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Abend-Ausgabe

Nr. 548 B 266 49. Jahrg.

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Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

21. November 1932

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreije fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Hitler nicht!

Er soll bis nachmittag eine arbeits­fähige Reichstagsmehrheit schaffen!

Der Reichspräsident hat Hitler ersucht ,, festzustellen, ob und unter welchen Bedin­gungen eine von ihm geführte Regierung eine sichere, arbeitsfähige Mehrheit mit ein­heitlichem Arbeitsprogramm finden würde". Hitler will heute nachmittag antworten. Die Antwort fann nicht anders als negativ ausfallen.

Das Ersuchen des Reichspräsidenten ist noch keine Beauftragung. Den Auftrag, eine Regierung zu bilden, würde Hindenburg erst erteilen, wenn Hitler erklären könnte, er sei imstande, die Bedingungen des Reichspräsi­denten zu erfüllen. Das wird er aber bis heute nachmittag nicht können- wenn nicht ein Wunder geschieht.

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Die Verhandlungen, die gestern zwischen Zentrum und Nationalsozialisten geführt wurden, fönnen schon deshalb faum ein ab­schließendes günstiges Ergebnis gehabt haben, weil weder Hitler noch kaas, noch Brüning an ihnen direkt beteiligt maren. Aber auch wenn zwischen Nazis und Zentrum alles in bester Ordnung wäre, gäbe das noch nicht die sichere arbeitsfähige Mehrheit mit einheitlichem Arbeitspro­gramm", die Hindenburg verlangt. Zu ihr gehören noch entweder die Deutschnationalen, die eine parlamentarische Mehrheitsbildung überhaupt nicht wollen, oder die Splitter­gruppen, mit denen noch nicht verhandelt worden ist.

Hindenburgs Ersuchen an Hitler ist formal forreft. Hitler ist Führer der größten Partei. Der Reichspräsident ist bereit, ihn mit der Bildung der Regierung zu beauftragen, wenn er zuvor durch Verhandlungen mit anderen Parteien eine sichere Mehrheit schaffen kann. Das ist ganz im Sinne des parlamentarischen Systems. Es bleibt die Frage, was Hindenburg tun wird, wenn ihm hitler heute nachmittag mitteilt, daß er eine sichere, arbeitsfähige Mehrheit mit einheitlichem Arbeitsprogramm" nicht garantieren fann.

Es scheint, daß die deutschnationale Um­gebung des Reichspräsidenten nur deshalb zu dieser Berbeugung vor dem parlamentari­schen System geraten hat, weil sich nach ihr die Rückkehr zur sogenannten ,, autoritären

3wischen Zuchthaus und Reichskanzlei

Hitlers Gehilfe als Verbrecher abgeurteilt

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Hamburg , 21. November.

In dem großen Prozeß gegen die schleswig - Holsteinischen Bom= benattentäter, in dem 40 SS.- Leute und Führer der 4. Standarte und der Reichstagsabgeordnete Moder angeklagt waren, wurde heute vormittag von dem Vorsitzenden des Altonaer Sondergerichts das Urteil verkündet. Das Gerichts gebäude war durch ein starkes Polizei­aufgebot gesichert und die Banke der An­geklagten waren ebenfalls von einer Kette von Schutzpolizeibeamten umgeben. Unter größter Spannung gab das Gericht das Urteil bekannt. Es wurden verurteilt: der Standartenführer und Reichstags­abgeordnete Moder, der Sturmführer Grezesch und Strathmann wegen Verbrechens gegen§ 6 des Sprengstoff gesetzes und bei den beiden letzteren in Tat­einheit mit Verbrechen gegen§ 5 des Sprengstoffgesetzes Moder zu 6 Jah: ren 6 Monaten Zuchthaus, Grezesch zu 6 Jahren Zuchthaus, Strath­mann zu 5 Jahren Zuchthaus, der Sturmführer Plähn wegen Verbrechens gegen§§ 5 und 7 des Sprengstoffgesetzes zu einer Gesamtstrafe von 5 Jahren 6 Monaten Zuchthaus . Acht An­geklagte erhielten je 1 Jahr 6 Monate 3 uchthaus, acht Angeklagte erhielten wegen Vergehens gegen§ 13 des Spreng­stoffgesetzes und wegen Begünstigung ins gesamt 36 Monate Gefängnis.

13 Angeklagte wurden freigesprochen, teils aus Mangel an Beweisen, teils weil das Gericht eine Nichtbeteiligung an den Verbrechen für erwiesen erachtete. Gegen jeben Angeklagte, die zu der Verhandlung nicht erschienen waren, wurde das Ver­fahren abgetrennt.

