BEILAGE
Vorwärts
Höhepunkt des Weihnachtsverkehrs
Hunderttausend verlassen die Weltstadt
Nachdem bereits am 21. Dezember an Stelle der vorgesehenen acht insgesamt 13 Vor- und Nachzüge gefahren werden mußten und am 22. De= zember der Verkehr durch 21 Vor- und Nachzüge verstärkt wurde, erreichte der Weihnachtsverkehr am Freitag, 23. Dezember, einen Höhe punkt. 41 Vor- und Nachzüge sowie ein Sonderzug stehen auf den Berliner Fernbahnhöfen neben den ebenfalls verstärkten Hauptzügen bereit, um alle Reiselustigen zu befördern. Auf dem Anhalter Bahnhof werden 11, auf dem Görlizer Bahnhof 5, auf dem Lehrter Bahnhof 3, auf der Stadtbahn in Richtung Often 14, in Richtung Westen 8 Vor- und Nachzüge eingelegt. Auch für den Vormittag des 24. Dezember erwartet die Reichsbahn noch einen lebhaften Verkehr, der erfahrungsgemäß in den ersten Nachmittagsstunden abflaut. Ebenso werden die Berliner Fernbahnhöfe auch noch an den beiden Feiertagen selbst einen starken Abreiseverkehr aufweisen.
Wahrscheinlich über hunderttausend Menschen werden allein am Tage des Weihnachtsabends don den verschiedenen Berliner Bahnhöfen abfahren. Die meisten fahren wohl zu Verwandten und Freunden auf Besuch, um das Fest im Kreise von Bekannten zu feiern. Aber auch viele Reisende aus der Großstadt fliehen vor der großen Einsamkeit hinaus in irgendein Dorf, in das Gebirge und in verlassene Wälder. Es gibt mohl nirgends so viel Alleinstehende und Verlassene als in den sonst vom Lärm und der Arbeit widerhallenden Stadtzentren. Vergnügen in Lokalen wird an diesem einen Abend des Jahres zur schalen Freude. Draußen aber in stillen Dorfwirtschaften, in Berghütten, bei Bauern und Förstern ist Ruhe und stille Feierlichkeit auch für den Fremden.
Außer dem hinausdrängenden Strom der Reisenden kommt aber eine vielleicht ebenso große Zahl von außerhalb nach Berlin . Die Millionen Einwohner der Riesenstadt bekommen ebenfalls Weihnachtsbesuch und so werden Unzählige an diesem Tage durch die Bahnhöfe einem fernen Ziel zueilen. Und für alle hat die Reichsbahn eine kleine Freude bereitgestellt: Brennende Weihnachtsbäume auf allen Berliner Fernbahnhöfen geben den falten, nüchternen Räumen einen heimatlichen, weihnachtlichen Glanz.
910 Thin asli aid and
So wird ein Räuber Der junge Mensch ohne Arbeit
Immer wieder bringt der Winter eine Hausse in Raubüberfällen. Jeden Tag liest man davon in den Zeitungen, und meist sind die Täter junge Burschen. Zum großen Teil solche, die sich an richtige Diebstähle nicht heranwagen. Die Not macht sie zu Räubern.
Hansens Vater ist Trinker, seine Mutter eine seelisch und physisch zermürbte Frau. Von den 25 Mark Wochenlohn kann die Familie von acht Menschen nicht satt werden. Hans ist früh verwahrlost, er macht sich wiederholt an kleine Kinder heran, lodt ihnen unter den raffiniertesten Vorwänden das Einholgeld aus dem Portemonnaie, indem er ihnen bald einen Roller, bald Tanzmäuse, bald sonst etwas verspricht. Nur einmal begeht er einen Einbruch, er holt aus einer Registrierkasse 45 Mart. Er erhält dafür eine Gefängnisstrafe mit Bewährungsfrist und tommt in die Fürsorge anstalt. Am 19. April 1932 wird er als gebessert entlassen. Die Fürsorge bleibt aber bestehen, er ist erst 20 Jahre alt. Dann kommt die letzte Notverordnung, sie beschert den Abbau der Fürsorgeerziehung. Auch Hans hat von nun an mit ihr nichts mehr zu tun. Im Bericht über ihn heißt es aber, der Fürsorger hat große Bedenken, er befürchtet neue Straffälligkeit... Am 14. November begeht Hans einen versuchten Raub in Neukölln.
