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Abend- Ausgabe

Nr. 576 B 280 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

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BERLINER

E

VOLKSBLATT

MITTWOCH

7. Dezember 1932

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Dienft an Schleicher

Die Politik der Kommunisten

Die fommunistische Bresse verbreitet heute morgen die Lüge, daß die Sozialdemo fraten gestern im Reichstag gegen die Auf­setzung der Mißtrauensanträge auf die Tagesordnung der heutigen Sigung gestimmt hätten.

Das Gegenteil ist die Wahrheit. Noch ehe sich die Kommunisten überhaupt geäußert hatten, war von Löbe beantragt worden, die Entgegennahme einer Er­flärung der Reichsregierung" auf die Tagesordnung zu setzen. Zu dieser Erklärung der Reichsregierung hatte die jozialdemokratische Reichstagsfraktion einen Mißtrauensantrag gestellt, der also mit zur Debatte und Abstimmung stände.

Die Sozialdemokratie hatte also als Oppo­jitionspartet die Initiative übernommen und den ersten, Stoß geführt. Wollten die Kom­munisten die Opposition unterstützen, so mußten sie ohne weiteres für den sozial­demokratischen Antrag stimmen.

Die Anhänger der KPD . sollen aber nicht missen, daß die Sozialdemokratie in Oppo­fition steht, sie sollen in dem Glauben ge­halten werden, daß die Sozialdemokratie eine Regierungspartei set. Es mußte also irgendeine Schiebung vorgenommen werden, um die Sozialdemokratie zu entlarven".

Zu diesem Zmed beantragte Torgler Ab­stimmung über die Mißtrauensanträge

ohne Debatte!

Der Streit zwischen den beiden Oppo fitionsparteien ging also um die Frage, ob mit oder ohne Debatte über das Mißtrauensvotum abgestimmt werden solle. Die Sozialdemokraten waren für die Debatte und für die vorherige Abstimmung über einige wichtige Anträge, besonders zu­gunsten der Winterhilfe, die bei einem sofortigen Auffliegen des Reichstags un­erledigt unter den Tisch gefallen wären.

Die Sozialdemokraten wollen es nicht zur Regel machen, daß man der Regierung, ehe sie zum Wort gekommen ist, schon ein Miß­trauensvotum ausstellt, worauf die Regie­rung den Reichstag nach Hause schickt. Das fann man in einer besonderen Situation einmal machen wie es bei Papen ge= schehen ist; als Regel wäre das weiter nichts als Arbeit für die Klassendiktatur der Bourgeoisie.

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Uebrigens war vorauszusehen, daß die bürgerliche Mehrheit von Friď bis Esser den oppositionellen Vorstoß der Sozialdemo fratie zurückweisen würde. Weder der sozial­demokratische Antrag auf Mißtrauensabstim­mung mit Debatte noch der kommunistische Antrag auf Mißtrauensabstimmung ohne Debatte hatte Aussicht auf Annahme. Welchen 3wed hatte also der kommunistische Vorstoß gegen die sozialdemokratische Opposition? Er war eben nichts anderes als der Versuch eines Betruges an den Arbeitern, die glauben sollen, es gäbe außer der KPD. im Reichstag feine Opposition.

Im Reichstag figen 221 Abgeordnete, die von sozialistischen Arbeitern gewählt sind. Diese 221 fönnten zusammen eine starte oppositionelle Macht bilden. Die Kommu nisten haben gleich in der ersten Sigung ge­zeigt, daß sie diese Stärke der Opposition gar nicht wollen, daß sie vielmehr gewillt sind, die Bildung einer oppofitionellen Ein­heitsfront mit allen Mitteln zu vereiteln. Zu diesem edlen Zwed scheuen sie auch nicht vor den schmutzigsten Manövern zurück. Sie fämpfen nicht gegen Schleicher, sie kämpfen nicht gegen Hitler , sie fämpfen nur gegen die Sozialdemokratie, die ihnen als Oppo fitionspartei doppelt verhaßt und doppelt gefährlich ist.

Reichstagsarbeit von heute

Vertretung des Reichspräsidenten - Aufhebung der Sozialverordnungen!