Die hier wegen Sprengstoffverbrechens mit­verurteilten Moder und Grezesch sind in­zwischen zu Reichstagsabgeordneten auf

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Adolf verhandelt um ,, nationale Konzentration"

der Naziliste avanciert. Sie sollen, wenn man sie freiläßt, dazu beitragen, daß die ,, nationale Kon­zentration" unter Hitlers Führung eine parla­mentarische Basis erhält. Wir gratulieren dem 3entrum zu solchen Bundesgenossen und be­dauern die Nation, die solche Burschen als Ab­geordnete anerkennen muß!

Kuhhandel

Adolf bei Hindenburg

Heute vormittag hat Adolf Hitler sich zur Fortsetzung der Aussprache über die Regierungsbildung um 10.30 Uhr zum Reichspräsidenten begeben, um 10.50 Uhr verließ er mit seinen Trabanten Frick und Göring die Reichskanzlei wieder, um sich in seine Salons im Kaiserhof zurückzu­ziehen. Die Unterredung Hitler- Hinden­bung hat eine Viertelstunde gedauert. Ueber diese Besprechung wird folgende amtliche Mitteilung herausgegeben:

,, Nachdem der Führer der National­ sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei dem Herrn Reichspräsidenten mit aller Bestimmtheit erklärt hat, daß seine Partei in einer von ihm geführ ten Regierung mitarbeiten könne, hat der Reichspräsident Herrn Hitler , den Führer der stärksten Partei des Reichs­tages ersucht, festzustellen, ob und unter welchen Bedingungen eine von ihm geführte Regierung eine sichere, arbeitsfähige Mehrheit mit einheitlichem Arbeitspro= gramm im Reichstag finden würde. Hitler erklärte, seine Antwort auf dieses Ersuchen dem Reichspräsidenten heute nachmittag schriftlich zu übermitteln."

Hugenberg ziert sich

Die deutschnationale Parteileitung hat von dem heutigen Besuch Hitlers bei Hindenburg augen scheinlich schon gewußt, noch bevor Hitler in den Besitz einer entsprechenden Einladung gelangt mar. Die Kenntnis der internen Vorgänge vom geftrigen Tage um den Reichspräsidenten ist

Staatsführung" um so bequemer vollziehen Den Opfern des Weltkrieges weifellos auch die Ursache, daß ugenberg

läßt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird von morgen in zwei Wochen vor dem Reichstag ein Beauftragter des Reichspräsidenten stehen, der von feiner Mehrheit gestützt wird. Das bedeutet Fortsetzung der Staatskrise bis zu einem ungewissen Ausgang.

einer Einladung des nationalsozialistischen Reichstagspräsidenten Göring zu einer Be­sprechung über die Neubildung der Regierung a b-

gelehnt hat. Hugenberg ließ zwar erklären, daß er Hitler jederzeit zu einer Besprechung zur Verfügung stehe. Aber da er wußte, daß nicht Hitler, sondern Göring auch am Sonntag mit dem Zentrum verhandelt hat und Hitler ebenfalls zunächst nicht mit ihm verhandeln würde, konnte er die Einladung Görings unter einem Bormand ablehnen. Die Ablehnung erfolgte, weil Hugenberg genau wußte, was zu der gleichen Zeit um den Reichspräsidenten vorging, nämlich, daß neuer Empfang Hitlers bei Hindenburg bevorstand und weil ihm zugleich auch der Zweck dieser Unterredung bekannt war.

ein

"

Die am Sonntag offiziell eingeleiteten Verhand­lungen zwischen Nationalsozialisten und Zentrum haben die Deutschnationalen und den Stahlhelm auf den Plan gerufen und Proteste beim Reichs­präsidenten gegen einen eventuellen Rückfall in das parlamentarische System" veranlaßt. Huge n= berg befürchtet, bei dem Versuch einer parlamentarischen Mehrheitsbildung zwischen Zentrum und Nationalsozialisten ausge= schaltet zu werden. Aus diesem Grunde haben deutsch nationale Persönlichkeiten am Sonn­tag alles versucht, um dem Reichspräsidenten noch­mals die unbedingte Notwendigkeit eines Präsidial­fabinetts einzureden. Dieses Kabinett kann nach deutschnationaler Meinung zwar eine parlamen­tarische Mehrheit haben, aber es soll in personellen Beziehung von den Parteien völlig unabhängig sein. Auf diese Weise hofft man vor allem die reaktionäre Tendenz der Deutsch= nationalen auch in der neuen Regierung fichern zu können.

