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Morgen- Ausgabe

Nr. 591 A 290 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fermiprecher 7 Amt Dönhoff 292 bts 297 Selegrammabrefte: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

FREITAG

16. Dezember 1932

Jn Groß Berlin 10 Bf. Auswärts...... 15 Bf.

Bezu sberingungen und Anze'gerpreise flebe am Schluß bes tebaktionellen Tells

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Das Programm des Kanzler- Generals

Es sprach:

Herr General von Schleicher

Einen neuen Reichstanzler hatte der Ansager im Rundfunk angekündigt. Aber als die Rede zu Ende war, sagte er: Es sprach Herr General von Schleicher." Das Entscheidende ist damit schon ausgesprochen.

Papen, der nichts als den Herrenflub hinter sich hatte, berief sich immer auf die Vorsehung. Schleicher sprach niemals vom lieben Gott, desto öfter Don feinen Bataillonen.

Papen fühlte sich unsicher, darum néigte er zu Erzessen der Gewalt. Schleicher fühlt sich so sicher, daß er sich sogar den Lurus der Höf.ichkeit gestatten fann. Und nur, als wäre es ganz unabsichtlich, läßt er leise den Säbel flieren.

Der General von Schleicher will als über­parteilicher Sachmalter der Interessen aller Bevölkerungsschichten angesehen werden Aber so etwas gibt es nicht. Er. der meder zu den Kapitalisten noch zu den Sozialisten gerechnet werden will, hat sich mit größter Deutlichkeit für den fapitalistischen Weg entschieden. Er übernimmt Bapens Wirtschaftsprogramm als geeignete Grund­lage Das ist die entschiedenste Abfaae an alle Pläne, die aus der Ueberzeugung geboren find, daß die tiefgehende Krise des Kapitalis mus zu sozialistischen Lösungen drängt. Der Grundgedanke von Papens Wirtschafts­programm ist die Wiederbelebung der Privatmirischaft, die kapitalistische Offensive. Das bleibt, und Herr von Schleicher erklärt, daß er in engster Uebereinstimmung. mit dem Reichsverband der Deutschen In­ dustrie stehe Es bleibt die reaktionäre Agrarpolitif es bleibt der Versuch der agrar­politischen Absperrung Deutschlands , die tünstliche Hochhaltung der Preise der Agrar­produkte, es bleiben die Widersprüche, die zwischen dem platonischen Bekenntnis zur Wiederbelebung des Binnenmarktes und dem Nachgeben gegenüber dem Drängen des Großaarariertums bestehen.

Die Veränderung gegenüber dem Papen­Programm liegt im wesentlichen nur in der Verstärkung des Anteils der öffentlichen Arbeitsbeschaffung. Herr Don Schleicher hat aus dem Bapen- Programm die Teile weggelassen, dessen Versagen heute schon ganz eklatant hervorgetreten ist. Er hat statt dessen den Weg zur öffentlichen Arbeits­beschaffung eingeschlagen, der durch den Bankrott der Einstellungsprämie schon ganz flar vorgezeichnet war.

Zugleich sollen die Teile des Papen - Pro­gramms fallen gelaffen werden, die die kapi­tali ische Offensive zur Pro votation ge macht haben Der sozialpolitische Teil der Notverordnung vom 4. September wie die Lohndruckverordnung vom 5. September sind aufgehoben Der Reichskanzler erklärt nun, daß eine weitere Senfung der Löhne wirtschaftlich nicht zweckmäßig und sozial nicht erträglich sei Wir erblicken darin nicht ein soziales Zugeständnis eines sozialen Generals" es ist lediglich die Konje­quenz eines Bustands, der sich im Kampfe herausgebildet hat!

-

zu

So ist das Schleichersche Wirtschaftspro­gramm ein Programm des Wiederaufbaus des Bekenntnis Kapitalismus , ein Methoden, die im Papen - Kabinett entworfen sind und im Hugenberg- Lager im großen und ganzen täglich gebilligt werden. Es ist

Militärische Betrachtungen über Wirtschafts- und Sozialpolitik

Papen - Kurs im gemäßigten Tempo. Es ist tapitalistische Offensive, zwar nicht im Tempo des Herrenreiters, mohl aber im Tempo des systematisch vormarschierenden modernen Soldaten, der Respett vor dem Gegner ge­lernt hat!

