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Morgen- Ausgabe

Nr. 557 A 273 49. Jahrg.

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Vorwärts

BERLINER

E

VOLKSBLATT

SONNABEND

26. November 1932

Jn Groß- Berlin 10 Bf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des rebattionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Neurath Präsidialkanzler?

Kaas gibt den Auftrag zurück- Heute Entscheidung Hindenburgs

Nachdem Prälat Kaas gestern dem Reichspräsidenten über das Ergebnis seiner Feststellungen berichtet hat, hatte der Reichspräsident eine Unterredung mit Herrn von Papen.

Man erwartet, daß an Stelle Papens Freiher von Neurath, der bisherige Außenminister, zum Kanzler eines neuen Präsidialkabinetts ernannt wird. Neurath   wird heute nachmittag, von Genf   kommend, in Berlin   erwartet.

Kaas unterrichtet Hindenburg  Amtlich wird mitgeteilt:

Der Reichspräsident empfing am Freitagnach­mittag um 17 Uhr den Führer des Zentrums, Prälat& a as, der ihm über seine Besprechungen mit den Borjihenden der Nationalsozialistischen  Deutschen   Arbeiterpartei, der Deutschnationalen  Bolkspartei, der Bayerischen Volkspartei   und der Deutschen Volkspartei   über die etwa noch vor­handenen Möglichkeiten zur Bildung einer Rot- und Arbeitsmehrheit des Reichstages berichtete.

Prälat kaas hat in diesen Besprechungen an die Führer der genannten Parteien in erster Linie die Frage gerichtet, ob sie, ebenso wie die Zentrumspartei  , bereit seien, sich an Beratungen über ein fachliches Not- und Arbeits­programm für eine Mehrheitsregie­rung zu beteiligen. Diese Frage ist von den Borsitzenden der Bayerischen   Bolfspartei und der Deutschen Volkspartei   bejahend beantwortet worden. Der Borsitzende der Deutschnationalen Volkspartei  

hat die Beteiligung an solchen Be­ratungen als in Widerspruch mit der Gesamt­haltung seiner Partei stehend nicht zugesagt. Der Borsitzende der Nationalsozialistischen   Deut­ schen   Arbeiterpartei erklärte, an sich entspreche die Feststellung der fachlichen Grundlagen für eine etwaige Mehrheitsregierung durchaus seinen Auffassungen. Auf Grund der Erfahrungen der vergangenen Tage und der Ueberzeugung, daß auch einem positiven Ergebnis der fachlichen Be­ratungen seitens einflußreicher Stellen feine Folge gegeben würde, halte er eine Beteiligung seiner­seits nicht mehr für vertretbar.

Auf Grund dieser Feststellungen bat Prälat Kaas den Herrn Reichspräsidenten  , von einer weileren Fühlungnahme mit den Parteien ab­sehen zu dürfen. Der Herr Reichspräsident dankte dem Prälaten für seine Bemühungen."

Entscheidende

Besprechungen bei Hindenburg  

Am Freitag um 16 Uhr trat das geschäfts­führende Reichskabinett zu einer Sitzung zusam­men, in der zunächst ein Bericht über die Ver­handlungen der letzten Tage entgegengenommen wurde. Dann wurden laufende Angelegenheiten beraten.

Papen   hatte nach dem Empfang von ka as eine Unterredung mit Hindenburg  .

Am Sonnabendvormittag wird beim Reichs­ präsidenten   eine interne Beratung über die neugeschaffene Lage stattfinden. Man erwartet noch für Sonnabend die Ernennung des neuen Reichskanzlers.

diesbezügliche Zeitungsmeldungen eilen den Tat

Beginn des Reichstages fachen voraus. Sicher ist nur, daß die Kommu

Wahl des Präsidenten

Wenn der Reichstag am Dienstag, dem 6. De­zember, nachmittags unter dem Vorsiz des natio= nalsozialistischen Alterspräsidenten   2izmann zusammentritt, hat zunächst nur die formelle Fest­

nisten ihre bisherige, soeben noch in Sachsen   ge= übte Taktik der Beibehaltung eigener Kandidaten auch bei den Stichwahlen wieder zu üben gedenken und dadurch dem Rechtspräsidium wieder zum Siege verhelfen werden.

Neurath   statt Papen  ?

