BEILAGE
Vorwärts gomitato Vormärts
Die Jugendlichen wissen eine ganze Menge Einzelheiten von den Erwachsenen, aber sie verbinden es nicht zu einem Gesamtbild. Das heißt, fie wissen oft erstaunlich lange nicht, daß Erwachsene ganz ebenso wie sie selbst ein Seelenleben haben, das bestimmten Gesezen und Entwicklungen unterworfen ist. Jugendliche sind immer geneigt, in den Erwachsenen, besonders aber in der Mutter, etwas unveränderlich Gleichmäßiges zu sehen, deren Entschließungen und Aeußerungen von vornherein gegeben sind und nicht wie ihre eigenen erst im Verlaufe der Ereignisse geboren werden. Und man fann die Entwicklung der Kinder nur verstehen, wenn man sich des überwältigenden Eindrucks bewußt ist, den der allmähliche Einblick in die Welt der Erwachsenen auf den heranreifenden Jugendlichen macht. Der englische Dichter Oskar Wilde hat diese Erkenntnis in den Ausspruch zusammengefaßt: Zuerst lieben Kinder ihre Eltern, wenn fie größer werden beurteilen fie fie, bisweilen verzeihen sie ihnen."
Gehen wir nun zur zweiten Frage über: was wissen die Eltern von ihren Kindern? Hier ist die Antwort fast noch schwerer, denn auch die Erwachsenen wissen sehr wenig von den Jugendlichen
Jugendlichen und den auskunftfordernden Ermachsenen schiebt. Ein drittes verfehltes Mittel ist der Versuch, durch die Vorstellung von einer überirdischen Allmissenheit der Erwachsenen Mitteilungen der Kinder zu erschleichen.
Nun eine weitere Frage: Was erwartet das heranwachsende Kind von den Eltern? Hier seht eine große Schwierigkeit ein. Es erwartet nämlich zwei einander ganz entgegengesetzte Dinge und aus ihrem Gegensaz erklären sich die meisten Generationsfonflikte, soweit der Jugendliche an ihnen schuld ist. Einerseits ist es nämlich Hilfe in den verschiedensten Formen, die er braucht, und andererseits ist es Selbständigkeit, freier Raum für die eigene Entwicklung. Die erwartete Hilfe beginnt beim materiellen Lebensunterhalt und geht bis zur Beratung in den vielen schweren Konflikten der Pubertät. Der geforderte freie Raum bezieht sich oft auf die scheinbar unverständlichsten Kleinigkeiten, wie: zu Worte tommen, Entscheidungen selbst treffen, über eigene Mittel verfügen wollen usw.
Wie weit ist nun der Erwachsene seiner eigenen
und, was noch erschwerend wirkt, sie wissen oft Henny Schumacher:
nicht, daß sie nichts wissen. Es ist manchmal, als ob die Kinder zwei Leben führten: eines, das vor den Erwachsenen offen liegt, so lückenlos, daß die Eltern gar nicht zu weiteren Nachforschungen angeregt werden; und ein zweites, viel tiefer gehendes, das im Alltag nie bis zu den Erwachsenen reicht. Bricht es doch einmal durch ge= wöhnlich aus Anlaß irgendeines Konfliktes in der Schule oder mit Kameraden dann wollen die Eltern oft gar nicht glauben, daß das ihr Kind war, das ,, so etwas" getan hat. Insbesondere auf dem Gebiet der seguellen Entwicklung sind Erwachsene oft von rührender Unwissenheit.
-
-
Schweifen wir kurz zu den drei ungeeigneten, aber weit verbreiteten Mitteln ab, dieser Unfenntnis abzuhelfen Das eine ist die Spionage. Aufgesperrte Laden, geöffnete Briefe sind die traurigen Meilensteine dieses Weges, der unfehlbar dazu führt, daß der Jugendliche voll Haß und Verachtung auf den Moment wartet, wo er sein Eigenleben möglichst weit weg von den Stätten des elterlichen Interesses" verlegen kann. Das andere Mittel ist die gewaltsame Forde= rung nach Mitteilungen. Muß über jede Minute Auskunft gegeben werden, dann entwickelt sich die Notwendigkeit, ein System oon Lügen, das sich immer dichter zwischen das wahre Leben des
seelischen Stellung zur Jugend nach imstande, diese beiden gegensäglichen Forderungen: Führung und Freiheit zu erfüllen? Oder mit anderen Worten: Was erwarten die Eltern von ihren Kindern? Man kann recht allgemein sagen: Alle Eltern erwarten irgendwie von den Kindern etwas für sich, verwenden sie als Figuren in ihrem eigenen feelischen Schachspiel, als Hilfstruppen in jener einen unheimlichen Partie, die jeder Mensch auf Sein oder Nichtsein mit dem großen Gegner Minderwertigkeitsgefühl spielt. Ob sie nun erwarten, daß die Kinder sie ehren oder erfreuen, ob sie von ihnen das Erringen jener Erfolge erhoffen, die ihnen versagt blieben, immer ist es diese Jchbezogenheit.
