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ERSTE BEILAGE

9] Vorwärts

Vem großen Kinderleid

Hof und Straße, die traurigsten Spiel- und Tummelplätze

Am vergangenen Montag war ganz Berlin entsetzt: als die ersten Nachrichten über die Verhaftung und das Geständnis der unnatürlichen Mutter Martha Boddin bekannt wurden, blieben die Leute auf der Straße, auf dem Markte, in den Läden erst einmal stehen und dann machten einander wildfremde Menschen ihrer Empörung über das schändliche Verbrechen an der kleinen Rosemarie Luft. Einige Tage später, als jene Geschichte mit dem Heiligabend im Keller und der Tablette mit den Stecknadeln bekannt wurde, mußte eine Abteilung Schutzpolizei in die Lortzingstraße beordert werden, da die Erregung der Gesund­brunner Frauen sich derart gesteigert hatte, daß Ausschreitungen zu befürchten waren. Aller­dings sind die Taten der Martha Boddin auch von einer beispiellosen Ruchlosigkeit gewesen. Diese Frau versichert ihr Kind mit 4000 M. gegen Todesfall. Sie wartet noch ein Vierteljahr, glaubt, diese Zeit genüge, um Gras über einen Versicherungsabschluß wachsen zu lassen. Am Freitag, den 11. November, ruft sie die kleine sechsjährige Rosemarie Dom Spiel nach oben, zieht sie an, geht mit ihr die Brunnenstraße hinunter zum Bahnhof Gesundbrunnen . Mutter und Kind setzen sich in den Vollring, steigen in Stralau um und auf der Station Tiergarten aus. Hier braust unter den Bahnschienen das Wasser des vorher gestauten Landwehrkanals und in diesem eiskalten Wasser soll die kleine Rosemarie sterben. Passanten hindern die Rabenmutter an der Beendung des Verbrechens. Nun beginnt aber jene grausige Irrfahrt mit der weinenden, frierenden, von Wasser triefenden Rosemarie durch Berlin : in Tempelhof nochmals ein Mordversuch, am Teltowkanal ein dritter, schließlich geht es durch den Tiergarten und über Moabit nach Hause. Aber nicht für Rosemarie. Etwa zwei Stunden nach Mitternacht so spät ist es inzwischen geworden geschieht das Unglaubliche. Als sie auf der Grenzstraßenbrücke stehen, faßt die Mutter das Kind, hebt es etwa zwei Meter in die Höhe und wirft es in die dunkle Tiefe. Nach vollbrachter Tat geht diese Mutter nach Hause und erstattet scheinheilig bei der Polizei die Vermißtenanzeige für die kleine Rosemarie.

Auflauf an der Brücke

Jetzt fährt kein Fuhrwerk mehr über die Grenz­straßenbrücke, ohne daß der Kutscher absteigt und fich irgendeinen Spalt sucht, von dem aus er auf die Eisenbahngleise starrt, wo das bedauernswerte Kind gelegen hat. Jeder Radfahrer steigt vom Rade, stellt das Rad beiseite und sucht sich eben­falls einen Spalt. Selbst die Wedding- Boys, jene fahrenden Musikanten, bleiben stehen, gehen neben­an auf den Hof, aber sie spielen nicht, sondern starren wie alle anderen unverwandt auf die kalten Gleise der Eisenbahn. Da den Fremden die Tatumstände nicht so geläufig sind, stehen ein paar Männer aus der Gegend dabei und geben sachverständige Erläuterungen: über die Absturz­stelle, über die Eisenbahnfahrpläne, über den Ein­bruch in die Schule, über jene Tür, die bei dem Kind lag und die die Kriminalpolizei anfangs auf eine ganz falsche Fährte führte.

Dann ist das Reden an den versammelten Frauen. Aber das ist kein Reden mehr, son­dern da wurden Fäuste geschwungen, Verwün­fchungen ausgestoßen, Folterqualen erdacht, es ist kaum zu beschreiben.

Seltsam, wie die Frauen plötzlich zu Barbaren werden. Aber vorher waren sie vielleicht gibt keinen anderen Ausdruck zu feige, um

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es

zu der nächsten Amtsstelle zu gehen und Anzeige zu erstatten, daß da und dorten ein Kind gotts­jämmerlich mißhandelt wird. An und für sich können solche Untaten in jedem Hause, vorkommen. Aber wem wollen die Frauen einreden, daß sie

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Monate hindurch von diesen oder jenen Mißhand­lungen nichts gehört haben. Sie hören doch sonst, wenn das Nachbarkind schreit und schimpfen dann: Das alte Jör plärrt ja schon wieder!" Sie können ja so behende zum Guckloch der Korri­dortür schleichen, um zu sehen, wer bei der alten Müllern ein- und ausgeht, so gut wie nichts bleibt doch den Frauen im Hause verborgen, fein Schwaz und fein Klatsch, aber wenn Weihnachts­abend ein wimmerndes Kind in den kalten, düsteren Kohlenkeller geschafft wird, wo es zum Steinerweichen schreit, dann hört das niemand, dann haben alle Watte in den Ohren, dann sehen sich ob der Schreie nur alle an und denken sich ihr Teil.

