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ERSTE BEILAGE

Vorwärts

Auf den Spuren der Not

Bon den 23 Meistern der Berlin   Karls= ruher Industrie Werke in Wittenau  

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das war z. B. der Betrieb, in dem Bullerjahn tätig war hat sich ein einziger, der Montage­meister, nach Karlsruhe   retten fönnen. Die übri­gen Zweiundzwanzig fizen allesamt auf dem Nachweis. Als die Pforten dieser ehemals be= rühmten Deutschen   Waffen- und Munitionsfabri= ten geschlossen wurden, verloren 1759 Arbeiter ihre Brotstelle. Nichts ist mehr in den weiten Hallen geblieben: der Maschinenpark zersprang unter den Schlägen der Vorschlaghammer, was Rotguß war, wurde herausgesucht und besonders verkauft, alles andere wanderte als Schrott in die Bahnwaggons und dampfte ab nach Süd­ deutschland  . Später gab dann noch einmal die General Motors   Comp. in den verödeten Hallen eine Gastrolle; aber es scheint, daß der riesige Fabrikkomplex, den der Novembernebel leicht ver­hüllt, niemanden zum Segen gereichte. Als jüngst ein hochmögender Mann, der eine gewisse Rolle in den Berlin  - Karlsruher Industrie- Werken ge= spielt hatte, über den Weddingplay fam, hatte er zerschliffene Hojen.

Gespräch mit Kokssuchern

Hier oben, zwischen Wittenau   und Rosenthal, hat die Krise buchstäblich gewütet und gehauſt. Nirgends raucht mehr ein Schornstein, die Linden­allee in Rosenthal, die lebensprühende Anfahrt­straße zu den Bergmann- Werken, liegt tot und verlassen. Hier haben einmal 5000 Mann ihr Brot verdient. Aus den Arbeitsmännern sind Rotssucher geworden. Ein Mann hat gerade seinen Salzsack voll, er nimmt ihn auf die Schul­ter, klemmt die zweizinkige Hacke unter den Arm, und unterwegs erzählt er etwas: Das Kots= suchen", meint er ,,, ist eine Glückssache. Man kann stundenlang den Boden umwühlen und findet doch keinen Koks. Anderen Tags hat man Glück und findet eine ganze Grube poll Schlacke. Auf alle diese Felder, die Sie hier sehen, schmissen die Eisengießereien ihre Schlacken. Da war früher die Gießerei von Schöning, von Hein, Lehmann u. Co., von Gossen, von Becker, und mehr nach Tegel   zu noch die von Otto Jachmann. Zwischen dieser Schlacke finden wir den Koks. Das ist feiner Rofs, bester Schmelztofs, besser als der von dannen. Früher einmal wurde hier auch nach Gußeisen und nach Kupferdraht gesucht. Damals

Am Nordrand der Weltstadt

lohnte es sich, nach einem Brocken Eisen bis zu einem Meter tief zu graben; heute steht Metall so niedrig im Kurse, daß es nicht mehr das Bücken lohnte.

Jahrtausende sehen dich an

Während das Kupfersuchen noch nicht reglemen­tiert ist, fündet in der Sichtweite von Waidmanns­ lust   ein Schild:

Entnahme von Lehm, Sand und Torf bei Strafe verboten!

Bezirksamt Reinickendorf  .

Also Torsstiche noch innerhalb Berlins  . Ein paar Schritte über die Wiesen sieht man auch schon die Gruben. Wer hat denn hier einmal Torfwirtschaft betrieben?" Diese Torfwiesen hatte der Bauer K. aus Wittenau   gepachtet. Als mir Kinder waren, haben wir in den Torfkuhlen immer gebadet. Einen Haufen Krebse haben wir dort gefangen. Jetzt ist das Wasser weg. Hier sehen Sie noch unseren Meeresboden", die Wände mit den Spuren des Torsstichs, es wippt noch alles ein wenig, aber von der ganzen Herrlichkeit ist nur noch das Schilf übrig." Ein Kanal, der durch dieses Industriegelände vor drei, vier Jahren gezogen wurde, hat dieser Torfwirtschaft ein Ende gemacht.

