BEILAGE
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Stans Volker Styan: Lichter in der Tiefe
Die größte Meerestiefe beträgt 10 800 Meter. Sie liegt bei den Philippinen und heißt ,, Em de n- tiefe". In diesen gewaltigen Abgründen ist tein Leben mehr, das mit dem menschlichen Auge wahrnehmbar wäre. Nur in dem sogenannten roten Tiefseeton, der die meisten Tiefseegründe bedeckt, leben mikroskopisch kleine Lebewesen.
Aber in Tiefen von 1000 bis 3000 Metern leben Geschöpfe von bizarrer Eigenart und Schönheit. In diesen Lagen herrscht völlige Finsternis. Jede Bewegung des Waffers hat aufgehört. Mögen über dem Meere Stürme toben, mag die Oberfläche des Ozeans ein wogender, brüllender, schäumender Kampf sein, in diese Abgründe dringt nicht ein Hauch davon. Unbeweglich und dunkel stehen die unendlichen Wassermengen der Tiefsee. Do so mannigfaltig ist die Natur und in ihren Möglichkeiten so unbeschränkt, daß sie es vermag, selbst in dieser graufigen Dede Geschöpfe bestehen zu lassen.
Hin und wieder durchbricht ein unwirkliches Licht das schwarze Nichts. Ein weißgrünlicher Schimmer entsteht, der sich bald verstärkt. Lautlos gleitet eine Reihe von merkwürdigen Fischen heran. Sie sind, wie die meisten Tiefseetiere, nicht mehr als fingerlang und in der Form einem Karpfen nicht unähnlich. Nur der Kopf ist stärker und die Stirn bedeutend mehr gewölbt. Das grüne Licht, das diese stillen Wanderer begleitet, geht aus von einer Reihe kleiner Punkte, die an den beiden Seiten der Fische bis zur Schwanzwurzel entlanglaufen. Außerdem hat jeder Fisch eine sehr starke Lampe porn an der Stirn. Und so, sich ihren Weg erhellend, ziehen sie, wie eine Reihe von Bergleuten durch die Dunkelheit ber Stollen wandert, durch die Einsamkeiten der Meerestiefen
Es gibt Raubfische in diesen Regionen, die in erster Linie aus Rachen bestehen. Der übrige Körper sieht aus mie eine lange Peitschenschnur. Am Ende hängt eine Lampe. Außerdem bedecken viele kleine Lampen das ungeheuerliche Maul und den lächerlich dünnen Körper. Flott gleitet so ein Unhold heran. Kommt er in die Nähe kleinerer Leuchtfische, macht er rudartige, schnelle Bewegungen, der Schlund tut sich auf und Stülpt sich über einen der Fische. Ein Ruck nach vorn, und ein zweiter Fisch ver: schwindet im Rachen. Unterhalb des dünnen Fischleibes bildet sich ein dünnhäutiger, durchsichtiger Sad,
in dem deutlich sichtbar die eben noch so munteren Leuchtfische verschwinden. Eine furze Zeit glüht ihr blaues Licht noch durch die dünne Wand des lebendigen Sarges, in eigenartigem Kontrast zum rötlichen Schein, in dem ihr Bertilger strahlt.
Eine andere Form hat einen gewölbten Kopf und einen mächtigen Rachen. Auch der übrige Rörper ist fräftig und gedrungen. Ein eigenartiges Must er von Leuchtorganen bedeckt den Kopf. Aus der Mitte der Stirn ragt ein ziemlich langer Stiel in die Höhe, an dessen Ende ein großer Leuchtkörper sitzt, der ein intenfives weißes Licht ausstrahlt. Ein gräuliches Gebiß hat dieser Fisch. Wie Dolche ragen die langen, spigen Zähne, abwechselnd große und Pleinere. Echeinbar friedlich zieht der Räuber dahin. Strahlend umgibt ihn der weiße Schein feiner Leuchtorgane. Doch plöglich steht er still. Die Laternen verblassen, bis sie nur noch einen ganz schwachen Schimmer geben. Regungslos verharrt der Leuchtfisch. Aus der Finsternis nähert sich ein gelbes Licht. Als es im Näherkommen stärker wird, zeigt sich ein läng= licher Fisch, etwa in der Form einer Forelle. Nur ist das Maul mehr den Tiefseeverhältnissen angepaßt. Gefährlich frümmen sich die Zähne über den
wurde
-
die knapp
-
Mahlzeit
fallen
die Festgenossen übereinander her.