Kläger und Richter

Denn gerade auf dem Gebiete der Kindermiß­handlungen gilt mehr als anderswo das Wort: Wo kein Kläger, auch kein Richter. Woher soll denn auch das Jugendamt Wedding wissen, daß im Hause Lorgingstraße 15 die kleine Rosemarie Boddin schändlich mißhandelt wird? Die Jugend­ämter haben nun einmal feine Spürhunde unter­wegs, die an den Korridortüren horchen, ob ein Kind schreit. Wenn überhaupt ein Verfahren megen Kindesmißhandlung in Gang gebracht wer­den soll, dann ist beim Leugnen des Täters immer ein Zeuge nötig. Nun müssen sich die Juristen zunächst darüber einig werden: was ist Kindesmißhandlung, liegt eine einmalige Züchti­gung oder eine fortlaufende Mißhandlung vor. Ist das vorübergehende Einsperren eines Kindes

in einen Keller schon eine Mißhandlung? Nicht immer liegen die Dinge so flar wie im Fall Boddin, wo die Anklage zweifellos auf versuchten Mord lauten wird. Und nicht bei jeder Miß­handlung werden mehrlose Kinder von Eisenbahn­brücken vor die fahrenden Züge geworfen. Ueber­haupt kommen ja nur die wenigsten Fälle vor den Strafrichter.

Wenn das Jugendamt eingreift. wird es sich erst mal die Eltern vorladen. Hier haben die Eltern Rede und Antwort zu stehen und das Reichs- Jugend- Wohlfahrtsgesetz ermächtigt diese Behörden zu einer ganzen Reihe von Maß­nahmen zum Schutz der Kinder. So kann das Jugendamt anordnen, daß als vorbeugende Maß­nahme die Kinder tagsüber in Kinderhorten( das sind die schulpflichtigen) oder in Kindergärten( das sind die kleinen) untergebracht werden. Denn es ist nicht so, wie meist der außenstehende Laie an­nimmt, daß in den Horten und Gärten alle Kinder freiwillig sind, eine ganze Reihe meilt dort auf Anordnung des Jugendamtes. Man braucht nur daran zu denken, daß die Arbeitslosigkeit die Eltern zu schlechten Erziehern macht; der Vater fizt gedrückt zu Hause, die Mutter weiß nicht, woher das Geld nehmen, es gibt 3ank und Streit, und um die Kinder nicht zu Zeugen dieser Kon­

SONNTAG, 27. NOV. 1932

flikte werden zu lassen, bringt man sie in Kinder­horten und gärten unter.

Eine schärfere Maßnahme ist dann die Schutz­aufsicht, die das Jugendamt anordnen kann. Damit wird den Eltern das Sorgerecht über das Kind entzogen. Es wird eine Aufsichtsperson be= stimmt, die sich, wenn nötig, täglich um das Kind fümmert und in deren Hand die gesamte geistige und körperliche Erziehung des Kindes gelegt wird. Die Eltern haben lediglich da sie das Recht der elterlichen Gewalt verwirkt haben alle Zahlun gen für das Kind zu leisten. Oftmals lebt bei der Schutzaufsicht das Kind schon nicht mehr im Haus­halt der Eltern. Nun ist das mit den Pflege­kindern heute auch nicht mehr so einfach. Nach dem Gesetz darf niemand mehr sein Kind ohne Wissen des Jugendamtes Fremden in Pflege geben. Wer andererseits ein Kind in Pflege nehmen will, muß 1. seinen guten Leumund nachweisen und 2. seine gesicherte Existenz, damit verhindert wird, daß aus den Pflegekindern ein Geschäft gemacht wird. Fast überall hat also das Gesetz weitgehende Sicherungen zum Schutz des Kindes geschaffen.

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Von dem Umfang der auf diesem Gebiet zu leistenden Arbeit erhält man einen ungefähren leberblick, wenn man nur die Zahlen der Ber­ liner Arbeiterwohlfahrt heranzieht. Der Berliner Bezirksausschuß hatte im vorigen Jahre 2177 Vor­mundschaften, Schutz- bzw. Pflegeaufsichten inne, dazu 12 480 Pflegetage im eigenen Kinderhort in der Danziger Straße, dazu 10 913 Pflegetage im August- Bebel- Heim. Diese Tausenderzahlen er­geben sich bereits auf diesem Teilgebiet unserer Arbeiterwohlfahrt.