Der amtliche Bericht über die Unterredung Hindenburgs mit Kaas schweigt sich darüber aus, ob der Zentrumsführer den Reichspräsidenten   auch auf die Konsequenzen seines Vorschlags aufmerksam gemacht hat. Wir möchten es dennoch annehmen. Welcher Art diese Konsequenzen find, liegt auf der Hand. Eine Regierung, die nach außen zwar als Präsidialkabinett" firmiert, aber im Volke durch ihre Zusammenarbeit mit dem Reichstag eine Stüße sucht, kann nicht mit, son­dern nur ohne Herrn von Papen gebildet werden. Ein Mann wie Papen   wird im Reichs­tag nie mehr als die Unterstützung der Deutsch­nationalen finden. Seine nochmalige Ernennung würde nur wieder zu dem Zustande führen, der schließlich den Rücktritt der Barone zur Folge hatte. Statt einer Entspannung wäre mit einer neuen Verschärfung der innenpolitischen Lage zu rechnen, deren Ende vorläufig nicht ab­zusehen ist. Darüber scheint fich neuerdings auch der Reichspräsident Rechenschaft abgelegt zu haben, und wenn wir richtig informiert sind, hat er Herrn von Papen bereits am Freitag von dieser Auffassung Kenntnis gegeben. Es hat deshalb gegenwärtig den Anschein, daß Herr von Papen trotz aller Register, die er in den letzten Tagen gezogen und aller Minen, die er gegen Hitler   und andere hat springen lassen, zum Leid der Deutsch   nationalen doch nicht wiederkehrt.

Wer in Zukunft der neue Mann des präsidialen Vertrauens sein wird, soll sich erst am Sonnabend entscheiden. Man spricht von Neurath  , der schon seit langem die Gunst des Reichspräsidenten genießt.

wählt. Das Resultat tam nur zustande, weil die Kommunisten im zweiten Wahlgang ungültige Stimmen für ihren eigenen Kandidaten abgaben, obwohl ihnen die Parteilichkeit des Herrn Eckardt aus früherer Präsidentschaft bekannt war. Sie er­reichten durch ihre Taktik, daß ein reines Rechts­präsidium gewählt wurde. Vizepräsidenten wurden ein Nationalsozialist und ein Wirtschaftsparteiler. Alle diese bürgerlichen Herren waren den Kom­

ſtellung seiner Beschlußfähigkeit zu erfolgen. Die Deutschnationaler Präsident munisten lieber als ein Sozialdemokrat.

Wahl des Präsidiums ist in der Regel erst in einer zweiten Sigung vorgenommen worden, nur am 31. August schritt man zur sofortigen Wahl, weil dadurch eine vorzeitige Auflösung durch den Reichskanzler erschwert werden sollte.

Nach dem Grundsay, daß der Plaz des Prä­fidiums der stärksten Partei gebührt, werden die Nationalsozialisten diesen stellen, und da der Streit zwischen Stöhr, dem Kandidaten der proleta­rischen Elemente, Fabricius, dem Kandidaten des Herrn Göbbels und Göring  , dem Kandi­daten der gesellschaftsfähigen Oberschicht durch Hitler   zugunsten des Letzteren entschieden ist, dürfte dieser mit Hilfe des Zentrums gewählt werden. Die Deutschnationalen werden ihm allerdings ihre Stimme nicht mehr geben, da er ihren Partei­freund, den Vizepräsidenten Graef  , vor ver­sammeltem Hause vom Präsidentenstuhl aus in unqualifizierbarer Weise angegriffen hat. Dafür haben aber Nationalsozialisten und Zentrum be= schlossen, ihrerseits Herrn Graef die Stimme nicht mehr zu geben, weil er bei dem Hindenburg  - Besuch aus der Reihe tanzte und sich dieses scharfen Schwertstreichs" nachträglich noch rühmte. Die schwarz- braune Roalition ficht das Recht der Deutschnationalen auf einen Platz im Präsidium nicht an, ist aber nicht gewillt, Herrn Graef dabei zu dulden. Es dürfte also eine Menge unbeschrie­bener Zettel bei diesen Wahlgängen geben.

Eine positive Kandidatenaufstellung außer der von Göring   ist bisher von feiner Fraktion erfolgt,

Durch Kommunisten- Hilfe Im Sächsischen   Landtage wurde an Stelle des langjährigen bisherigen sozialdemokratischen Präsi­denten Weckel der Deutschnationale Eckart mit 40 Stimmen der Rechten gegen 37 Stimmen ge­

So versteht die Kommunistische Partei   in Wirk­lichkeit die Einheitsfront gegen Reaktion und Faschismus! Wie in den Gemeinden, so hilft fie auch in den Landtagen durch ihre Taktif den Reaktionären vom reinsten Wasser! Das ist ihr Kampf gegen die Reaktion!

Lord Lytton   läßt sich nicht einschüchtern

Außerordentliche

Völkerbundsversammlung soll über die Mandschurei entscheiden

Eigener Bericht des Vorwärts"

Genf  , 25. November.

Trok heftigem Widerspruch des Vertreters von Japan   hat Lord Cytton seinen Bericht über die Zustände im fernen Osten und über die Mandschukofrage aufrechterhalten.

