen werden müssen, so muß Sozialpolitik über bloße Korrekturen hinaus
einer anderen Wirtschaftsordnung zuftreben,
in der durch planvolle Leitung der Wirtschaft Krisen vermieden werden und die öffentliche Hand stark genug ist, eine Verteilung durchzuführen, die von den Menschen als gerecht anerkannt werden kann.
Die Not der Kriegsopfer wurde von dem zweiten Bundesvorsitzenden No a durch Vergleich der Leistungen des Jahres 1927 mit denen des Jahres 1932 beleuchtet. In der Frage der Rentenversorgung machte Noa auf die Zerstörung des Rechtsanspruchs in der Versorgung aufmerksam, wodurch die Kriegsopfer ähnlich wie die Arbeitslosen durch eine Kette von Notverordnungen schwer geschädigt wurden. Die vom Reichstag geschaffenen Kannansprüche hätten Leistungen und Personentreis vergrößert, die von der Ministerialbürokratie geschaffe nen Kannansprüche dagegen hätten beides ver= mindert. Diese Unterscheidung in der Notverordnungsgesetzgebung zeige deutlich, daß zum Wirken der Organisation die Wiederherstellung der Demokratie dringend notwendig sei.
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Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten veranstaltet auch in diesem Jahr am Totensonn= tag wieder eine Feier zum Gedenkender im Weltkrieg gefallenen oder an den Folgen ihrer Verwundungen später gestorbenen Kameraden. Die Feier findet im Plenarjaal des Reichstages statt. Sie wird von der Funkstunde Berlin und der Mehrzahl der deutschen Sender sowie der Ravag aus Wien übertragen.
RGD. macht Streit
Die Gewerkschaft muß helfen
Bei der Gummiwarenfabrik G. Müller in Weißensee war am 18. Oktober der Abteilung Stopferei ein Abbau der Akkordpreise um 10 bis 20 Pro 3. angekündigt worden, gegen den die Belegschaft mit Recht aufbegehrte. Anstatt jedoch den Fabritarbeiter= verband zu beauftragen, mit der Firmenleitung in Verhandlungen zu treten, übte am 21. Oftober zunächst die Abteilung Stopferei passive Resistenz. Als die Belegschaft dieser Abteilung daraufhin fristlos entlassen wurde, trat die gesamte Belegschaft unter„ Füh=" rung" der RGO. am 25. Oktober in einen Soli daritätsstre if.
Von der gesamten Belegschaft, die 330 Köpfe zählt, sind leider nur 50 Mann freigemerfschaftlich organisiert. Die RGO. wußte nicht, wie sie die Bewegung zu einem einigermaßen erträglichen Ende führen sollte. Einen Tag nach der Reichstagswahl beschloß eine Streitversammlung mit ausdrücklicher Zustimmung des RGO.- Vertreters den Fabritarbeiterper band zu beauftragen, mit der Firma zweds Beendigung der Bewegung zu verhandeln.
schrieben, die Firma Krautheim u. Adelberg hätte um Verhandlungen gebeten. Als Herr Krautheim entgegnete, daß sie in ihrem ,, Roten Grenzboten" das Gegenteil behaupten, verleugneten sie ihre eigene Schreibweise. Sie hatten gar nicht mehr den Mut, Streifende zur weiteren Verhandlung zur Firma zu schicken. Während die Kommunisten und Nazis in der Zentralhalle" große Sprüche flopften,
ja sie gaben sogar der Firma preis, wer die an= geblich Schuldigen sind! Die RGD.- Streifleitung bat die Firma, im Betrieb eine Versammlung der Streifenden abhalten zu dürfen. Dort sollten die ihrem Schicksal Ueberlassenen den Streit abbrechen. In dieser Versammlung brachten die Irregeführten ihre Entrüstung zum Ausdruck über das frivole Spiel der RGD.Leitung, die jetzt kein Interesse mehr an dem Streit zeigte, denn die Wahl war vorüber. Die sich selbst überlassenen Streifenden liefen wie die Schafe in den Betrieb und das Ergebnis ist, daß eine Anzahl Personen auf der Strede bleiben.
