Einzelbild herunterladen
 

Abend- Ausgabe

Nr. 558 B 271 49. Jahrg.

Redaktion und Berlagi Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: 7 Amt Dönhoff 292 bts 29? Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

26. November 1932

Jn Groß Berlin   10 Pf. Auswärts... 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bautei Deutschlands  

Nazi- Wut und Jammer

,, Unfaßbar!"- ,, Furchtbar"

,, Grenzenlose Enttäuschung"

Wer einen Einblick in das Seelenleben der NSDAP  . gewinnen will und in die Zer­störungen, die Hitlers   zweite Abfuhr dort hervorgerufen hat, der muß die Nazipresse im Reiche lesen. Der Westdeutsche Beob­achter" in Köln   ringt vergebens um Fassung:

Wie kam der Herr Reichspräsident zu dieser Ablehnung die als unfaßbar vom größten Teil des Volkes noch nicht begriffen werden fann? Nach eingehender Aussprache mit seinen Beratern!" Wer sind, so fragt das Volk, die Berater? Es müssen die Herren Oldenburg­Januschau usw. sein, die zwei Tage

vor diesem furchtbaren Kein plötzlich in den Privatgemächern des Reichs­präsidentenpalais auftauchten.

ver=

Der Dresdener Freiheitskampf" schreibt: Mögen andere Krokodilstränen gießen, mögen andere jammern, wir nationalen Sozialisten beißen die Zähne zusammen, reißen voll Ingrimm unsere Sturmriemen herunter und werden weiter marschieren! Ehe Adolf Hitler   und jeine Kämpfer vergehen, zerbrechen Bürgertum und Marxismus  , und ehe der Bolschemismus sein blutiges Handwert bei uns vollendet, liegt Deutsch­ lands   Zukunft erschlagen auf der Wahlstatt. Siegt aber Moskau  , dann wird im Buche der deutschen  Geschichte stehen: Deutschland   starb, weil Feig­linge und Verräter Bolt und Nation zugrunde richielen!

" 1

Die Pommersche Zeitung" beginnt: Wieder ist eine Entscheidung der Reichs­präsidenten von Hindenburg   gegen das deutsche   Bolt gefallen." Dann spricht sie von einer grenzenlosen Ent­täuschung".

Das Mannheimer Hakenkreuzbanner" wendet sich noch schärfer gegen den Reichs­ präsidenten  , indem es erklärt:

Das katastrophale Ende lastet auf dem Ge wissen dieses Mannes, der die entschei= dungsvolle Stunde der Nation verpaẞt hat. Hindenburg   hat für die Nation

eine Schlacht verloren... Die ganze Nazipresse wendet sich in gren­zenloser But gegen die Deutschnatio= nalen, die sie beschuldigt, ein verbrecheri­sches Spiel getrieben zu haben. Das ist das Ende der ,, nationalen Konzentration".

Die Entscheidung wieder vertagt!

Die Beratungen beim Reichs präsidenten über die Frage der Neu­bildung der Regierung waren gegen 11 Uhr beendet, ohne zunächst zu cinem positiven Ergebnis zu führen. Die Entscheidung des Reichspräsidenten  wird erst in einigen Tagen erfolgen.

Wie die ,, Telegraphen- Union" erfährt, dürfte der Grund für die Verzöge rung der Entscheidung darin liegen, daß man zunächst noch einige Fragen flären will. Vor allem dürfte man noch die Haltung der verschiedenen Parteien zu einem anders zusammengejesten Präsidialkabinett feststellen wollen.

Die letzten Bemühungen

Beratungen bei Hindenburg   bisher ergebnislos

Die Bemühungen des neuen Reichs. fanzlers um die Zusammenarbeit mit dem Reichstag sollen, wie von unterrichteter Seite ver­lautet, nach den Wünschen des Reichspräsidenten  dahin gehen, daß er die Mitarbeit aller Parteien annehmen soll, die sich ihm für eine Tolerierung zur Verfügung stellen. Derartige Zusagen sollen bei der Zusammensetzung des neuen Kabinetts berücksichtigt werden. Es wird erwartet, daß Zentrum, Deutsche Volkspartei  , Bayerische Bolkspartei und die Splittergruppen fich nach Ber handlungen dem neuen Mann des präfidialen Ver­trauens sofort zur Verfügung stellen werden.

Inwieweit auch noch andere Gruppen der Re­gierung das Leben ermöglichen, soll für den Fall eines ablehnenden Entscheids der übrigen Parteien der Entscheidung des Reichstags überlassen bleiben. Die Hoffnung, daß sich so oder so doch noch eine Regierungsmehrheit findet, wird in der Umgebung des Reichspräsidenten   noch nicht völlig aufgegeben. Falls die neue Regierung dennoch ein Mißtrauens votum erhalten sollte, würde sie als geschäfts­führende Regierung weiter amtieren.

