Einzelbild herunterladen
 
  

Morgen- Ausgabe

Nr. 593 A 291 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

17. Dezember 1932

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Verlegenheiten in Frankreich

Chautemps lehnt Herriots Nachfolge ab- Paul Boncour berufen

Eigener Bericht des, Vorwärts"

Paris , 16. Dezember. Chautemps hat den Auftrag zur Neubildung der Regierung zurückgegeben. Sein Versuch, zwischen der These Herriots und dem Beschluß der Kammer in der Schuldenfrage eine Vermittlung zustande zu bringen, um Herriot für sein kabinett als Außenminister zu gewinnen, ist geschei­fert. Alle Fraktionen der Kammer beharren auf ihrem Standpunkt in der Schuldenfrage. Ange­fichts dieser parlamentarischen Lage dürfte der Präsident der Republik nunmehr gezwungen sein, eine Persönlichkeit mit der kabinettsbildung zu beauftragen, die die Haltung der Kammer in der Schuldenfrage billigt.

Nach der Weigerung von Chautemps hat der Präsident der Republik dem bisherigen& riegs­minister Paul Boncour die Bildung des neuen kabinetts übertragen. Paul Boncour nahm den Auftrag im Prinzip an und setzte dem Präsidenten gleich sein Programm aus­einander. Er verließ das Elysee um 10 Uhr mit der Erklärung, daß er heute abend nur noch mit Herriot sprechen und nach weiteren Berhand­lungen am Sonnabend dem Staatspräsidenten feine endgültige Antwort überbringen werde.

Kurz bevor Chautemps dem Präsidenten seine ablehnende Antwort überbrachte, war bekannt geworden, daß der Auswärtige Ausschuß der Kammer in einer offiziösen Sihung es ab­gelehnt hatte, der Kammer eine andere Ent­schließung über die Schuldenfrage zu unterbreifen, falls die amerikanische Regierung fich offiziell mit der Einberufung einer internationalen Schulden­

und Wirtschaftskonferenz einverstanden erklärt. Die anwesenden Mitglieder des Ausschusses waren einstimmig der Meinung, daß es nicht ihre Aufgabe sei, den gefaßten Beschluß umzustoßen, sondern die Aufgabe der Kammer, wenn die neue Regierung einen entsprechenden Antrag stellt.

Diese Haltung des Auswärtigen Ausschusses war schließlich entscheidend für die Weige­rung Chau temps, die Kabinettsbildung zu übernehmen.

Amerika hofft auf französischen Umfall

Washington , 16. Dezember.

Zu Beginn der heutigen Senatsfihung erklärte Senator Harrison, der eine Rede über die franzöfifche Zahlungsverweigerung geplant hatte, daß er vom Staatsdepartement eine 2niffeilung erhalten habe, die es ihm angezeigt erscheinen laffe, die Rede nicht zu halten. Auch Senator Borah, der heute ebenfalls über die Schulden­frage sprechen wollte, nahm von feiner Rede Ab­stand.

Wie verlautet, hofft das Staatsdepartement, auf Grund einer Unterredung zwischen dem fran­ zösischen Botschafter Claudel und Stimson , die gestern stattgefunden hat, daß Frankreich doch noch zahlen werde. Aus diesem Grunde will man gegenwärtig scharfe Aeußerungen im Kon­greß möglichst vermeiden.

Die Hoffnungen beruhten offenbar auf den Nachrichten aus Paris über die Bemühungen von Chautemps, ein radikales Kabinett zustande

Generäle unter sich

Ein Kapitel von ,, Kameradschaft"

Als der General Ligmann als Alters präsident den Reichstag eröffnete, erregte der alte Herr einiges Aufsehen durch seine Angriffe auf Hindenburg , dem er mit dürren Worten jagte, er verdanke seinen Marschallstab eigentlich ihm, dem Herrn Lizmann.

General Schleicher, der als Reichskanzler sich dem Mikrophon anvertraute, hat diesen pein­lichen Angriff in seiner Rundfunkrede milde zurückgewiesen und Hindenburg vor Ligmann zu schüzen gesucht.

General - Ober- Osaf Hitler, der gestern im Hause des Reichstagspräsidenten eine politische Versammlung abhielt- Teilnehmer waren die hielt Mitglieder der Nazifraktion des Landtags es für notwendig, Lizmann vor Schleicher zu schützen, indem er sich mit dem ersteren solidarisch erklärte.

-

Ermutigt durch solche Tat, ging der Unter führer der Braunhosen, Rube, unter dem Schutz der Immunität gegen Schleicher mit schwerem Geschütz vor. In seiner Kultur" rede, über die wir an anderer Stelle berichten, erklärte er unter anderem:

Wenn auch die historische Persönlichkeit Liz­manns weit über derartigen Angriffen steht, bleibt es doch tief bedauerlich, daß ein unbe tannter Major des Weltkrieges mit diesen Angriffen nicht nur gegen den Alters. präsidenten des Deutschen Reichstags und des Breußischen Landtags, sondern auch gegen den meit älteren und verehrungs. würdigeren Kameraden und seinen ihm meit überlegenen militärischen Führer Stellung ge­nommen hat.

