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strebten Vertagung für die Zentrumspartei  zugestimmt. Das Zentrum wird auf Wunsch Schleichers zugleich zwischen der Regierung und den National­fozialisten vermitteln. Berhand­lungen wurden zu diesem Zwed bereits am Montag eingeleitet. In maßgebenden Zentrumstreifen hegt man nach dem Verlauf dieser Besprechungen die Hoffnung, daß die Nazifraktion für eine längere Bertagung zu gewinnen sein werde.

Der Kurs der sozialdemokratischen Reichs­tagsfraktion ist flar. Sie hat gegen die ge­plante Bertagung Stellung genommen. Sie verlangt eine rasche Entscheidung: Abstimmung über ihren Mißtrauensantrag und über die Aufhebung der Notverordnungen. Sollte eine Mehrheit mit Einschluß der Nationalsozia­listen die politische Aussprache jetzt ablehnen, dann verlangen die Sozialdemokraten die so­fortige Beratung ihrer dringlichen Anträge auf Arbeitsbeschaffung, Winterhilfe und Auf­besserung der Sozialrenten sowie Amnestie für politische Vergehen.

Die Tagesordnung der heute beginnenden Reichstagssigungen wurde am Montag durch eine Reihe von Besprechungen zwischen den Parteien vorbereitet. Vor einer Bertagung soll ein nationalsozialistischer Antrag über die Stellvertretung des Reichspräsidenten durch den Präsidenten des Reichsgerichts im Falle seiner Behinderung oder seines Todes in allen drei Lesungen erledigt werden. Für diese Beratungen sind der Mittwoch und Frei­tag in Aussicht genommen, da der Donners­tag ein katholischer Feiertag ist.

Zentrum für Vertagung

Die Zentrumsfraktion beschäftigte sich in ihrer Fraktionsfißung mit der Vorbereitung von sozial­politischen und wirtschaftspolitischen Anträgen, ins­besondere mit einem Initiativgefeßentwurf, der fofort im Reichstag eingebracht werden soll und der die sozialpolitischen Bestimmungen der letzten Notverordnung des Kabinetts Papen   wieder auf­heben will

Die Zentrumsfraktion sprach sich weiter für eine Bertagung des Reichstags aus, da dem neuen Kabinett Gelegenheit gegeben werden müsse, seine Maßnahmen vorzubereiten.

Kommunistische Mißtrauensanträge

Die tommunistische Reichstagsfraktion wird Mißtrauensanträge gegen die Reichsregierung Schleicher- Bracht und im einzelnen gegen den Reichskanzler und den Reichswehrminister von Schleicher, den Reichsinnenminister Dr. Bracht und den Reichsminister ohne Geschäftsbereich Dr. Popig einbringen. dlhu

Fraktion der Splitter

Die Reichstagsgruppen der Deutschen Volkspartei   und des Christlich  - Sozi. alen Boltsdienstes, dem sich bereits der eine Deutsch  - hannoveraner angeschlossen hatte, haben sich zu einer Fraktion der technischen Arbeitsgemeinschaft" zusammengeschlossen. Die politische Selbständigkeit der beiden Gruppen bleibt durch die Bildung dieser technischen Fraktion völlig unberührt. Die neue, fiebente, Fraktion des Reichstags zählt 17 Mitglieder. Sie feßt sich zusammen aus elf Boltsparteilern, fünf Christlich- Sozialen und einem Deutsch- Han­

noveraner.

Schleicher   und Hitler  

Die Hoffnungen der Reaktion Die Deutsche Allgemeine Zeitung" er­wartet von dem neuen Reichskanzler eine gradlinige Fortsetzung des Papen  - Kurses. Sie schreibt:

,, Der Sinn des Kabinetts Schleicher   ist, der deutschen   Politif eine 2 tempause von 3mölf Wochen zu verschaffen, in der, ohne Rücksicht auf die von Neugierigen überfüllte Halle des Hotels Kaiserhof, 3 misthen den Inhabern der Gewalt und Hitler verhandelt werden kann, verhandelt von Herrn von Schleicher als Reichskanzler und Herrn Dr. Bracht als tatsächlichem preußischen Ministerpräsidenten, von denjenigen also, die nur ihre Haut zu Markte zu tragen haben. Die neue Regierung wird dieses Hauptziel in den Vordergrund stellen und, in­dem sie die großen Errungenschaften der Aera Papen  , Wirtschaftsbelebung und preußische Gegenrevolution, festhält, auf allen Neben­gebieten dem Ruhebedürfnis des Volkes, der Wirtschaft und der Parteien Zugeständnisse machen müssen.

