Abend- Ausgabe
Nr. 586 B 285 49. Jahrg.
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Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
DIENSTAG
13. Dezember 1932
Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe
Wann wird gerettet?
Hitler bleibt die Antwort schuldig
Am 8. Dezember und seitdem wiederholt hat der Borwärts" an Adolf Hitler die öffentliche Frage gerichtet, wann endlich er Deutschland zu retten gedenkt. Hitler ist bis jetzt die Antwort schuldig geblieben.
Anstatt dessen veröffentlicht der ,, Bölkische Beobachter" noch einmal an der Spize seiner neuesten Ausgabe das bekannte Angebot Hitlers an Hindenburg vom 23. November.
,, Angesichts der trostlosen Lage unseres Baterlandes, der immer steigenden Not" betont Adolf Hitler feierlich ,, die Verpflich tung jedes einzelnen Deutschen , alles zu tun, damit Volt und Reich nicht im Chaos versinfen."
Sodann erklärt sich Hitler bereit, binnen 48 Stunden ,, e in furzes Programm über die beabsichtigten innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen vorzu
legen".
Von diesem Programm hat die ganze nationalsozialistische Presse erklärt, daß mit ihm eine unmittelbare Lösung" der Wirtschaftsnot und des Massenelends sicher sei", daß aber ohne es Volf und Land zugrundegehen müssen“.
Und nun warten wir auf die Veröffentlichung dieses Programms. Leider hat Hitler an die Veröffentlichung die Bedingung geknüpft, daß er zuvor von Hindenburg den Auftrag zur Bildung eines neuen Reichsfabinetts erhalten müsse. Da er diesen Auftrag nicht erhalten hat, schweigt er über sein ,, furzes Programm" wie das Grab.
Nun fann man Hitler zugute halten, daß er jetzt reichlich zu tun hat, um seinen eigenen Parteiladen in Ordnung zu bringen. Trotz der gehäuften Huldigungsfundgebungen sieht es etwas mulmig aus, und die Parole lautet: ,, Retter, rette dich selbst."
Aber mit dem nationalsozialistischen Barteitrach läßt sich vielleicht ein gewisses Versäumnis entschuldigen, nicht ein dauerndes Versagen.
Wir gestatten uns also, Herrn Adolf Hitler noch einmal daran zu erinnern, daß er ein furzes Programm besitzt, durch dessen Verwirklichung Wirtschaftsnot und Massenelend ,, unmittelbar gelöst" werden fönnen. Er hat wohl nur aus Bergeßlichkeit in der Tasche behalten, und wir bitten ihn, es nun endlich herauszuziehen.
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Angesichts der von ihm selbst betonten ,, Verpflichtung für jeden Deutschen , sein Letztes zu tun, damit Volk und Reich nicht im Chaos versinken", fann Herr Hitler doch das unmöglich Volk deutsche Daffte zugrunde gehen lassen, bloß weil Hindenburg ihn nicht zum Reichsfanzler ernannt hat.
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Also endlich heraus mit dem„, kurzen Bro
gramm"! Wir wollen es fennen lernen! Wenn es wirklich imstande ist ,,, Wirtschaftsnot und Massenelend unmittelbar zu lösen", dann wird es sich durchsetzen, auch wenn Hitler nicht Reichskanzler ist. Wenn es aber nur eine Luftspiegelung ist und in Wirklichkeit gar nicht existiert, dann werden Hitler und seine Partei dem Vorwurf nicht entgehen, Politik nach den Methoden ordinärer och stapler betrieben zu haben, und die Geschichte wird damit enden, daß das deutsche Volk die ganze NSDAP . als eine entlarvte Bande politischer Schwindelfrigen zum Teufel jagt.
Trohki staatenlos. Russische amtliche Stellen betonen zu den Gerüchten über eine Rückkehr Trozzfis nach Rußland , daß er und seine Familie der russischen Staatsautorität entkleidet und staatenlos feien.
Eigener Bericht des„ Vorwärts"
Doch kann nur ein Wunder ihn retten
Der Eindruck, den die Rede Herriots auf die Rammer gemacht hat, wird treffend durch folgende Erklärung Léon Blums gegenüber einem Redakteur des„ Petit Journal" gekennzeichnet: Herriot hat am Montag feinen größten Erfolg als Redner davongetragen. Seine Rede war von großer geistiger Höhe, Bewegung und Geschidlichkeit, aber nach meiner Meinung hat sie die Ansicht der Kammer nicht merklich geändert. Man tönnte sogar sagen, daß Herriot bei der Auseinandersetzung der Gründe, die für eine ZahlungsDermeigerung fprechen, eine Kraft und Stärke erreicht hat, die dazu angetan sind, seinen eigenen Schlußfolgerungen zu schaden.'