Der Reichskanzler von Schleicher hat bei seinen Ausführungen das Wort Kamerabschaft­lich feit" gebraucht. Ich frage Herrn Reichs. fanzler pon Schleicher, ob er bei diesem Zitat, bei diesem Appell an die Kameradschaftlichkeit vielleicht daran dachte, wie er den Generalobersten von Seedtunter Wasser torpedierte,

wie er den späteren Reichswehrminister Geßler fameradschaftlich zur Strede brachte, wie er den Reichswehrminister Gröner rein tamerad. fchaftlich zur Strede brachte, wie er den Reichskanzler Brüning fameradschaftlich zur Strede brachte und wie er den Reichs fanzler von Papen ebenfalls famerad­schaftlich zur Strede brachte. Vielleicht verleitet die Kameradschaftlichkeit Herrn von Schleicher dazu, mangels anderer Objekte für seine Unterwassertorpedierung sich nun selbst zu torpedieren."

General Schleicher hat nicht zuletzt dafür ge­forgt, daß die SA. wieder erlaubt wurde, nachdem Groener sie verboten hatte. Wenn also Hitler und Kube in den neuen Treffenuniformen spazieren laufen dürfen, um sich als Generale " zu fühlen, so verdanken sie das im erster Linie Herrn von Schleicher. Es ist ein Zeichen ihrer Kameradschaftlichkeit, wenn sie dafür jetzt so hämisch über Schleicher herfallen, während fie doch wie Lizmann Hindenburg meinen!

Parteitag

am 12. März in Frankfurt a. M.

Der Parteiausschuß trat, wie schon kurz ge meldet, am Donnerstag gemeinsam mit der Kon­trollkommission zusammen, um die ersten Bor­bereitungen für den tommenden Parteitag zu treffen. Der Parteiausschuß stimmte dem Borschlag des Parteivorstandes zu, den Parteitag am 12. März und an den folgenden Tagen in Frankfurt a. M. abzu­halten.

Der Parteitag wird ein Befenntnis zu

zu bringen, das die Kammermehrheit dafür ge­winnen wollte, ihren Beschluß von Mittwoch früh rückgängig zu machen.

Inzwischen sind aber diese Versuche von Chau­temps gescheitert.

Genf und Lausanne

Auswärtiger Ausschuß

Der Reichstagsausschuß für auswärtige Ange­legenheiten tagte am Freitag, um einen Bericht des Reichsaußenministers über die Abrüstungs­fragen und das Lausanner Abkommen entgegen­zunehmen.

Der Sizung wohnten u. a. auch Staatssekretär von Bülow, Botschafter Nadolny, Finanz­minister Graf Schwerin von Krosigt, zahlreiche Beamte des Auswärtigen Amts und eine Reihe von Ländervertretern bei. Zunächst erstattete Reichsaußenminister Freiherr von Neurath einen Bericht über die außenpolitische Lage, besonders über die Lausanner Konferenz. Im zweiten Teil seines Vortrages beschäftigte sich von Neurath ausführlich mit den Genfer Ab= rüstungsverhandlungen. Reichsfinanz­minister Graf Schwerin von Krosigt machte im Anschluß daran einige ergänzende Bemerkungen über das Abkommen von Lausanne . Dann begann die Aussprache im Auswärtigen Ausschuß, an der sich Vertreter fast aller Fraktionen betei­ligten. Bon Regierungsseite wurden die ge­wünschten Auskünfte erteilt. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Zur Besprechung weiterer außen politischer Fragen, besonders der Ostfragen

und handelspolitischer Fragen, wurde eine weitere Sigung in Aussicht genommen, deren Einberufung dem Borsigenden überlassen wurde.

den Lehren von Kari Marg sein, dessen 50. Todestag in die Zeit des Parteitags fällt. Der vom Parteivorstand vorgeschlagenen vorläufigen Tagesordnung für den Parteitag wurde zuge stimmt. Den Auftakt zum Parteitag wird ein Refe­rat des Genoffen Hilferding über Marr und die Gegenwart" bilden. Einen poli tischen Bericht des Parteivorstandes und der Reichstagsfraktion wird Genosse Wels in einem Referat über die Politik der Sozialdemo= fratie" geben. Dann joll Genoffe Aufhäuser über die Krisenbefämpfung und Ar. beitsbeschaffung" referieren. Ueber die Wirtschaftliche und politische Völkerverständigung" Genoffe Breitscheid ein Referat halten. Ueber die " Parteiorganisation und Parteifinanzen" berichten die Genossen Vogel und Crummenerl.

wird

Zu diesem Tagesordnungspunkt soll der jetzige Vorsitzende des Sozialistischen Kulturbundes Ge nosse Grimme über die Tätigkeit des Sozia­listischen Kulturbundes in der Zeit der jetzigen Kulturreaktion sprechen. Genoffin Ju chacz wird über die Frauenbewegung Bericht erstatten, während der Bericht der Kontrollkommission durch ihren Vorsitzenden Genossen hengsbach ge­geben wird. Die Wahl des Parteivor standes und der Kontrollkommission und die Beratung der Anträge werden sich anschließen.

