Weihnachten der Gestrauchelten
Kerzenschein auch in den Gefängnissen
Die Not steigt. Die Zunahme der Straffälligfeit, das Anwachsen der Berwahrlosung sind das befte Barometer für die schlimme Zeit, in der wir leben. Trotz der Amnestie bleiben die Strafanstalten überfüllter denn je; und die Für forgeanstalten fönnen nur durch Abbau des Fürforgealters fünstlich entlastet werden. Zu den Männern und Frauen hinter Gittern, den Burschen und Mädchen in den Fürsorgeanstalten zieht zum Weihnachtsfeste auch ein wenig Freude
ein.
Im Frauengefängnis wurde wie immer am Heiligabend in der Kirche ein ernst gehaltenes Konzert abgehalten. Streichquartett, Cello, Gesang, Rezitationen wechselten einander ab, man sang gemeinsam ,, Stille, heilige Nacht " und ,, D Tannenbaum" und einige Frauen trugen Gedichte nor. Frau Direktor Helfers sprach über das Fest der Liebe und Freude in schwerer Notzeit. Dann kam die übliche Bescherung. Auch die durch die Amnestie Entlassenen es waren dies von den mehr als 200 Gefangenen etwa 14hatten, wenigstens zum Teil, ein fleines Weihnachtspädchen mit auf den Weg bekommen.
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Im Zellengefängnis Lehrter Straße sind es mehr als 500 Gefangene, die hier auch die Weihnachtstage verbringen müssen. Um 3 und um 4 Uhr fanden die kirchlichen Feiern statt, dann folgte in der Zentrale ein Bläser- und Ge= fangstonzert für diejenigen, die den Gottesdienst nicht besuchen. Die Gefangenen blieben dabei in
In wenig Worten
Bei einem nächtlichen Brand in Birming ham( England) kamen sieben Kinder einer Familie in den Flammen um. Die Eltern und das jüngste Kind erlitten schwere Brandverlegungen und wurden in ein Krankenhaus übergeführt. Drei Feuerwehrleute wurden ebenfalls verletzt.
Ein Aufsehen erregender Fenster sturz, der aber sehr glücklich ablief, ereignete sich in a m= burg. Aus dem vierten Stock eines Hauses am Nagelsweg stürzte eine Frau beim Fensterpuzen plötzlich ab und fiel in den Kanal. Ein vorbeifahrender Schiffer rettete die infolge des Schreds bewußtlos gewordene Frau, die ins Haus geschaftf wurde, wo die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche von Erfolg waren. Zur weiteren Behandlung wurde sie ins Krankenhaus übergeführt. Hier stellte man fest, daß die Frau außer dem Schreck feinerlei Verletzungen davongetragen hat.
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Die dänische Eisenbahnfähre Rorjör", mit Weihnachtspassagieren bis auf den legten Plazz besetzt, stieß am Sonnabend früh bei dichtem Nebel im Großen Belt mit einem großen dänischen Schoner zusammen. Der Schoner wurde buchstäblich durchschnitten. Die Besazung des Schoners, sechs Mann, konnte von der Fähre gerettet werden. Der Schoner Philipp" befand sich mit Kohlen auf der Fahrt nach Danzig . Der Schoner ist sofort untergegangen.
Am Sonnabendvormittag stießen zwei Anhängerwagen der Barmer Bergbahn in WuppertalCronenberg zusammen. Durch den Anprall wurden beide Wagen schwer beschädigt. Fünf Personen erlitten leichtere, eine 39jährige Frau schwere Verlegungen. Der Unfall ist darauf zurückzuführen, daß einer der Wagen rangiert wurde und führerlos mit voller Wucht gegen den anderen stehenden, mit Fahrgästen besetzten Anhängerwagen auffuhr.
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Auf der Roßberger Chaussee bei Kattowiz bemerkte ein Zollbeamter drei Personen, die Schmuggelware über die Grenze nach Polen schaffen wollten. Da sie auf Anruf nicht stehen blieben, gab er einen Schuß ab, durch den einer der Schmuggler getötet wurde. Einer der beiden anderen Schmuggler, der Bruder des Erschossenen, griff daraufhin den Beamten an. In der Notmehr griff der Beamte abermals zur Waffe und verlegte den Angreifer tödlich.
Bescherung im Lichthaus
Der Osram- Konzern, der den Winter über 1000 Ermerbslose mit einem täglichen, reichlichen Mittagessen versieht, so reichlich, daß jeder Esser auch noch für seine Angehörigen etwas mit nach Hause nehmen fann, hatte in seinem Fabrik. gebäude Rotherstraße gestern Mittag für 400 abgebaute Arbeiter seines Betriebes, sowie für
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ihren Zellen, jeder hatte einen Tannenzweig bekommen, es gab, wie immer, eine Tüte mit Stollen und einigem anderen.
Auch in Tegel und Blößensee wurde das Fest durch den Gottesdienst eingeleitet. In Tegel feierte man dann nach den Häusern getrennt, der Anstaltschor erfreute die Gefangenen durch seinen Gesang. Für die ersten beiden Feiertage hat sich der Arbeiter Mandolinistenbund zur Verfügung gestellt. In beiden Anstalten bekamen die Gefangenen am Heiligen Abend die traditio= nellen Tüten.
