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Morgen- Ausgabe

Nr. 587 A 288 49.Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Serniprecher 7 Amt Donhoff 292 bts 297 Selegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

14. Dezember 1932

Jn Groß Berlin   10 Bf. Auswärts....... 15 Bf. Bezu sberingungen und Anzeigenpreise fiebe am Schluß bes rebattionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Zurück zum Tariflohn!

Die Lohndruckverordnung Papens   fällt

Die Papensche Lohnbrudverordnung Dom 5. September ist gefallen. Sie gab dem Unternehmer die Möglichkeit, bei Neueinstellungen die Tariflöhne aller Beschäftigten für die 31. bis 40. Stunde bis zu 50 Proz. zu senken.

Gegen diese Verordnung hat sich Empörung und Kampf der Arbeiter gewandt. In vielen Fällen ist der Einbruch in die Tariflöhne im Kampje abgewehrt worden. Nachdem der Reichs­tag den sozialpolitischen Teil der Notverordnung vom 4. September aufgehoben hat, mußte auch die Lohndruckverordnung beseitigt werden.

Die Reichsregierung hat gestern im Haushalts­ausschuß des Reichstags erklärt, daß sie die Berordnung vom 5. September aufhebt.

Damit treten die vereinbarten Tariflöhne in allen den Fällen wieder in Kraft, in denen ein Abbau auf Grund der Papen- Verord­nung erzwungen worden war! Das ist ein Erfolg des Kampfes gegen das Baben- Regime!

Der Haushaltsausschuß hat ferner beschlossen, daß die Notverordnung pom 14. Juni aufgehoben werden müsse, die die Kürzung der Sozialrenten enthält Die Regierung weigert Jich, fie aufzuheben.

Sie kann zur Aufhebung nur durch das Plenum

Tariflöhne treten wieder in Kraft

des Reichstags nach seinem Wiederzusammenfritt gezwungen werden.

Aufhebung der Lohndruckverordnung

Zur Aufhebung der lohupoli. tischen Verordnung vom 5. Sep­tember 1932 berichtet der Abg. Auf­häuser( Soz.) über die Beratungen des vom Reichsarbeitsministerium im Haus­gewünschten Unteraus­haltsausschus schusses.

Die Reichsregierung hat sich grundsäglich bereit erklärt, die Verordnung aufzuheben und ihre Ab­sichten über die technische Regelung des Uebergangs dem Unterausschuß mitzuteilen. Die von der Regierung vorgesehenen Auslauffristen konnten durch den Unterausschuß wesentlich verkürzt werden. Die generelle Auslaufsfrist wird nunmehr auf den 31. Dezember d. J. festgelegt werden. In Einzelfällen, in denen ein Betrieb auf Grund der jezigen Löhne Aufträge vorliegen hat, aus deren Nichtausführung Schaden erwächst. fann auf Antrag beim Schlichter bie Frist bis spätestens 31. Januar 1933 perlängert werden Der Antrag muß bis spätestens 31. Dezember 1932 gestellt sein.

Für die Fälle des zweiten Teils der Berord­nung, in dem es sich um die gefährdeten Be­triebe" handelt, ist die Auslaufsfrist mit dem 31. Januar 1933 beschränkt. Die zur Berordnung Dom 5. September erlassenen Ausführungs.

verordnungen treten automatisch außer Kraft

Mit der Aufhebung der Verordnung werden die vereinbarten Tariflöhne wieder hergestellt. Der Haushaltsaus­schuß nimmt den Bericht zur Kenntnis.

Die Finanzlage des Reichs

Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums ant­wortet dann auf die in der vorigen Sitzung vom Abg. Heinig( Soz.) gestellten haushalts­rechtlichen Fragen. Die Zusammenstellun­gen über Beteiligungen des Reichs, Subventionen, Kredite, Darlehen und Bürgschaften werden, wie verlangt, dem Haushaltsausschuß nach dem neuesten Stande umgehend vorgelegt. Der Haus. haltsplan 1933/34 set noch nicht so meit fertiggestellt, wie es normalerweise sein müßte. Der Hauptgrund sei, daß die Arbeitsbe­schaffung in ihrer Wirkung auf den kommenden Haushaltsplan noch nicht übersehen werden könne. Der Abstrich an den Ausgaben im laufenden Jahre in Höhe von 110 Millionen könne, im einzelnen aufg teilt. zurzeit im Haushaltsaus­schuß noch nicht mitgeteilt werden. Man wolle das aber nachholen.

Abg. ferding( S03.) beantragt eine allge­meine Grörterung der finanzpolitischen Lage des Reiches im Haushaltsausschuß für den 9. oder 10. Januar vor Beginn der Etatsberatungen. Es wird sp beschlossen.

( Siehe auch 2. Seite.)