Rand des Rachens. Unten am Kinn hängt Lept eine Lampe an einem dünnen, nicht zu langen Stiel. Auch die Flanken und der Kopf sind mit Leuchtorganen versehen. Arglos schwimmt der Fisch, der ebenso wie der andere, ein Raubfisch ist, heran zu spät wird er den abgeblendeten Lichtschein seines Gegners gewahr. Die Floffen stemmen sich gegen das Wasser, der Forellenähnliche hat die Ueberlegenheit seines Gegners erkannt. Seine Lichter erlöschen. Er will zurüd in die schützende Nacht. Doch er tommt nicht zum Wenden. Wie ein Geschoß schießt der andere auf sein Opfer los. Den Rachen weit aufgerissen, wieder im weißen Licht strahlend, erreicht er den Gegner. Auch dessen Lampen leuchten jest grell in fattem Gelb Ein kurzer Kampf. Ein Sprühen und Funkeln der durcheinanderwirbelnden Flam men, dann trifft ein Biß der grausamen Kiefern den langen Dünnen. Zweimal Schlucken und Würgen und das gelbe Licht ist für immer erloschen. Mit einem Bauch wie eine Trommel entschwindet der überfatte Sieger, seine Leuchtorgane schimmern matt.
Die Tiefseetiere haben ihre Lampen in erster Linie, um sich in der Paarungszeit zu finden.
Nicht nur Fische sind es, die in diesen Tiefen leben und leuchten. Auch die verschiedensten Formen von Polypen fommen dort unten vor. Sie weichen in der Form etwas von der uns bekannten Art ab. Einzelne erinnern in der Form des Rumpfes an ein Torpedo. An den Seiten haben sie flügelähnliche Flossen. Born sind die Arme ähnlich angeordnet wie beim Tintenfisch.
Bemerkenswert ist das große von Leuchtorganen umgebene Auge. Auch die Fangarme haben Leuchtpunkte.
Auch eine Krebsart, deren Scheren verfümmert sind und auf langen Stielen sizen, lebt in diesen Tiefen. Sehr feine, verästelte Fühler hat der Krebs, die mit winzigen Leuchtorganen besetzt sind. Wie Echeinwerfer strahlen seine Augen und die unter dem Körper fizzenden Lampen. Das Tier ist so zart, daß seine Organe durch die hautdünne Schale schimmern. Er lebt von Tieren, die nicht größer als Wasserflöhe find.
