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Harzburger streiten sich wieder Lna»i!llun?vn über Vstslbfor Sozialdemokraten ergänzen einen Naziantrag

Erfolgreiche Schnorrerei

Im Hauvtauäschuß des Preu» nischcn Landtags, der am Montag und Dienstag tagte, stand das V e r> hältnis der Harzburger unter- einander wieder einmal im Vorder- grund der Debatte. Die Nationalsozialisten beschwerten sich in einem Antrag über den Düsseldorfer PolizeiprSsidenten, der ohne stichhaltige Begründung sämtliche natio- nalsszialistischen Wablveriamwiungen verboten habe, und zwar sei dies zugunsten der Deutsch - nationalen geschehen Die ganze Politik von Dr. Bracht und seiner Heiter in Preußen gehe daraus hinaus den Deutschnationalen zu helfen. Die finanzielle Untrrstnpung der Deutsch - nationalen durch Mittel des Reiches und des Staates entziehe stch vorläufig noch der Kenntnis des Volkes. Es stehe aber fest,daß eine ganze Anzahl deutschnationaler Großgrundbesitzer im Wahlkreis Frankfurt/Oder Millionen er- halten habe. Aus diefe Weife lei der letzte Wahlkamps finanziert worden Man habe diese Gelder unter der Bezeichnung Ostoilfe und Um- schuldung gezahlt und so die Pnrteikassen der Deutschnationalen Voltsparte' gefüllt. So seien allein an drei Großgrundbesitzer im K r e> s L e b u s. die der Deuticknotionolen Volks- parte! angehören, rund gäüOOO Mark g e- zahlt worden. Es handele sich um die Groß- grundbesitzer von Flemming. Gras von Horden- berg und von Stüntzner-Karpe." Mit diesen Begründungen beantragten die Nationalsozialisten, daß die Behinderung des Wahlkampfes durch die Polizeiorgane des Herrn Dr. Bracht künftig verboten und unter Straf« ge- stellt werde, daß die gesamte Finanz- gebarung der Herrenklnbr. gierung im Reich und in Preußen, foweit sie den Miß- brauch der Osthilfe und der llmschuldungcmittel betreffe, einer strengen Untei suchung unterworfen werde und die schuldigen Polize'beamten sowie die Polizeipräsidenten von Berlin und Düsseldorf ihrer Aemter enthoben und gerichtlicher Bestrafung wegen Amtsmißbrauch zugeführt werden. Im Verlauf der Beratungen schwächten die Natlonalsozlallsten ihren Antrag wesentlich ab. Sie ver- langten jetzt, daß die Handlungsweise des Polizei» Präsidenten in Düsseldorf nachträglich zum Gegen- stand einer eingehenden Untersuchung gemacht. daß die Finanzgedarung des Kabinetts von Papen nachträglich in dem Sinne einer Untersuchung unterworfen werden solle, ob Osthilfe- und Um- schuldungsmittei für Zwecke der Wahlpropagando verwandt worden seien und daß jede Behinderung von Wahlkämpsen durch parteiisch eingestellte Be- amt« künftig unter besondere Strafe gestellt werde Aus die Einwendungen der Sozialdemokraten. daß jetzt die Behauptung der Unterstützung deutschnationaler Grundbesitzer nicht mehr als feststehend angesehen werde, sondern die Frage so zu stellen sei. ob überhaupt solche Mittel für die deutschnationale Propa- g a n d a verwandt worden seien, bemerkte ein Nationalsozialist, daß diese von ihm angeführten Behauvtungen wahr seien. Er fügte hinzu, daß der Großgrundbesitzer von Dohna-Schlobitten 540 000 M. und der frühere Landwirtschaft«- und Ernährungsminister Gras Könitz 500 000 M- Unterstützung aus der Osthilfe erhalten hätten. Die Untersuchungen über die Geldzuwendungen an die Deutschnationalen müsse die Schleicher« Regierung vornehmen. Aus die Untersuchung dieser Geldverschwendung durch einen Unter- suchungsausschuß verzichteten die National« sozialisten. Ihr Antrag wurde schließlich anqe« nommen'. desgleichen der Antrag, daß die Be- Hinderung von Wahlkämpsen durch parteiisch eingestellte Beamte künftig bestraft werden soll. Die Abstimmung über den Antrag gegen den Polizeipräsidenten in Düsseldorf führte bei den Nationalsozialisten zu einem kleinen p o l i t i» schen Betriebsunfall. Der Antrag lautet: Die Handlungsweise de» Polizeipräsidenten in Düsseldorf gelegentlich der Abhaltung nationalsozialistischer Versammlungen ist nach. lräglich zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung zu machen." Die Sozialdemokraten beantragten hinterist" einzufügen:gemeinsam mit der will« kürlichen Behinderung sozialdemo- kratischer Versammlungen durch nationolsoziali st ische Mini st er in Braunschweig und Anhalt". Dieser An- trag wurde gegen die Nationalsozialisten ange- nommen und damit die preußische Staatsregierung auigefordert. aus die Retchsregierung einzuwirken. daß die Willkür ,n Braunschwetg und Anhalt ebenfalls untersucht wird. Die Nationalsozialisten stritten diese Willkür in Braunschweig und Anhalt gar nicht ab Der Vorsitzende Hinkler erklärte vielmehr, daß die Nationalsozialisten nach dem Rezept handeln würden..Haust du meinen Juden. hau ich deinen Juden". Aus die Frage, warum

