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Morgen- Ausgabe

Nr. 541 A 265 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

16. November 1932

=

Jn Groß Berlin   10 Bf. Auswärts....... 15 Bf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

Unsere Antwort an Papen  

Herr von Papen ist für die Sozialdemokratie nicht verhandlungsfähig

Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion erläßt die folgende Er­flärung:

Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion hat in seiner Sizung vom Dienstag, dem 15. November, ein­stimmig beschlossen, der Einladung des Reichskanzlers von Papen zu einer Unter­redung in der Reichskanzlei nicht zu folgen.

Der Reichskanzler von Papen hat durch zweimalige Auflösung des Reichstags das deutsche   Volk zweimal über seine Re­gierungspolitik befragt und zweimal ver­nichtende Absagen erhalten. Die Ver fassung, die er beschworen hat, gibt ihm nicht das Recht, weitere Verhandlungen zu führen, sie verpflichtet ihn vielmehr zum Rücktritt.

Der Reichskanzler von Papen hat sich bei seinem Vorgehen gegen die recht­mäßige Regierung Preußens über die Verfassung und den Spruch des höchsten Gerichts ebenso hinweggesett, wie er durch sein Verbleiben im Amte das Urteil des Volkes mißachtet hat. Er hat in seinen öffentlichen Reden die Parteien unglimpft und diejenigen, die sich seiner Politik entgegenstellen, als Feinde des Volkes bezeichnet. Sein ganzes Verhalten macht ihn als Verhandlungspart ner für die Sozialdemokratische Partei  ungeeignet.

ber:

Die Sozialdemokratische Partei   erblickt in dem Reichskanzler von Papen den Sachwalter einer winzigen Minderheit, die sich in rücksichtsloser Wahrnehmung ihrer eigenen Klasseninteressen nicht scheut,

Frankreichs   Budgetsorgen

1,3 Milliarden Mark Defizit

Eigener Bericht des Vorroärts"

Paris  , 15. November. Die Regierung hat am Dienstag in der Kammer den Budgetentwurf für 1933 eingebracht, der endlich Aufschluß über die Maßnahmen gibt, mit denen das etwa 8 Milliarden Franken betragende Defizit gedeckt werden soll. Das Budget balanciert mit etwa 47,8 Milliarden Franken.

Das ursprünglich vorhandene Defizit soll auf folgende Weise beseitigt werden: 1. Neue Ein­schränkungen bei den Sachausgaben eine halbe Milliarde; 2. Maßnahmen gegen den Steuerbetrug eine Milliarde; 3. neue Steuern( Erhöhung der Einkommensteuer, Steuer auf Automobil­transporte usw.) Milliarden; 4. Uebertragung einiger öffentlicher Arbeiten aus dem Budget in einen besonderen Gesezentwurf Milliarden, die auf dem Anleihewege aufgebracht werden sollen; 5. Schaffung einer Pensionskasse, deren Betriebskapital ebenfalls durch eine Anleihe auf= gebracht werden soll, wodurch das Budget um 2,1 Milliarde entlastet wird; 6. Senfung der

Ausflüchte

im Altonaer   Bombenprozeß Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Hamburg  , 15. November.

In dem großen Prozeß gegen die Bomben= jchleswig holsteinischen attentäter vor dem Altonaer   Sondergericht unternahm der nationalsozialistische Verteidiger Freisler   neuerdings eine große Offensive, um die Glaubwürdigkeit der Zeugen, die die An­geklagten durch ihre Aussagen auf das schwerste belastet hatten, zu beeinträchtigen.

Den Zeugen Reichswehrfeldwebel a. D. Baum, der der Staatsanwaltschaft die Namen der SS.- Leute genannt hatte, die das Attentat in Glüfing verübten, bezeichnete er als einen un­glaubwürdigen Menschen, der seine Aussagen nur gemacht habe, um sich die ausgesezte Belohnung zu verdienen. Gegen diese Behauptungen der Ber­teidigung stehen die Aussagen des am Tage vor­her eidlich vernommenen Kriminalfefre= tars Wointe aus Flensburg  , der die Verneh­mung Baums durchgeführt hat und dem Gericht

Beamtengehälter

1,4 Milliarden.