Bon Zeit zu Zeit entsteht in der dunklen Dede der Tiefsee eine Orgie von Leben und Bewegung. An der Oberfläche, ein paar Tausend Meter höher, zog ein Liehdampfer vorüber. Bei starkem Sturm ging eine Ruh über Bord. Kaum 300 Meter tief gefunten, war von den zwölf Zentnern nur noch die Hälfte übrig. In der kurzen Zeit hatten die Haie mit ihrem starten Gebiß gute Arbeit geleistet. Dann mußten sie die Tafel aufheben, da der Wasserdruck ihnen zu stark wurde. Andere Hungrige stellten sich ein. Fische, die in dieser Tiefe zu Hause sind, rissen und zerrten an dem Kadaver, um
nur recht schnell ihren Anteil zu bekommen. Je tiefer so ein Körper sinkt, desto langsamer wird seine Reise. Es wird sogar behauptet, daß in Achttausend bis Zehn tausendmetertiefen Schiffs= rümpfe überhaupt nicht auf den Grund sinken, sondern nach ein tausend paar Metern schwebend Der= harren. Die Kuh ist allmäh lich in der Tiefseeregion gelandet. Es dauert nicht lange, bis einige Lampenträger die Reste finden. Unruhig gleiten die hellgrünen Lichter um das fleischsetzenbehangene Gerippe. Aus den Wenigen wird im Handimdrehen ein Tohuwabohu iller Arten. Ein fortvährendes Hin- und Herschießen, ein Flammen in Weiß, Blau, Grün, Rot und Gelb. Und zu guter
Ueber die Mechanik der Leuchtorgane ist man sich noch nicht flar. Jedenfalls wird das Licht nicht durch Phos= phor hervorgerufen. Man war lange Zeit der Meinung, daß den Tiefseetieren die inneren Drgane plazen müßten, wenn sie an die Meeresoberfläche fämen. Ich sprach mit einem Wissenschaftler, der am Mittel meer mit Tiefseenetzen gearbeitet hat. Tagelang hatte die Expedition keinen nennenswerten Er= folg. Eines Nachts sah der Wissenschaftler zu sei nem Erstaunen hellblaues Funkensprühen der Wasseroberfläche. Er fischte mit einem Käscher danach und hatte einen kleinen Tiefseetintenfisch im Nez, der wild mit seinen Fangarmen um sich schlug, so daß die Leuchtorgane blaue Flammenringe sprühten.
an
DONNERSTAG, 15. DEZ. 1932
infolge einer unbekannten Funktion ihres Dr= ganismus nachts automatisch emporsteigen. Die Frage ist aber noch nicht geflärt, wie überhaupt über die Lebensgewohnheiten und EigenDunkel heiten der Tiefsee Geschöpfe der
Man nimmt an, daß diese Tiefseebewohner herrscht.
Charbin ist die europäischste Stadt der Man dschurei, mit europäischen Prachtstraßen und amerikanischen Hotels. Charbin rühmt sich, daß es die beste Polizei des Ostens habe und daß die Ordnung auf den Straßen beinahe preußisch sei. Und doch ist Charbin tatsächlich eine Stadt, die ganz in den Händen einiger Räuber banden liegt. Die großen Paläste auf den Hauptstraßen stehen heute leer oder sind bevölkert von den Generalstäben der verschiedenen mandschurischen Räuberabteilungen. Die Polizei ist wirklich sehr ordnungsliebend, ganz europäisch treibt sie Ordnungspolitik. Jedes Auto, das zu schnell fährt, wird aufgeschrieben, jeder Passant, der auf der Hauptstraße Papier megwirft, betommt seine Strafe, aber geschieht irgendwo ein Ueberfall, dann ertönen auf der Straße Polizeisignale, damit fein Beamter den Räubern in den Weg läuft! Ja, die Polizei wird vor den Ueberfällen verständigt, damit sie rechtzeitig den betreffenden Plag räumen kann. Die Räuber regieren.
Charbin war auch in der Zarenzeit der Sammelpunkt der Chunchufen, der chinesischen und mandschurischen Räuber, die von Ueberfällen und Entführungen leben und deren Eristenzdasein sich nach Fertigstellung der großen chinesischen Eisenbahn bedeutend erweitert hat. Aber folange die Mandschurei von der japanischen Kriegsparade verschont war, konnte man Charbin leben. Die Stadt hatte durch den Handel mit China ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten und das Räuberhandwerk war noch nicht so an der Tagesordnung wie jezt. Der Krieg hat Hunderttausende brotlos gemacht, und viele Verzweifelte wurden wider ihren Willen in die Reihen der Räuberbanden getrieben: auf der Flucht vor dem Hungertode. Japan gibt