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Abend- Ausgabe

Nr. 564 B 274 49. Jahrg.

Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammadreffe: Sozialdemokrat Berlin

MITTWOCH

Vorwärts=

BERLINER

VOLKSBLATT

30. November 1932

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Parteitag im März

in Frankfurt a. M.

Der Parteivorstand hat beschlossen, dem Parteiausschuß vorzuschlagen, daß der Parteitag in der Woche vom 12. bis 19. März in die auch der 50. Todes. tag von Karl Marx fällt furt a. M. stattfinden soll.

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in Frank­

Durcheinander

Pläne gegen das Volk aus Furcht und Unfähigkeit

,, Tolles Durcheinander bei der Regie rungsbildung"

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so urteilt heute morgen der Berliner Lokal- Anzeiger", das Blatt Hugenbergs. Es ist ein tolles Durchein­ander, es ist schon mehr, es ist stille Anarchie! Die grundsäglich neue Staats­führung" der autoritären Politiker erteilt einen Anschauungsunterricht darüber, was bei der autoritären Bolitif herauskommt!

Dies Durcheinander haben die um Hugen­ berg im Bunde mit den staatsstreichlüſternen Kreisen gewollt. Sie denunzieren es heute und benutzen es zugleich, um aufs neue laut nach Papen zu schreien und nach Voll­machten gegen den Reichstag und die Berfassung! Sie wollen den Reichspräsi denten auf die Linie des Kampfes gegen das Volk drängen.

Die staatsstreichlüsternen Kreise sind sich darüber im flaren, daß sie damit ein provokatorisches Spiel treiben. Sie fürchten sich vor der Empörung des Volkes und den Konsequenzen einer Wieder­ernennung Papens , aber gerade deshalb drängen sie auf bösartige Experimente. Hugenbergs Lokal- Anzeiger" nennt unsere Warnung vor einem neuen Papen- Experi­ment ,, eine gemeingefährliche Hezze". Hugen­bergs Tag" malt die Präsidentenkrise an die Wand. Die Deutsche Allgemeine Zei­tung" aber wird ganz deutlich:

,, Es wird immerhin bestätigt und das läßt den Ernst der Lage erkennen daß auch die Generalstreifgefahr bei den Verhandlun­gen eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, daß früher bereits Verordnungen bestanden haben, die das Streifen in lebenswichtigen Betrieben verboten. Offenbar werden ähn­liche Maßregeln auch jetzt für den Fall ernsthafter Zuspigung vorbereitet."

Das neue Papen- Regime soll also zu­sammen mit einer Reihe von Ordonnanzen gegen das Volk und seinem leidenschaftlichen Protest ins Leben treten! Am Ende des großen Durcheinanders aus Unfähigkeit und bösen Willen soll eine Diktatur stehen, die dem Volke den Mund mit Verboten zustopft und sich mit Gewalt vor den Konsequenzen ihrer Provokation schütt! Das ist die Ab­sicht der Strippenzieher für Papen im real­tionären Lager!

Dabei läuft im ,, autoritären" Lager alles durcheinander. Unkontrollierbare Meldungen und Behauptungen jagen einander. Um eine angebliche Besprechung Schleicher- Hitler find Kombinationen gesponnen worden. Aber Hitler ist nicht in Berlin , und eine Einladung Schleichers an Hitler soll ebenfalls nicht be­stehen.

Dies Durcheinander ist die Ouvertüre des neuen Papen- Erperiments! Es wird in seiner reaktionären Gewaltsamkeit, seinem Kampf­charakter gegen das Volk nackt und bloß am ersten Tage seiner Existenz dastehen! Die stille Anarchie, die heute schon besteht, ist eine ernste Warnung an alle, die nach wie vor das Volk mit Papen provozieren wollen!

Hitler zieht Notleine

Statt in Berlin schon in Weimar ausgestiegen

Der große Führer" Adolf Hitler hat seine Fahrt im Schlafwagen mit Röhm nicht nach Berlin fortgesezt, sondern sie in Weimar unter­brochen. Dort hält er heute Cercle ab mit seinen Unterführern, die ratlos sind, weil der Ober- Ofas ratlos ist.

Gregor Straßer und Frid haben ihr Berliner Hotel ganz plöglich verlassen und sind im Auto abgefahren. Wie es heißt sind sie gleichfalls nach Weimar gereift, um Hitler ,, Bericht zu erstatten". Jedenfalls hat die für heute vor­mittag erwartete Unterredung Schleicher Hitler noch nicht stattgefunden und dem­entsprechend auch die Berichterstattung beim Reichspräsidenten noch nicht erfolgen können.

Ob es trotzdem zu der angeblich geplanten Be­sprechung zwischen Hitler und Schleicher kommt, ist bisher ungewiß. Bemühungen, eine derartige Besprechung zustandezubringen, sind zahlreich im Gange. Von amtlicher Seite wird jedoch be= hauptet, daß eine direkte Einladung Schleichers an Hitler bisher nicht ergangen sei.