Diese Politif, die die Fäden nach rechts nicht abreißen lassen darf, tann niemand besser durchführen als Herr D. Schleicher, zumal es ihm gelungen ist, Dr. Bracht als Mi­nister des Innern zu gewinnen. Das Kabinett Schleicher   bietet der nationalen Bewegung noch eine legte Bewährungsfrist."

Man weiß nun, was die Leute von der ,, Deutschen Allgemeinen Zeitung" mit ihren reaktionären Hintermännern unter einem ,, kurse der Berföhnung" verstehen, von dem fie laut reben!

Hitlers   Niederlage in Thüringen  

Die Lehren der Thüringer Kommunalwahlen

Die Thüringer Gemeindewahlen haben das Bild der Wahlen von Bremen   und Lübeck   be= stätigt. Der Rüdgang der Nationalsozialisten geht unaufhaltsam weiter. Gemessen am Rüd­gang der Wahlbeteiligung hat die Sozial­ demokratische Partei   sich gut be­hauptet, mehr noch in den Landkreisen als in den Städten.

Für die Sozialdemokratische Partei   gilt es, die Massen der Enttäuschten, die sich vom fruchtlosen Scheinradikalismus der Natio­nalsozialisten und Kommunisten abkehren, zu jammeln für sozialistische Ziele. Unsere Aufgabe ist es nicht, uns zu behaupten, sondern vorwärts zu marschieren.

Das Ergebnis der Gemeindewahlen in Thü­ ringen   wird uns deshalb zu vermehrter Tätigkeit anspornen. Es zeigt uns zugleich deutlich die große Aufgabe, zu sammeln und auf­zuklären, was von Kommunisten und National­sezialisten wieder hinweggeweht ist!

Für die Reichspolitik ist der Ausgang der Thüringer   Wahlen von großem politischem Interesse. In der Tendenz zeigt sich neben den Verlusten der Nationalsozialisten ein Wiederauf­holen der Mitte und vor allem des Landbundes in Thüringen  . Was die dret großen politischen Parteien Sozialdemokraten, Natio= nalsozialisten und Kommunisten an= belangt, so gibt ein annäherndes Gesamtergebnis das folgende Bild:

4. Dez. 6. Nov SPD  ..... 190 038 212 262 KPD  . 142 847 164 869 NSDAP  ... 252 438 329 329

Verlust in Proz. 22 224 10,5 22 022 13,3 76 891 23,3

Diese Ergebnisse umfassen die Orte Eisenach  , Weimar  , Altenburg  , Gera  , Gotha  , Greiz  , Apolda  , Sonneberg  , Jena  , Arnstadt  , Rudolstadt  , Bella­Mehlis, Ilmenau   und die Landkreise Gera  , Wei­ mar  , Schleiz  , Greiz  , Sonneberg  , Eisenach  , Alten­ burg  , Meiningen  , Arnstadt  , Stadtroda  , Hildburg­ hausen   Saalfeld  . Kamburg  , Sonderhausen  .

Die gewaltigen Berlufte der Nationalsozialisten treten zu den Berlusten vom 6. November noch hinzu! Diese Wahl war für die National­fozialisten von größter Bedeutung, nicht nur in ihrer äußeren Stellung zur Reichspolitik, sondern auch innerparteilich.

Die nationalsozialistische Parteiführung hat des­halb in Thüringen   den Bersuch unternommen, die Rüdgangsbewegung aufzuhalten: Sie hat alle verfügbaren Krfte, darunter Goebbels   und Hitler selbst, nach Thüringen   berufen. Sie mollte nicht nur die Entmutigung ihrer Anhänger aufhalten, sie wollte zugleich dem Reichspräsi­denten gegenüber ihre Stärke demonstrieren. Beides ist nicht gelungen, und deshalb zeigt sich im Kreise der unentwegten Oppositionsanhänger in der NSDAP  . tiefe Betroffenheit. Das Berliner   Naziorgan erschien am Montagabend mit größter Ueberschrift: Die Lüge non den Naziverlusten. Prozentuale Gewinne gegenüber Bürgerlichen und SPD  ." Unsere Tabelle zeigt, daß diese Parole den Tatsachen geradezu ins Gesicht schlägt.