und Pensionen

Die Gentung der Beamtengehälter beträgt 2, 3, 5, 7 und 10 Proz., steigend mit der Höhe der Gehälter über 12 000 Franken. Ferner sollen die Repräsentationszulagen um 10 Proz., die übrigen Zulagen mit Ausnahme der Familienzulagen um 20 Proz. gekürzt werden. Was die Ersparnisse bei den Kriegsinvaliden- und Kriegsteilnehmer­pensionen betrifft, so sollen den im Kriege er­frankten Personen, die nicht an der Front ge= standen haben, sowie den wiederver­heirateten Kriegerwitmen die Pen­fionen entzogen werden. Das gleiche ist mit den Kriegstellnehmerrenten für Personen vorgesehen, die über ein gewisses Einkommen verfügen. Da der Entwurf, der wegen der neuen Steuern und Anleihen von den Rechtsparteien und wegen der Kürzung der Beamtengehälter von den Sozialisten bekämpft werden wird, unmöglich bis Ende des Jahres verabschiedet werden kann, bereitet die Regierung schon einen neuen Gesezzentwurf für die Ausgaben der beiden ersten Monate des Jahres 1933 vor, der zwischen Mitte und Ende Dezember dem Parlament unterbreitet werden soll.

erklärte, daß er selbst den Zeugen Baum erst nach der Erstattung der Anzeige auf den ihm zustehen­den Anteil an der ausgesetzten Belohnung auf­merksam gemacht habe. Der eigentliche Grund der Angaben Baums wäre aber die verlogene Berichterstattung der nationalsozialistischen Zeugen gewesen, die die Bombenattentate als das Werk lintsgerichteter Kreise bezeichnet hätten. Darüber hinaus jei aber auch der Zeuge über die national­sozialistische Bewegung, der er früher angehörte, außerordentlich enttäuscht gewesen, so daß er feinen Grund mehr gehabt hätte, zu verschweigen, was er von den Bombenattentaten wußte.

Dem Referendar Ehlers, der im Auf­trage der Staatsanwaltschaft Altona   die Verneh mung einiger Angeklagten vorgenommen hatte, warf die Verteidigung vor, daß er sich das Ver­trauen der Angeklagten zu erschleichen versucht hätte, indem er sich als Mitglied der National­ sozialistischen   Partei ausgegeben hätte. Der Zeuge Ehlers bestreitet diese Behauptungen entschieden und weist die Verdächtigungen über nicht einwand­freie Bernehmung entschieden zurüd. Eine zmeite Frage der Verteidigung an den Zeugen, ob er mit SS.- Leuten gemeinsam gezecht habe, ließ der Borfizende des Sondergerichts nicht zu.

über das Grundgesek der Republik   und die Rechte des Volkes hinwegzugehen.

Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion kann aus allen diesen Gründen von der geplanten Besprechung ein Ergebnis nicht erwarten. Er hält es jedoch für notwendig, in aller Ceffent: lichkeit seine Stimme zu erheben gegen eine Politik, die sich mit jedem Schritt von dem Boden des Rechts weiter entfernt. Er wendet sich aufs schärfste gegen die öffent­lich erörterten verbrecherischen Pläne, die darauf abzielen, die durch Beschluß der Nationalversammlung rechtmäßig ฮิ มะ standegekommene Verfassung auf ver­fassungswidrigem Wege abzuändern und fordert den Rücktritt dieser Regierung.

Den dritten Hauptbelastungszeugen, den ehe­maligen SS.  - Mann Thomsen, der am Freitag sensationelle Bekundungen über die Mißstände in der nationalsozialistischen Be­wegung und über die Vorgänge während der Wahlnacht in Altona   gemacht hatte, bezeichnet die Berteidigung ebenfalls als nicht glaubwürdig, ohne aber besondere Beweise für diese Behauptung beibringen zu können.

Der Zeuge Thomsen selbst bleibt bei einer Gegenüberstellung mit einem seiner ehemaligen Kameraden bei seiner Aussage.

Kampfansage

Herr von Papen, der Chef des Kabinetts der Barone, hat die Genossen Wels und Breitscheid   für heute zu einer Unter­redung eingeladen. Er hat auf diese Ein­ladung eine Antwort erhalten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Was will Herr von Papen Sozialdemo­fraten sagen? Was will er von der Sozial­demokratie?

Herr von Papen das ist der Mann, der in seiner ersten Regierungserklärung alle republikanischen Regierungen des Reichs be­schimpfen ließ! Hat er ihnen nicht vorge­worfen: sie haben den Staat zu einer Wohlfahrtsanstalt zu machen ver­sucht und damit die moralischen Kräfte der Nation geschwäch t"? Dieser Saz zielte auf die sozialdemokratische Staatspolitik und ihre Leistungen für das Bolt. Was will Herr von Papen heute von den Männern, die die moralischen Kräfte der Nation geschwächt" haben?