Ueber den Ausgang der heutigen Debatte besteht in der Rechtspresse und in der sozialiftischen Preffe tein 3 weifel mehr. Die raditalen Organe und die großen Informationsblätter, wie„ Petit Parisien "," Excelsior"," Petit Journal" usw., die stets für die jeweilige Regierung einfreten, geben zwar die Hoffnung auf eine plotliche Wendung noch nicht auf, aber sie sind nicht imftande ihre Ansicht näher zu begründen.
Die Regierung wird heute vormittag in einem Ministerrat die genaue Formel der fran zösische Vorbehalte und wahrscheinlich auch den Wortlaut des Gesezentwurfs festlegen, der die notmendigen Kredite für die Ausführung der Zahlung verlangt, wie der Ministerpräsident am Montag in einer Sigung des Finanz- und des auswärtigen Ausschusses zugegeben hat, könnten die Vorbe halte
nur politischen Charakter haben, da Amerifa alle vertraglichen Vorbehalte ablehnt. Nach dem„ Matin" fönnten sie etwa folgendermaßen formuliert werden:„ Wir bezahlen euch die Rate, denn wir wollen unseren Verpflich tungen nachkommen und euch zeigen, daß wir eure Unterschrift achten. Aber wir machen gleichzeitig darauf aufmerksam, daß dieses die letzte 3ahlung ist, solange ihr nicht in eine Revision aller Schuldenabkommen eingewilligt habt."
Der Ministerpräsident wird zu Beginn der Nachmittagssigung den Finanz- und den Auswärtigen Ausschuß über die Beschlüsse unterrichten. Wenn sich die Kommissionen gegen die Haltung der Regierung entscheiden und der Kammer einen entsprechenden Bericht vorlegen, wird sich Herriot unter Stellung der Vertrauensfrage dem Antrag widersetzen.
Totio, 13. Dezember.
Ein Wortführer der Regierung erflärt, daß die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Sowjetrußland und China in Japan starte Mißstimmung hervorgerufen habe. Der Kritifer fagt u. a.: Elemente, die sehr verdächtig sind, den Frieden stören zu wollen, machen gemeinsame Sache miteinander. Japan wird sich mit Entschloffenheit gegen dieje Kräfte wenden.
Einstweilen gibt es nur eine Macht, die den Frieden nicht nur stört, sondern unzweifelhaft gebrochen hat und das ist Japan !
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Daher ist diese offiziöse Erklärung gegen Ruß land und China eine unglaubliche Dreistig feit, die auch mit der verschiedenen Mentalität" des Fernen Ostens, von der Herr Matsuoka jüngst in Genf sprach, nicht entschuldigt werden fann.
Wenn nach dreijährigem diplomatischen Konflikt die Beziehungen zwischen Moskau und Nanking wieder aufgenommen werden, so ist das ein erfreuliches Ereignis, über das sich nur solche
Finanzierung der Winterhilfe Keine Neubelastung des Treibstoffes
Der
Berliner Lokal- Anzeiger" benutzt seinen Bericht über die Beratungen des Haushaltsaus schusses über die Winterhilfe zu der Unterstellung, die Sozialdemokratie wollte die Winterhilfe durch eine Reubelastung des Treib= stoffes finanzieren. Demgegenüber stellen wir folgendes feſt:
In dem sozialdemokratischen Gefeßentwurf über eine Winterhilfe für die notleidende Bevölkerung find Deckungsvorschläge für insge samt 170 bis 180 millionen gemacht morden. Einer dieser Deckungsvorschläge sieht die Aufhebung des Spritbeimischungs3wanges für Treibstoffe vor. Dieser Beimischungszwang ist heute eine reine Subvention für die Großagrarier, weil auf diese Weise die Kartoffelbrennerei trog der gewaltigen Vorräte des Branntweinmonopols sogar noch gesteigert werden kann.
Wird diese Subvention beseitigt, so tritt an
Leute beschweren können, denen jeder Schritt im Sinne des internationalen Friedens zuwider ist. Dabei hat gerade die Sowjetunion in letter Zeit ihre Friedensbereitschaft Japan gegenüber mit einem Eifer bekundet, die an unter= würfigkeit grenzt. Sie hat Japan einen Nichtangriffspatt angeboten und wartet noch immer auf Antwort. Sie hat als erster Staat die mandschurischen Staats männer Tokios durch die Zulassung eines besonderen Geschäftsträgers in Moskau praktisch anerkannt und damit der chinesischen Regierung einen schweren Schlag versezt: Das genügt aber den japanischen Imperialisten noch immer nicht und sie wollen der USSR. jezt sogar verbieten, ihren Konflikt mit China beizulegen!