Die jährlichen Ueberschwemmungen waren in jener Gegend auch ungeheuer, kam doch das Wasser bis ins Dorf Wittenau   gelaufen. So 30g man einen sehr tiefen Kanal zur Entwässe­rung, und eines Tages hatten die Torfkuhlen feinen Tropfen Wasser mehr. Jezt kommen nur noch zu nächtlicher Stunde arme Wohnlauben­besitzer und stechen beim Schein einer Stallaterne Torf. Deshalb das Schild, weder Lehm noch Torf zu stehlen.

Eis oder Geld

Der Torfpächter von Wittenau   hat sich beschieden und ist Fuhrherr geworden. Der Eiswirt jedoch führt einen erbitterten Prozeß wegen dieses Kanals, der ihn um sein Brot brachte. 70 000 oder 80 000 Mark Abfindung hat ihm wohl die Stadt Berlin   bereits geboten, aber der Eiswirt will 150 000 Mark Entschädigung haben. Denn wie die Torfkuhlen kein Quentchen Walfer   mehr haben, so nicht minder die Teiche des Eismannes. Hier stehen nur noch die großen

Das Todesurteil Reins gelten, daß eine Entscheidung schon jetzt, bevor

Ums preußische Begnadigungsrecht

Am 12. Dezember 1931 verurteilte die Erste Strafkammer des Landgerichts II Berlin den Kaufmann Ernst Reins  , der den Geld­briefträger Schwan aufgelauert und ihn ermordet und beraubt hatte, wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub mit Todeserfolg zum Tode. Die von seinem Verteidiger ein­gereichte Revision wurde vom Reichsgericht ver­worfen. Seit Monaten wartet jetzt der Verurteilte darauf, ob die Todesstrafe vollstreckt wird, oder ob eine Abänderung der Strafe auf dem Gnaden­wege erfolgt.

Die Verwirrung der rechtlichen Zustände in Preußen, die durch das Vorgehen der Regierung von Papen vom 20. Juli hervorgerufen worden ist, hat dazu geführt, daß die Frage der Be= gnadigung oder Nichtbegnadigung bis zum heutigen Tage nicht entschieden wurde. Der ersten Straffammer des Landgerichts II   liegt nunmehr ein Antrag der Verteidigung des Mör­ders vor, schon jetzt zu entscheiden, daß die Voll­streckung des Todesurteils nicht auf Grund einer Entschließung der Reichskommissare, jon­dern nur durch einen Beschluß der Regierung Braun erfolgen dürfe. Hält sich die Kammer für zuständig, so muß sie eine Auslegung der staatsrechtlichen Entscheidung vornehmen, die der Staatsgerichtshof in Leipzig   am 25. 25. Ottober gefällt hat. Für den gesunden Menschenverstand unterliegt es feinem Zweifel, daß das Be­gnadigungsrecht ein Hoheitsrecht ist, und daß deshalb die Regierung Braun 3 u= ständig ist.

Die Verteidigung des Reins macht weiter

eine Gnadeninstanz gesprochen hat, notwendig sei, weil zwischen der Ablehnung der Begnadigung und der Vollstreckung des Todesurteils stets nur menige Stunden liegen. Sei die Frage der Zu­ständigkeit nicht klar entschieden, so könnten die geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte einer sachgemäßen Nachprüfung nicht mehr unterzogen werden.

Der Antrag der Verteidigung stüßt sich auf

Schuppen, in denen das Eis bis zum Sommer lagerte, und wo früher das Wasser stand, ragen finnlos Pfähle mit Laufplanken in die Luft. Tritt man näher, flattern ein paar Rebhühner auf und ein Hase, der im Schilfgras der ehemaligen Teiche hockte, hoppelt ängstlich davon. Dabei sind wir knapp aus den Wohnbauten von Berlin   heraus!

In jedem Jahr haben die Wittenauer Erwerbs= losen schon darauf gewartet, daß das Eisen los= ging. Einen Teich abeisen dauerte immer 3 bis 4 Tage, wobei 20 Mann ihre Arbeit hatten. War der eine Teich abgeeist, war der andere bereits wieder gefroren und so hatten die Leute, solange Frost war, ihre schöne Arbeit. Sie staunen," jagt ein Mann, daß der Eiswirt 150 000 M. Entschädigung verlangt. Der Mann hat aber seinerzeit jeweils 100 000 m. versteuert. Was kann er denn dafür, wenn hier plöglich ein Kanal ge= zogen wird und aus seinen Teichen alles Wasser abfließt."