In der Nachmittagssigung befaßte sich der Parteiausschuß mit den in der Bresse vielfach er­örterten Differenzen in der Frage der Stellung­nahme zum Stülpnagel- Kuratorium. Diese Differenzen wurden in der Parteiausschuß­sigung restlos bereinigt, so daß sie einen Streit­gegenstand nicht mehr bilden.

Holland spart und löst seine Gesandtschaften in Wien , Warschau , Athen , Angora, Lissabon und Merito auf.

1

Faule Wechsel!

Ist das Hitlers Rettungsprogramm?

Seit zwölf Monaten erscheint in furzen Zwischenräumen an den geduldigen Anschlag­fäulen der Großstädte immer wieder die mit Hakenkreuzen verzierte feierliche Versicherung der Nationalsozialisten: Wir, wir allein bringen dem verelendeten deutschen Volke Arbeit und Brot." Vor den Reichspräsidenten­wahlen, vor den Preußenwahlen, vor den beiden Reichstagswahlen, immer wieder leuchtete die vielversprechende Verheißung uns entgegen: Arbeit und Brot! Nur die Natio­nalsozialistische Partei kann sie schaffen." Und als es zu den letzten Verhandlungen um Hitlers Kanzlerschaft kam, da versicherte ,, der Führer" erneut, daß er ein kurzes Programm zur Rettung des deutschen Volkes in der Schublade habe, man brauche ihn nur bedin gungslos zum Kanzler ernennen und die Rettung sei da. Immer wieder hat der ,, Vor­märts" den Ruf nach Herausgabe des ge­heimnisvollen Programms erhoben und den großherzigen" Führer ermahnt, das deutsche Bolt nicht herzlos verkommen zu lassen, weil er nicht Reichskanzler geworden sei, sondern das Rezept zur Heilung aller Not den Volks­genossen selbstlos zu verraten. Es blieb still im Blätterwald der sonst so gesprächigen Nazis. Zwar, der Führer gab neue ,, Richt­linien" heraus, er fegte Straßer ab und schränkte Feders Tätigkeitsfeld ein, er er­nannte Kommissare und Inspekteure, er ver­vollkommnete seine Machtbefugnisse, er plagte sich wie ein Feldwebel um die neue Rang­ordnung und die Unterordnungsverhältnisse seiner Armee aber vom Rang des Volkes feine Spur. Erst am Donnerstag im Haus­haltausschuß, ganz still und verstohlen, von der Deffentlichkeit kaum bemerkt und ver­zeichnet, ist einer der Barden, Abgeordneter Reinhardt, mit dem Programm heraus­gerückt, das die grundstürzende Umwälzung der deutschen Wirtschaft herbeiführen soll. Der Berg hat ein Mäuslein geboren, aber selbst dies Mäusleins Eigenschaften sind im Zwielicht der nationalsozialistischen Formu­lierung nicht genau zu erkennen. Nach dem Völlischen Beobachter" sind die Grundzüge der geplanten Rettung die folgenden:

-

1. Es werden an Stelle der bisherigen ,, Steuergutscheine" sogenannte ,, Arbeits­ wechsel " ausgegeben, und zwar ausschließlich an solche Personen bzw Unternehmungen, deren Mitwirkung an einer Arbeitsbelebung nach­weisbar ist.

2. Diese Arbeitswechsel müssen bis zu einem bestimmten Hundertsaz jede aus Lieferung fälligen Warenberechnungsbetrages von allen deutschen Unternehmungen in 3ahlung ge nommen werden.

3. Das Mehr aus Steuereinnahmen bzw. Er­sparnissen, das sich durch die Arbeitsbelebung bei Gemeinden und Ländern sowie aus Mehr­einnahmen bei den Sozialversicherungstaffen ergibt, ist zur Hälfte zur Schuldentilgung bzw. zur Vergebung öffentlicher Aufträge zu verwenden, zur anderen Hälfte an das Reich abzuführen.

4. Diese abgeführten Beträge bilden zu­sammen mit den eigenen Mehreinnahmen des Reichs das Aufkommensmehr aus Arbeits­wechseln", die wieder teilweise zur Einlösung solcher Arbeitswechsel, teilweise zur Schulden­tilgung bzw. Steuerfenfung und zugunsten der Sonderhaushalte durch Verbesserung des Reichs­finanzausgleichs verwendet werden.

Soweit aus dieser formulierten Konfusion überhaupt etwas zu erkennen ist, haben wir es mit einem ausgewachsenen In­flationsprogramm zu tun, das der Deffentlichkeit hiermit präsentiert wird.

Die sozialere Umgestaltung" beginnt da­mit, daß die Milliardengeschenke an die Be­fizenden, die jezt in Form von Steuergut­