Dieses Programm steht im striften Gegen­faz zu den Plänen der sozialistischen Aktion. Es wird der grundsäglichen sozialistischen Opposition der Sozialdemokratischen Partei begegnen!

Herr von Schleicher hat weiter die Auf­hebung der politischen Notver ordnungen angefündigt; in welchem Um­fang, ist heute noch nicht sichtbar. Er hat diese Ankündigung verbunden mit einer Drohung gegen Parteien, Verbände und Presse. Diese Ankündigung in dieser Form ließ erkennen, daß Herr von Schleicher dikta­torisch wirken will, nicht mit der offenen Dik­tatur, sondern zunächst mit der Androhung der Diktatur. Daß er sich dabei mit einseitiger Schärfe gegen die Kommunist en wandte. obwohl die meisten und schlimmsten Gewalt taten ber legten Monate von ganz anderen

Leuten verübt worden sind, ist mit seiner an­geblich überparteilichen Einstellung nicht ver­einbar.

In der Preußenfrage ist von einer Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zuständen nicht die Rede. Der Wille der Reichsregie­rung soll in Preußen Gesez sein erst dann sollen die Kommissare zurückgezogen werden!

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Mit Spannung haben die Erwerbs. losen und die Notleidenden den Erklärun­gen des Herrn von Schleicher über die Winterhilfe entgegengesehen. Was er ihnen bietet. ist wenig: Frischfleischverbilli­gung und Kohlenverbilligung. Seine Wen­dung gegen die Reichstagsausschüsse läßt er­kennen, daß die Erwerbslosen darüber hin­aus nicht viel mehr zu erwarten haben!

In der Außenpolitik beschränkte sich Herr von Schleicher auf eine tiefe Verbeugung vor Mussolini und eine fleine, etwas spötti­sche vor dem Völkerbund. Und damit fam er auf das Gebiet. das ihm am nächsten liegt: das militärische. Merkwürdig, daß er hier am stärksten daneben griff!

Leben im Felde fennengelernt, so hätte er nicht von der Kameradschaftlichkeit im alten Heer gesprochen! Dieser Ausspruch wird bei dem größten Teil der ehemaligen Frontsoldaten dem bittersten Protest begegnen. Er wird viele, die der Landes­verteidigung feineswegs absolut negierend gegenüberstehen, hellhörig und mißtrauisch machen Herr General von Schleicher, es hat teine Armee gegeben, die stärker auf dem System der Klassenherrschaft und des kadavergehorsams beruhte, als die königlich preußische! Jeder Versuch, ihren Geist in einer fünftigen Miliz wieder aufer­stehen zu lasser, wird dem schärfsten Widerspruch aller begegnen, die nicht zum alten Obrigkeitsstaat zurückwollen.

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Es sprach der General von Schleicher, der General des Bürgerblocks. Ihm fün­digt Herr Goebbels Opposition an- nach Weihnachten ! Ob diese Ankündigung wahr gemacht wird, ist abzuwarten. Die Sozial­demokratie braucht ihre Opposition nicht erst anzufündigen. Sie macht sie schon, und fie

Hätte Herr von Schleicher das mirtliche bleibt dabei!

Die Programmrede Schleichers

Der Reichskanzler äußerte sich am Donnerstagabend in einer Rundfunk­der rede über das Programm neuen Reichsregierung. Schleicher begann mit der Feststellung, daß er gegen die Annahme des Kanzleramts schwerste Becenfen" gehabt hätte. Einmal hätte er nicht der Nachfolger seines Freundes Papen sein wollen dieses Ritters ohne Furcht und Tadel". ferner rieche der Wehrminister als Reichskanzler nach Militärdiktatur" und schließlich könnte durch eine Verbindung der beiden Aemter die Wehrmacht zu stark in die Politik gezogen werden". Nur die Ueberlegung, daß eine solche Maßnahme den Ernst der Situation scharf fennzeichnen und auf gewisse Unruhestifter abkühlend wirken würde, daß dadurch der tatsächliche Einsaß der Wehrmacht verhindert werden könne ha e ihn zur Zurüd stellung seiner Bedenken veranlagt.