es immer ein Jude sein müsse, aus den die Nationalsozialisten lo-hauen müßten, stammelten die Nazivertreter einige unverständliche Ausreden. Sie mußten aber mit süßsaurer Miene hinnehmen. daß ihre Anträge, vor allem die die frühere preußische Regierung treffen sollten, sich jetzt gegen die nationalsoziaii st ische Polizeiwillkür in Klaggestan und Anhalt richten.

Antrick spricht weiter! Eine Erinnerung an 1902 Im Dezember 1002 beriet der Reichstag die große Zolloorlage", die eine ganz exorbitante Zollerhöhung bei unzähligen Positionen des da- maligen Tarifes brachte. Die 56 Mann starke sozialdemokratische Fraktion setzte dem Gesetzent- wurf gemeinsam mit 13 Abgeordneten der Frei- sinnigen Vereinigung den kräftigsten Widerstand entgegen und benutzten dabei auch die in deutschen Parlamenten selten geübte Obstruktion durch Häufung von namentlichen Abstimmungen und längliche Reden. Am Sonnabend, dem 13. De- zember. sollte der Zollraub endlich in die Schauer gebrocht werden und die Abgeordneten hatten sich zur Abreise in die Weihnachtsferien gerüstet. Nachmittags um iVt Uhr erhielt der sozialdemo« kratische Abgeordnete A n t r i ck das Wort, um sich, wie man bald merkte, in letzter Stunde noch einmal gründlich mit der Materie zu befasien. Die erste Stunde seiner Rede galt dem R e i s z o l l, die zweite dem Leinöl, die dritte dem Holz» zoll, die vierte dem S p e ck z o l l und noch war kein Ende abzusehen. Kein Gebrüll, kein Ge- schwafel, mehr aus die Sache eingehend, mit souveräner Beherrschung des Materials, so daß der Präsident nicht einmal in d'e Lage kommt, ihn zur Sache zu rufen, setzte er seine Rede sort. Die Abgeordneten der Mehrheit zogen entsetzt zwischen dem Sitzungssaal und dem Restaurant hin und her, die Präsidenten lösen sich ab. die Kohlenstifte der Lampen wurden ausgewechselt, an der Tür wurde eine Sperre gegen ausbrechende Abgeordnete eingerichtet. Antrick sprach frisch und munter weiter! Ueber Schinken, Blumen. Gemüse. Buchweizen, Obst und lebendige Esel. Es wird 10, II. 12 Uhr, neugierig blinzeln die Reichs- boten durch die Türen: Antrick spricht wei« ter! Er hoffte auf die Heiligung des Sonntags, er rechnete mit dem Zentrum, das noch niemals denTag des Herrn" durch profane Politik ent- helligt hatte aber darin täuscht« er sich. Di« Frommen beider Konfessionen waren nicht gswlllk» sich wegen solcher Bedenken den Raub aus den Fingern reißen zu lasten. Um Kl Uhr beendete Antrick seine Rede, sie hatte genau acht Stunden gedauert. Frisch und munter, von seinen Genosten beglückwünscht, kletterte er von der Rednertribüne herunter und im Hause kol- portierten die Gegner das empörte Scherzwort: Der scheußlichste Trick der Sozialdemokraten ist der Antrick." Und sie rächten sich! Sie stimmten über sämtliche Paragraphen des Gesetzes und über 300 Positionen des Tarifes in einer einzigen Ab- stimmung ab nach einer stürmischen Geschäfts-