Der junge Mensch hatte keine Arbeit. Er half dem Vater beim Bau einer Laube. In unbe= heizbarer Stube und Küche wohnte die achttöpfige Familie. Der Vater hatte Arbeit, Hans erhielt keine Unterstügung, hatte aber eine Braut; einem 20jährigen Burschen schließlich nicht zu verdenken. Sein Rod war voll Löcher, ohne Futter, für den ausgewachsenen Burschen viel zu klein. Eine alte Hose hatte er vom Onkel. Er brauchte notwendig einen neuen Anzug. Biermal versuchte er sein Glüd beim Wohlfahrtsamt; es gab da keinen Anzug für ihn. Hans brauchte ihn jedoch notwendig. Sollte er abgerissen herumlaufen? Und so tommt er auf einen ganz dummen Gedanken. Er besorgt sich einen Revolver in der Münzstraße. Wozu? Das weiß er noch nicht ganz genau. Etwas schwebt ihm aber so ganz undeutlich vor, so etwas mie ein Raubüberfall. Wen soll er aber berauben? Da war der Holzplazbesizer, bei dem der Vater das Material für den Laubenbau gefauft hat. Hans buddelt den Revolver aus der Erde aus fichert er hatte ihn da versteckt
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Im übrigen ist der Reiseverkehr bis jetzt doch unter den Erwartungen geblieben, die man sich durch die verbilligten Karten gesetzt hatte. Das andauernd schlechte Wetter, insbe= sondere für Wintersportler, läßt die meisten ihren Reisetermin noch für einige Tage verschieben, in der Hoffnung, daß es dann besser sein wird. Wahrscheinlich wird allerdings dann der Ansturm wohl desto größer sein, denn wer es sich einmal porgenommen hat, wird nun auch früher oder
Lichterglanz auf dem Bahnsteig
später feine Reise durchführen. Für die große Masse scheidet jedoch jede Reisemöglichkeit schon durch die fehlenden Mittel aus. Auch wohl für viele von denen, die im Vorjahre noch fortfahren
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den Hahn mit einem dicken Faden, damit der Revolver nicht losgeht er hat noch nie eine Waffe in der Hand gehabt und begibt sich zum Holzplay. Guten Tag, Herr K., ich brauche Material für den Bau einer Laube. Schreiben Sie bitte eine Rechnung aus, das Wohlfahrtsamt wird es bezahlen. Während der Mann die Rechnung schreibt, fühlt er etwas Kaltes am Nacken, dreht sich schnell um, sieht in der Hand Hansens eine Pistole, es entsteht ein Ringen, Hans erhält zeitweilig Oberhand, stößt gegen den Mann Drohungen aus, dieser reißt sich schließlich los, läuft davon, schreit um Hilfe...
Der Staatsanwalt beantragte gegen Hans dreieinhalb Jahre Zuchthaus. Das Gericht verurteilte ihn zu 5 Jahren Gefängnis. Er soll noch arbeiten lernen. Deshalb die hohe Strafe. Hoffentlich lernt er es auch da. Und hoffentlich findet er auch Arbeit, wenn sich die Tore des Gefängnisses für ihn wieder öffnen.
konnten. Am 23. Dezember waren die ausfahrenden Züge nur zu 70 bis 80 Prozent be= segt und es wurden deshalb nur einige Sonderzüge nach den Hauptstrecken wie Frankfurt a. M., München und Stettin eingelegt.
Zoo zu Weihnachten
Auch der 300 hat sich weihnachtlich geputzt. Auf der Leuchtfontäne, vor dem chinesischen Pavillon, steht eine herrliche Tanne, die bei ihrem Abtransport noch schnell ein kleines Tiererlebnis vermittelte. Als sie abgehauen werden sollte, tamen unter ihren Aesten Wildschweine hervor und jagten die Weihnachtsbaumholer in die Flucht.
Im Aquarium ist ein Tintenfisch eingetroffen. Der wird von den Berlinern mit Recht immer als eine Hauptsehenswürdigkeit betrachtet. Die 10 Meter langen Tintenfische, von denen so viel geschrieben wird, können nicht nach der Hauptstadt transportiert werden; denn erstens gibt es sie nicht im Mittelmeer und zweitens besigen die Fischer keine derartig konstruierten Nezze, um sie fangen zu können. Die Reise des Berliner Seepolypen war vom Glück begünstigt, er traf noch bei 8 Grad Wärme hier ein. Wäre das Thermometer nur auf 6 Grad, also um 2 Grad gesunken, hätte er diesen Kälteeinbruch mit dem Tode quittiert. An Meerestieren sind neue Seenelten, See- Igel und Seesterne ge= kommen, somie eine Barschart, die einzig und allein in der Donau vorkommt und den Namen Schräger führt. Im Insektarium fam eine Todesotter hinzu, während das malaische Panther- Gedo- Paar selbst für Vermehrung zu sorgen bedacht war, denn es wurde ein Ei auf ein Blatt geklebt. Freilich können weder Frau noch Herr Geco es ausbrüten, weil ihnen die Körperwärme fehlt. Das Ei gebraucht die Einwirkung seiner Umwelt, um zur Reife zu ge= langen und nach vier Monaten wird wohl ein fleiner, rassereiner Gecko ans Ausschlüpfen denken.