*

Reichsaußenminister von Neurath trifft heute abend von Genf   fommend in Berlin   ein. Er gilt in unterrichteten Kreisen nach wie vor als aussichtsreicher Randidat für die

Reichskanzlerschaft. Außerdem werden noch Dr. Geßler und Dr. Goerdeler genannt. Eine Kandidatur Bracht dürfte auch für den Reichspräsidenten nicht in Frage kommen, weil er nach den Erklärungen des Zentrums­führers Kaas weiß, daß man mit einer der=

Der Briefe sind genug gewechselt

On Jun Herren

Reichsgrä

ABS i Ber

44

St.

Meissner

Papen

VON

Bin

Herrn

AHITLER

Kaiserhof

Ex

VON

CHER

Bendlerstr Schacht 33.Ben

,, so sehen also die ganz starken Männer aus

artigen Kandidatur vom Regen in die Traufe tommen würde, und daß Bracht im Reichstag und innerhalb der Bevölkerung den gleichen Widerstand finden wird, wie ihn Papen bisher gefunden hat und für den Fall seiner Wiederernennung in verstärktem Maße wieder­finden würde. Allerdings hatte der Zentrums­führer Kaas nach seiner gestrigen Unterredung mit dem Reichspräsidenten  , in der er vor der Er­

nennung des Herrn von Papen dringend gewarnt hat, den Eindruck, daß Papen nicht, wiederkehren wird. Aber es hängt selbstverständlich von den Einflüssen ab, die in der Zwischenzeit auf den Reichspräsidenten eingewirkt haben und im Ver­lauf des Vormittags weiter auf ihn einwirken werden, ob der Eindruck des Herrn Kaas seine Bestätigung findet.

*

Die Hugenberg- Presse, die den bisherigen Ber­lauf der Krise mit einer gewissen Zufriedenheit beobachtet hat, zeigt heute eine gewisse Ent­täuschung. Sie bezeichnet, nach dem Gang der Dinge, die Wiederernennung Papens  als ,, logisches Ergebnis aller Verhandlungen", gibt aber zugleich zu, daß eine Rückkehr der Regierung Papen   in ihrer bisherigen Zusammen­segung nicht zu erwarten ist. Angesichts der Maßnahmen, die ein neues Präsidialkabinett gegenüber der Opposition der Nationalsozialisten und der Sozialdemokratie treffen müßte, wäre die Wahl des Reichskanzlers in besonderem Umfange eine Angelegenheit des persönlichen Ber trauens des Reichspräsidenten  .

Außer der Hugenberg- Presse setzt sich nur noch die Kreuz- Zeitung  ", das Organ des Stahlhelm, für Papen   ein. Das Blatt wünscht nicht einmal eine etwaige Auswechselung einzelner Mitglieder des bisherigen Kabinetts. Es sagt zum Schluß eines spaltenlangen Artikels: ezt Papen  ! Das ist die Parole des Augenblids, die die Staatsnotwendigkeit vorschreibt. Erst muß die tausendköpfige Hydra des Parteiegois­mus vernichtet werden. Dann erst hat der Staat die innere Kraft und das moralische Ge­wicht, dessen er bedarf, um die ungeheuren Auf­gaben der nächsten Zukunft mit Entschlossenheit in Angriff zu nehmen."

"

Die Germania  " und andere Blätter warnen demgegenüber nochmals vor der Rückkehr einer Konfliktsregierung, die in noch stär­ferem Maße als bisher dem Widerstand und der Ablehnung des gesamten Volkes ausgefeßt märe. Sie würde in zwangsläufig gestei­gerten Konflikten entweder unter schweren Birren an der Verfassung scheitern, oder sich unter noch schwereren Wirren über sie hinwegsezzen müssen eine Konsequenz, die auch der Reichs­präsident nicht wolle und nicht wollen könne.

Der Breußenkrieg

Reichskommissar erklärt gegen

Staatsregierung

Reichs­

Zu dem Erlaß des preußischen Staatsministe­riums vom 24. November erklärt der kommissar für das Land Preußen" Herr von Papen:

-

das ist

,, Die in diesem Erlaß enthaltenen geschäfts­ordnungsmäßigen Bestimmungen können nur innerhalb der dem Staatsministerium nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. vorigen Monats belassenen 3uständigkeit und innerhalb der in der Verordnung des Reichs­ präsidenten   vom 18. d. M. gezogenen Grenzen und nur gegenüber den dem preußischen Staats­ministerium unmittelbar unterstehenden Beamten wirksam werden. Dagegen kann das Staats­ministerium nicht in die dem Kommissar des Reiches zustehende Exekutive eingreifen, ins­besondere nicht unter Ausschaltung des Reichs­tanzlers in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für das Land Preußen unmittelbar Anweisungen an die dem Staatsministerium nicht unmittelbar unterstellten Beamten geben."