Dem Vertreter des Fabrikarbeiterverbandes ge= lang es, die von der Firma beabsichtigte Maß= regelung von 50 Arbeitern bis auf 12 herabzudrücken und für die Wiedereingestellten die Beschäftigung mit den alten Rechten zu erwirken. Weiter wurde vereinbart, daß die Akkordpreise zunächst nicht gekürzt werden, sondern über eine Herabsetzung der Akkorde zwischen der Firma und der Betriebs= vertretung und, im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen, vor der tariflichen Schlichtungsinstanz verhandelt werden soll.
Hätte man dem Fabrikarbeiterverband sofort nach dem Entstehen des Konfliktes Gelegenheit zum Eingreifen gegeben, wäre sicherlich nicht nur die Regelung der Akkordstreitigkeit auf der jetzt vereinbarten Grundlage möglich gewesen, sondern auch die Entlassung der 12 Arbeiter vermieden worden.
Zurückgeholt
Löhne der graphischen Hilfsarbeiter
Der Verband der graphischen Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen hatte den Reichslohntarif für das Hilfspersonal in den Buchdruckereien und Zeitungsbetrieben zum 11. November gekündigt mit dem Ziel, die Löhne wieder aufzubessern, die durch den bindenden Schiedsspruch, der am 16. September in Frankfurt am Main gefällt wurde, ganz erheblich herabgesetzt worden sind.
In den Verhandlungen am 8. und 9. November fam eine Einigung nicht zustande, da die Unternehmer nochmals eine Lohnsenkung verlangten. Es wurde schließlich ein Schiedsspruch ge= fällt, der für den größten Teil der Tarifkreise mit Wirkung ab 12. November Lohnerhöhungen bis zu 1 M. pro Woche vorsieht. Dem Schiedsspruch haben beide Parteien zu= gestimmt. Der neue Reichslohntarif gilt bis zum 30. April 1933.
Mit diesem Schiedsspruch ist ein Teil des Unrechts wieder gutgemacht worden, das den Hilfsarbeitern in den Buchdruckereien und Zeitungsbetrieben mit dem Schiedsspruch vom 16. September zugefügt worden ist. Dem zielflaren Vorgehen der Vertreter des Verbandes der graphischen Hilfsarbeiter, auf deren Konto dieser Verhandlungserfolg gebucht werden muß, wird es bestimmt gelingen, auch das infolge des Krisensturmes verlorengegangene Terrain wiederzugewinnen.
Kritik und Antwort
Was wir tun müssen
Ein Sozialrentner, der bei der letzten Wahl kommunistisch gewählt hat, schreibt uns, unter Hinweis auf die fortdauernden Ueber= schüsse in der Angestelltenversicherung, daß es doch nicht notwendig sei, den Rentnern immer noch 6 M. monatlich abzuziehen.
,, Weshalb wird das nicht", heißt es dann in der Zuschrift, zum Gegenstand einer Protestbewegung gemacht? Für uns bedeuten 6 M. sehr viel Geld,
aber vielleicht verstehen Sie das nicht. Wenn da nicht bald etmas mehr Aktivität entwickelt wird, dürfen Sie sich über einen weiteren Ab= marsch von Wählern nicht zu wundern brauchen." Es folgen dann noch einige beleidigende Unterstellungen, die wir übergehen. Sie sind dem Register der kommunistischen Agitation ent
nommen.
Man könnte diesen und andere Kritiker fragen, warum sie sich nicht an die 100 Kommunisten und die 196 Nationalsozialisten im Reichstag wenden, die doch zum guten Teil mit ihren Stimmen gewählt worden sind? Aber es ist nun einmal so, daß die proletarischen Wähler, die bei Wahlen irgendeinen radikalen" Stimmzettel abgeben, weder von den Kommunisten noch von den Nationalsozialisten eine Besserung ihrer Lage er warten. Dafür sind eben die freien Gewerkschaften, dafür ist die vielgeschmähte Sozialdemokratie da. Wird es nicht besser, sondern nur schlechter, menn die sozialdemokratischen Wählerstimmen von über 9 auf 8%, von 8% auf 8, von 8 auf 7,2 Millionen zurückgehen, gleichzeitig die der antiparlamentarischen und antidemokratischen Klamaufparteien anschwellen, wer trägt die Schuld? Natürlich die Sozialdemokratie.