Bis Sonntagabend lag eine Kandidatur Hitlers für die Reichskanzlerschaft durchaus im Bereich der Wahrscheinlichkeit. Das Zentrum ist bereit, sich mit einer derartigen Kandidatur abzu­finden, soweit der Reichspräsident damit einver­standen ist. Borerst bleibt abzuwarten, wie sich Nationalsozialisten und Zentrum zu dem deutsch­nationalen 3ntrigenspiel stellen. An ihrer Entschlossenheit, für den Fall, daß die Deutschnationalen sich einer Mitarbeit versagen, dem Reichspräsidenten die Bildung einer Regie­rung ohne Hugenberg vorzuschlagen, ist kaum zu zweifeln.

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In den Mittagsstunden haben sich mehrere hundert kommandierte SA .- Leute auf dem Platz vor dem Kaiserhof versammelt, die national­sozialistische Lieder singen und auf Hitler Heilrufe ausbringen.

Der Verkehr stockt. Die Polizei hat die un­mittelbaren Zugänge zum Kaiserhof abgeriegelt, verhält sich übrigens vollkommen passiv. Das Bannmeilen geseg ist faktisch zugunsten Hitlers und seiner SA. außer Kraft gesetzt.

Adolf, der Ehrenbürger

Gefälschte Ehrenbriefe

Frankfurt, 21. November. Während Hitler noch auf ungeahnten Höhen wandelt, werden wieder peinlich lustige Dinge über ihn und seinen Heerhausen be­fannt. Kurz vor den Reichstagswahlen gastierte der Osaf im Zirkus in Limburg. 16 Ehren­bürgerbriefe von ebenso vielen Gemeinden des Untertaunustreises wurden ihm feierlich durch den dortigen Nazikreisleiter vom Rothen, der als Beruf Psychologe" angibt, überreicht. Die be hördliche Nach prüfung der Beschlüsse der Ge­meindevertretungen hat das seltsame Ergebnis ge­zeitigt, daß in sechs von jenen sechzehn Gemeinden Bürgermeister und Gemeindevertreter von einem Ehrenbürgerbrief teine Renntnis hatten! In den übrigen Gemeinden ist die Nachprüfung noch im Gange. Jener Herr nom Rothen ist übrigens inzwischen von Hitler na kärnten abgeschoben worden.

Im Reichslag fand eine Gedenkjejer für die Gefallenen des Weltkrieges statt, die rom Reichsbund der Kriegsbeschädigten. Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterblie henen veranstaltet wurde. Bundesvor sitzender Pfändner hielt dieGedächtnisrede

Auflage nach zwei Monaten!

Die Pressediktatur der geschäftsführenden Kommissare

Herr Bracht hat uns am Sonnabend eine Auflagenachricht zugehen lassen, die wir auf Grund der Notverordnung vom 14. Juni 1932 abdrucken mußten.

Herr Bracht ist der Preußenkommissar des geschäftsführenden Reichskanzlers von Papen. Der Chef des Herrn Bracht ist in Demission. Er ist politisch erledigt, nur noch der Plazhalter für jeinen Nachfolger. Herr Bracht aber fühlte sich) gedrängt zu beweisen, daß er noch da ist. Des halb die Auflagenachricht! Und was für eine Auflagenachricht!

Mehr als zwei Monate sind verstrichen, seit der ,, Vorwärts" als Erwiderung auf eine Auflage­nachricht des Herrn Bracht die Ausführungen von Rechtsanwalt Braun über das Ohlauer Urteil ab= druckte. Nach mehr als zwei Monaten entschließt sich die kommissarische Diktatur in Preußen. dagegen zu diskutieren, und zwar mit Hilfe einer Auflagenachricht!

Nicht nur politisch, auch rechtlich stellt diese

Auflagenachricht eine nicht gerechtfertigte Schika= nierung dar! Am 9. August fällte der 4. Straf­senat des Reichsgerichts eine Entscheidung über das Verbot des Wahren Jakob", in der es heißt:

,, Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, daß der Polizeipräsident sein Verbotsrecht ver­wirkt habe, da das Verbot erst 14 Tage nach der gemäß§ 9 Pressegesezes bei der Drudschriftenstelle des Polizeipräsidiums er­folgten Einreichung der Nr. 17 verfügt sei. Der Einmand ist an sich beachtlich, obwohl die Verordnung vom 14. Juni 1932 ebenso­wenig, wie ihre Vorgängerin eine Frist be­stimmt, innerhalb deren ein Verbot ausge­sprochen werden muß. Aus den sonstigen Fristen der Vo. und dem Zweck des durch die Bo. vorgesehenen Verbots periodischer Drudschriften überhaupt ergibt sich indessen, daß ein solches Verbot nicht be. liebig hinausgeschoben werden fann. Das zeigen einmal die in den§§ 7