Schleicher fuhr dann fort: Ich glaube das um so mehr sagen zu dürfen. als meine Anfichter. über Militärdiftatur nicht erst von heute sind und allgemein bekannt sein dürften. Ich habe es schon per chie entlich zum Ausdruck gebracht und wieder­hole es heute: Es fit fich schlecht auf den Spigen der Bajonette, d. h. man kann auf die Dauer nicht ohne breite Volksstimmung hinter sich regieren.

Mein Programm besteht aus einem einzigen Bunft: Arbeit schaffen!" Alle Maßnahmen, die die Reichsregierung in den nächsten Monaten durchführen wird, werden mehr oder weniger diesem Ziel dienen.

Ich habe mich in den lekten Wochen auf Fahrter durch die deutschen Lande davon über­zeugen fónnen. daß die Deutschen aller Stände ausschließlich der eine Gedanke beherrscht:..gebt uns Arbeit und damit die Hoffnung zum wirt­schaftlichen Wiederaufstieg!"

Alles andere interessiert uns nicht, am wenigsten Berfaffungsänderungen und fonftige schöne Dinge, von denen wir nicht fatt werden. Ich habe deswegen dem Herrn Reichspräsidenten die Ernennung eines Reichskommissars für Ar­beitsbefchaffung vorgeschlagen.

Das Programm muß in erster Linie auf die Instandsetzung der vorhandenen Produktionsgüter und auf ihre Verbesse= rung abgestellt werden. und die Vergebung der Arbeiten an Unternehmer ist der Ausführung in eigener Regie vorzuziehen Außerdem wird sicher­gestellt werden, daß die bereitgestellten Geld= mittel ausschließlich für die Finan­zierung dieser Arbeiten verwendet wer­den. Entscheidend wichtig war es, daß für diese Finanzierung eine Löfuna aefunden wurde, die jebe nflation ausschließt. Dafür bietet bie Mitarbeit des Reichsbantpräji.

denten Luther, den man wohl als den Grals­hüter der Währung bezeichnen darf, die sicherste Garantie.

Die gegenwärtige Finanzlage Deutschlands kann man folgendermaßen charakterisieren: Wir werden im laufenden Etatsjahr im Reiche ohne neue Steuern und ohne weitere Rürzun gen der Personalausgaben durchkom­men. Das Reich hilft Läncern und Gemeinden. deren finanzielle Verhältnisse zum Teil sehr schwierig liegen, durch organisatorische und finan­zielle Maßnahmen.

Mit der Frage der Arbeitsbeschaffung hängt die Siedlung eng zusammen. Ue er die Notwendigkeit zu fied In. und zwar so schnell und so viel wie möglich, sind wir uns alle ein'g. In den Landbegirfen Ostpreußen , Grenzmart, Pommern und Mecklenburg wird der Siedlung folgendes Land zugeführt werden: in Ostpreußen etma 800 000 Morgen, in der Grenzmark etwa 100 000 in Pommern etwa 280 000, in beiden Mecklenburg etwa 120 000 Morgen. Es ist camit zu rechnen, daß sich diese Zahlen in der weiteren die aufs Abwicklung des Osthilfeverfahrens, äußerste beschleunigt werden wird, noch sehr er­heblich erhöhen merden.

Papen - Programm bleibt

Ich bin fezerisch genug, einzugestehen, daß ich meder ein Anhänger des Kapitalismus noch bes Sozialismus bin, daß für mich Begriffe wie Pri­vat oder Planwirtschaft" ihre Schrecken verloren haben. ganz einfach, weil es diese Begriffe in ab­soluter Reinheit im Wirtschaftsleben gar nicht mehr gibt, auch gar nicht mehr geben kann. Und deshalb vertrete ich den Standpunkt. man soll in der Wirtschaft das tun, was im gege: enen Moment vernünftig ist und aller Wahrscheinlich­teit nach zu den besten Resultaten führt.

