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Morgen- Ausgabe

Nr.561 A 275 49. Jahrg.

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Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

29. November 1932

Jn Groß Berlin 10 Bf. Auswärts....... 15 Bf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Wir bleiben Opposition!

Kein Waffenstillstand, sondern Kampf diesem System!

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, Dr. Breitscheid, Montagnachmittag am

einer

folgte Einladung des Reichswehrministers von Schleicher zu einer politischen Aussprache. Als Ergebnis fann fest= gestellt werden, daß eine Aenderung in der Haltung der Sozialdemokratischen Partei nicht eingetreten und auch nicht zu erwarten ist.

Vertreter des ADGB . bei Schleicher

Bom ADGB. wird mitgeteilt: Der Reichs­wehrminister von Schleicher hat am Montagvor: mittag, dem 28. November, Vertreter des Vor­standes des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts­ bundes zu sich gebeten. In der Besprechung, an der Theodor Leipart und Wilhelm Eggert teilnahmen, wurden die vordringlichsten mirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Fragen erörtert. Die Vertreter der Gewerkschaften haben als die wichtigste Aufgabe die Arbeits= beschaffung im Wege öffentlicher Arbeiten bezeichnet und außerdem erneut die Aufhebung der lohnpolitischen Be­stimmungen der Notverordnung vom 5. September gefordert. Sie haben fich auch für eine anter, mirtschaftlichen, und fozialen Gesichts­punkten durchgeführte Siedlung eingesetzt. Weitere Besprechungen Schleichers

Der Reichswehrminister empfing am Montag u. a. den Zentrumsführer Dr. Kaas. Anschließend hielten die in Berlin anwesenden Mitglieder des Vorstandes der Zentrumspartei eine informatorische Besprechung ab. Am Dienstag wird Herr von Schleicher maßgebende Führer der Nationalsozialisten empfangen. Am Mittwoch beabsichtigt er dann in Gegenwart des Herrn von Papen dem Reichspräsidenten über seine Unterredungen Bericht zu erstatten.

Schleichers Pläne

Das Drgan der christlichen Gewerk schaften, dessen Führer sich dieser Tage eben­falls mit dem Reichswehrminister über die poli= tische Lage unterhalten haben, äußert sich am Montag ausführlich über die Ansichten Schleichers. Der Deutsche " schreibt:

,, Man weiß, daß General von Schleicher von pornherein gegen einzelne Maßnahmen der Notverordnungen Papens war. So hatte er, mit einigen anderen Mitgliedern des Kabinetts, Bedenten gegen die sozialpolitische Er mächtigung in der entscheidenden Notverordnung Papens und auch gegen die allgemeine Tariflohn­jentung. Es ist weiter bekannt, daß Herr von Schleicher der Kontingentspolitit wie auch vielen Sondermaßnahmen zugunsten des Großgrund­befizes fritisch gegenüberstand Er wird inzwischen auch eingesehen haben, daß die politische Er perimentiererei Papens höchst unzeit­gemäß ist und in einer Sadgasse enden muß. Er ist nicht für den Weg der Gewalt und des Ver­fassungsbruches, wie ihn Hugenberg und die ost­elbischen Kreise wollen. Herr von Schleicher wird fich vermutlich bereit erflären, die sozial politische Ermächtigung aufzuheben, vielleicht die Einstellungsprämie zu streichen und die Tariflohnfenfungen zu revidieren. Waiter ist anzunehmen, daß ein Kabinett Schleicher den Kurs des Landwirtschaftsministers von Braun nicht weitersteuern würde, der in erster Linie darauf hinausläuft, die Förderungen und Wünsche des Großgrundbesizes zu erfüllen. Die Verfassungs- und Reichsreform­

Ergebnis aber haben auch diese Verhandlungen nicht gehabt. Entscheidend für ihren Ausgang ist schließlich die Lösung der Regierungskrise im Reich.

pläne der Herren von Papen und von Gayl Ministerpräsidenten stattgefunden. Ein dürften dem Reichswehrminister nicht als dringlich und nicht als die Aufgabe dieses Winters er= scheinen. Die Lösung der Frage Reich- Preußen dürfte allerdings auf große Schwierigkeiten stoßen, da sich der Reichspräsident und das Ka­binett Papen ziemlich darin einig sind, daß die Zusammenfassung der Machtmittel von Reich und Preußen bestehen bleiben müſſe."

