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ERSTE BEILAGE

BLUMENOPFER

Vorwärts

ANTOTENTAG

Wie der Schein nur immer trügt: nach der Zahl der Händler zu urteilen, die Kopf an Kopf in diesen Tagen vor den Friedhöfen standen und Kränze feil hielten, mußten nachgerade Unmengen von diesen Blumengebinden umgesetzt worden sein. Eine Nachfrage beim Arbeitsamt ergibt jedoch beinahe das Gegenteil: noch nicht 50 Kranzbinderinnen hat der Beamte vermitteln können. Das heißt, es sind schon viele Kränze verkauft worden, nur nicht so viel, wie der Schein vortäuschte. Das ist übrigens zwischen Bußtag und Totensonntag in jedem Jahr so: menn die Fried­hofsbesucher nach Hause kommen, ist ihr erstes Wort: ,, Was die Menschen an Kränzen wieder weggeschleppt haben!" Nun, in früheren Jahren hat man um diese Zeit über­haupt keine arbeitslosen Kranzbinderinnen gekannt, jetzt aber sitzen ständig 300 Binderinnen auf dem Nachweis. Etwa 200 werden noch in Lohn und Brot stehen, und zu diesen 200 sind nun jene oben genannten 50 Aushilfen gekommen, so daß sich Beschäftigte und Erwerbslose selbst in diesen Tagen der Hoch­konjunktur für den Blumenhandel immer erst die Waage hielten. Es ist mit den Kränzen ähnlich wie mit den Pelzen: jede Frau hat auf ihrem Wintermantel einen Pelzkragen, trotzdem sind drei Viertel aller deutschen Kürschner arbeitslos.

Brot oder Blumen?

Man widerspricht nicht erst, wenn einem gejagt wird, daß in diesen bösen Zeiten mit Blumen feine sonderlichen Geschäfte zu machen sind. Bußtag und Totensonntag müssen für die Blumen­geschäfte den großen Herausreißer für das ganze Jahr bringen. Denn so parador es flingt: im Sommer, wo es überall Blumen in Hülle und Fülle gibt, da ist die stillste Zeit im Blumen­handel; es gibt ja in der Natur genug Blumen. Die großen Geschäftstage sind dann nur noch Ostern, Pfingsten, Weihnachten und die Konfir mationswochen. Aber sonst heißt heute überall die Losung: erst Brot und dann Blumen. Die Krise spüren sehr deutlich schon die ersten Blumen­geschäfte Berlins , die auch die großen Hotels und die Ueberseedampfer des Hapag- Lloyd beliefern und wenn deren Kundschaft bereits anfängt, mit dem Geld zu knaufern, was sollen dann erſt die fleinen Blumengeschäfte jagen mit einfacherer Kundschaft. Jetzt ist einer des anderen Teufel. Die Geschäftsinhaber möchten am liebsten jedes Blumenmädchen, das abends durch die Caféhäuser mit Nelken zieht, an den nächsten Laternenpfahl knüpfen. Dabei wäre so etwas zum mindesten ungerecht, denn der Kavalier, der nachts um 12 Uhr noch einen Strauß Rosen kauft, tut das ja nur, weil er plöglich dazu Gelegenheit hat. Zu nachtschlafender Zeit halb Berlin von sich aus nach Rosen abrennen, wird er wohl kaum. Dazu dann die Straßenhändler. Beinahe alles, was einen Handelsschein hatte, stand diesmal aller­dings vor den Friedhöfen. Es gibt nämlich Engrosfeller, in denen zu Bußtag und Toten­jonntag in Massen billige Kränze hergestellt werden, die die Händler dann vertreiben. Denn dieser billige Kram geht gerade noch. Der einzige Orchideenzüchter dagegen, der in einem südlichen

Borort Berfins saß, mußte seine Bude zumachen. Alle anderen Gärtnereien rings um Berlin be­schäftigen nur noch rund 30 Prozent ihres früheren Personals. Und die großen Anlagen fönnen nicht ausgenutzt werden. Allein auf dem Arbeitsnachweis in Berlin fizen ständig 2500 ge= lernte Gärtner ; davon sind gegenwärtig für dringende Herbstarbeiten 400 Mann als Aushilfen vermittelt.