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,, Die Nation wird vor die klare und ein­deutige Entscheidung gestellt" so ließ Herr von Papen vor fünf Monaten verkünden- ,, mit welchen Kräften sie den Weg der Zu­funft zu gehen gewillt ist." Die Nation hat seitdem schon zweimal flar und eindeutig entschieden: mit ihm nicht! Was haben wir mit diesem Mann und seinen Plänen zu schaffen? Wir kennen ihm und seinen Pro­jekten gegenüber nur eine Haltung: schärfsten und rücksichtslosen

Tragikomödie von Eutin   ampf!

Wo bleibt der Papen- Kommissar?

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Eutin  , 15. November.

Das Willkürregiment der Nazi­regierung und ihrer in hohe Aemter ge= schobenen Günstlinge stößt in der Bevölkerung auf immer heftigere Empörung. Aus einem deutsch   nationalen Protestschreiben an die Naziregierung in Oldenburg   ist zu ersehen, daß in Oldenburg   die SA. nicht nur Hilfs= polizei ist, sondern, daß hier auch mehrfach vorbestrafte Berbrecher Unterschlupf

gefunden haben. Zwei SA.- Leute, die jetzt

Polizeidienst verrichten fönnen, werden in dieser deutschnationalen Denkschrift des Bomben. attentates gegen eine Konsumver­eins filiale beschuldigt.

Die deutschnationale Verärgerung ist durch den Naziregierungspräsidenten verursacht, der den deutschnationalen Bürgermeister und den Polizei­fommissar von Eutin   mit Gewalt ihres Amtes enthob, weil sie sich weigerten, zwei preußische Kriminalbeamte zu verhaften, die an der Auf­tlärung von Sprengstoffattentaten der Nazis gearbeitet hatten. Jetzt ist auch die Amtsenthebung des Polizeikommissars rüdgängig gemacht, aber der Nazipräsident hat ihm ein Disziplinarverfahren ange­hängt und ihn einfach in Urlaub geschickt. Kein Wunder, daß bereits die Wahl vom 6. November

eine Katastrophe für die Nazis gewesen ist und daß die Bevölkerung von Oldenburg   die Erlösung vom Dritten Reich täglich heißer ersehnt.

Zum Tode von Hermann Müller- Lichtenberg hat Reichsarbeitsminister Schäffer dem Bundes­vorsigenden des Allgemeinen Deutschen Gewerk­ schaftsbundes   zugleich im Namen der Reichsregie rung sein Beileid ausgesprochen.

Den Deklamationen des Kabinetts Papen  gegen die republikanischen Regierungen und den Wohlfahrtsstaat sind bald Taten gefolgt. Das ganze arme und werftätige Volk weiß davon zu erzählen! Die Arbeiter von Lohnabbau, die Erwerbslosen von Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die Ju­gendlichen vom Wegfall aller Unter­stügung, die Kriegsopfer von Renten­fürzung! Für sie alle weckt der Name Papen  nur einen Schrei der Empörung, des Pro­testes, sie alle kennen ihm gegenüber nur eine Forderung: fort mit Papen  !

Herr von Papen ist der Mann des 20. Juli. Verhandlungen mit diesem Manne? Nach dem Leipziger   Urteil verhandelte Minister­präsident Braun mit dem Reichspräsidenten im Beisein des Herrn von Papen. Noch während dieser Unterredung ließ Herr von Papen den zweiten Streich gegen Preußen ausführen, die Auflösung des Wohlfahrts­ministeriums, die Ernennung von Reichs­ministern zur Ausübung der Diktatur in Preußen. Es kam zu einer zweiten Unter­redung zwischen Otto Braun   und Papen  , zu der Papen eingeladen hatte. Unmittelbar darauf erfolgte der große Streich gegen die republikanischen Beamten.

Die Regierung des Herrn von Papen hat in Preußen gezeigt, was sie ist und was sie will. Sie ist ein regierender Ausschuß der feudalen Reaktion. Sie will zurück zum alten System, in dem das Volk entrechtet war, Sie erblickt in den Marxisten" Staatsbürger zweiter Klasse, ganz nach dem Vorbilde Wilhelms, dessen Hochmut gegenüber dem Volke in Doorn   ge­endet hat.

Dies alles, die soziale Reaktion, die Ver­faffungspläne zur Entrechtung des Volkes, das Wüten gegen den Wohlfahrtsstaat decki