Preußen als Preis

Nationalsozialisten und Zentrum

verhandeln

In den letzten Tagen haben zwischen dem Führer der Zentrumsfraffion des Preußischen Landtags , Professor Dr. Causcher, und der nationalsozialistischen Fraffion wieder Berhandlungen wegen der Wahl eines

Es ist bekannt, daß der Reichswehr­minister die Hoffnung hegt, diese krise im stillen Einverständnis mit den Nationalsozialisten lösen zu können. Er glaubt in erster Linie ihre Unterstützung für einen vorübergehenden Waffenstillstand gewinnen zu können. Als Gegenstand ist an die Auf­hebung Reichskommissariats für Preußen gedacht, die übrigens auch vom Zentrum für eine Billigung des Waffen­Sobald darüber stillstandes gefordert wird. Klarheit besteht, wollen Zentrum und National­fozialisten unter Ausschaltung der Deutsch­nationalen die Wahl des minister­präsidenten in Angriff nehmen.

des

Die belgischen Kammerwahlen

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Großer sozialistischer Stimmenzuwachs aber geringe Mandatssteigerung

Eigener Bericht des Vorwärts"

Brüssel , 28. November. Infolge der Eigenart des belgischen Systems der Listenverbindungen ergeben die letzten Meldungen über den Ausgang der Wahlen eine wesent­liche schwächere Verschiebung der bisherigen Kräfte­verhältnisse der Parteien, als es anfangs ange­nommen werden mußte. Im ganzen gewinnen die Sozialisten trotz des starken Stimmenzuwachses in allen Teilen des Landes nur drei Mandate. Sie steigen von 70 auf 73 Mandate.

Die sozialistischen Gewinne wurden in Brüssel ,

den Großteil der Wähler der Katholischen Union als abstimmungsfeindlich bezeichnen darf.

Auf Grund halbamtlicher Mitteilungen stellt sich das Wahlergebnis für den Wahlkreis Verviers , der die Kantone Eupen , Malmedy und St. Vith mit­umfaßt, folgendermaßen: Im ganzen wurden sechs Mandate errungen, davon erhalten die Katholiken 3( unverändert), die Liberalen 0( minus 1), die Sozialisten 3( plus 1).

Kabinett Schleicher?

Waffenstillstand

oder Reichstagsauflösung?

Heute vor zwei Wochen hat die sozialdemo= tratische Reichstagsfraktion eine Einladung Papens zu einer Besprechung mit einer schneidenden Absage beantwortet. Sie hat in dieser Antwort den Rücktritt Papens ge­fordert, der achtundvierzig Stunden später Tatsache wurde. Gestern ist Breitscheid einer persönlichen Einladung Schleichers ge­folgt, nachdem er sich in engerem Parteikreis dessen vergewissert hatte, daß diese Annahme nicht mißverstanden würde. Ablehnung einer Einladung kann eine scharfe Waffe sein, wenn sie den Charakter einer außerordent­lichen Maßnahme behält. Zur Regel gemacht, würde sie ihre Wirkung verlieren.

Die parteioffizielle Erklärung über die Unterredung stellt als Ergebnis fest, daß sich an der Haltung der Partei nichts geändert hat und nichts ändern wird. Was ist die Haltung der Partei? Um es noch einmal zu sagen, die Partei muß jede Regierung bekämpfen, die in irgendeiner Art und Weise eine Fortsetzung oder Konservierung des Papen- Kurses bezweckt; sie fönnte ihre Hal­tung erst dann ändern, wenn eine Regierung ans Ruder käme, die einen dem Papen- Kurs geradewegs entgegengefegten Kurs einschlagen wollte. Herr von Schleicher aber war nicht nur der Reichswehrminister des Papen - Kabinetts, er galt in vielen Dingen als sein führender Geist. Unter diesen Um­ständen wird Herr von Schleicher billiger­weise von der Sozialdemokratie auch nicht eine Spur von Vertrauen erwarten.

von

Der Reichswehrminister der Papen - Regie­rung hat nicht im pornherein Zweifel darüber sein können, daß die So= zialdemokratie für die Beteili= gung an einem ,, innerpolitischen Waffenstillstand" nicht in Frage tommt und es war für ihn also keine

Antwerpen und Verviers erzielt, wo der junge Frankreich wird bezahlen Ueberraschung, wenn Breitscheid die Tatsache,

sozialistische kandidat Sommerhausen , der sich in sehr eifriger und mufiger Weise für die Interessen der Arbeiterbevölkerung des deutsch­sprachigen Grenzgebiets und für die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts betätigte, wiederge­wählt wurde. Die Katholiken gewinnen gleich­falls drei Mandate und steigen von 76 auf 79. Einer dieser Gewinne geht auf Kosten eines fatho­lischen Wilden, zwei der gewonnenen Mandate wurden den flämischen Frontisten entrissen, die fulturpolitisch schon immer zu den Katholiken ge­rechnet werden mußten. Die Liberalen verlieren vier Mandate, von 28 behaupteten sie 24. Der Berlust der flämischen Frontpartei erweist fich übrigens erheblich geringer, als die ersten Ergeb­niffe vermuten ließen. Sie verlieren zwei Man­date. Die kommunisten behaupteten ihr Mandat in Brüssel und gewannen je eins in Lüttich und Charleroi .