.Melde gekorsamst: wir haben den Betrag deiner Kaiserhof-Rechnung zusanunengefochten, hoher Osaf!"

ordnungsdebatte, in der sich selbst Singer drei Ordnungsrufe holte Um 4.40 Uhr morgens wurde die Sitzung geschlosten, ein für damalig« Verhält- niste unerhörter Vorgang. Antricks rednerische Leistung ist. soviel wir wisten, nur ein einziges Mal übertroffen worden. Der Deutfchfortschrittler Lecher hat einmal ifti österreichischen Parlament 12 Stunden hinterein­ander gesprochen. Für Deutschland aber blieb Antrick für Jahrzehnte das Schreckenskind und mit Entsetzen wurde es ausgenommen, wenn der Prä- stdent ihm wieder einmal das Wart erteilte.

Klagges in Nöten Erwerbslosensturm gegen Nazi­minister Eigenar BtrUht desVorrairUT Lraaaschwelg, 13. Dezember. Die Fartsetzung der heutigen Landtagsfltzung, über deren Leginn wir schon berichteten, gestaltet« sich außerordentlich stürmisch. Aus den Tribünen hatten zahlreiche Erwerbslose Platz ge- nommen, die besonders das Schicksal der von der sozialdemokratischen Fraktion gestellten Anträge auf Schaffung von Arbeitegelegen- h e i t und auf Gelpährung einer Winter« Hilfe mit Spannung oerfplgten. Als Minister

Aus Feme -Heines Wirkungskreis S.A.'Eührer zu Zuchthaus verurteilt Femedrohungen gegen SA.-Mann

Eigener Bericht desVorwärts" Gleiwih, 13. Dezember. Das Sondergericht in GIeüvitz oerurteilte nach viertägiger Verhandlung den nationalsozia» listischen SA.«Trupp führer Roll« wegen Verbrechen gegen§ 214 des StGB, zu 7 Jahren Zuchthaus und den SA.-Mami Drobtonka wegen Beihilfe zu 4 Monaten Ge- f ä n g n i s. Die Verurteilten waren in der Nacht zum 4. August d. I. aus einem Motorrad nach Gleiwitz -Sosnica geiahren. Als sie dort von einer Polizeistreife angehallen werden sollten, gab der SA.»Mann Rolle auf die zwei Beamten aus einer 08-Pistole sieben Schüsse ab. Ein Beamter erhiell einen Bauch- schuh und schwebte mehrere Monat« in Lebens- gefahr. Der zweite Beamte erhielt einen Unter- schenkelfchuß. Roll« leugnete die Tat bis zum Schluß der Verhandlung und gab an. daß ein Kommunist der Täter sei.-Erst unter erdrückender Beweislast legte er im Schlußwort ein Geständnis ab. Während der Verhandlung bezeichnete er seinen Kameraden Drobionka, der von vornherein geständig war. als«ine» gemeinen Lumpen.