Die Reform Berlins beschlossen

Der Vorschlag des Magistrats: Neun Bezirke und Einkörpersystem

Die schwierigen Arbeiten zur Schaffung der Kommunalreform in Berlin find durch die gestrigen endgültigen Beschlüsse des Magistrats zu einem vorläufigen Abschluß ge­kommen. Der Magistrat beschloß, den alten Entwurf mit einigen Abänderungen der. Aufsichtsbehörden als Vorschläge der Stadt zu einer durchgreifenden Verwaltungsreform der Aufsichtsbehörde zu unterbreiten. Bei der Be­zirkseinteilung wurde gegenüber der alten Vorlage beschlossen, die Bezirke Tempelhof und Schöneberg zu einem Bezirk und Wilmersdorf , 3ehlendorf und Steglitz zu einem besonderen Grunewald­bezirk" zu vereinigen. Der jetzige Bezirk Trep­ tow wird ungeteilt mit Köpenick verbunden. In den Bezirken wird das Ein körpersystem in der Verwaltung eingeführt. Die Bezirksversamm­lungen verschwinden also in ihrer heutigen Ge­stalt. Es gibt nach der Verwirklichung des Planes nur noch das Bezirksamt als Verwaltungskörper­schaft, dem die gewählten Bezirksverordneten mit angehören der Magistratsbeschluß wird der Aufsichtsbehörde in den nächsten Tagen offiziell als Vorschlag für die Reform unterbreitet, es gilt allgemein als sicher, daß der Magistratsplan in jeinen großen Zügen Gesetzeskraft erhalten wird. Die Reform soll am 1. April 1933 ver­wirklicht werden.

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In einer kommunalen Pressekonferenz gaben der Oberbürgermeister Dr. Sahm und die beiden Schöpfer des Entwurfes, Bürgermeister Lange und Stadtrat Dr. Heuer, Erläuterun­gen zu den Magistratsbeschlüssen. Dr. Sahm wies darauf hin, daß alle maßgeblichen kommunalen Körperschaften in neuerer Zeit sich für das Ein­förpersystem einsetzen, so auch der Deutsche Städtetag

Bürgermeister Lange sprach zu der Neu­ordnung bei der Verwaltung in den Bezirks­ämtern. Die Ernennung der Beamten wird allein

durch das Bezirksamt erfolgen. Die Stellung der Stadträte im Bezirksamt ist verstärkt worden. Sie haben bei allen Beschlüssen des Bezirksamtes beratende Stimme.

Die neuen Bezirke

Den Standpunkt, daß im Interesse der Riesen­verwaltung Berlins eine Verringerung der Be= zirke einzutreten habe, begründete noch einmal Stadtrat Heuer. Der Magistrat hat an dem Plan, nur noch neun Bezirke in Berlin be­stehen zu lassen, festgehalten. Um den großen ,, City bezirt", der aus den bisherigen Be­zirfen Mitte, Kreuzberg und Tier garten gebildet wird, gruppieren sich fächer­förmig die übrigen acht Bezirke. Ihre Einteilung­ist so erfolgt, daß jener einzelne noch einen Teil­des Stadtkernes umfaßt und gleichzeitig in die bisherigen Außenbezirke hineingreift. Im Nord­mesten schließt sich an den großen neuen Innen­bezirk zusammengefaßt Wedding und Rei= nickendorf an. Der Bezirk Prenzlauer Berg mit Pankow und dem alten Ortsteil Weißensee bildet den nächsten Bezirk. Nach Osten kommt, zu einem neuen Bezirk vereinigt, Friedrichshain und Lichtenberg mit Hohenschönhausen. Im Südosten ist die Zusam­menlegung von Köpenick und Treptow vor­gesehen. Neukölln schließt sich als selbstän­diger Bezirk an. Bei dieser Anordnung ist man von dem alten Magistratsplan nicht abgewichen.

Zu einer Aenderung des Planes unter Be­rücksichtigung des Verkehrsverhältnisses und der in der Deffentlichkeit erhobenen Kritik hat man sich im Südwesten entschlossen. Jetzt soll Schöne= berg und Tempelhof einen neuen Bezirk bilden und Wilmersdorf , Zehlendorf und Steglitz zum Grunewaldbezirk zusammen­geschlossen werden Weiter nach Westen kommt dann der letzte Bezirk, der die Vereinigung von Charlottenburg und Spandau darstellt.

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