M. msff
„Ja", sagte er,„ich habe darüber nach- gedacht- Es war dumm genug von ihm- Cr hat alle Ursache, froh zu sein, daß er so davongerommen ist. Außerdem ist zwischen den zwei Situationen ein Wesensunter- schied." „Wieso?" Berger wandte sich mit einem ruhigen Blick an Lüdersen„Ist es nicht so?" � Lüdersen runzelte nur unwillig die Stirn. „Ich weiß nicht, was du meinst", sagte er. „Das heißt, du hast natürlich ein gewisses Interesse dran, das was geschehen ist. zu oertuschen— sowohl das was dir geschah, wie das was mir geschah. Mir scheint, deine Lage war genau die gleiche wie meine. Obendrein hattest du noch mehr Zeit." Berger lächelte nachsichtig.„Ganz recht", antwortete er,„eben das war das Entschei- dende. Hättet ihr beiden anderen auch etwas Zeit gehabt, läge Quistlus heute nicht in einem Sarg und du wärest ohne die tleid- samc Bandage."* Lüdersen errötete heftig.„Kleidsam?" fragte er wütend. „Ja, den Eindruck machst du." „Aber ich bitte, meine Herren, ich bitte." Der Postdirektor klopfte mit dem Zeigefinger hart und zurechtweisend auf den schreib- tisch.„Ich will davon nichts wissen. Per- sönliche Bemerkungen sind hier durchaus nicht am Platze. Es ist einleuchtend, daß Ihre Stellung. Herr Berger. im Vergleich zu derjenigen der beiden andern Herren recht unvorteilhaft ist. Diese taten nämlich beide ihre Pflicht vollauf und noch etwas darüber hinaus." „Und ich?" „Tja— vollauf wohl kaum." „Meine Pflicht war also, zu sterben?" „Ihre Pflicht war. die Ihnen anvertraute Kasse zu verteidigen." „Das ist gleichbedeutend. Anders kann ich es nicht auffassen." Keiner antwortete. „Habe ich recht oder nicht?" Er wandle sich erst an Lüdersen, der regungslos dasaß und ihn stumm und haßerfüllt ansah. Dann wandte er sich an den Postdircktor.„Habe ich recht, oder nicht?" Aber auch der Postdirektor vermied es, zu antworten„Davon ist jetzt nicht die Rede", sagte er.„Sie sind zu erregt, be- greiflicherweise." Aber Berger biß sich an der Frage fest. Er wollte sie nicht lassen, fühlte aber selbst, wie erregt er war. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, die Pause nach der Antwort zu benutzen, um zur Ruhe zu kommen. Gesenkten Blickes stand er da und bemühte sich, seiner Er- regung ein wenig Herr zu werden. Als er wieder aufsah, war er ruhiger. Und er fragte leise, aber eindringlich:„Das Post- wesen, das meine Arbeit für eine nicht allzu hohe Bezahlung kauft, oerlangt also von mir, daß ich mein Leben wage, wenn es die Kasse gilt?" Der Postdirektor schüttelte unwillig den Kopf.„Gott nein— verlangen tut das selbstverständlich keiner: aber so, wie Sie sich benommen haben, das sieht denn doch etwas wunderlich aus. Hier im Polizei- bericht steht's ja auch." Seine Hand klatschte leicht auf die Papiere, die auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet lagen. „Und der wird weitergeschickt an die Post- Verwaltung?" „Selbstverständlich. Aber Anklage oder Disziplinarverfahren riskieren Sie kaum. Ja, das wäre wohl alles." Berger richtete sich auf, sein Gesicht war sehr weiß geworden.„Run ist es genug". sagte er.„Ich habe immer versucht, meine Pflicht zu tun— und noch ein wenig dar- über hinaus. Ich habe mindestens so gute Arbeit geleistet, wie irgendeiner hier im Büro." Er nickte dabei unwillkürlich zu Lüdersen hinüber, der ärgerlich die Achseln zuckte.