Drobioicka ersuchte In einer Eingabe an die SlaatsanwaUschaft um Schutz nach seiner EntHaftung, da er befürchten müsse, daß man ihn umbringen werde. Sein« Ehefrau sagte als Zeugin aus, daß man auch sie seitens der SA. bedroht, und erklärt habe, daß ihr Mann erschossen würde. Rolle ist wieixrholl mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, hat vor Jahren seine sechs« köpfige Familie verlassen und mehrfach Betrug verübt und gilt als ein streitsüchtiger Mensch, mit dem außer der SA. niemand etwa» zu tun haben wollte. In der Urteilsbegründung erklärte der Sonder« gerichtsvorsttzende, daß das Gericht als straf« oerschärfend angesehen Hab«, daß Roll« in öffentlicher Sitzung seinen geständigen Kameraden als einen Lumpen bezeichnet Hab«. In der V«r- Handlung wurde von Kriminalbeamten als Zeugen bekundet, daß nach vertrauenswürdigen Mit» tellungen von Nationalsozialisten in den August- lagen die Ermordung von mehreren höheren P o l ize i b e a m t e n durch Na- tionalsozialisten geplant gewesen sei.

Klagges in einem Zwischenruf bei der Red« eines KPD. -Abgeordneten vonoerhegten Er- werbslosen" sprach, kam es aus den Tribünen zu lebhaftem Widerspruch Rufe wurden laut wie: Nieder mit Klagges. Fort mit der Hunger- regierung Klagges!" Die Sttzung wurde unter- brachen. Der nationalsozlaliststche Präsident ordnete die Räumung der Tribünen an. Die Nationalsozialisten selbst konnten sich vor der Liebe ihrer eigenen Anhänger nicht retten. Zahl­reiche Parteifreunde von ihnen waren in das Fraktionszimmer der NSDAP , gedrungen. Da der Präsident Zörner nicht anwesend war. wandten sich die Zlaziabgeordneteu in ihrer Je- drängnt» an den sozialdemokratischen Vize­präsidenten Rieke mit der Bitte, die Entfernung der Eingedrungenen zu veranlassen. Genosse Rieke lehnte diese Zumutung jedoch ab. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wurde Klagges durch dsn sozialdemokratischen Abg«» ordneten Rohloff überführt, di« Umvahi» heit gesagt zu haben Klagges hat nämlich die Behauptung aufgestellt, daß d'emarxistischen Landräte" in d«n Braunschweig benachbarten preußischen Kreisen niedrigere Richtsätze für die Wohlfahrtsempfänger angeordnet hätten als er in Braunschweig . Diese unwahre Behauptung wurd« widerlegt. In Gandersheim , so führte der sozialdomokratisch« Redner unter lebhaften Hört- hört-Rufen der Linken au», haben nationalsozia« listische Funktionäre ihr« Aemter im Fürsorge» ausschuß zum Protest gegen den unsozialen Kurs des Herrn Klagges niedergelegt. Die Nicht« fätz e stehen auf dem Papier. Diele Ge- meinden in Braunschweig sind durch Klagges g«» halten, Sätze auszuzahlen, bei denen die Erwerbs- losen verhungern. Der Naziminister versuchte sich damit heraus- zureden, daß die Reichsregierung für sein eigenes Versagen verantwortlich sei. Solange di« National- sozialisten nicht im Reich für eine kräftige nationale Wirtschaftspolitik sorgen könnten, sei an eine Besserung der Verhältnisse nicht zu denken. Er könne auch nichts anderes tun. als immer und immer wieder aus das Reich einwirken. Dieses Bankrottgeständnis wurde von der Linken sofort festgehalten.

Hitlers Berater Wir«rhallen folgende Berichtigung: Es i st unrichtig, daß die agrarpolittsche Abteilung des Braunen Hauses von den Herren Darre, Reifchle und mir geführt wird. Richtig ist vielmehr, daß ich mit der agrarpolitischen Abteilung in keinerlei Bindung stehe. Es ist unrichtig, daß ich wegen falscher Bilanzführung. Kreditmißbrauch usw. im Sommer 1931 als Direktor der Gärtnerbank fristlos«nt- lassen worden bin Richtig ist vielmehr, daß ich meinen nebenamtlich geführten Posten als Vorstands« Mitglied der Gärtnerbank von mir aus auf Grund eigener Entschließung im Einverständnis mit dem Aussichtsrat bereits im März 1931 aus anderen Gründen abgegeben habe. Kurt Fachmann.