Wenn das so weiter geht und die europäischen Mächte weiter vor den Japanern feige zurüdweichen, dann wird Tofio eines Tages noch von ihnen verlangen, daß sie ihre Beziehungen zu China abbrechen. Wir fragen nochmals und immer wieder: wie lange werden die Mächte diese japanischen Provokationen noch hinnehmen? Bis es zu spät ist und ganz Asien in Kriegsflammen aufgeht?
Stelle der Spritbeimischung wieder eine erhöhte
Einfuhr ausländischer Mineralöle. Aus dieser erhöhten Einfuhr würden dem Reich erhöhte 3olleinnahmen zufließen, und diese Zolleinnahmen könnten zur Finanzierung der Winterhilfe mitbenutzt werden.
Bon einer Neubelastung des Treibstoffes und einer Erhöhung der Treibstoffpreise kann also bei Durchführung dieser Vorschläge feine Rede sein!
Die Reichsfinanzen
Der Finanzminister will heute Auskunft geben
Das Reichskabinett wird sich am Mittwoch mit der Frage beschäftigen, in welchem Umfang eine Winterhilfe durchgeführt werden kann.
Der Reichsfinanzminister will heute im Haushaltsausschuß des Reichslags die Finanzlage
Der Finanz- und der Auswärtige Ausschuß der Kammer waren gestern abend zu einer gemeinsamen Sigung zusammengetreten, um einige ergänzende Mitteilungen des Ministerpräsidenten zu seiner Kammerrede entgegenzunehmen. Sie bezogen sich vor allem auf ver= trauliche Informationen über die Aufnahme, die die von den beiden Ausschüssen am Sonnabend angenommene Entschließung in der Schuldenfrage bei der amerikanischen Regierung gefunden hat und auf die ablehnende Antwort Amerikas auf die letzte englische Note. Irgendwelche Beschlüsse haben die beiden Kommissionen nicht gefaßt, da sich der Ministerpräsident noch nicht über die Vorbehalte aussprechen konnte. Auf die von einem Kommissionsmitglied an ihn gestellte Frage,
ob er bereit sein würde, nach dem voraussichtlichen Sturz des Kabinetts die Regierungsgeschäfte wieder zu übernehmen,
antwortete Herriot , er müßte dies unter allen Umständen ablehnen, da er in bezug auf die Schuldenzahlung keine andere These verteidigen könnte, als er es in seiner Kammerrede getan habe.
des Reiches und die finanzielle Entwidiung im kommenden Haushaltsjahr ausführlich darstellen. Anfang der kommenden Woche soll die Aufhebung der lohnpolitischen Berordnung, das heißt die Ermächtigung der Unternehmer zu Tarifunterschreitungen bei Mehreinstellungen er
folgen.
Am Donnerstag findet eine Reichsratssigung statt, in der die Amnestievorlage zur Beratung steht. Am Freitag folgt eine Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Reichstags.
Gefecht in der Stadtkaffe
Wild- West- Ueberfall in Teupitz
In der Nacht versuchten mehrere Einbrecher im Gebäude der Stadtkasse in Teupit einen Geldschrank aufzuknaden. Dabei wurden sie gegen 2% Uhr von zwei Beamten der Gemeindepolizei überrascht. Sofort eröffneten sie ein Schnellfeuer auf die Polizisten, die das Feuer erwiderten. Nun ergriffen die Täter die Flucht.
Einer der Beamten hatte einen Schulterschuß erhalten, der den anderen Beamten veranlaßte, von der Verfolgung der Täter abzusehen und sich des Verwundeten anzunehmen. Die Einbrecher enttamen unter Zurücklassung des gesamten Werkzeuges in einem Auto in Richtung Berlin . Man vermutet, daß es sich um eine Berliner Geldfchranffnadertolonne handelt.
KPD. hilft den Nazis Hakenkreuzbürgermeister gewählt
Die planmäßige Taftit der Kommunisten, Arbeiter gegen Arbeiter zu hezen, hat auch in Hohen mölsen in Sachsen einem Nazibürgermeister ins Amt verholfen. Die Gemeindevertretung setzte sich dort aus 6 Bürgerlichen und Nazis, 5 Sozialdemokraten und 5 Kommunisten zusammen, und so verteilten sich auch die Stimmen beim ersten Das Los Wahlgang zur Bürgermeistermahl. mußte entscheiden, wer von den beiden Inhabern der 5 Stimmen in die engere Wahl kommen sollte. Es entschieb zugunsten der Sozialdemokraten, und jezt enthielten sich die Kommunisten der Stimme, so daß der Nationalsozialist Matthes aus Wuppertal gemählt wurde. Auf der Straße und im Reichstag prügeln sich die Herrschaften, und bei den Abstimmungen helfen die Kommunisten den Nazis ins Amt. Aus purem Haß gegen die