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Abend- Ausgabe

Nr. 566 B 275 49. Jahrg.

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher: 7 Amt Dönhoff 292 bts 297 Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin

DONNERSTAG

1. Dezember 1932

Vorwärts=

BERLINER

VOLKSBLATT

Jn Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Nächtliches Abenteuer

im Schlafzug

Hitler klettert in den Schlummerwagen, Der ihn nach Berlin befördern sollte. Von beschwingten Hoffnungen getragen, Träumte er, dieweil zum Ziel er rollte. Schon der Macht war er in der Idee nah' Da erwachte jählings er in Jena .

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Heftig an die Türe ward geschmettert, Und der schöne Traum brach mitten durch, Wo er grad' das Vaterland gerettert In die Macht gesetzt von Hindenburch. Grad in dem Momente welche Störing Brüllte es von draußen: ,, Hier ist Göring !" ,, Angezogen, marsch, raus aus dem Wagen!" Nicht einmal zum Waschen kam er mehr. Ungekämmt, verschlafen, ohne Kragen Wankte gähnend aus der Türe er. Nebenan hat Röhm sich sehr geziert: ,, Huch, ich bin ja noch nicht manikürt." Göring raunzte: Ziere dich nicht, Puppe, Nachher ist noch Zeit, sich anzuzieh'n." ., Wo, wo sind wir?" Das ist Gottlieb Schnuppe, Wichtigstes: Ihr kommt nicht nach Berlin .

Mit dem Kanzlerposten ist es Wasser, Platzen sollen jetzt der Frick und Straßer!"

Hitler in des Schlafanzuges Glorie Schleunigst in ein Auto ward gestopft, und der vaterländischen Historie So ein neuer Lorbeer aufgepfropft. Hitlers , ach, so hoffnungsvoller Spree- Gang Endete bei Jena , nicht bei Sedan .

Jonathan.

KPD. papenoffiziös!

Angriffe auf den ,, Vorwärts " In einer verrückten Zeit wie dieser scheint feine Art von Verücktheit unmöglich. Ein großer Teil der kommunistischen Presse ist von Papen verboten. Der Rest, der übrig geblieben ist, kämpft mit einer Begeisterung, die einer besseren Sache würdig wäre für Papen !

"

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Anders kann es nicht verstanden werden, wenn die kommunistische Presse tagtäglich den Vorwärts" beschimpft, weil er mit aller Schärfe gegen eine Rückkehr Papens ins Kanzleramt fämpft. Rampf gegen Papen ist wie der alles durch­dringende Scharfsinn des 3K. der KPD. er­fannt hat gleichbedeutend mit Eintreten für Schleicher .

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Daraus folgt mit eherner Logik: es darf nichts gegen Papen gesagt werden!

Nach diesem Rezept verfährt auch das kommunistische ,, Bolks- Echo" für die Provinz Brandenburg . Es sagt nichts gegen Papen, desto mehr gegen den Vorwärts". Seine Polemik gegen diesen gipfelt in dem Sat:

Durch eine wilde Dauerpolemit gegen Papen bereitet er schon darauf vor, eine Schleicher - Regierung als fleineres Uebel" hin­

zustellen.

Herr von Papen befindet sich tatsächlich als geschäftsführender Reichskanzler" im Amt. Noch bis gestern oder vorgestern war es zu 90 Prozent wahrscheinlich, daß er im Amte belassen oder sogar in aller Form neu ernannt werden würde. Die Sozialdemo­fratische Partei, die ihren Kampf gegen Papen ernst nimmt und die alles getan hat und weiter tut, um diesen Mann von seinem Platz zu entfernen, führt diesen Kampf selbst verständlich so lange weiter, bis der erstrebte Erfolg eingetreten ist.

In diesem Sinne hat in den letzten Tagen auch der Vorwärts" wie wir glauben, nicht ohne Nuzen- gewirkt.

Wenn die kommunistische Presse deswegen

Ueberwindung der Arbeitslosigkeit

Der Reichswehrminister von Schleicher hat am 28. November Vertreter des Vorstandes des All­ gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes zu sich gebeten. In der Besprechung, an der Theodor Leipart und Wilhelm Eggert teilnahmen, wurden

vordringlichsten wirtschaftspolitischen und fozialpolitischen Fragen erörtert. Die Vertreter der Gewerkschaften haben als die wichtigste Auf­gabe die Arbeitsbeschaffung im Wege öffentlicher Arbeiten bezeichnet und außerdem erneut die Auf­hebung der lohnpolitischen Bestimmungen der Notverordnung vom 5. September gefordert. Sie haben sich auch für eine unter wirtschaftlichen und fozialen Gesichtspunkten durchgeführte Siedlung eingesetzt. Auf Wunsch des Reichswehrministers hat sodann Theodor Leipart im Namen des Bundesvorstandes am 29. November die Forde­rungen des ADGB. schriftlich dargelegt und be­gründet. Das Schreiben an den Reichswehr­minister lautet:

Unter Bezugnahme auf die gestrige mündliche Besprechung erlaube ich mir hiermit, Ihrem Wunsche gemäß unsere Auffassungen zu den mündlich behandelten Fragen wie folgt schriftlich mitzuteilen:

1. Die Berordnung des Reichsarbeitsminiffers vom 5. September 1932 ist außer Kraft zu setzen. Die in der Verordnung vom 4. September 1932 für Neueinstellungsprämien zur Verfügung ge­stellten 700 Millionen Reichsmart find unverzüg­lich zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten zu verwenden.