Im 300 selbst sind die Kleinsten unter den Kleinen an Hirschen und Rehen eingetroffen, und zwar ein Paar Pudu- Hirsche aus Chile und ein Baar Wasser- Rehe aus China . Die Chilenen sind ganze 34 Zentimeter und die Chinesen 50 Zentimeter hoch.
Kampf mit Räuber
Ein vereiteltes Attentat
In der Durchfahrt eines Fabrikgrundstückes in der Köpenicker Straße tam es gestern zu einem wilden Kampf zwischen zwei Polizeibeamten und einem Räuber, der von einem Kriminalbeamten vom Postschecamt aus verfolgt worden war. Der Räuber, der 22 Jahre alte Erich B. aus der Beteranenstraße, hatte am Zahlschalter die zwanzigjährige kontoristin eines Bersandhauses aus der Köpenicker Straße beobachtet, war dem Mädchen nachgegangen und wollte es berauben. Im letzten Moment konnte der Ueberfall vereitelt werden.
Der Beamte der Taschendiebstreife hatte im Posts check amt einen jungen Mann beobachtet, der sich nacheinander in verdächtiger Weise drei jungen Mädchen näherte, die Gelder abholten. Der Mann traf Anstalten, die Mädchen zu ver
Der Junker von Stechow
Haftbefehl wegen Betruges
Gegen den auf Beranlassung des Unterjuchungsrichters Donnerstag am verhafteten früheren Oberstleutnant Karl Thilo v. Stechow ist von der Staatsanwaltschaft schon vor längerer Zeit Anklage wegen Betruges erhoben worden, nachdem die Boruntersuchung geführt worden war. Die Verhaftung dürfte auf Grund weiterer Strafanzeigen und auf Mitteilungen zurückzuführen sein, die auf Fluchtverdacht hindeuten.
Stechom war früher Oberstleutnant und zeitweise im Gefolge der früheren Kaiserin. Seiner Familie gehörte das Gut Kozen im West= havelland , das Stechom megen Ucber: schuldung aufgegeben hatte Zahlreiche Anzeigen wegen Hotel und Logisbetruges, Zechschulden reichen teilweise bis in die Jahre 1930 31 zurück. So ist bekannt, daß er im Sommer 1931 mit seiner Familie, mehreren Hausangestellten, einem Hauslehrer, nach Swine= münde tam und in einem Hotel am Strande ( Walfisch) abstieg. Er zahlte nicht einen Pfennig, sondern erklärte dem Besizer, daß die Gelder von seinem Gute noch nicht eingegangen seien, daß aber nach den Ferien sofort alles geregelt werde. Als die Summe auf etwa 1300 Mark angestiegen war, verschwand v. St. mit seiner Familie, ohne
an die Begleichung seiner Schulden zu denken. Aehnlich machte er es in einem großen Hotel in Binz . In einem Hotel in der Friedrichstraße in Berlin hinterließ er 1259 Mark Schulden, lieh sich von dem Geschäftsführer 200 Mark und vom Portier 88 Mark. Verschiedene Hotels und Pensionen in Berlin und Umgebung hat er um gleiche Summen geschädigt. Da in verschiedenen Fällen bei den Pumpmanövern" der Betrug offensichtlich war, ist gegen St. Haftbefehl erlassen worden. Er bewohnte zuletzt eine Achtzimmerwohnung am Kaiserdamm 77. Auch hier lebte er auf großem Fuße. Er bestellte z. B. für 5000 M. Teppiche. Als die Leute der Firma tamen und auf eine Anzahlung warteten, erklärte er ihnen, daß es schon zu spät sei. Er könne die Teppiche im Dämmerlicht nicht mehr besichtigen, sie sollten am nächsten Tage wiederkommen. Die Leute ließen sich aber nicht darauf ein und nahmen die Teppiche wieder mit, als sie kein Geld erhielten. Wenige Tage darauf lieferte eine andere Firma für 8000 Mart Teppiche. In der letzten Zeit drängten die Gläubiger auf Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen. Die Anzeigen gegen den großzügigen Junker v. Stechom häuften sich, und die Folge war der Haftbefehl.