„Und", fuhr er fort,„ist es nicht die Arbeit, wofür ich bezahlt werde? Ich habe meine Zeit verkauft, mein Leben nicht. Und ich bin froh und stolz auf das, was ich getan habe. Jeden Augenblick täte �ich wieder dasselbe. Ich war Ouisthus' bester Freund, aber ich habe keine Luft, mit ihm zu tauschen. Ich habe keine Lust, die Leiche zu sein, die jetzt mit fetten Worten von Pflichttreue auk die Seite gebracht werden soll. Aber darauf kommt's dock nicht an." Der Postdirektor sah ihn halb befremdet, halb mitleidig an.„Und worauf kommt es an?" Berger hielt seinen Blick aus.„Daß er tot ist. Der Postdirektor erhob sich, ärgerlich und ratlos und trat ans Fenster. Als er sich wieder umwandte, hatte eine Art herab- lassendes Mitleid in ihm gesiegt.„Sie tonnen sich für Nachmittag frei bitten", sagte
er.„Sie sind in starker Gemütsbewegung: betrachten Sie sich als krankgemeldet." En schmerzliches Staunen ging über Bergers blasses, gequältes Gesicht. Dann sagte er mit einer wegwerfenden Bewegung des Kopfes:„Danke, ich bin nicht krank. Und meinen Dienst tue ich." Er wandte sich schnell zum Gehen, wurde aber von Lüdersen zurückgehalten, der sich ebenfalls erhoben hatte, mit einem Blick, in dem etwas gleich- zeitig Gehässiges und Beleidigtes lag. ein aufgebrachtes, schweres und drohendes Ge- kränktfein. „Bitte, eine Frage", sagte er,„bevor du gehst. Ich möchte das gern ins reine ge- bracht haben in Gegenwart des Herrn Post- direttors, da er ja auch das andere mit- angehört hat.— Was meinst du mit der Bemerkung, daß zwischen deiner und meiner Situation ein Wesensunterschied war?" Berger antwortete verhältnismäßig ruhig: „Ich sagte es ja schon, du wurdest plötzlich überrumpelt." „Ist das alles?"
„Nein— Du hörtest, daß Ouisthus nebenan überfallen wurde?" „Selbstverständlich." „Und du dachtest sofort an einen Ueber- fall?" Lüdersen überlegte einen Augenblick. „Nein", antwortete er ausweichend, viel- leicht nicht gerade an einen Ueberfall. Jeden- falls aber, daß etwas los sei." „Wußtest du, als der Kerl zu dir herein- kam, daß Ouisthus niedergemacht war?" „Nein." „Du wußtest also nicht, w i e ernst es war?" „Ich wußte, daß ich es mit einem Re- volver zu tun hatte— genau wie du." „Ja, aber du glaubtest nicht, daß er schieße» würde." In Liidersen gab es einen Ruck. Er sah plötzlich sehr einfältig aus.„Wie kannst du das wissen?" „Ich hörte ja. was du riefst." „Was ich rief?„Schieß, wenn du dick) traust", rief ich." Ein blasses Lächeln glitt über Bergers Gesicht.„Nein", sagte er. Lüdersen sah ihn entgeistert an.„Alle fhagel. das hätte ich nicht gerufen?" „Nein." Der Postdirektor hörte halb widerwillig, halb interessiert zu. Dann beugte, er sich rasch über die Papiere auf dem Schreibtisch. Nur einen Augenblick, dann sah er aus. „Allerdings", sagte er,„so steht's im Be- richt." Bergcr wandte sich ihm zu.„Selbstver- ständlich, d a steht es so. Den Teil hat nämlich Lüdersen diktiert." (Fortsetzung folgt.)
später wieder auf die Straße nach Dezd und kamen dort am anderen Morgen an.
Die seltsame Karawane mit ihren bleichen, stumpfsinnigen Begleitern und die steten tief- traurigen Blicke der Pferde und Kamele boim Marsch durch diese unbeschreiblich wüste Gegend zu nachtdunkler Zeit hinterließen in uns einen tiefen Eindruck, den selbst die Hochzeitsfestlich- leiten im Haus« des englischen Telegraphen- direttors in Dezd nicht verwischen konnten.