Gärtner gegen Händler

So haben sich mittlerweile die produzierenden Gärtner und die verkaufenden Händler in die Haare gekriegt. Die Blumengärtner tuten in das gleiche Horn wie ihre Kollegen Gemüsegärtner: macht die Grenzen zu, Schluß mit der Einfuhr, was brauchen wir Apfelsinen und Bananen! Bei mir Azaleen und Hyazinthen und im Frühjahr den Blumengärtnern heißt das nur: was brauchen Rosen und Nelken! Die Händler dagegen faufen natürlich lieber von der Riviera billige Freiland­rosen, als daß sie hiesige teure Gewächshaus­blumen kaufen würden. Allerdings kann man die Frage so überhaupt nicht stellen:: Freiland oder Gewächshaus.

Die morgengroßen Freiland­fulturen französischer und italienischer Rosen und Nelken sind in der Preisstellung den in Gewächs­häusern gezüchteten überlegen. Und bei Tulpen und Hyazinthen ist es zudem noch so, daß alle Versuche, die Zwiebeln in Deutschland zu züchten, fehlgeschlagen sind. Augenblicklich ist nun die große Mode: Islandmoos. Ganze Grabhügel hat man diesmal mit einer Dede von Islandmoos ver­sehen. Dieses Moos ist jedoch in Island einfaches Renntierfutter, bei uns aber ein gesuchter Grab­schmud.

Orchideen auf Reisen

Dabei ist es ganz interessant, sich einmal die

Zollpositionen 41 a- d anzusehen, das sind unsere Schnittblumen, das heißt Blumen, die wir in Vasen stecken. Nach dieser Statistik hat Deutsch­ land von Januar bis September 1932, also in den ersten drei Vierteljahren, eingeführt: Nelken, Rosen, Veilchen und Orchideen für 3 749 000 m. Das ist gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres eine Abnahme um rund 20 Pro3. An Flieder und Chrysanthemum führten wir Januar bis Sep­tember 1932 für 315 000 m. ein, überraschender­weise eine Zunahme um rund 40 Proz. gegen­über 1931. Und Hyazinthen, Primeln, Vergiß­meinnicht und andere frische Blumen führten wir ein für 923 000 m., ungefähr gleich viel wie 1931. Dazu kommen dann noch alle möglichen anderen Sachen: allein für 100 000 m. Farne und Zykaswedel für Bindezwecke oder für 190 000 m. an Palmen oder für 44 000 m. an Lorbeerbäumen oder für 286 000 m. Azaleen. Die Spize bei der Einfuhr aber halten die Blumenzwiebeln aus Holland mit 3927 000 m., zu denen noch für 774 000 M. trockene Knollen tommen( Begonien, Gladiolen und Glorinien). Alle diese Zahlen beziehen sich immer auf die Zeit von Januar bis September 1932; das Haupt­geschäft mit uns macht Holland , dann folgen Italien und Frankreich . Bis auf Flieder und Chrysanthemum ist allerdings der Blumenimport außerordentlich scharf zurückgegangen.

Nun sucht der Blumenhandel nach Auswegen. Da ist also zunächst die Mode mit dem Island­moos, ähnlich ist es mit den Adventskronen. Nun kann man allerdings Menschen aus der evange=