Nach dem Beschluß der bürgerlichen Mehrheit in der Dienstagfißung wird der Reichstag heute nachmittag 2 Uhr mit der Beratung des von den Nationalsozialisten eingebrachten Gesez­entwurfs über die Stellvertretung des

Reichspräsidenten beginnen. Die Bor lage hat nur zwei Paragraphen. Der erste ent< hält eine Aenderung des Artikels 51 der Reichs= verfassung, wonach im Falle der Behinde rung des Reichspräsidenten oder bei einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl die Ber tretung des Reichspräsidenten durch den Prä­sidenten des Reichsgerichts erfolgt. Der zweite Paragraph bestimmt, daß das Gesetz mit dem Tag der Berkündung in Kraft tritt. Im Aeltestenrat ist für diesen Punkt eine Redezeit von einer Viertelstunde für jede Fraktion ver= einbart worden. Für die fozialdemokra tische Fraktion wird, wenn es erforderlich sein sollte, der Abgeordnete Dr. Breit scheid das Wort nehmen.

Der zweite Punkt der heutigen Tagesordnung enthält die von den Parteien eingebrachten An. träge zur Aenderung oder Außer Praftfegung der mirtschaftlichen und sozial­politischen Notverordnungen, bie unter dem Kabi­nett Papen erlassen worden sind

Schließlich wird auch die Frage der Gewährung einer Winterhilfe für Erwerbsloje und sozial Hilfsbedürftige verhandelt. Die Sozialdemokratie fordert die Gewährung von je zwei Kilogramm Brot wöchentlich, 20 Zentner Kohlen und ½ Kilogramm verbilligten Fleisches wöchentlich. Diese Mengen sollen bei größeren Haushaltunegn vermehrt werden.

Für den sozialpolitischen Teil dieser Debatte hat die sozialdemokratische Fraktion den Abgeordneten August Karsten bestimmt, den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Arbeits. invaliden, der als ausgezeichneter Kenner der sozialpolitischen Berhältnisse bekannt ist. Red­ner für den wirtschaftspolitischen Teil

der Debatte ist Anton Reißner , der junge Führer des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffent­lichen Betriebe und des Personen- und Waren= verkehrs, eine der größten und erfolgreichsten gewerkschaftlichen Organisation der Welt. Die Redezeit bei dieser Materie wird voraussichtlich eine Stunde für jede Fraktion betragen.

Zuletzt soll noch die Beratung der Anträge über die

Gewährung einer Amnestie

erfolgen. Bis zum Mittag lag allerdings erst der von der Sozialdemokratie vorge­schlagene Gefeßentwurf vor, der Straferlaß für politische Bergehen sowie für Straftaten aus

wirtschaftlicher Not gewähren will. Für die sozial­demokratische Fraktion wird dazu Abgeordneter Marum sprechen. Als Redezeit ist im Aeltesten­rat je eine halbe Stunde vereinbart worden.

Schriftführer Hugenberg !

Zu Beginn der heutigen Reichstagsjihung teilt der Reichstagspräsident unter stürmischer Heiter­teit mit, daß Dr. Hugenberg mit 291 Stim­men zum Schriftführer gewählt worden ist. Das Resultat, ein Trostpreis für den Durchfall des Herrn Graef bei der Präsi­dentenwahl, erregt im Haus minutenlange ftür­mische Heiterkeit.

Die Wahl Löbes als Vizepräsidenten des Reichstags hat die Nazis in fürchterliche Ver­legenheit gebracht. Im Aeltestenrat fochten sie deshalb heute das von der Reichstagsverwaltung

Der Harzburger Bruder amtlich ermittelte Ergebnis an. Demgegenüber

GRAEF

Bei den Präsidentenwahlen zum Reichstag fiel der Deutschnationale Graef aus.

iST PER KANDIDAT der HARZBURGER

REICHSTAGS

PRASIDIUM

,, Weh, er nimmt uns nicht mit!"

Schweres Explosionsunglück

Platzende Sauerstoffflasche tötet 7 Arbeiter

Rathenow , 7. Dezember.

In dem großen Werk der JG.- Farben­industrie in Premnit( Westhavelland) ereignete sich heute vormittag ein schweres Explosionsunglück, bei dem mehrere Ar­beiter den Tod fanden und weitere schwer verletzt worden sind. Der Schlossermeister Tie aus Rathenow war mit seinen Ar­beitern an einem Neubau beschäftigt. Bei der Beförderung einer Sauerstoff. die Lehrlinge die flasche ließen Die Flasche stand Flasche fallen. unter hohem Druck und explodierte. Die Explosion hatte verheerende Wir kungen. Die Gase, die über dem Werk liegen, verbanden sich mit dem Sauerstoff. Durch den gewaltigen Druck platten alle Fensterscheiben in der Umgebung. Weiter stürzte eine Mauer ein und begrub viele Arbeiter unter sich. Bisher sind sechs Tote geborgen worden. Es muß angenommen werden, daß die Zahl der Toten sich noch erhöht.