SONNABEND, 24. DEZ. 1932
folgen, tehrte aber immer wieder unschlüssig zurück. Inzwischen waren der Botin am Schalter 1500 M. ausgezahlt worden, mit denen sich das Mädchen entfernte. Der Beamte sah jetzt, wie der junge Bursche diesem Mädchen folgte. Langsam ging er nach. Die Kontoristin bestieg eine Straßenbahn. Der junge Mann und der ihn beobachtende Beamte ebenfalls. In der Köpenicker Straße verließen sie den Wagen. Das Mädchen schritt auf das Haus ihrer Firma zu und betrat schon den breiten Hausflur, als der junge Bursche ihr nacheilte und einen Sandbeutel aus der Tasche zog, um das Mädchen niederzuschlagen. Der Kriminalbeamte war aber schon heran. Es entspann sich ein heftiger Kampf. Die Kontoristin, die erst jetzt die Gefahr erkannte, in der sie geschwebt hatte, rief um Hilfe. Mit Hilfe eines Schupobeamten konnte der Räuber, der wie ein Rajender um sich schlug, überwältigt werden.
In wenig Worten
Die Vorbereitungen für die Einrichtung des Eisenbahnfährbetriebes über den Kanal von England nach dem Festland sind in vollem Gange. Die englische Südbahn hat beschlossen, drei Fährboote bauen zu lassen, die ab nächsten Sommer in Betrieb genommen werden sollen. Mit dem Fährbetrieb wird es voraus= sichtlich möglich sein, in demselben Eisenbahnwagen von London nach Istambul zu fahren.
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In Chitago wurde ein fünfstödiger Ge treidespeicher mit 1 350 000 Bushels Weizen Inhalt durch mehrere Stauberplosionen zer= stört. Das Gebäude brannte völlig nieder. Der Schaden wird auf eine Million Dollar geschätzt. 35 Löschzüge waren an der Brandstelle tätig.
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Auf dem Rückweg von der Bayerischen Staatsbank in Hof i. B. wurde eine ältere Frau, die für einen Fabrikbetrieb 6000 M. Lohn= gelder geholt hatte, von einem etwa 20jährigen Burschen überfallen. Der Räuber schlug die Frau nieder und flüchtete unter Mitnahme der Aftentasche mit dem Geld.
Auf der Zeche Sofia Jatoba in Hückelhofen bei Erkelenz brennt seit Tagen die große Berghalde. Dichte Rauchwolken steigen empor und lagern über der ganzen Gegend. Etma 120 Arbeiter der Zeche sind damit beschäftigt, den Herd des Brandes zu suchen.
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Auf dem Hartmannsbruch, einem Zweigbetrieb der Schieferbruch- Gewerkschaft Glückauf" in Reichenbach bei Saalfeld in Thüringen wurden 3 mei Bergleute von niedergehendem Ge= stein verschüttet. Der Schieferarbeiter Räthe aus Reichenbach konnte nur als Leiche geborgen werden, der zweite Mann mußte lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.
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Arbeiter, die im Lagerraum der Flugzeuglandungsraketen des Forts Appia( 6 Kilometer südlich von Rom ) beschäftigt waren, ließen eine Riste mit Raketen zu Boden fallen. Die Kiste ging sofort in Flammen auf, und der dadurch entstandene Brand verbreitete sich mit solcher Schnelligkeit, daß die Besatzung des Forts nur mit großen Schwierigkeiten das Feuer ein= zudämmen vermochte. Drei Arbeiter kamen ums Leben, einer ist leicht verletzt.
Bei einem Uebungsfluge im Sudan ( Afrika ) stürzte ein Militärfiugzeug ab, wobei die drei Insassen getötet wurden.
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Als am Mitwochabend der Spielleiter an einem Roulettetisch im Spieltajino in 30ppot. bei Danzig die letzten drei Spiele ansagte, da um 11 Uhr abends das Roulettespiel geschlossen wird, erfolgten unter dem Roulettetisch plötzlich mehrere Explosionen. Es entstand zwar eine Panik, aber die Ursache war nur ein Feuerwerkskörper. Der Täter konnte nicht ermittelt werden.
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Der Dampfer Witram" des Norddeutschen Lloyd hat aus noch nicht geklärter Ursache auf dem Nordatlantit einen Ruderschaden er= litten und muß nach dem englischen Kanal zurücktehren.
Der Botanische Garten ist am 1. Weihnachtsfeiertag und am 1. Neujahrstag geschlossen. Am 2. Weihnachtsfeiertag ist der Garten geöffnet wie an Sonntagen.
Führung durch Spandau von E. Trinkaus am 2. Weihnachtsfeiertag. Treffpunkt: Eingang zur Zitadelle 10.15 Uhr( Straßenbahn 64).
Arbeitszeit der Friseurgeschäfte zu Weihnachten. In Groß- Berlin dürfen die Friseurgeschäfte am ersten Weihnachtsfeiertag in der Zeit von 8 bis 12 Uhr geöffnet sein. Am zweiten Feiertag ruht der Betrieb. Auch außer dem Hause darf die Kundschaft nur am ersten Feiertag mährend der angegebenen Geschäfts. stunden bedient werden.