Dann ziehen wir nach den Besuchen beim Tors, beim Koks und beim Eis weiter gen Rosenthal. In einer Mulde haust hier das nackte Elend. ,, Nasser Grund" nennt sich bezeichnenderweise die wilde Siedlerkolonie. Heuer ist ein trockenes Jahr, im letzten Winter stand den Leuten das Wasser bis an die Knie. Dazwischen Hühner und Kinder, Kazen und Hunde und alles in wind­schiefen Wänden aus Abbruchsteinen und Dach­pappenresten. Wenn hier der Winter erst ans Tor klopft...

Die Schulferien

Für das Schuljahr 1933-34

Für das kommende Schuljahr 1933/34 wurde vom Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg  und Berlin   folgende Ferien- Ordnung genehmigt: Ostern: Dienstag, 4. April( Schulschluß), bis Mitt­woch, 19. April( Beginn des neuen Schuljahres); Pfingsten: Donnerstag, 1. Juni, bis Dienstag, 13. Juni; Sommerferien: Freitag, 30. Juni, bis Dienstag, 8. August; Weihnachten: Freitag, 22. De­zember, bis Donnerstag, 4. Januar.

Das Sommerhalbjahr schließt am Freitag, dem 29. September, das Winterhalbjahrs beginnt am Dienstag, dem 10. Oktober. Das Schuljahr schließt am Mittwoch, dem 28. März 1934.

§ 458 der Strafprozeßordnung, wonach, wenn über die Auslegung eines Strafurteils Zweifel entstehen, oder wenn Einwendungen gegen die 3ulässigkeit der Straf­vollstreckung erhoben werden, die Ent­scheidung des Gerichts herbeizuführen sei. Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt, doch kann das Gericht einen Auf­schub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen.

Verbrecherisches Spiel

Wieder kommunistischer Schwindel

Seit Wochen treiben kommunistische Agitations­trupps in allen Stadtteilen Berlins   mit der Not der Erwerbslosen ein frevelhaftes Spiel. Unter falschen Vorspiegelungen werden die Erwerbslosen nach den Wohlfahrtsämtern gelockt, um sich an­geblich Kartoffeln und Kohlen abzuholen. Obgleich an dieser Stelle wiederholt darauf hingewiesen wurde, daß in den Bezirks- und Wohlfahrts­ämtern weder Kohlen noch Kartoffeln bereitliegen, gibt es immer wieder Hunderte von Verzweifelten, die den bewußten kommunistischen   Lügen Glauben schenken und sich zu den inszenierten fommuni­stischen Demonstrationen" als unfreiwillige Sta tisten hergeben.

Gestern spielten sich wieder solche Demonstra­tionen in der Stegliger Straße und vor dem Wohlfahrtsamt des Bezirksamtes Prenz= lauer Berg in der Danziger Straße

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ab. Dort hatten sich etwa 2000 Personen ange= sammelt, die durch kommunistische Sprechchöre und durch einen Aufruf der revolutionären Er­werbslosen des Bezirks Prenzlauer Berg  " auf­gefordert worden waren, in der Danziger Straße zu erscheinen, um sich Kohlen und Kartoffeln ab= zuholen. Einige verhette Menschen ließen sich dazu hinreißen, Fensterscheiben einzuwerfen. Sie wurden von der Polizei festgenommen. Bürger­meister Genosse Ostrowski, dem es später gelang, die Versammelten vor Unbesonnenheiten zu be= wahren, empfing eine ,, Delegation  " und verhan= delte mit den Leuten. Er sagte den Erwerbslosen die Weiterleitung ihrer Forderungen und Wünsche an die maßgeblichen Stellen zu. Die Menge zer­streute sich später, ohne daß die Polizei ein zweites Mal einzugreifen brauchte. Eine weitere Erwerbs= losendelegation begab sich ins Berliner   Rathaus,

DONNERSTAG, 1. DEZ. 1932

In wenig Worten

Der Doppelmörder Cinram, der am 5. No­vember d. J. in Dortmund- Ellinghausen in einem kleinen Bauernhaus die Angestellte Thieme und die Frau des Fördermaschinisten Schmidt durch Revolverschüsse getötet und aus der Wohnung etwa 300 Mart geraubt hatte, wurde in Castrop­Raugel tot aus der Emscher geborgen.