Wenn angesichts der klaren Ziffern solche Parolen ausgegeben werden, so ist das ein deutliches Symptom der Angst, und wenn die Nationalsozialisten jetzt eifrig mit Herrn Schleicher wegen einer Tolerierung verhandeln, und wenn sie bereit sein sollten, ihn zunächst bis zum Januar zu tolerieren, so liegt darin nichts anderes als die Erkenntnis ihrer Schwäche.

Aber auch die Hoffnungen der Kom­munisten sind enttäuscht worden. Sie haben ihre Stellung gegenüber der Sozialdemo tratie erheblich verschlechtert. Die Bewegung zur Kommunistischen Partei hin hat sich in Thüringen  nicht weiter fortgefeßt, sie ist vielmehr schon rüdläufig gemorden!

Die Politik der bloßen Agitation und des Scheinrapitalismus fann vorüber­gehend Chancen haben, aber: mie gewonnen, so zerronnen! Auf die Dauer wird der Erfolg mit der Partei sein, die ernst und zielbemußt prat­tische Auswege aus der Not zeigt, großzügige, mirflich radikale, sinnvoll ge­plante Auswege, und die solche Auswege vertritt im Kampfe gegen alle Versuche, das bürgerliche System und die bürgerliche Herrschaft zu retten. Eine Politit, die auf große realistische Ziele eingestellt ist und sie unentwegt vertritt, das ist das Erfordernis der Stunde. Die So. zialdemokratische Partei wird es beherziger

Der ahnungslose Osaf

In der ersten Sigung der Nazireichstagsfraktion hielt Hitler   eine einstündige Rede. Dabei sagte er nach einem parteioffiziellen Bericht:

,, Es sei nicht mahr, daß die NSDAP.  in Thüringen   eine Niederlage erlitten habe. Wenn man schon die Gemeindewahlen als poli­tischen Maßstab nehmen wolle, dann stelle er fest, daß die NSDAP  . insgesamt in Thürin gen prozentual im Verhältnis zu den an­deren Parteien nicht zurückgegangen fei, son­

dern sogar gegenüber der letzten Reichstags= wahl im Verhältnis etwas gewonnen habe. In zahlreichen Gemeinden sei sogar die Stimmenzahl der letzten Reichstagswahlen über­schritten worden."

Da haben seine Unterführer offenbar nicht ge­wagt, ihm zu berichten, mit welch fort­laufendem Erfolg er in Thüringen   geredet hat! Wird das ein Kazenjammer werden, wenn sie ihm erst gestehen, wie es war! Bielleicht geben fie 23 Tage lang pro Tag ein Prozent Verlust zu, damit der Schreck nicht auf einmal kommt!

Eine Partei, die ihre Niederlage nicht einzu­geftehen magt, gibt ihre Furcht öffentlich preis!

,, Journaille lügt"

Faule Ausrede des ,, Angriff"

Das Aufgebot Adolf Hitlers   und der größten Redekanonen hat die tatastrophale Niederlage der Nationalsozialisten in Thüringen   nicht verhindern tönnen. Auch wo Hitler   persönlich auftrat und nach den Be­richten seiner Leibjournalisten Zehntausende in Ekstase versetzt haben soll, haben die Nazis überall verloren, so in dem Städten Sonneberg  , wo Hitler   am Sonnabend sprach, 500 Stimmen oder 11 Prozent, während die Sozialdemokratie dort Stimmen gewann!

Hitler   hat nicht geholfen, jetzt muß der Schwindel helfen. Mit einer Dreistigkeit ohnegleichen sucht der Angriff" die Nieder­lage wegzulügen. Das wird so gemacht, daß man verkündet: ,, Die Journaille lügt". Womit Herr Goebbels   aber nicht sich selber meint, sondern die Blätter, die wahrheitsgemäß die nationalfozia listische Niederlage gemeldet haben. Um sich her­auszuschwindeln, behauptet Goebbels  , ad

,, daß in Wirklichkeit die Sozialdemo fraten vielfach die allergrößten Verluste er litten haben, in Gera   fast die Hälfte ihres Bestandes".