Der Ratspräsident de Balera machte am Freitag den Vorschlag, die ganze Frage nunmehr einer außerordentlichen Bölferbundsvoll. versammlung zu überweifen, wobei der Rat das Recht behielte, sich jederzeit darüber auszu­sprechen. Zugleich ermahnte er die Parteien, nicht bei ihrer unverföhnlichen Haltung zu bleiben. Der

Völkerbund   verdanke seine Eristenz der tiefen Um­wälzung der öffentlichen Meinung als Folge des Krieges. Es hieße diese öffentliche Meinung in völlig unzulässiger Weise provozieren, wenn man den Mechanismus der Erhaltung des Friedens nicht völlig ausnutze und wenn man sein Funk­fionieren behindern wolle durch mangelhafte Zu­sammenarbeit der interessierten Staaten.

Der Vertreter Chinas   erklärte sich mit dem Ratsvorschlag einverstanden. Er fügte hinzu, jede Lösung sei unannehmbar, die die Mandschufuo als selbständigen Staat anerkenne. Der Vertreter Japans   will nochmals die Meinung seiner Re­glerung einholen.

Präsidialkabinett?

Von Rudolf Breitscheid  

Der diplomatische Notenwechsel zwischen dem Haus des Reichspräsidenten   und dem Hauptquartier des Herrn Adolf Hitler   ver­dient nicht nur unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Regierungskrise und ihrer Lösung Beachtung, sondern er hat darüber hinaus auch eine grundsägliche Be= deutung für die Behandlung sehr brennen­der staatsrechtlicher Probleme. Zum min­desten erfährt man aus ihm, welche Aus­legung in der Umgebung des Reichspräsi­ denten   gewissen Begriffen gegeben wird, die in der öffentlichen Diskussion dieser Zeit eine große Rolle spielen.

So enthält das vom 22. November datierte Schreiben des Staatssekretärs Meißner Untersuchungen man kann sogar sagen recht spitzfindige Untersuchungen über den Unterschied zwischen einem Präsidial­kabinett und einer parlamentari schen Regierung. Sie sind zwar in erster Linie bestimmt, Herrn Hitler   den Sinn dés ihm vom Reichspräsidenten   erteilten Auftrags zu erläutern, aber sie stellen doch gleichzeitig den Versuch dar, einzelnen Be­stimmungen der Weimarer Verfassung   eine neue Auslegung zu geben. parlamentari  - Kennzeichen einer schen Regierung ist demnach die Tatsache, daß sie alle Machtvollkomenheiten aus schließlich von einer parlamen tarischen Mehrheit bezieht. Sie muß alle Gesetzentwürfe vor ihrem Inkrafttreten den parlamentarischen Körperschaften zur Genehmigung vorlegen und sie verfolgt im wesentlichen Ziele, auf die der Reichspräsi­dent nur in geringem Maße und nur mittel­bar Einfluß hat.

Das Präsidialkabinett bezieht demgegenüber nach Meißner seine Macht­vollkommenheiten in erster Linie vom Reichspräsidenten und braucht die Barla­mente im allgemeinen nur zum Sant­tionieren und Tolerieren. Der Führer des Präsidialkabinetts bedarf des besonderen Vertrauens des Reichspräsidenten  . Das Ka­binett muß überparteilich geführt und zu­sammengesetzt sein, und es muß ein vom Reichspräsidenten   gutgeheißenes überpartei­liches Programm verfolgen. Es kann nicht von einem Parteiführer geleitet sein.

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Dieser nebenbei mit dehnbaren Wen­dungen wie ,, in erster Linie" und, im allge­meinen" arbeitenden Definition eines Präsidialkabinetts wären zunächst die Ver­fassungsbestimmungen entgegenzuhalten, nach denen der Reichskanzler und die Reichs­minister zu ihrer Amtsführung das Ver= trauen des Reichstags bedürfen und der Reichskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Die Verfassung fennt feine Regierung, die des besonderen Ver­trauens des Reichspräsidenten bedarf, und feine, deren politische Richtlinien vom Reichs­ präsidenten   bestimmt werden. Das Präsidial­fabinett, wie es der Staatssekretär Meißner darstellt, ist also schon an und für sich eine Konstruktion, die mit den Grundlagen un­seres staatlichen Lebens nichts mehr zu tun hat, und an deren verfassungsfrem­dem Charakter auch der Versuch, doch noch eine gewisse Verbindung zwischen Ka­binett und Volksvertretung herzustellen, nichts ändern kann. Denn ein Parlament, dessen Funktion auf Tolerieren und Sanktio­nieren beschränkt wird, führt höchstens noch ein Schattendasein. Und was geschieht end­lich, wenn der Reichstag sich weigert, die ihm so gestellte Aufgabe zu erfüllen? Hierauf gibt der Meißnersche Brief teine Antwort. Mit gutem Grunde, denn seine Auslegung folgerichtig meitergeführt, muß für diejen