Bei den bisherigen Besprechungen Hitlers in Weimar ist es noch zu feiner Klärung ge=

kommen, ob der Führer der NSDAP . nach Berlin zu der Besprechung mit Schleicher kommen wird. Er wartet noch die Ankunft Straßers und Fricks ab, die heute früh um 9 Uhr Berlin in Richtung Weimar verlassen haben. Göring ist

Dabei

schon früher abgefahren. Goebbels , der gestern in Apolda und Eisenach gesprochen hat, ist schon dort. Die entscheidende Besprechung wird erst in den Nachmittagsstunden stattfinden können. werde es sich, wie die Telegraphen- Union er­fährt, darum handeln, ob die verständi gungsbereite Richtung Straßer und Frid oder die mehr ablehnende Richtung Göring und Goebbels sich bei Hitler durchsetzt.

3entrumspreffe warnt

Vor ,, Ueberfällen in den Rücken"

Das führende rheinische Zentrumsblatt ,, Köl­nische Volkszeitung" warnt davor, dem Papen­Kurs allzu bereitwillig die Wege zu öffnen. Nach alledem, was in den letzten Tagen vorgefallen sei, könnte auch der Wehrminister einen Einzug der Nationalsozialisten mit Bauten und

Mene tekel!

Ueble Erinnerung an frühere Holzeit

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P.P.

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Trompeten in sein Lager nicht erwarten. Auch neue Verhandlungen würden, wenn sie über­haupt zustande kämen, nicht sofort eine Sinnes­änderung der Nationalsozialisten herbeiführen. Das schwere Mißtrauen, das jede Verhandlung neuerdings überschatte, sei eben eine Errungenschaft des neuen Kurses. Aber ein Teil der Erwartun­gen, die Herr von Schleicher an seine Versuche tnüpfte, hätten sich jetzt schon erfüllt. Die Basis, auf die er sofort im Reichstag rechnen könne, wäre ganz erheblich breiter als die, über die Papen verfüge. Gewiß hätte auch Herr von Schleicher sozusagen klein anfangen müssen. Eine so= fortige Mehrheit sei im Reichstag nicht vorhanden. Wohl aber ein nicht zu verachtender Stüzpunkt, von dem aus die Verbreiterung der Grundlage nicht ohne Aussicht auf Erfolg ver­sucht werden könnte und auch jetzt noch versucht werden müßte. Es entspreche nicht den militärischen Tugenden, eine Aufgabe beiden ersten Schwierigkeiten fallen zu lassen. Weil Herr Straßer einstweilen abge= fagt habe, könne Herr von Schleicher nicht die meiße Fahne hochziehen. Er wolle dann auch seine Versuche fortsetzen und sei damit auf dem richtigen Wege. Notwendig aber erscheine bei diesen Erkundungen die Sicherung gegenüber Ueberfällen in den Rüden!

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Koalition geborsten

Sozialdemokrat

verläßt die Regierung

Eigener Bericht des ,, Vorwärts " Karlsruhe , 30. November. Bor Beginn der heutigen Landtagssigung, auf deren Tagesordnung die Beratung der badischen Konkordate steht, teilte der Landtagspräsident mit, daß der Staatsrat und stellvertretende Innen­minister Rüdert seinen Rücktritt er­flärt habe.

Damit ist die Sozialdemokratie aus der badischen Regierung ausgeschieden und der Bruch der badischen Regierungsfoalition, in der die Sozialdemokratie 14 Jahre vertreten, war, vollzogen. Die badische Regierung besteht bis zu ihrer Neuwahl nur aus Zentrum und Deutscher Bolkspartei.

Die Lemberger Unruhen Ausdehnung auf andere Städte

Eigener Bericht des ,, Vorwärts" Warschau , 30. November.

Die antisemitischen Erzesse in Lemberg nehmen von Tag zu Tag größeren Umfang an. Dazu kommt, daß andere Radikale alles aufbieten, die Panitstimmung zu steigern und die Zahl der Opfer allein am Dienstag über 100 Perso­

nen

zu vergrößern. Die Polizei nahm etwa 70 Verhaftungen vor. Militär wird aufgeboten. Nach dem Lemberger Beispiel fielen auch in Warschau , Wilna und Krakau antisemitische Stu­denten über ihre jüdischen Kollegen her und ver­legten viele.

Jaegn

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Der Zufall spielt uns ein buntes Blättchen in die Hand. Es ist ein Notgeldschein aus den Anfängen der Inflationszeit mit der schönen Inschrift:

,, Das Geld muß man von den Leuten nehmen, Von den Bäumen schütteln kann man's nicht."

Dieser Schein und seine Inschrift mahnen auch heute zur Vorsicht und Aufmerksamkeit. Beson ders da sie stammen aus der Stadt- Papenburg !

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,, Revanche"

Wer erzeugt die Kriegspsychose?

In einem französischen Dorf namens Avillers wurde vor kurzem auf Grund eines falschen Alarms die Mobilmachung durchgeführt. Die ,, DAZ." nimmt diese Tatsache zum Anlaß einer ernsthaften Betrachtung. Sie weist darauf hin, daß in Frankreich der Glaube an einen be= vorstehenden deutsch französischen Krieg in der Bevölkerung weit verbreitet sei, man höre aus fast aller Munde, daß mit einem