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Diesen Verlust" in Gera   liest man auch ander­märts, aber er ist ein Drudfehler einer Telegraphenagentur! In Wirklichkeit hat die Sozialdemokratie in Gera   sich mit 17 142 Stimmen ( nicht 10 142) gegen 18 654 am 6. November nahezu behauptet, während die Nazis in Gera  von 16 377 auf 13 804, d. h. um 16 Prozent herunterfletterten. Es gehört schon eine eiserne Stirn dazu, menn Goebbels schreibt:

Thüringen   rechtfertigt Hitler  ."

Die Wahlen in Thüringen   haben gezeigt, daß die NSDAP  . nicht nur unerschütterlich dasteht, sondern ihre Stellung gegenüber den anderen Barteien seit der Reichstagswahl vom 6. No­

vember bereits wieder erheblich verbessert hat. Wenn in der Berliner   Journaille in dicken Ueberschriften von den ,, Naziverlusten in Thüringen  " gefaselt wird, so zeigt ein flüchtiger Blick über die Wahlresultate, daß es sich dabei um einen dick aufgelegten Schwindel handelt, lediglich zu dem Zwede, politische Stimmungs­mache zu betreiben und die eherne Haltung der Partei zu zermürben. Ein Verfuch, der freilich vergeblich sein wird.

Die Rechtfertigung" sieht so aus, daß im Durchschnitt der Städte und Landkreise die Nazis über 23 Pro3. ihrer Stimmen gegen den 6. November verloren haben. Da der 6. Novem­ber gegen den 31. Juli bereits einen Rückgang der Nazis in Thüringen   von rund 20 Pro3. ge bracht hatte, so ergibt sich innerhalb eines halben Jahres ein Totalverlust von rund zwei Fünfteln! Am 31 Juli erhielten bei den thüringischen Land­tagswahlen die Nationalsozialisten von 930 000 abgegebenen Stimmen 396 000, d. h. 43 Proz. Jetzt ist ihre Stimmenzahl in ganz Thüringen  auf 252 000 zurückgegangen, wenig mehr als ein Biertel der gesamten Wählerschaft! Eine herr­liche Rechtfertigung. Der Absturz der National­fozialisten in den Städten sieht folgender­maßen aus:

Weimar  Gera  Jena  Gotha  Eisenach  Apolda  

31. Juli

6. Nov.

12 642

11 003

4. Dez. 7122

20 191

16577

13 809

10 909

8420

6 459

12 172

10 046

7565

9962

8.002

5.980

7970

6 389

4430

In den Landkreisen ist er vielfach noch kata­strophaler: so sind z. B. die Nazis im Land. freis Weimar   seit dem 31. Juli von 28 072 auf 15 778 zurüdgegangen. Im Landkreis Saalfeld von 18 427 auf 10 645, im Land­freis Rudolstadt   von 16 746 auf 8102, also mehr als die Hälfte Berlust!

Bei dieser Gelegenheit sei auch übrigens ein Irrtum berichtigt, den auf Grund unvollständiger Wahlresultate die linksbürgerliche Presse begeht: Es ist unrichtig, daß die Kommunisten besser abgeschnitten hätten als die Sozialdemo fraten. Gegen die legte Reichstagswahl haben sie vielmehr im allgemeinen stärker verloren, nämlich 13,3 Proz. gegenüber 10,5 Proz. der Sozialdemokratie. Bielfach ist der Irrtum dadurch entstanden, daß in einigen Meldungen der KPD  . die Stimmen der fommunistischen Oppo= sition. die in Thüringen   ziemlich stark iſt, zu­gerechnet waren. Die fommunistische Boulevard­presse fabelt sogar von großen Siegen, indem sie nur den fommunistischen Mandatsgewinn ( gegen das Jahr 19281) melbet, aber nicht die Stimmziffern und den Bergleich mit den Reichstagswahlen melbet.

