ERSTE BEILAGE
-
Vorwärts
Der Wald in der Stube
Rätselraten um Weihnachtsbäume
Seit einigen Tagen rollen auf den Berliner Güterbahnhöfen die Waggons mit Weihnachts= bäumen an. Etwas spät beginnt diesmal das Geschäft, aber die Sachverständigen des Weihnachtsbaumhandels sind zuversichtlich: auch in diesem Jahr hoffen sie wieder eine knappe Million Christbäume allein in Berlin an den Mann zu bringen. Eigentlich sind diese Bäumchen, die Zug um Zug jezt in Berlin ankommen, gar nicht so entfernte Nachbarn. Fast allesamt stammen sie aus dem Harz, aus Thüringen oder den schlesi= schen Bergen. Es sind auch verschiedene norddeutsche dabei, aber sagten Fachleute der kleine Waldbesizer scheidet als Lieferant von Weihnachtsbäumen aus. Dabei kann der„, kleine" Waldbesitzer mit einer Wirtschaft von rund 2000 Morgen ein gewichtiger Mann sein; die Weihnachtsbäume jedoch stammen aus den ganz großen Forsten. Entweder kommen sie aus den Wäldern des preußischen Staates oder aus riesigen Privatforsten, wie den Schaffgottschen in Schlesien , den Roßlaschen in Thüringen , den ehemals Fürstl. Stolberg - Wernigeroder oder den ehemals Herzogl. Braunschweigischen Forsten. Nur solche Waldbefizer sind in der Lage, den alljährlichen Massenbedarf an Weihnachtsbäumen zu decken. Man muß hierzu noch bedenken, daß der übliche Weihnachtsbaum bereits fünf bis acht Jahre alt ist, die größeren Bäume jogar 15-20 Jahre.
Aufmarsch der Händler
-
Mit diesen größten Forstbesizern Deutschlands haben die rund 100 Weihnachtsbaum- Großhänd ler feste Verträge über die Lieferung von Weihnachtsbäumen. Teilweise wird auch Bayern als Liefergebiet herangezogen die Voralpenländer liefern besonders schöne Bäume aber Bayern und Württemberg decken im wesentlichen doch den Bedarf Süd- und Westdeutschlands. Wenn noch gar nicht an Weihnachten zu denken ist, haben die Großhändler bereits ihre Dispositionen getroffen, also ähnlich wie beim Spargelhandel, wo ja auch die Ernte zu festen Preisen an die Konservenfabriken verkauft wird, wenn noch gar kein Spargel zu sehen ist. Nach den 100 Großhändfern kommen nun in Berlin etwa 3000 Kleinhändler angerückt. Je nach ihrem Gelde werden sie sich ein, zwei oder mehr Schock nehmen. Je nach Größe bezahlen sie hierfür
Die Katastrophe
Wie ergänzend zu dem schweren Ex plosionsunglück in Premnik ( Kreis Westhavelland) verlautet, werden noch drei Arbeiter vermißt, von denen man annimmt, daß auch sie unter den Trümmern begraben wurden und nicht mehr am Leben sind. Die Zahl der Toten würde sich damit auf zehn erhöhen. Von den sechs Schwerverletten schweben vier in höchster Lebensgefahr.
Durch die heftigen Detonationen wurden filometerweit die Häuser erschüttert. In Premni selbst fielen vielfach Gegenstände von Tischen und Regalen zu Boden. Man konnte sich den ohrenbetäubenden Schlag in den ersten Sekunden nicht
-
Billig oder teuer?
einen Durchschnittspreis, und nun müssen fie jeden Baum auskalkulieren, die besten für einen Taler und den kleinsten womöglich für drei Groschen. Bom Reichsverband ambulanter Straßenhändler wird uns hierzu gesagt, daß die Mehrzahl der Berliner Weihnachtsbaumhändler bereits seit Jahrzehnten ihre feste Ecke hat, an der sie Jahr um Jahr stehen. Die erhebliche Minderheit allerdings sind Männer aus anderen Berufen, die das Weihnachtsgeschäft mitnehmen.
sie wenig oder viel Bäume auf den Markt bringen werden.