Und hier sind wir bei dem Punkt angelangt, wo nicht mehr gleichermaßen von beiden Eltern, sondern hauptsächlich von den Müttern ge= sprochen werden muß Weit mehr als der Vater fühlt sich die Mutter mit ihrem Kind verbunden. Schon die Tatsache, daß sie die ersten Jahre des Kindes fast ausschließlich in engster förperlicher Gemeinsamkeit mit ihm verlebt, daß sie ihm alle
DIENSTAG, 15. NOV. 1932
zur ersten leiblichen und seelischen Entwicklung nötigen Dienste leistet, läßt sie das Kind wirklich als einen Teil ihrer selbst empfinden. Hier liegt das große Vorrecht der Mutter, liegt aber auch ihre ernste Gefahr. Denn es ist für Mütter, die oft viele Jahre ausschließlich thren Kindern gewidmet haben, sehr schwer, sich gerade dann, wenn sie im Kind auch noch den sich entfaltenden reifen Menschen zu lieben beginnen, der nun ihnen, die so viel gegeben haben, seelisch und geistig auch seinerseits etwas zu geben vermöchte, daß sie gerade an diesem Punkt, wo sie den Lohn ihrer Mühe zu gewinnen glauben, darauf verzichten und sich aus dem Leben ihres Kindes zurüdziehen sollen. Und doch ist es nötig, wenn die gesündere seelische Entwicklung des Kindes nicht gewaltsam gehemmt werden soll. Hier beginnt die schwerste Pflicht der Mutter, die da heißt: freiwillig zurüdtreten vor den Entwidlungsnotwendigkeiten der heranwachsenden Kinder, das Kind nun nicht mehr als ein Teil des eigenen Selbst anzusehen, sondern sich aus zuschalten, beiseite zu treten und in dem schönsten Schauspiel, das wir fennen, in dem Aufblühen des Kindes, nicht mehr die attive Rolle spielen zu wollen, sondern sich mit der Rolle des Zuschauers zu begnügen, feinen größeren Anteil an dem Leben des Kindes zu fordern, als dieses selbst uns freiwillig gewährt.
( Ein zweiter Aufsatz folgt.)
5 Millionen suchen Kindergärten
Das Kleinkind ist schon vor dem Weltkrieg fiel das Wort- das ,, Stieffind der menschlichen Gesellschaft!" Da es weder so zart und anfällig, noch so unterrichtsbedürftig wie das Schulkind ist, hat sich die Deffentlichkeit auch nicht um seine Pflege und Erziehung bekümmert. Es ,, blieb im Schoße der Familie versteckt". Nun wissen wir aber heute durch die neuen psychologischen Forschungen, daß gerade das Kleinkindalter für Charakter und Weltanschauung des Menschen entscheidend sind. In dieser Frühzeit bildet sich die Lebensleitlinie aus, von der das Handeln des Menschen bestimmt wird. Wohl sind späterhin noch Korrekturen möglich, aber Richtung und Inhalt der einmal eingeschlagenen Linie bleiben wesentlich. In feinem Menschenalter bilten Körper, Seele und Geist eine so untrennbare Einheit wie in den ersten fünf Lebensjahren. Was das Kleinkind mit der Totalität seines Wesens aufnimmt, wird in sein Unterbemußtsein tief eingelagert und dient von hier aus dem Ausbau der Persönlichkeit. Darin liegt begründet, daß das Kleinkindalter in seiner Bedeutung weit über
diese Lebenszeit hinausgreift, und daß auch die tatsächlich gelebte Weltanschauung des gefestigten Menschen von ihm bestimmt wird.