SONNTAG, 20. NOV. 1932

lischen Nordmark fragen, sie wissen wohl, was eine Adventskrone ist, aber in ihren Stuben hängen keine. Die gleiche Antwort geben fatho= lische Bayern . Lediglich die Sachsen meinten, bei ihnen wäre es hin und wieder üblich, sich die vier Wochen vor Weihnachten eine Adventskrone hinzuhängen. Man kann zudem noch ganz sicher gehen und die 24bändige Realenziklopädie für protestantische Theologie wie das 12bändige Kirchenlexikon der katholischen Theologie durch­stöbern. In beiden Werken wird man seitenlange, bis ins kleinste gehende Abhandlungen über die Adventszeit finden, aber nicht ein Sterbensmört­lein über Adventskronen. Alles wird beschrieben, die früheren Fastenbräuche, die bereits am Martinstag begannen, so daß man sich schnell noch eine Martinsgans in den Wanst stopfte, daher der Name Martinsgans, jedoch bereits im 14. und 15. Jahrhundert ging dieser Fastenbrauch wieder verloren. Von den Adventskronen aber war gar nicht erst die Rede. Dennoch stehen sie in diesen Tagen überall mit ihren gelben oder roten Kerzen auf den Verkaufstischen.

Neue Gemeinschaftsküche

Die Notgemeinschaft Berlin zur Errichtung von Küchen und Heimen für Erwerbsloje eröffnet am Dienstag, dem 22. d. M., im Hause Git schiner Str. 111, am Halleschen Tor, eine Ge= meinschaftsküche für Erwerbslose. Der Preis für eine Literportion beträgt 15 Pf., für Alleinstehende ist ein Speiseraum vorhanden, wo sie ihr Essen einnehmen können, während Ver­heiratete das Essen abholen. Anmeldungen wer­den am Montag, dem 21. d. M., entgegengenom

men.

Alle Arbeiten werden von Erwerbslosen unentgeltlich ausgeführt, sie erhalten lediglich ihr Mittagessen umsonst. Die Räume sowie die Kesse! und sonstige Einrichtungsgegenstände hat das Be­zirksamt Kreuzberg zur Verfügung gestellt. Es ist beabsichtigt, auch in anderen Stadtteilen weitere Küchen auf derselben Grundlage zu eröffnen.

Die heutigen Totenfeiern

Ehrung durch das Reichsbanner

Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold ehrt die Toten des Weltkrieges, die für Bolk und Heimat gefallen sind, am heutigen Sonntag durch einen Aufmarsch vor dem Ehrenmal Unter den Linden . Je zwei Ehrenkameradschaften der vier Berliner Kreise treten auf dem neuen Markt um 1212 Uhr an und marschieren von hier aus um 12 Uhr über den Schloßplatz und die Schloßbrücke nach dem Reichs- Ehrenmal, wo durch eine Ab­ordnung ein Kranz niedergelegt wird. Der Zug marschiert dann unter Borantritt der Musik nach dem Gendarmenmarkt, von wo aus sich die ein­zelnen Züge in die Stadtteile zurückbegeben.

Außerdem finden noch auf den verschiedenen Krieger- Friedhöfen in Berlin Gedenkfeiern des Reichsbanners statt: um 13.15 Uhr auf dem Garnisonfriedhof in der Müllerstraße, Redner Kamerad Dr. Nowad; um 14.30 Uhr in Steglitz auf dem Friedhof Bergstraße: um 9 Uhr in

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Köpenick auf dem Friedhof Rudower Straße; um 15 Uhr in Tempelhof auf dem Ehrenfriedhof Friedenstraße, Redner Kamerad Jokel Meier; um 14 Uhr auf dem Friedhof Baumschulenweg ; um 13.30 Uhr in Spandau auf dem Friedhof in den Kisseln, Redner Major a. D. Heinrich; auf dem Britzer Friedhof in der Chausseestraße und auf dem Neuköllner Gemeindefriedhof, Marien­dorfer Weg, finden Kranzniederlegungen statt. Der Ortsverein Kreuzberg veranstaltet um 14% Uhr auf dem Garnisonfriedhof in der Hasenheide am Grabe von Erich Schulz und den Gräbern der un­bekannten Soldaten eine Gedenkfeier, bei der Kamerad Stieglitz spricht. Um 14.30 Uhr ver­anstaltet das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold, Kameradschaft Baumschulenweg AfA- Hof, auf dem Friedhof Kiefholzstraße eine Totengedächtnisfeier. Redner Dr. Kloz. Abmarsch 14 Uhr Zeidler- Ede Baumschulenstraße unter Borantritt eines Spiel. mannszuges und eines Musikkorps.

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