Das Ende vom Liede sind dann am ersten Feiertag die traurig anzusehenden Reste von übriggebliebenen Bäumen. Es ist das bare Geld des Händlers, das dann auf der Straße liegt. Denn der Trubel von 1925 tehrt so leicht nicht wieder. In jenem Jahr war bereits drei Tage vor Weihnachten fein Baum mehr in Berlin aufzutreiben oder für einen elenden Strunk wurden
Weihnachtsbaumgroßhandel auf dem Tempelhofer Feld
Es ist nur nicht ganz so einfach, mit Weihnachtsbäumen zu handeln. Die guten Straßenecken haben die alteingesessenen Händler. Für die Neulinge bleiben nur noch weniger belebte Straßenzüge übrig. Also sagen sich viele Beschäftigungslose, die an sich bereit sind, ihre legten Groschen in einen Weihnachtsbaumhandel zu stecken, wenn wir feinen guten Plaz finden, lassen wir die Finger davon. Das ist auch beinahe noch das Beste, denn die Großhändler lassen Berlin bis in die letzten Tage völlig darüber im unflaren, ov
erflären; in panifartigem Schrecken glaubten die Leute an ein Erdbeben. Erst die wild aufheulenden Alarmsirenen der gefährdeten Fabrik und laute Hilferufe ,, Die Kunstseidenfabrit ist eingestürzt!" schafften Klarheit. Nach wenigen Minuten war das Fabrikgebäude von Hunderten, unter ihnen besorgte Angehörige der im Wert Beschäftigten, umlagert. Freilich fonnte den verzweifelten Wartenden vorerst immer nur wieder gesagt werden: Zahl und Namen der Opfer stehen noch nicht fest. Schließlich versuchte die Fabrikleitung durch eine Verlesung von Namenslisten festzustellen, wieviel Opfer noch zu suchen seien.
( Weitere Ausführungen im Gewerkschaftsteil.)
*
Von der Pressestelle der JG.- Farben wird mitgeteilt, daß der Betrieb vorläufig itillgelegt ist. Am Donnerstag oder Freitag soll die Arbeit wieder aufgenommen werden.
2,50 M. verlangt. Die Weddinger Frauen rannten bis nach Schöneberg , die Schöneberger hatten wieder gehört, an der Warschauer Brücke sollte es welche geben, und in diesen Tagen, als halbkahle Bäume den Händlern buchstäblich aus den Händen gerissen wurden, war natürlich Geld zu verdienen. Seit 1925 ist ein solches Jahr für den Handel nicht mehr wiedergekehrt. Mehr und mehr hat sich aber eingebürgert, daß das Hauptgeschäft in Weihnachtsbäumen erst in den letzten Tagen vor Heiligabend vor sich geht.
„ Fürst Sapieha"
Ende eines Hochstaplers
Bon der Kriminalpolizei ist ein langgesuchter Hochstapler festgenommen worden. Es handelt sich um den 45 Jahre alten Polen Stanislaus Woŋ, der unter dem Namen„ Fürst Sapieha" als Abstamm eines alten polnischen Adelsgeschlechts großangelegte Schwindeleien beging, die ihm Zehntausende eingebracht haben.
Als„ Fürst Sapieha" trat er mit einem Ber liner Makler, der ein Schloß in Luxemburg für 130 000 m. verkaufen wollte, in Verbindung. Der Hochstapler machte seine Opfer so sicher, daß niemand an seiner Identität zweifelte. Es kam zum Kaufabschluß, ohne daß Won alias Sapieha auch nur einen Pfennig gezahlt hatte. Als ihm von einem Luxemburger Notar sogar die Kaufurkunde übersandt wurde, war der neueste Streich restlos gelungen. Mit der Urkunde gelang es ihm, von vielen Seiten große Summen zu erhalten. Jeder
DONNERSTAG, 8. DEZ. 1932
half dem„ Fürsten ", der angeblich wegen der Devisenbestimmungen Schwierigkeiten hatte, sich genügend Geld aus Polen schicken zu lassen, mit größeren Beträgen aus. Dabei verschmähte ..Sapieha" auch das Geld mehrerer Frauen nicht, denen er die Ehe versprochen hatte.