vor, die Militärintervention richte sich nicht zum geringsten gegen die Banditen. Aber erst Intervention und Krieg haben das Banditenwesen zur höchsten Blüte gebracht. Niemals war Charbin in dem Maße die Hauptstadt der Räuber wie heute unter der Militärbesagung. Wenn die Räuber Charbin regieren, so können sie das nur mit der stillen Einwilligung einiger Militärbehörden, die dadurch einen Grund für ihr Verbleiben haben. Die Charbiner Polizei bekommt ihre Prozente von den Räubern, das ist ein offenes Geheimnis in der ganzen Mandschurei. Bezeichnend ist es, daß jezt einer der Räuber= führer, ein sehr prominentes Mitglied des ,, großen Bandenrates"( so nennt man das Räuberparlament, das ganz offen in Charbin tagt auf der Hauptstraße hat diese ,, Behörde" 5 eigene Bürohäuser, und jeder Charbiner weiß, daß er da Lösegeld zu bezahlen hat bei Entführung Berwandter) vom Polizeipräfidenten Charbins zum Polizeikommissar ernannt wurde. Die Freundschaft zwischen Banditen und Behörden dehnt sich auch allzuoft auf die Militärleitung aus. Der leidende Teil ist natürlich die friedliche Bevölkerung. Aber auch der kleine mandschurische Räuber lebt so färglich wie ein Kuli, denn der Gewinn bleibt bei den großen Führern, die in Automobilen umherjahren und die besten Villen Charbins erworben haben. Das japanische Militär schießt manchmal auf die Räuber, aber natürlich nur auf die kleinen zerlumpten Räubersoldaten
Die Mandschurei ist heute ein armes Land und Charbin eine notleidende Stadt. Es lohnt sich nicht mehr, den mandschurischen kleinen Bürger zu berauben. Es lohnt sich aber auch nicht mehr, die reichen Kaufleute zu der überfallen, denn Mandschure hat entweder sein Geld verloren oder ins Ausland gebracht. Die Banden wenden sich deshalb immer mehr dem ,, europäischen Geschäft“
zu.
In Charbin besteht eine ziemlich große Hier amerikanische und europäische Kolonie. lohnen sich Entführungen noch. Hat der Europäer selbst kein Geld, so ist seine Regierung bereit, das Das erklärt die vielen EntLösegeld zu zahlen. führungen europäischer Frauen und Kinder in letzter Zeit. Bei einem Ueberfall in Charbin setzte sich die Frau eines amerikanischen Beamten zur Wehr, um ihre Kinder zu schüzen. Der Anführer der Räuber erschoß daraufhin Mutter und Kinder. Ganz Charbin fennt den Namen des Banditenhäuptlings, eines früheren Offiziers, nur die Polizei hört und sieht nichts. So weit ist es gekommen, daß die Eltern ihre Kinder nur unter bewaffneter Estorte zur Schule schicken. Die Kindergärten werden bewaffneten Wächtern beschützt, und es fällt nicht aus diesem Rahmen, wenn ein Kinderspielplay in einem Part inmitten der Stadt durch sieben Maschinengewehre gesichert wird. Diesen Selbstschutz organisiert die friedliche Bevölkerung. Man erzählt sich in Charbin, daß neulich bei der Entführung eines kleinen Kindes die Eltern den Abgesandten der Räuberbande kein Lösegeld be= zahlen wollten, weil sie Angst hatten, nicht den richtigen Bandenvertreter vor sich zu haben. Daraufhin sagte der Banditenhäuptling gang ruhig: Kommen Sie zum Polizeirevier, man wird Ihnen bestätigen, daß ich der Vertreter der Bande bin!"
Don
Für Charbin gibt es nur eine Rettung: Aufhebung des Militärzustandes und Aufhebung der Militärgrenzen, damit es wieder arbeiten kann. Dann werden die Räuberhäuptlinge vergebens nach Soldaten suchen, denn der mandschurische Söldner hat schon lange das Räuberdasein satt, aber die Banden geben wenigstens Wasser und Brot. Es scheint auch, daß die Führer der Banditen, die alle hohen und höchsten Offiziersständen angehören, eine andere Entwicklung in der letzten Zeit befürchten. Jedenfalls beginnen sie ihr verdientes Geld nach dem Auslande abzuschieben. Aber solange der Krieg wütet, wird auch Charbin seine Räuber haben, die nur eine Begleiterscheinung des Krieges sind!
STRES DRAUMAR
ENGELHARD
.. stets vorzüglich
... stets bekömmlich
Engelhardh
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