Weiter wird noch mitgeteilt, daß ein Ersuchen um Beröffentlichung" des Staatsministerialerlasses vom 24. d. M. an den Reichskommissar noch nicht gerichtet worden sei. Offenbar bedauert man, ein folches Ersuchen" nicht ablehnen zu können. Die unter der Verurteilung des ganzen Volfes Bapen Bracht Re= zusammengebrochene gierung hat es glücklich soweit gebracht, dağ tein Beamter in Preußen mehr weiß, mem er zu gehorchen hat. Bom Reichspräsidenten ist zu fordern, daß er dieser Anarchie ein Ende macht

#

Kommiffare sollen zurücktreten

Beschluss des Preussischen Landtags

3m Preußischen Landtag wurde ein fommunistischer Antrag, der inhaltlich mit einem gleichzeitig gestellten sozialdemokratischen Anfrag übereinstimmt, und der den Rücktritt der Staatsfommissare und Aufhebung aller von ihnen erlaffenen Maßregeln fordert, in namentlicher Abstimmung angenom­men. 126 Abgeordnete stimmten mit Ja( Sozial­demokraten und kommuniffen), 188 Abgeordnete

Berlins Borschlag

Es bleibt bei den Bezirken

Jm Rathaus hatten sich heute vormittag die Bürgermeister der 20 Berliner   Be­3irte zu einer gemeinsamen Sigung mit dem Magistr af unter Borjih des Oberbürger­meisters zusammengefunden. Am 1. Dezember läuft die Frist ab, die die preußischen Kommissare der Stadt Berlin   zur Einreichung eines eigenen Borschlages über die Umgestaltung der Berliner  Verwaltung gestellt haben. Die Stadtverordneten­

enthielten sich der Stimme( Nationalsozialisten und Zentrum).

Die Nationalsozialisten hatten vorher eine Er­flärung abgegeben, des Inhalts, daß sie nicht für die Anträge stimmen wollten, weil sie gegen die Rückkehr der Regierung Braun- Severing feien. Sie verlangten vielmehr die Aenderung der Ge­schäftsordnung und Uebergabe der Macht an die Nationalsozialisten.

versammlung hat bekanntlich den Vorschlag des Magistrats abgelehnt, und die Initiative liegt nun­mehr beim Magiftrat oder dem Oberbürgermeister. Ehe der Magiffrat heute nachmittag seine entschei­denden Beschlüsse faßt, wollte man noch einmal die Meinung der Bezirksbürgermeister hören.

Nach unseren 3nformationen wird es jedoch bis auf geringfügigere Abänderungen bei dem vom Bürgermeister Lange und Stadtrat Dr. Heuer ausgearbeiteten Borschlag bleiben, monach Berlin   zufünffig nur noch aus neun Be­zirten bestehen und in den Bezirksverwaltungen das Einförperfuftem zur Einführung fommen foll.

SA. mordet SA  . Weil er den Gegner als Kommunisten ansah!

Aachen  , 26. November. Das hiesige Schwurgericht verurteilte nach zwei­stündiger Berhandlung den S A.- Mann Mar­fin aus Eschweiler   wegen Totschlags, Waffen­mißbrauchs und Waffendiebstahls zu 8 Jahren Zuchthaus. Martin hatte in der Nacht zum 28. Juli, drei Tage vor der Reichstagswahl, seinen Parteigenossen, den SA.­Führer Raskin aus Eilendorf  , mit einem Gummifnüppel schwer verletzt und ihn dann mit dessen eigenem Revolver erschossen. Der Staatsanwalt hatte für die Tat 10 Jahre 3 Monate Zuchthaus   beantragt.

Mit Martin wurden wegen Raufhandels und Waffenvergehens die SA.- Ceute& rämer, Schneiders und Deutschmann zu 6, 9 und 5 Monaten Gefängnis verurteilt,

Martin wurde durch die Pistole Raskins, die man bei ihm fand, und frühere Aeußerungen über die Tat überführt. In der Verhandlung selbst führte er zu feiner Verteidigung an, er habe feinen Parteigenoffen für einen Kommunisten ge­halten.

Noch vor der Julimahl hat die ganze Nazipresse die Tötung Rasfins als Rofmord" ausgeschrien!