Die toienkarawane Sine Begegnung/ Ton Qifelher Mumm
Bon der letzten Station, die wir verließen, trennte uns ein achtstündiger schorfer Ritt durch eine wasserlofe, öde Gegend am Rande der ge- fährlichen Salzwüste in Zcntralpersien. Der Mond illuminierte den Jahrtausende alten Karawanen- weg zwischen Kerman und Pejd, auf dem einst der berühmte Reisende des Mittelalters, Marco Polo, nach Osten gezogen war, um nachher als erster Europäer die Märchen von Tausendund- einer Nacht dem Zlbendlande zu verkünden. Der Europäer von heute, der aui Persiens einsamen Karawanenwegen einem bestimmten Ziele ent- gegenreitet, denkt sachlicher. Er flucht über die schlechte» Wege, schimpft aus den schier ewig klaren Himmel und die grausame, fürchterliche Wüsten- sonne und ist schließlich froh, wenn er sein Ziel er- reicht hat. So auch wir beide, ein Engländer und ich, die wir von Kerman nach'gezd reiten, einer Hoch- zeitseinladung des englischen Telegraphendirektors in Pezd zu folgen. Ab und zu ziehen kleiner« Karawanen an uns vorüber, oder einsame Pilger wallfahren nach Mekka in Arabien , um nach zwei- bis dreimonatigein Marsche dort die Segnungen der' heiligen Wasser Mohameds zu empfangen. Der heißen Sonne wegen hatten wir am Mittag in einer Teehütte am Wege Rast gemacht und bis zum Abend geschlafen um für unseren nächtlichen Ritt neue Kräfte zu sammeln. Es war etwa gegen 2 Uhr nachts, als uns«in immer deutlicher hör- bares Glockenklingen aus weiter Ferne ankündigte, daß sich eine größere Äameltarawane vor uns be- fand, die scheinbar gleichfalls auf dem Wege nach Pezd war. Wir beschlossen, uns der Karawane da vorn anzuschließen, und setzten zu einem scharfen Galopp an. Aber schon nach einer Piertelstunde machte der vorauseilende Engländer halt. Ein un- angenehmer Geruch wurde uns vom Winde ent- gegengetragen: je mehr wir uns der Karawane näherten, desto betäubender wirkte er. Wir waren der Meinung, daß wir jede Minute bei zwei, drei verendeten Pserden oder Kamelen vorüberkommen würden, die, von den Strapazen unterwegs zu Tode ermattet, hier langsam verendet waren, denn ein gläubiger Mohammedaner tötet diese un- brauchbar gewordenen Tiere nicht, sondern spannt sie aus und überläßt sie am Wege ihrem traurigen Schicksal. 3)ie Jiarairaiw Als sich jedoch kurz vor uns die schattenhaften Umrisse der Männer und Kamele einer Karawane von dieser salzzerfressenen sandigen, nachtdunklen Ebene abhoben, gewahrten wir zu unserem größten Entsetzen, daß sich vor uns langsam eine Totenkarowan« westwärt» bewegte, heilige schiitische Tote, aus allen Gegenden des persischen Reiches gesammelt, die nach zwei- bis drei-- monatigem Marsche durch halb Vorderasien schließ- lich in Kerbels in Mesopotamien neben ihrem Glaubensheldcn Schah Jmam Hussein zur letzten Ruhe bestattet werden.„Vorwärts, vorwärts!" rief mir der Engländer zu Das Taschentuch vor Mund und Nase gepreßt, sprengten wir in wildem Ga- lopp vorwärts, auf die Karawane zu, um sie des uns entgegenstehenden Winde« wegen zu über- holen. Als wir seitwärts an der Karawane vor- beiriUen, bemerkte ich. wie selbst die Maultiere und Kamele, die diese unheimlichen Lasten trugen. mit eingezogenen Köpfen dahinschritten. Die Treiber gingen 2» bis 30 Meter entfernt neben den Tieren und nahmen von unserem Erscheinen wenig Notiz, da sie gewohnt sind, gemieden zu werden. Zurufe, wie st« bei Handelskarawanen