Nach den Erhebungen des Allge meinen Deutschen , Gewerkschafts­bundes sind im ganzen Reiche in 943 erfaßten

Betrieben, die vorher 191 669 Arbeitskräfte be= schäftigt hatten, nach der Verordnung vom 5. September 42 218 Arbeitskräfte neu eingestellt worden. Diese Angaben beruhen auf der Bericht­erstattung von 19 Zentralverbänden. Sie sind nach unserer Ueberzeugung umfassend genug, um

Forderungen der Gewerkschaften

nen=

daraus folgern zu können, daß der Anreiz der Prämien- Steuergutscheine keinerlei nenswerte Wirkung gehabt hat. Von unseren übrigen 11 Verbänden konnten Neuein­stellungen überhaupt nicht festgestellt werden. Der größere Teil der Neueinstellungen entfällt auf die Textilindustrie( 15 169) sowie auf die Metall­Daß industrie und den Bergbau( 12 638). nennenswerte Fälle von Neueinstellungen der Berichterstattung unserer Verbände entgangen sein könnten, halten wir angesichts unserer weitver­zweigten Organisation mit ihren über 13 000 Verwaltungsstellen und rund 100 000 Betriebs­räten für ausgeschlossen.

Das in der Verordnung des Reichsarbeits­ministers vom 5. September vorgesehene Recht der Unternehmer, die Löhne für die 31. bis 40. Stunde zu kürzen, hat eine große Beunruhi­gung in den Betrieben und zahlreiche Streiks ver= ursacht, obwohl ein großer Teil der Unternehmer auf die Ausnutzung dieses Rechts von vornherein verzichtet hat. In der Praris hat sich dieser Teil der Verordnung als undurchführbar erwiesen. In 399 Betrieben mit 108 869 Beschäf­tigten hat die Belegschaft die Lohnkürzung ab= wehren können. Hierbei haben in vielen Fällen die Schlichtungsinstanzen mitgewirkt und den Ar­beitern recht gegeben. Arbeitseinstellungen fanden in 81 Betrieben statt. Immerhin sind in 544 Be­trieben mit 125 018 Beschäftigten die vorher schon wiederholt gekürzten Löhne nochmals reduziert worden.

2. Die Verkürzung der Arbeitswoche auf 40 Stunden muß unverzüglich als gefehliche Maß­nahme durchgeführt werden.

Die Verordnung vom 5. September sollte bei den Arbeitgebern einen Anreiz für die Ver­kürzung der Arbeitswoche auf 40 Stunden schaffen. Die Berichterstattung unserer Verbände zeigt, daß auch in dieser Hinsicht das System des Anreizes vollständig versagt hat. In den Betrieben, die von der Verordnung Gebrauch gemacht haben. für Be­schäftigte: 129 811 58 117 45 959

in Fällen:

blieb die Arbeitszeit unverändert 528 wurde die Arbeitszeit verlängert 250 wurde die Arbeitszeit verkürzt. 165

Krise im Kreise

Schleicher in Front-

Heute Konferenz mit Hindenburg und Papen

Die Ernennung Schleichers zum Reichskanzler ist heute vormittag noch nicht erfolgt. Schleicher will neben dem Kanzleramt auch das Wehr­ministerium behalten, der Reichspräsident jedoch hat gegen diese Machthäufung in einer Hand Bedenken. Diese Schwierigkeit steht der Ernennung Schleichers im Wege.

Vor dem Ende?

In den Mittagsstunden, gegen 11½ Uhr, hat eine Aussprache zwischen dem geschäfts­führenden Reichskanzler von Papen und

über den ,, Vorwärts " herfällt und ihm seine ,, wilde Dauerpolemit gegen Papen " zum Vorwurf macht, so kann das

Reichswehrminister von Schleicher stattge­funden. Für den Abend, 18 Uhr, ist eine Be­ratung beim Reichspräsidenten in Aussicht genommen. Man nimmt in gufunter­richteten Kreisen an, daß demzufolge eine Ent­scheidung des Reichspräsidenten doch wohl noch am heutigen Tage fallen könnte.

Adolf ziert sich

Die Reichspressestelle Hitlers veröffentlicht eine Erklärung, die parteiamtlich feststellt", daß für den Oberofaf zu Verhandlungen wegen der Re­gierungsbildung teinerlei Anlaß vorliege. Hitler habe sich nur wegen der Wahlagitation nach Weimar begeben. Alles andere sei falsch.

nur den Sinn haben, daß die KPD. eine solche Bracht Innenminister?