Es hätte keinen Zwed, wenn wir hier anführten, daß der Vorwärts", daß die gesamte sozialdemokratische Presse nicht ein, sondern zehn-, hundertmal gegen den Abbau der Sozialrenten, gegen die gesamte urreaktionäre Notverordnungspolitik protestiert hat. Daß die Gewerkschaften, daß unsere Partei dasselbe getan haben und weiter tun werden, nicht während eines Wahlfeldzuges, um proletarische Stimmen zu fangen, sondern gerade dann, wenn der Protest einige Aussicht hat praktische Folgen zu zeitigen. Es hätte auch keinen Zwed, nachzuweisen, daß Kommunisten und Nationalsozialisten mit Vorliebe folche Anträge einbringen, deren Ablehnung und Undurchführbarkeit einigermaßen sicher ist.
Denn diese Protestler, diese aus wirtschaftlicher Not Verbitterten lesen nur noch gelegentlich eine Zeitung. So weiß auch der Sozialrentner, der uns in seiner Zuschrift die bittersten Vorwürfe macht, nichts, aber auch gar nichts von unserer täglichen, unermüdlichen Sisyphusarbeit, wieder gut zu machen, was die Sozialreaktion, gestützt durch den Klamaut und die Sozialistenfresserei der ertremen Parteien, zerstört.
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Das ganze Problem, das es zu lösen gilt, ist nicht irgendeine Umstellung", sondern die Aus dehnung unserer Propaganda auf die Schichten, die Zeitungen nicht lesen und Versammlungen nicht besuchen. An die Millionen Arbeitslosen und Sozialrentner, die sich längst feine Zeitung mehr leisten können, die verbittert in ihren Wohnlöchern hocken und mit Befriedigung die Tiraden der Extremisten an den Anschlagsäulen lesen, an die tommen wir nicht oder nur ganz felten heran. Aus ihnen rekrutiert sich aber das Gros der fommunistischen, ein nicht unerheblicher Teil der nationalsozialistischen Stimmen und ein wesentlicher Teil der Nichtwähler. Sie über unsere Tätigkeit auf dem laufenden zu halten, würde sie davor bewahren, in Gleichgültigkeit, Zweifel und Verzweiflung zu verfallen und eine leichte Beute der extremen Demagogen zu werden.
Erfolgreiche Abwehr
Der Streit bei der Porzellanfabrit Kahla A. G. in Kahla ( Thüringen ) ist be= endet. Die Direktion lenkte ein. Sie hielt es für ratsam, auf zwei Drittel ihres Notverordnungsabzugs zu verzichten. Daraufhin entschied die Belegschaft einmütig, den Kampf zu beenden.
Der Streik wurde in seltener gewerkschaftlicher Gefchloffenheit geführt. Opfer- wie das bei RGO.- Streits üblich ist- blieben nicht auf der Strecke. Der Kampf trug viel zur Stärkung des gewerkschaftlichen Gedankens in Kahla bei.
Tagung des 3GB.
Am 17. und 18. November tagt der Vorstand des Internationalen Gewerkschafts bundes in Berlin , um die durch den Vertrag von Ouchy und die bevorstehende Weltwirtschaftskonferenz aufgeworfenen Fragen zu besprechen. Gleichzeitig wird der Vorstand den Bericht des Antikriegstomitees entgegennehmen und die Tagesordnung des für Juli 1933 vorgesehenen Kongresses des Internatio nalen Gewerkschaftsbundes in Brüssel festlegen. Zur Behandlung kommen außerdem eine Reihe organisatorischer Fragen, insbesondere der Gewerkschaftsbewegung in Argentinien , Jugosla wien , Griechenland und Kanada .
Hierzu 2 Beilagen
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