üblich sind, waren nur selten. In ganz primitiven Brettersärgen oder auch nur in«in Stück Lein- wandtuch gehüllt lagen die Toten, wie Kisten an- geschnürt, aus dem Rücken der Tier«. Stärkere Tiere führten fünf bis sechs, schwächere zwei bi» drei Leichen aus dem Rücken D>e Tier« sind nur höchstens zwei bi« drei Jahre lang brauchbar für eine Totenkarowane: dann kann man ste für«in Spottgeld kaufen, aber niemand will sie haben. weil sie zu anderen Arbeiten nicht mehr fähig sind. Die Unternehmer jedoch, die diese Leichen sammeln und nach Kerbels führen, sollen dabei sehr viel Geld verdienen, denn es ist Ehrensache für«inen wohlhabenden gläubigen Schiiten noch seinem Tode in Kerbcia beigesetzt zu werden. „Salem JJtelkum" Bald hatten wir die Spitze der Karawane er- reicht, ein kurzer Grußwechsel mit dem Führer, einem alten Araber,„Salem Aleikum, Aleikum Salem", und wir ließen die Karawane in unserem Rücken. Das monotone Glockengeläut« wurde immer schwächer: wunderbare kühle Nachtluft be- lebte wieder Herz und Lunge, und als der Morgen dämmerte, gelangten wir bei einer kleinen Kara- wanserei an und legten uns dort todmüde in den Schatten eines Granatapfelbaumes nieder. Der „Spuk der Nacht" mochte wohl etwa 3ll Kilometer hinter uns liegen. Als wir uns um S Uhr Nachmittags zum letzten Nachtritt fertig machten, war auch die Toten- karawane schon herangekommen und macht« un- gefähr 3lX) Meter von der Oase entfernt Rast. Der Führer kam mit seinen Leuten in die Kara- wanserei, um sich zu stärken. Bei einer Pfeif« Opium erzählte er mir vvi all den größeren Herren, die er schon nach Kerbela getragen hätte. Auf einem Papyrus waren d'« Namen derer verzeichnet, die er jetzt in die Erde bringen sollt«, die dereinst da» ewige Paradies der Menschheit werden würde: laut königlicher Order, ge- schrieben und versiegelt.— Nicht alle Toten, die die Karawane beherbergt, kommen nach Kerbela . Es sind einige Frauen da- bei, die nach Kum, einen. Wallfahrtsort an der Straße Teheran — Ispahan gebrocht werden, um dort auf einem Frauenfriedhof, einem der größten der Welt, beigesetzt zu werden. Di« Stadt Kum wurde heilig gesprochen als Fatima,«in« Ber - wandte von Imam Rizza, einem großen Schiiten, auf einer Reise durch Persien hier erkrankt« und starb. Seitdem sehen es vornehm« Perserinnen als ihr größtes Glück an, in der Nähe dieser heili- gen Frau begraben zu werden. Auch viele Pilgerinnen kommen nach Kum, um am Grobe Fatima» L«ibe»seg«n zu erbitten. Hoch einmal die Toten Bald verließen wir den alten Aar aber und sein« Begleiter und ritten zur Karawanserei hinaus Als wir den Weg nach Pe.zd«inschlagen wollten, sahen wir, daß sich die Totenkarowan» in gemesse» nem Abstand« von der Karawanserei direkt am Wege nach Pezd medergelaßev hatte, während sie noch vor«inigen Stunden auf der andern Seite des Gebäudes gelagert hat» Nach der Ursache dieses Platzwechsels befragt, erklärte mir einer der Eingeborenen, daß sich mittlerweile der Wind gedreht halte und die Totenkarawanen stets so lagern, daß der Wind die unangenehmen Dünste von den Häusern fernhält Wir ritten nun«inen Kilometer seitwärts in die Wüste hinem, sprengten dann direkt nach Norden, gelangten drei Stunden
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