Bolemit nicht wünscht und ein Verblei­bendes Herrn von Papenim Amte für richtig hält. Tatsächlich muß die Haltung der Kommunistenpresse im Sinne Papens ,, staatserhaltend", d. h. für seine Er­haltung als Reichskanzler wirken.

,, Gott erhalte Franz, den Papen " ist also die neueste Parole der kommunistischen Weltrevolution.

Papen und Bracht sind dasselbe

In der Rechtspresse wird der Reichskommissar Dr. Bracht als Reichsinnenminister der neuen Reichsregierung genannt. Eine Reichs­regierung mit diesem Manne als Innenminister wäre nichts als eine Neuauflage der Re= gierung Papen. Herr Bracht gehört zu Herrn Papen wie das Amen in die Kirche, er ist

Verlängerte Arbeitszeit und leberstunden über 40 Wochenarbeitsstunden hinaus können angesichts der Massenarbeitslosigkeit nicht länger geduldet werden.

3. Das System der Steuergutscheine ist dahin umzugestalten, daß entsprechende Steuerscheine als Grundlage für die Finanzierung öffentlicher Ar­beiten verwendet werden können.

Die bisherige Auswirkung des Systems der Steuergutscheine läßt zwei Tatsachen unstreitig erkennen: Es hat sich insofern bewährt, als es bewiesen hat, daß eine öffentliche Kreditschöpfung in gewissen Grenzen möglich und mit feiner In­flationsgefahr verbunden ist;. es hat insofern versagt, als es eine fühlbare Erweiterung der Produktion und Verringerung der Arbeitslosigkeit nicht gezeitigt hat. Der größte Teil der jezigen Steuerscheine verwandelt sich weder in Kapital noch in Kaufkraft, während ihre Verwendung zur öffentlichen Arbeitsbeschaffung im Sinne der Vorschläge des Vorl. Reichswirt­schaftsrats vom 12. März 1932 durch die Ge= meinden und andere öffentliche Körperschaften eine wirksame Bekämpfung der Massenarbeits­losigkeit voraussehen läßt. Mit ihrer Hilfe kann auch die in letzter Zeit in den Hintergrund ge= drängte Siedlungstätigkeit wieder stärker ge­fördert werden.

Diefe von uns angeregten Maßnahmen würden etwa 1% Milliarden Mark ohne geringste Infla­tionsgefahr für die vom ganzen Bolte ersehnte Arbeitsbeschaffung frei machen und die Wieder­beschäftigung von einer Million Arbeitsloser un­verzüglich ermöglichen. Damit wäre immerhin ein sichtbarer Anfang einer ernst­haften Arbeitsbeschaffung gemacht.

4. Die durch die früheren Verordnungen herbei­geführten Verschlechterungen der Sozialleistungen müffen im Rahmen der Möglichkeit rückgängig ge­macht werden;

die Bersorgung der Arbeitslosen muß nament­lich in dem bevorstehenden Winter ausreichend ver­bessert werden;

jeder weitere Angriff auf die Löhne und die Rechte der Arbeiter muß unterbleiben;

die Unabdingbarkeit der Tarifverträge, die durch die Verordnung vom 5. September aufgehoben war, muß für die Zukunft unangetastet bleiben."

eine Hauptstüße des Systems Papen . Herr Bracht ist die preußische Ausgabe des Herrn von Papen, sein Name und seine Taten haben die gleichen provokatorischen Wirkungen.

Herr Bracht ist der Mann des 20. Juli, er ist verantwortlich für das Regime der Gewalt und der Rechtlosigkeit, das seit dem 20. Juli m Preußen durchgeführt worden ist. Er ist verant­wortlich für die unwürdigen Formen der Be= handlung der preußischen Minister. Er hat die Prostriptionslisten gegen die republikanischen Beamten in Preußen durchgeführt, er hat jeden Wunsch der Reaktion vollzogen. Seine Methode der Presseknebelung mit Verboten und Auflage= nachrichten, die Anwendung der Pressenotverord­nung gegen ihm persönlich unbequeme Kritik zeigt ihn als einen Reaktionär vom reinsten Wasser. Von der Zwickelverordnung bis zu dem un­würdigen Schauspiel mit der Hauptmann- Medaille hat Herr Bracht die kleinen reaktionären Ge­hässigkeiten des Papen- Kurses durchgeführt. Herr Bracht arbeitet jetzt noch eifrig am Bapen- Kurs in Preußen. Es ist bezeichnend für das deutsche Bürgertum, daß ein bürgerlicher Ober­bürgermeister das Werkzeug der Feudalreaktion ist und den a dligen Reaktionären die Ver­waltung ausliefert!

Was für Herrn von Papen gilt, gilt auch für Herrn Bracht! Wenn dieser Mann Reichsinnen­minister wird, so wird er auf denselben Wider­stand, dieselbe Empörung stoßen wie Papen! Ein Kabinett mit Bracht als Innenminister wäre die Ablösung einer Provokation durch eine andere!