"
Das ist eine Erkenntnis, die der Sozialismus bisher negiert hat. Zu seinem eigenen Schaden. In seiner Bildungsarbeit ergriff er zuerst den ,, schon fertigen Menschen", den proletarischen Arbeiter. In Befolgung des Wortes Wissen ist Macht" versuchte man vor allem, Kenntnisse und Einsid; ten zu vermitteln, den Intellekt zu schulen, um aus Erfenntnissen den Willen zur Tat entstehen zu lassen. Wohl erkannte man allmählich die Notwendigkeit eines Bildungsunterbaues. eines Bildungsunterbaues. Man ging weiter zurück und erfaßte den jungen Arbeiter und schließlich, in der Kinderfreundearbeit, die ältere Schuljugend. Hier schlug man neue Wege der Erziehung ein, indem man den Wert auf ein echtes Tatleben innerhalb fleiner, sich erweiternder Gemeinschaften légte und so das Kind in der Gesamtheit seiner Kräfte ergriff und sozialistisch schulte. Was aber auch heute noch fast völlig fehlt, ist die pflege= rische und erzieherische Erfassung
Bis vor kurzem standen die Probleme des Wirtschaftsaufbaus in der Literatur über Sowjetrußland im Vordergrund. Neuerdings scheint man sich mehr den Problemen des kultu= rellen Aufbaus zuzuwenden. Nachdem erst vor einigen Monaten eine Monographie über die Jugend in Sowjetrußland erschienen ist, veröffentlicht Fanina W. Halle im ZsolnayBerlag, Wien , eine noch umfangreichere Monographie über Die Frau in Somjetruß land". Das Wert, das 600 Druckseiten mit 108 Bildern umfaßt, ist geradezu enzyklopädisch angelegt. Von der vorchriftlichen Periode bis zu der jüngsten Frauenkommune wird die Rolle der Frau im, russischen Gesellschaftsleben dargestellt. Die Darstellung ist kritisch und in erster Linie sachgerichtet. Der Leser erhält das Material ausgebreitet, um sich dann ein eigenes Urteil bilden zu können.
Die Probleme des Seruallebens, Liebe, Ehe, Familie, das Verhältnis von Mutter und Kind, der Kampf gegen die Prostitution, kurz die Stellung der Frau im bolichemistischen Leben als Ganzes wird umfassend geschildert. Die Verfasserin stüßt ihre Darstellung durch zahlreiche Be= legstellen, die der Arbeit den Charakter eines zuverlässigen Quellenmerfes geben. Wir teilen im folgenden, um ein Beispiel zu geben, eine Neußerung von Lenin mit, der sich im Jahre 1920 mit aller Entschiedenheit gegen die damals überhandnehmende feguelle Freizügigkeit wandte. Dieſe Aeußerungen Lenins sind über ihre zeitgeschichtliche Bedeutung hinaus sehr wesentlich, um zu einem tieferen Verständnis des Verhältnisses von Margismus und Ethit zu gelangen.