Herriots 3ahlungsformel

Von den Ausschüssen abgelehnt

Eigener Bericht des Vorwärts

Paris, 13. Dezember. Die Regierung Herriot   hat nach Kennt­nisnahme der neuen englischen Note an Amerika   folgende Note zum Schulden­problem ausgearbeitet:

,, 1. Die französische   Regierung nimmt von der Antwort Stimsons vom 8. Dezember Kenntnis, in der die Regierung der Bereinigten Staaten die Möglichkeit zuläßt, alle Elemente zu prüfen, die den französischen   Antrag auf Revision und feine Inbetrachtziehung durch den amerikanischen  Rongreß und das amerikanische   Volk betreffen. 2. Sie

biffet um sofortige Eröffnung von Berhand­lungen, die darauf hinzielen, ein Regime zu. revidieren, das unvereinbar mit der recht­

lichen und tatsächlichen Lage ist.

3. Die französische   Regierung wird am 15. De­zember 19 261 432 Dollar zahlen. Sie wird ver­langen, daß diese Zahlung bei dem neu zu ver­einbarenden Abkommen angerechnet wird. 4. Die französische   Regierung hat die Ehre, die Regie­rung der Vereinigten Staaten   davon zu unter­richten, daß Frankreich  , solange die durch das Moratorium. geschaffene Lage aufrechterhalten bleibt und wenn nicht eine neue allgemeine Re­gelung der internationalen Schulden erfolgt, rechtlich und tatsächlich außer Stande sein wird, von jetzt ab die Lasten eines Regimes zu tragen, das aufrichtig nur durch die Be= gleichung der Reparationen gerecht fertigt werden tann."

Diesen Tegt unterbreitete der Ministerpräsident dem Finanz- und dem Auswärtigen Ausschuß, die um 2 Uhr zu einer gemeinsamen Sigung zu­sammentraten. Er begründete ihn nicht näher, fondern wies nur auf den ernsten Beschluß hin, den die Kammer zu faffen habe und auf die Mög­licht it, daß eine Zahlungsverwe verrng das Ende der Laufanner Abkommen zur Folge haben würde.

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Beginn der Kammerdebatte

Beide Kommissionen berieten darauf getrennt zösischen Steuerzahler allein die sich aus den über den Regierungsentwurf.

Der Auswärtige Ausschuß lehute ihn mit 24 gegen 9, der Finanzausschuß mit 22 gegen 9 Stimmen ab.

Der Generalberichterstatter der Finanzkom­mission,& amoureux, und das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, Bergery, wurden beauftragt, eine gemeinsame Entschlie= Bung auszuarbeiten, die der Kammer zur An­nahme empfohlen werden soll. Diese Entschließung war in verhältnismäßig turzer Zeit fertiggestellt. Sie stüßt sich in ihren wesentlichen Teilen auf die Entschließung, die am Montag die foaiali stische Frattion angenommen hat, d. h. sie foriert die Regierung auf, im Einverständ= nismit England und den anderen Schuldnern Ameritas sofort die Einberufung einer inter­nationalen Konferenz zu beantragen, die allen Geldüberweisungen ohne Gegen­leistung eine Ende machen und die wirt­schaftliche Lage sanieren soll. Bis zum Abschluß dieser Konferenz soll die am 15. Dezember fällige Zahlung aufgeschoben werde. Beide Kom­missionen nahmen diese Entschließung an. Inzwischen hatte um drei Uhr die

Kammersitzung

mit einer Rede des nationalistischen Abgeordneten Marin begonnen, der nach der Geschäftsordnung als einziger Redner zu der am Vortage von Herriot abgegebenen Erklärung Stellung nehmen tonnte. Marin sprach fich gegen die Zahlung aus, fuchte aber zu bemeifen, daß damit die Unter­schrift Frankreichs   unter dem Schuldenabkommen nicht geleugnet werde. Denn durch seine zahl reichen Interventionen, die zum Abschluß des Moratoriums im Vorjahre und zu dem Lausanner Abkommen geführt haben. habe Hooper selbst die unterzeichneten Verträge hinfällig ges ma

Kein Mensch mit gesundem Berstand und fein Jurist tönnte jegt verlangen, daß die fran­

Abkommen ergebenden Lasten tragen. Frankreich  verlange Achtung vor den Verträgen, aber diese Achtung bedeute auch, daß diejenigen, die die Durchführung der Verträge unmöglich gemacht haben, sich nicht den Konsequenzen ihrer Initia tiven entziehen.

Nach einstündiger Unterbrechung der Sizung, die dadurch notwendig wurde, daß die gemein­same Entschließung des Finanz- und Auswärtigen Ausschusses noch nicht fertiggestellt war, gaben die Vorsitzenden beider Ausschüsse ihre Beschlüsse dem Plenum bekannt. Die Berlesung des Don den Kommissionen abgelehnten Regierungsent­murfs fand nur bei, einem Teil der Radikalen Beifall. Die übrige Kammer schwieg Dagegen murde die gemeinsame Entschließung der beiden Ausschüsse, die die Zahlung ablehnt, mit großem Beifall aufgenommen. Franklin Bouillon, der als erster Redner für die Generaldebatte eingeschrieben war, verzichtete aufs Wort und bat die übrigen Redner das gleiche zu tur um sofort ein einstimmiges Botum herbeizuführen und nicht einen Beschluß, der die Kammer spalte Im Namen des Aus­

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märtigen Ausschusses begründete darauf Abgeord­neter Bergery die von den beiden Kom­miffionen ausgearbeitete Entschließung.