Neurath   in Genf  

Deutschland   vor eine schwere Entscheidung gestellt

Eigener Bericht des Vorwärts"

Genf  , 5. September. Reichsaußenminister v. Neurath  , der gegen 6 Uhr abends in Genf   eingetroffen war, begab

sich unmittelbar danach zu Macdonald und nahm später an einem offiziellen Essen teil, das der englische   Ministerpräsident zu Ehren aller Delegationsführer am Abend veranstaltete. Nach ganz bestimmt gehaltenen Angaben von deutscher   Seite ist jedoch bei diesem Diner über die schwebenden Fragen der Abrüstungskonferenz gar nicht gesprochen worden. So merf­würdig das auch klingt, es versichert, das Ganze sei nur eine rein gesellschaftliche Veranstaltung gewesen. Man habe lediglich vereinbart, morgen vormittag um 10 Uhr in gleicher Zusammen­setzung die Beratungen zu beginnen. Besonderer Bert wurde dabei in den deutschen   Mitteilungen auf die Tatsache gelegt, daß nur eine Zeit= einteilung aufgestellt worden sei, woraus man schließen muß, daß den Verhandlungen offenbar fein bestimmter Plan zugrunde liegen dürfte.

Infolge der Eröffnung der Bölkerbundsvoll­versammlung um 11 Uhr( über die Mandschurei  ) merden die Verhandlungen bis zum Nachmittag unterbrochen und erst um 3 Uhr fortgesetzt werden. Herriot   perläßt bestimmt schon Dienstag abend Genf   wegen der Budgetberatungen in der Kammer. Ueber den amerikanischen  Vorschlag felbst wurde jede Aeußerung von deutscher   Seite abgelehnt. Dabei dürfte eindeutig flar sein, daß die deutsche   Vertretung ihn in seiner bekanntgewordenen Form nicht wird annehmen

fönnen.

Im Falle einer Berständigung zwischen den pier übrigen Mächten stände Deutschlands   Außen­minister vor der Schwierigkeit, die Schuld am Scheitern dieses fogenannten ersten Abrüftungs­schrittes zugeschoben zu bekommen, die ganze Ab­rüftungstonferenz nach Annahme eines Bor­antrages über die bisher erzielten Ergebnisse zu vertagen. In Wirklichkeit würde doch durch die Einsegung einer ständigen brüstungs­fommission, in der alle Staaten vertreten wären und die eine neue Abrüftungskonferenz für 1935 vorbereiten sollte, lediglich die frühere Bor­

bereitende Abrüstungskonferenz wieder aufleben. Dadurch würde für Deutschland   praktisch auf drei Jahre hinaus nichts geändert und die hoch­gerüsteten Staaten behielten mit einigen wir= fungslosen Modifikationen ihre sämtlichen Rüstungen. Die Folgen eines solchen Scheiterns der Konferenz wären unübersehbar.

Frankreich   am Scheideweg

Paris  , 5. Dezember.

Je näher der Fälligkeitstermin für die Schul­denzahlung an Amerita rückt, desto heftiger wird in der französischen   Presse die Kampagne zugunsten einer 3 ahlungsver meigerung.

Man ist in Frankreich   allgemein dapon über­zeugt, daß der amerikanische   Kongreß auf der Entrichtung der Schuldenrate bestehen wird. In zahlreichen Zeitungen werden Interviews füh­render Parlamentarier aller Parteien veröffent­licht, die sich sämtlich gegen die Zahlung, in welcher Form sie auch erfolgen möge, aussprechen. Der Führer der radikalen Kammerfraktion, Fran= cois Albert, äußerte sich über das Schulden­problem wie folgt: Die radikale Partei muß energisch für Frankreich   als Schuldner die

Gleichberechtigung mit seinen eigenen Schuldnern verlangen, die von seinem Gläubiger in ihrer Schuldenlast so bereitwillig befreit worden sind. Rechtlich und tatsächlich ist die radikale Partei dazu qualifiziert, gegen die rigorose Durchführung des Washingtoner Abkommens zu protestieren. Wenn fie dagegen verstoßen sollte, muß sie sich dessen bewußt sein, daß die Meinung des Landes ihr mit Recht nicht folgen würde."

Die Regierung pertritt dagegen, wie sich jekt tlar herausstellt, eine andere Ansicht. Sie mill dem Beispiel Englands folgen und die Schul­denrate in irgendeiner Form bezahlen, um sich nicht dem Vorwurf des Bertragsbruchs auszu­setzen. Die Zahlung soll aber nicht in Dollar oder Gold erfolgen, sondern in Francs, und der Betrag soll entweder bei der Bank von Frankreich oder bei der BIZ. in Basel   hinterlegt werden, bis eine Revision des Schuldabkommens mit Amerika  zustandegekommen ist.