Die veränderte Einstellung der Jugend zu den Fragen des sexuellen Lebens ist natürlich ,, grund fäglich" und beruft sich auf eine Theorie. Manche nennen ihre Einstellung„ revolutionär" und ,, fommunistisch". Sie glauben ehrlich, daß dem so sei. Mir Altem imponiert das nicht. Obgleich ich nichts meniger als finsterer Afzet bin, erscheint mir das sogenannte„ neue feruelle Leben" der Jugend oft genug manchmal auch des Alters als rein bürgerlich, als eine Erweiterung des gut
-
-
bürgerlichen Bordells. Das alles hat gar nichts mit der Freiheit der Liebe gemein, wie mir Kommunisten sie verstehen. Sie fennen gewiß die famose Theorie, daß in der kommunistischen Ge= sellschaft die Befriedigung des Trieblebens, des Liebesbedürfnisses, so einfach und belanglos jei ,, wie das Trinken eines Glases Wasser". Diese Glas- Wasser- Theorie" hat einen Teil unserer Jugend toll gemacht. Sie ist vielen jungen Burschen und Mädels zum Verhängnis geworden. Ihre Anhänger behaupten, daß sie marristisch sei. Ich danke für einen solchen Marrismus, der alle Erscheinungen und Umwandlungen im ideologischen Ueberbau der Gesellschaft unmittelbar und gradlinig aus deren wirtschaftlichen Basis ableiten. Gar so einfach liegen denn doch die Dinge nicht. Das hat ein gewisser Friedrich Engels schon längst betreffs des historischen Materialismus festgestellt. Die berühmte„ Glas- Wasser- Theorie" halte ich für vollständig unmarristisch und obendrein für unfozial. Im seguellen Leben wirkt sich nicht bloß das Naturgegebene aus, auch das Kulturgewordene, mag es nun hoch oder niedrig sein. Engels hat in seinem Ursprung der Familie" darauf hingewiesen, wie bedeutsam es ist, daß sich der allgemeine Geschlechtstrieb zur individuellen Geschlechtsliebe entwickelt und verfeinert hat. Die Beziehungen der Geschlechter zueinander sind doch nicht einfach ein Ausdruck des Wechselspiels zwischen der Wirtschaft und der Gesellschaft und einem physischen Bedürfnis, das durch die physiologische Betrachtung gedanklich isoliert mird. Rationalismus, nicht Margis= mus märe es, die Umwandlung dieser Beziehungen für sich und losgelöst aus ihrem Zufammenhang mit der gesamten Ideologie auf die mirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft zu= rüdführen zu wollen. Nun gewiß! Durst will befriedigt sein. Aber wird sich der normale Mensch unter normalen Bedingungen in den Straßentot legen und aus einer Bfüze trinken? Oder auch nur aus einem Glas, deffen Rand fettig von vielen Lippen ist? Wichtiger als alles ist aber die soziale Seite Das Wassertrinken ist mirklich individuell. Zur Liebe gehören zwei, und ein drittes, ein neues Leben kann entstehen. In
diesem Tatbestand liegt ein Gesellschaftsinteresse, eine Pflicht gegen die Gemeinschaft.
Als Kommunist habe ich nicht die geringste Sympathie für die„ Glas- Wasser- Theorie", auch wenn sie die schöne Etikette trägt:„ Befreiung der Liebe". Uebrigens ist diese Befreiung der Liebe weder neu noch kommunistisch. Sie werden sich erinnern, daß sie zumal gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts als die„ Emanzipation des Herzens" in der schönen Literatur gepredigt wurde. In der Praris der Bourgeoisie entpuppte sie sich als die Emanzipation des Fleisches. Vie Predigt. war damals talentvoller als heute, mie es mit der Praxis sich verhält, kann ich nicht beurteilen. Nicht etwa, als ob ich mit meiner Kritik die Aszese predigen möchte. Fällt mir nicht ein. Der Kommunismus soll nicht Aszese bringen, sondern Lebensfreude, Lebenskraft auch durch erfülltes Liebesleben. Jedoch meiner Ansicht nach gibt die jetzt häufig beobachtete Hypertrophie des Seguellen nicht Lebensfreude und Lebenskraft, fie nimmt nur davon. In dem Zeitalter der Revolution ist das schlimm, ganz schlimm....
Zumal die Jugend braucht Lebensfreude und Lebenskraft. Ein gesunder Sport, Turnen, Schwimmen, Wandern, Leibesübungen jeder Art, Vielseitigkeit der geistigen Interessen, Lernen, Studieren, Untersuchen, so viel als möglich gemeinsam! Das alles mird der Jugend mehr geben als die ewigen Vorträge und Diskussionen über feruelle Probleme und das sogenannte Ausleben. Gesunder Körper, gesunder Geist! Weder Mönch noch Don Juan , aber auch nicht als Mittelding den deutschen Philister.