Am 9. Dezember wird die Reichsbahn auf der 40 Kilometer langen Riesengebirgsstrecke Hirsch­berg- Schmiedeberg- Landeshut den elektrischen Betrieb aufnehmen. Die Strecke ist mit einer 15 000- Bolt- Leitung versehen.

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Am Sonnabendnachmittag ereignete sich in der Nähe von Neumünster   ein schweres Kraft­magenunglück. Infolge eines Reifenschadens raste eine mit sechs Personen besezte Chrysler- Limousine mit solcher Wucht gegen einen Baum, daß sie etwa zehn Meter fortgeschleudert wurde und sich überschlug. Von den sechs Insassen waren zwei sofort tot, während drei mit schweren Verlegungen ins Krankenhaus geschafft werden mußten. Eine Person blieb unverletzt. Es handelt sich um eine italienische Familie namens Gennaro Canale, die seit kurzem in Hamburg  ansässig sein soll.

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Mit einem Fall schrecklicher Kindesmißhandlung hatte sich das Schwurgericht Regens burg zu befassen. Angeklagt war der 26jährige Krämer August Fischl aus Radmoos bei Mitterfeld. Er warf am 17. April sein 14 Monate altes, vollständig verwahrloftes und vernach= lässigtes Stiefkind mit solcher Wucht gegen eine Holzbank, daß dem Kind die beiden Vorderarm­knochen und ein Unterschenkelknochen gebrochen wurden. Das Kind starb infolge der erlittenen Mißhandlung. Das Schwurgericht verhängte eine Strafe von 10 Jahren Zuchthaus  .

Vor der Strafkammer Lübeck   beginnt am 6. Dezember die Verhandlung gegen den der fahrlässigen Tötung beschuldigten Berliner   Kinder­arzt Dr. Genter. Der Angeklagte hat nach der Calmette- Katastrophe über 30 gefährdete Kinder mit einem von ihm entdeckten Mittel behandelt. Drei Kinder starben trotzdem.

Beim Rollen in einem Seifengeschäft in der Sophie- Charlotte- Straße in Charlottenburg   geriet die 18 Jahre alte Haustochter Brunhilde I. mit dem Oberarm so unglücklich in die elek= trische Rolle, daß die Feuerwehr alarmiert werden mußte. Die Beamten befreiten das junge Mädchen aus seiner qualvollen Lage und sorgten für die Ueberführung ins Westendkrankenhaus.

Ab heute Bahnhof Kolonnenstraße

Vom 1. Dezember ab führt der Ringbahn­hof Schöneberg" den Namen Kv= lonnenstraße", da der alte Name für den neuen, im Bau befindlichen Umsteigebahnhof Ebersstraße vorgesehen ist. Mit der Umtaufe des Bahnhofs Kolonnenstraße ist auch das umständ= liche Umsteigen von und zur Wannseebahn   seinem Ende näher gerückt, denn bereits zwei Monate später, am 1. Februar, wird auch der neue Umsteigebahnhof Schöneberg   eröffnet werden. An Stelle des unbequemen, jeder Witte= rung ausgesetzten Weges vom Bahnhof Kolonnen­dann straße nach Großgörschenstraße werden wetter= breite Aufgänge und Rolltreppen in geschützter Halle den Umsteigeverkehr vermitteln.

Haftbefehl gegen Ludwig Renn  

Der Schriftsteller Arnold Vieth von Golßenau, genannt Ludwig Renn  , der bei der Durchsuchung der marristischen Arbeiterschule in der Schickler­straße festgenommen war, wurde dem Ver­nehmungsrichter unter der Beschuldigung vorge führt, um sturzpläne in Aufzeichnungen und Schriften verbreitet zu haben. Gegen ihn ist Haftbefehl wegen Vorbereitung zum Hochverrat erlassen worden.

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