Die Regierung wird nach wie vor ihr Augen­merf in erster Linie auf eine Belebung des Binnenmarktes richten, der die stärksten Schrumpfungen aufweist. Sie ist sich aber dar­über flar, daß auch die größte Belebung bes Binnenmarktes nicht ausreicht, um für Brot und Arbeit zu sorgen Bom Binnenmarkt allein aus wird es nicht möglich fein. im eigenen Lande ge­nügend Arbeit möglichkeiten bereitzustellen. Wir müssen vielmehr für einen erheblichen Teil un­serer Bevölkerung Beschäftiguna dadurch schaffen. daß wir Boren für das Ausland erzengen.

Bon deser Grundein telluna aus hat die frühere Regierung ihr bekanntes Mirffchaftsvrogramm aufgebaut. Diefes Wirtschaftspro­gramm hält auch die gegenwärtige Regierung in feinen wesentlichen Tellen für eine geeignete Grund

lage zur Lösung der wirtschaft­lichen Entwidlung.

Agrarische Hochschutzzollpolitik Nach wie vor besteht ein Mißverhältnis zwischen überhöhten Produktionskosten der Landwirtschaft und den Preisen der landwirtschaftlichen Erzeug­nisse. Hier muß ein Ausgleich geschaffen werden. Sobald hier die handelspolitischen Schwierig feiten fortfallen und wesentliche Erleichte rungen eintreten, wird die Reichsregierung von ihrer Zollautonomie im Interesse der Land­wirtschaft in dem erforderlichen Ausmaße Ge­brauch machen. Außerdem wird sie der über­mäßigen Einfuhr einzelner Waren auf dem handelspolitischen, jeweils geeigneten Wege ent gegenwirten.

3hr ganz besonderes Augenmerk wird die Reichsregierung auf die Beseitigung der Bermischung von Staats- und Privatwirtschaft richten. Es geht nicht an, daß große Unternehmungen alle Vorteile der Privatwirtschaft genießen wollen, alle Nach­teile aber, vor allen Dingen aljo das Risiko, auf den Staat abwälzen. Für Betriebe, die in irgend einer Form mit Staatsgeldern arbeiten, dürfen in Zukunft nur die Grundsätze für Staats­betriebe Geltung haben. Jede andere Regelung bedeutet eine nicht zu rechtfertigende Bevor zugung einzelner auf Kosten der Allgemeinheit. Alle Maßnahmen, Arbeitsbeschaffung, Siedlung und Anfurbelung der Wirtschaft müssen aber er folglos verpuffen, wenn das Bertrauen auf stabile Verhältnisse und der Glauben an eine bessere Zu­funft fehlen.

Eine Kriegserinnerung

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Es ist etwas viel verlangt, in dieser schweren Krisenzeit freudige ich unterstreiche das Wort ,, freudige" Mitarbeit zu verlangen und doch weiß ich, daß beim deutschen Bolte auch dies möglich ist, wenn bei allen notwendigen Anord nungen der soziale Gesichtspunft be rüdsichtigt wird. Also ein sozialer General, höre ich manchem meiner Zuhörer mit zweifelndem oder sogar spöttichem Achselzucken fagen. Ja, meine Damen und Herren, es hat in der Tat nichts Sozialeres gegeben, als die Armee der allgemeinen Wehrpflicht in der Arm und Reich. Offizier und Mann in Reih und Glied zusamenstanden und in den Wundertaten des Weltkrieges eine Kamerad schaft und ein Zusammengehörig teitsgefühl bewiesen haben, wie es die Ge schichte nicht seinesgleichen fennt. Vor einigen Tagen ist mir eine Ausarbeitung vorgelegt worden, die fich mit der inneren. Disziplin der Truppe im