Die Revolution fordert Konzentration, Steige rung der Kräfte. Von den Massen, von den einzeinen. Sie duldet keine orgiastischen Zustände, mie sie für d'Annunzios dekadente Helden und Heldinnen das Normale sind. Die Zügellosigkeit des sexuellen Lebens ist bürgerlich, ist Verfalls erscheinung. Das Proletariat ist eine aufsteigende Klasse. Es braucht nicht den Rausch zur Betäubung oder als Stimulus. So wenig den Rausch fegueller lebersteigerung als den Rausch durch Alkohol...
des Kleinkindes im Kindergarten! Wir wundern uns oft, daß der sozialen Erkenntnis nicht stets das soziale Fühlen und Handeln zur Seite steht, ja, daß häufig eine starke Diskre= panz zwischen Erkenntnis und Leben vorhanden ist. Wir wundern uns, daß unsere umfassende Bildungs- und Schulungsarbeit nicht größere Erfolge zu verzeichnen hat. Aber wir suchen den Fehler nicht dort, wo er tatsächlich zu finden ist: in unserer Nichtachtung der frühen Kindheit. Wir überlassen das junge Kind den Erziehungseinflüssen der bürgerlichen und proletarischen Familie, die beide aus ihrer sozialwirtschaftlichen Lage heraus nicht imstande sind, ihre Kinder zit sozial fühlenden und solidarisch handelnden Menschen zu erziehen. Wir überlassen die Errichtung und Unterhaltung. von Kindergärten in denen vorwiegend das proletarische Kind zu finden ist! den bürgerlich- fonfessionellen Kreisen. Im ganzen Deutschland haben wir nur 7282 Rindergärten! Von ihnen gehören 5417, der freien Wohlfahrtspflege an und 1865 der öffentlichen Wohlfahrtspflege. Ihren 422 000 Plägen stehen aber rund sechs Millionen findergartenreifer Kleinkinder gegen= über, so daß also, der allgemeinen Not entsprechend, fünf Millionen Kleinkinder einen Kindergarten suchen!
-
Wenn wir bedenken, daß Deutschland allein 5 bis 6 Millionen Arbeitslose hat, die mit ihren Familien zusammen etwa ein Viertel des deutschen Boltes ausmachen; wenn wir weiter bedenken, daß zur Zeit sowohl in fleinbürgerlichen Kreifen wie auch im mittleren Bürgertum Lebensunsicherheit und Lebensnot so groß sind, daß diese Atmosphäre für Kleinkinder völlig unerziehlich wird; wenn wir weiterhin wissen, daß durch die Zunahme der Ein- und Zweifinderehen von einer Kindergemeinschaft im Elternhaus, die sich selbst erziehen könnte, nicht mehr die Rede ist, sondern diese Kinder unbedingt eine Erweiterung ihrer Spiel und Lebensgemeinschaft notwendig haben; wenn wir all dies wissen und bedenken, müssen wir auch zur Feststellung kommen, daß ein deutscher Kinder ,, allgemeiner
garten" für alle Kleinkinder eine Lebensnotwendigkeit ist. Statt dessen lassen wir die Zustände, wie sie sind, und regen uns auch nicht auf, wenn Kindergärten geschlossen, Zuschüsse gestrichen, Kindergärtnerinnen entlassen werden. Pädagogische Kreise wissen, daß zudem ein großer Teil der bestehenden Kindergärten weder den nötigen hygienischen wie pädagogischen Ansprüchen genügt. Seit der ministeriellen Denkschrift über die Einrichtungen zum Schutze von Mutter und Kind vom Jahre 1931 steht fest, daß die Anzahl der Kindergärten der freien Wohlfahrtspflege fast dreimal so groß ist wie die der öffentlichen, und daß unter den erstgenannten rund 95 Proz. fonfessionellen Vereinigungen unterstehen. Die Kleinfinder, die hier erzogen werden, gehören ihrer Klassenlage nach zum Proletariat; sie werden aber unter eine kirchliche Weltanschauung gestellt, die sie einem notwendigen Kampf zur Hebung ihrer wirtschaftlichen Lage und zur Erzielung einer flassenlosen menschlichen Gesellschaft entfremdet.
Kleinkinder können nicht für sich selber werben. Ihre klagende Stimme übertönt nicht den Bereich der engen häuslichen Umgebung. Was sie leiden, leiden fie im Berborgenen. Aber dies Leid wirft sich späterhin aus als asoziales und unsoziales Verhalten innerhalb der menschlichen Gemeinschaft, die auf diese Weise alle Lasten einer falschen und ungenügenden Fürsorge zu tragen hat. In 25 Jahren sind die heutigen Kleinkinder die. Mitgestalter des Staates, und dann wird es sich entscheiden, ob mir soziale Mitmenschen herangebildet haben oder Untertanen und Tyrannen.