Schließlich schöpfte doch jemand Verdacht, und als Kriminalkommissar Dr. Wächter gestern zugriff, erkannte er einen alten Gauner wieder, der auf dem ganzen Kontinent als Internationaler" bekannt ist.
Herr Studienassessor
Nebenbei Devisenschieber
Wenn über diesen Fall von Devisenvergehen be= richtet wird, so nicht wegen der Höhe der verschobenen Effekten. Was sind schon Effekten im Werte von lumpigen 150 000 Mark; da hat man in Moabit wahrlich schon ganz andere Dinge erlebt. Aber ein Studienassessor als Devisenschieber ist wirklich nichts Alltägliches!
Herr Dr. Richard Schönebeck war von Hause aus Volksschullehrer. Er besaß viel Ehrgeiz, machte seinen Assessor und wurde schließlich Lehrer an einer Oberrealschule. Er heiratete, seine Frau brachte ein wenig Geld mit. Der Studienassessor befaßte sich„ nebenbei" mit Grundstückspekulationen, seine beiden Bankkonten wuchsen zusehends an. Als mit Grundstücken nichts mehr zu verdienen war, um so mehr aber mit Effekten, da legte er sich auch auf diese Art Geschäfte.
So geschäftstüchtig der Studienassessor im Leben war, so töricht und eigenartig benahm er sich vor Gericht. Die erste Verhandlung gegen ihn mußte vertagt werden. Seine Angaben konnten nicht stimmen; als man sie zur zweiten Verhandlung nachprüfte, da ergab es sich, daß von ihm Effekten nicht im Werte von 60 000 Mark veräußert worden waren, wie die Anklagebehörde ursprünglich angenommen hatte, sondern im Werte von 180 000 Mark. Seine Aussagen mußten aus ihm einfach herausgepreßt werden, der einfachsten Daten aus seinem Leben wollte er sich nicht mehr erinnern. Der Sachverständige Dr. Evers ge wann jedoch in höherem Maße den Eindruck, einen Simulanten vor sich zu haben als einen
Irren.
Das Gericht verurteilte den Studienassessor zu acht Monaten Gefängnis, 6000 Mark Geldstrafe und Beschlagnahme des Vermögens, der Haftbefehl wurde aufgehoben.
Die Mordkommission wurde in den gestrigen späten Abendstunden nach der Sophie- Charlotte- Straße 113 in Char lottenburg alarmiert, wo in ihrer Wohnung die 60 Jahre alte Frau Alexandra Bartsch unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden worden war.
Auf dem Grundstück Sophie- Charlotte- Str. 113 befindet sich ein städtisches Obdach. Dem Gebäude ist ein Wohnhaus angeschlossen, das zahl= reiche kleine Wohnungen enthält. Im ersten Stockwerk hat die 60jährige Alexandra B. eine aus Stube und Küche bestehende Wohnung inne. Ge= gen 20 Uhr, als eine Bekannte die Witwe aufsuchen wollte, fand sie die Frau, die quer über dem Bett lag, regungslos auf. Kriminalbeamte des zu= ständigen Polizeireviers entdeckten im Gesicht der Leblosen starke Blutspuren. Jetzt wurde die Mordkommission des Polizeipräsidiums benachrichtigt, die alsbald unter Leitung des Kriminalkommissars Dr. Groschek und des Gerichtsarztes Medizinalrat Dr. Dyrenfurth, in der Sophie- CharlotteStraße eintraf.
FEE
Die moderne
4
Pfg. Zigarette
ohne Mundstück
aus edelsten macedonischen Jabaken
HELLAS Zigaretten in ihnen ist der ganze Orient
DIE BESTE
BEILAGE
IST
QUALITAT