Die bisherige Regierungsfoalition fann sich zwar weiter halten, aber ihre Stellung ist erheb­lich erschwert. Die Sozialisten fönnen eine be­deutend erheblich gestärkte Oppositionsstellung unter parlamentarisch günstigeren Bedingungen beziehen.

Eupen- Malmedy für Volks­abstimmung

und

Brüssel , 28. November. Zu den Abstimmungsergebnissen bei den belgi­schen Wahlen wird berichtigend mitgeteilt: In den Kantonen Eupen, Malmedy St. Bith fonnte die belgienfreundliche Union zwar ihre Stimmen nahezu verdoppeln, doch bleiben dort die abstimmungsfreundlichen Parteien Christliche Volkspartei 7456 Stimmen und Sozialisten 2686 Stimmen in einer doppel­ten Mehrheit, wobei man im Hinblick auf den Druck der belgischen Bischöfe noch nicht einmal

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Aber nicht transferieren

Eigener Bericht des ,, Varmärts"

Paris , 28. November.

Wie der" Paris Soir" meldet, wird die bevor­stehende zweite Note Frankreichs an Amerika noch einmal die Gründe für die Ge­währung eines 3ahlungsaufschubs ausein­andersetzen und auf die Verantwortung hin­weisen, die die Bereinigten Staaten für die gegen­wärtige Finanzlage Frankreichs tragen, die zum großen Teil durch das Hoover Mora­torium geschaffen worden sei. Wenn Amerika einen Zahlungsausschub dennoch weiterhin ab­lehnen sollte, werde Frankreich die am 15. De­zember fällige Zahlung an die BIZ. abführen und sie dort blockieren lassen, bis die späteren Ver­handlungen mit Amerika zu einem Ergebnis ge= führt haben.

A

Herriot spricht mit Davis Herriot hatte am Montag wieder eine Unter­redung mit dem Leiter der amerikanischen Ab­rüstungsdelegation, Davis. Nach Schluß der Unterredung, die zwei Stunden dauerte, erklärte Davis den Pressevertretern, daß die Verhandlun= gen über die Abrüstungsfrage in sehr be­friedigender Weise weitergehen. Auf die Frage, ob auch über die Schulden gesprochen worden jei, antwortete Davis, er habe keine BoII. macht dazu, aber er möchte erklären, daß Geld­fragen in feiner Weise die alte französisch- ameri fanische

Freundschaft beeinträchtigen dürften. Herriot beschränkte sich auf die Erklärung, daß er mit Davis, für den er große Freundschaft habe. nur über die Genfer Angelegenheiten gesprochen habe. Der Temps fügt hinzu, daß das Datum der Reise Herriots nach Genf zur Teilnahme an der Fünfmächtekonferenz noch nicht festgesetzt werden könne.

daß die Sozialdemokratie für die Tolerierung eines Präsidialkabinetts, von wem es auch immer geführt werde, nicht zu haben sei, aufs neue unterstrich. Jeder Reichskanzler und jeder Reichskanzlerkandidat, der heute eine Atempause vom Parlament verlangt, muß sich mit seinen Wünschen an die Parteien der Rechten und an das Zentrum wenden. Findet er dort die nötige Mehrheit für den Waffenstillstand nicht, so sind seine Bemühungen eben aussichtslos.

Nun liegen die Dinge so, daß Herr von Schleicher vielleicht etwas mehr Hoffnungen hegen kann als Herr von Papen. Derbis= herige Reichstanzler hat gründ= lich abgewirtschaftet. Nicht nur die von ihm so gering geschäzten Parteien haben gegen ihn entschieden, sondern auch die von ihm so sehr gepriesenen Berufsstände geben ihrer Abneigung gegen Art und Tendenz seiner Politik sehr deutlich Ausdruck. Träte er aufs neue an die Spitze der Regierung, so wäre das nicht nur eine Regierung gegen das Parlament, sondern eine Regierung gegen das ganze Bolt. Die besseren Chancen des Herrn von Schleicher, des Mannes also, der zwar noch nicht mit der Kabinetts­bildung betraut ist aber doch für diesen Auf­trag in erster Linie in Frage fommt, liegen vor allem in feinen recht guten Beziehungen zu den Nationalsozialisten. Man weiß, daß er immer den Gedanken der Her­anziehung der Hitler - Partei zur Verant­wortung vertreten hat. Er mag sich deshalb selbst einem gewissen Optimimus hingeben. Ob er freilich berechtigt ist, steht dahin, auch wenn man die neueste Erklärung des natio