Nach einer weiteren Meldung aus Rathenow jollen sieben Tote geborgen sein. Wahrscheinlich ist noch ein weiteres

Menschenleben zu beklagen. Außerdem wurde eine Anzahl von Personen ver lett. Dem Vernehmen nach soll es sich jedoch, soweit sich dies bisher übersehen läßt, um leichtere Verlegungen handeln.

Neues Flugunglück

Italienerin tödlich abgestürzt

Rom , 7. Dezember.

Die italienische Europafliegerin Baby An­gelini, die in diesem Herbst einen Europarund­flug machte und dabei auch Berlin berührte, ist bei Beginn ihres geplanten Afrikafluges zwischen Bengaji und Tobruk tödlich ver­unglüdt.

Baby Angelini, die im Anfang der zwanziger Jahre stand, war am 3. d. M. von Bengasi ab= geflogen und wurde noch am gleichen Tage von Tolruf als vermißt gemeldet. Nach mehrtägigen Nachforschungen mit Flugstaffeln und einheimi­schen Kolonnen ist das Flugzeug in der Nähe von lladi Bhelda bei Cirene gefunden morden. Man nimmt an, daß die Fliegerin die Richtung verloren hat, nach der Mittelmeerfüfte zurüd­

wurde festgestellt, daß bei allen Abstimmungen stets das von der Reichstagsverwaltung amtlich festgestellte Ergebnis maßgebend sei. Mit dem Abg. Dittmann( S03.) stellten sich deshalb auch die Abgeordneten Esser( 3.), Leicht ( Bayr. Bp.) und Torgler ( Komm.) auf den Standpunkt, daß kein Anlaß zur Vor­nahme einer Neuwahl gegeben sei. Nur der Abg. Dingeldey( D. Vp.) irat für Wieder­holung der Wahl ein, damit jeder Zweifel über die Rechtmäßigkeit der Wahl ausgeschaltet werde. Die Nationalsozialisten beabsichtigen, in der heutigen Reichstagssitzung durch eine Entscheidung der Mehrheit bestimmen zu lassen, ob die Wahl rechtmäßig vorgenommen ist. Nach dem Verlauf der Sigung des Aeltestenrats ist aber nicht anzu­nehmen, daß eine Mehrheit bereit ist, sie vor den Folgen der eigenen Torheit zu bewahren.

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Unter den dem Reichstag zugeleiteten Druck­sachen befindet sich auch eine noch von Papen gezeichnete Uebersicht der Maßnahmen, die seit der Auflösung des vorigen Reichstags auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung erlassen worden sind. Der Katalog enthält allein für diese kurze Zeit 16 Verordnungen und einen Erlaß.

fliegen wollte und einem Motordefekt zum Opfer gefallen ist.

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Die am Dienstag bei ihrem ersten Flug in Staaten abgestürzte Fliegerin Fräulein von Löben ist im Spandauer Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlegen. Die Leiche wurde beschlagnahmt.

Hugenberg schnaubt Wut!

Ueber den Durchfall

Das Ergebnis der gestrigen Reichstags­fizung ist ein neues Präsidium, in dem nicht mehr der Deutschnationale Graef , sondern der Sozialdemokrat Löbe sigt. Aus Aerger darüber ist man jezt bei Hugenberg so anti­parlamentarisch, daß schon das einmalige Erscheinen des Reichstags Wutausbrüche hervorruft. Grün vor Galle wettert im ,, Ber­liner Lokalanzeiger" der sonst so muntere Spaßmacher Hussong:

Es ist alles wieder da. Abstimmungen und Stichwahlen und Entscheidung durchs Los. Miß­trauensanträge und Verwechselt, verwechselt das Bäumelein!" und Geschäftsordnungsdebatten. Hammelsprung und abgelehntes Mißtrauen und Kuhhandel.

Daß dabei Löbe doch noch Vizepräsident geworden ist, fann Hussong noch nicht recht glauben. Wäre dem allen wirklich so- und es ist so-:

Dann hätte der heute so geschäftige Herr Frid aus schierer, purer Abneigung gegen die Nase des