Belgien   verweigert Zahlung

Brüssel  , 13. Dezember.

Die belgische Regierung hat heute beschlossen, die Ratenzahlung an Amerifa zu verweigern, und hat diesen Beschluß bereits offiziell dem ame­ rikanischen   Gesandten mitgeteilt.

Jm gleichen Kabinettsrat war der Rüdfritt der Regierung im Anschluß an die lehten Parla mentswahlen beschlossen worden, aber der König hat, wie algemein erwartet, den Ministerpräsi­denten de Broqueville mit der Bildung der neuen Regierung fofort wieder betraut.

Breffefreiheit!

Sechs Monate Notverordnung

Von Franz Neumann  

Am 14. Dezember 1932 ist die Verordnung gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932, deren Abschnitt II das Pressenotrecht regelt, sechs Monate in Kraft. Damals er­blickten Optimisten darin eine Milderung der bisherigen Vorschriften. Wer aber das Wesen der Verwaltung kennt, der mußte, wie irrig diese weitgehend geteilte Meinung war und die Praris hat alle Bedenken gegen die Optimisten bestätigt!

Während der sechs Monate der Geltungs­dauer der Notverordnung sind sozial­demokratische Zeitungen innerhalb des Gebietes des Deutschen Reichs auf ins gesamt 449 Tage verboten worden. Insgesamt sind 45 Verbote ausgesprochen worden, 72 Zeitungen, einschließlich der Kopfblätter, find von diesen 45 Verboten betroffen worden. Keine Verbote sind aus­gesprochen worden in den Freistaaten Bayern  , Baden  , Württemberg  .

Die 45 Berbote verteilen sich mithin auf die übrigen Länder. Braunschweig  hat zwei Berbote ausgesprochen, nachdem es unter der Herrschaft der alten Presseverord nung von 1931 bereits dreimal den ,, Volks­freund" freund" verboten hatte. Der Freistaat Anhalt   hat dreimal die anhaltische Presse Derboten, Oldenburg   zweimal, Thürin gen nicht weniger als sechsmal, Mecklen burg Schwerin zweimal. Der Rest entfällt auf Preußen. In dieser Liste sind Ver bote uns nahestehender aber nicht offizieller fozialdemokratischer Blätter nicht enthalten.

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Die Beschwerde hat nur in ganz feltenen Fällen Erfolg gehabt, und zwar regelmäßig nur dann, wenn die oberste Landesbehörde bei Ausspruch des Verbots formelle Fehler begangen hatte. Da­gegen tritt das Reichsgericht der Beurteilung der Frage durch die oberste Landesbehörde, ob ein Aufsatz eine Beschimpfung oder eine böswillige Verächtlichmachung von leitenden Beamten des Staates, oder von Einrichtun gen und Behörden und Organen enthält, regelmäßig bei. Es kann an dieser Stelle selbstverständlich nicht dargelegt werden, welche Aeußerungen in den verbotenen Blättern zu den Verboten Anlaß gegeben haben. Die Praris zeigt jedoch, daß bei bösem Willen der Verwaltung nahezu jede Nummer eines parteigenössischen Berlages verbotsreif sein könnte! Die Emp= findlichkeit sowohl der Verwaltung als auch des Reichsgerichts ist ungeheuer. Jede Ironisierung eines leitenden Beamten fann bereits Anlaß zum Verbot sein. Eine irgend­wie leidenschaftliche Kritik an Aeußerungen der Regierungen, ein Hinweis auf politisch zu bekämpfende Handlungen von Behörden, Einrichtungen und Organen des Staates tann, wenn auch nur im geringsten die Grenze überschritten wird, zum Verbot führen. Der Begriff der Beschimpfung ist ein typischer Ermessensbegriff, eben so wie der der böswilligen Berächtlich­machung. Derartige Begriffe entziehen sich der eraften juristischen Bestimmung. Sie tönnen nicht erläutert, sondern nur mit ande­ren Worten umschrieben werden. Die Ber­bots pragis zeigt, daß daß eine Preffefreiheit nicht besteht. Sie hat bewiesen, daß die Pressefreiheit völlig in der Hand der Verwaltung liegt.

Eine ebenso gefährliche Waffe mie das Ber­bot ist die Auflagenachricht, zerfallend in die amtliche Entgegnung und in die amt­liche Rundgebung.

In der amtlichen Entgegnung­amtliche Stellungnahme zu Tatsachen, die in einer Zeitung mitgeteilt werden- stedt an