Bei den Mädchen und Burschen
Im Pflegeheim der Stadt Berlin , in dem die gefährdeten und obdachlosen Mädchen vorübergehend Ordnung und Frieden finden, wurde in beiden Abteilungen getrennt gefeiert. Bei bunten Tellern und festlich geschmückten Tischen trug man Gedichte vor, sang Weihnachtslieder und vergaß für kurze Minuten die bösen Erfahrungen aus der Vergangenheit und die trüben Aussichten für die Zukunft. Um die feierliche Stimmung noch zu erhöhen, erhielten alle sechzig Mädchen eine kleine Handarbeit, von ihren Leidensgefährten angefertigt.
In unmittelbarer Nachbarschaft feierten im Jugendheim des Polizeipräsidiums 35 Burschen bei erleuchtetem Tannenbaum das Weihnachtsfest; darunter auch einige, die eben erst auf
Grund der Amnestie aus der Jugendabteilung des Lehrter Gefängnisses entlassen waren. Sie sollen hier bleiben, bis sie nach Hause befördert oder in die Fürsorgeanstalt gebracht werden. Man saß gemütlich bei Kaffee und Kuchen und klatschte Beifall den Darbietungen aus eigener Mitte. Der Heimleiter Rasch sprach einige eindringliche Worte zu den Jungen.
Im Kinderschuhheim in Zehlendorf hatte man die Weihnachtsfeier bereits vor einigen Tagen veranstaltet. Die Kinder bestritten das Fest selbst, und die Leiterin des Heims, Minna Todenhagen, fonnte ihrer Freude über die hübsche Gestaltung des Festes Ausdruck geben.
Selbstverständlich feierte man in diesem Jahre nicht anders als sonst das gemeinsame Weih= nachtsfest auch in der Erziehungsanstalt Lindenhof. Ein großer Teil der Jungen ging reich beschenkt in Urlaub, die im Heim bleiben werden, so gut wie es eben geht, die Weihnachtstage verbringen.
In der Fürsorgeanstalt Struweshof hatte sich alles in der Turnhalle versammelt. Der große Weihnachtsbaum wurde viel bestaunt, das Krippenspiel, von den Jungen aufgeführt, gelang ganz vortrefflich. Der Anstaltschor fang Weihnachtslieder, man sang auch gemeinsam, und Pfarrer Raps aus Gütergot hielt die Festansprache. Bei der Bescherung leuchteten die Augen der jungen Menschen. Für ein paar Stunden war auch für sie die Freude eingezogen.
Hilfswerk viele neue Freunde geschaffen. Wohl find den Beamten aus eigener Anschauung noch viele andere Bedürftige bekannt, man mußte sich aber im Rahmen der vorhandenen Mittel halten. Die Hilfsbereitschaft der Beamten verdient größte Anerkennung.
Eine weitere Weihnachtsfeier veranstaltete die Wohlfahrtskommission im Stadtbezirk 243A. Hier hatte man die Alten" eingeladen. Musik und heitere Darbietungen brachten ein wenig Freude in die Herzen der abgehärmten Menschen. Kleidung, Wäsche und Lebensmittel wurden den alten Leuten überreicht.
Bergmann bleibt frei
Keine Wiederverhaftung
Das Landesfinanzamt Dresden plante nach der Freilassung der Zigarettenfabrikanten Bergmann auf Grund eines Arrestes über 900 000 Mark Steuerforderungen deren Wiederverhaftung. Die Steuerforderungen stammen aus dem Verkauf der Bergmannaftien an den British- American Tabaco Compagny.
Da die Brüder Bergmann schon 1,5 Millionen Mark als Sicherheit hinterlegt haben, um ihre Freilassung zu erwirken, hätte die neue Forderung von 900 000 Mark das ganze Unternehmen, das 2000 Arbeiter beschäftigt, zum Erliegen gebracht, weil das Kaufgeld von der ge= nannten Gesellschaft noch nicht eingegangen ist. Nach langen Verhandlungen, in deren Verlauf auch eine führende Persönlichkeit Dresdens beim Reichsfinanzministerium zugunsten der Gebrüder Bergmann eintrat, haben die Finanzbehörden auf auf die Einziehung der 900 000 Mark verzichtet.
Wohlfahrtserwerbslose einen kleinen Beih- Räuberbande festgenommen die Durchführung des Arrestes und vorläufig auch
nachtstisch aufgebaut. Nach einem Mittagessen für Eltern und Kinder erhielt jedes Familienmitglied einen großen Weihnachtsstollen und jedes Kind noch ertra einen bunten Teller. Schließlich gab es noch Tüten mit Aepfel und Pfefferkuchen mit auf den Weg.
Frau Lucia Loeser, Inhaberin der Firma Loeser u. Wolff, der größten Zigarrenfabrik Deutschlands , stellte der Berliner Winterhilfe auch in diesem Jahr wieder eine ansehnliche Spende, nämlich 300 000 Zigarren im Werte von 30 000 M. zur Verfügung.
Heerstraße hatte Glatteis
Auf der Heerstraße gab es in den gestrigen Abendstunden ein seltsames Verkehrshindernis. Zwischen der Freibrücke und der Stößenseebrüde hatte sich auf dem Straßenbelag ganz plöglich Glatteis gebildet und die Autos blieben stecken. In knapp 10 Minuten hatten sich über 100 Wagen angesammelt. Schließlich wurde die Feuerwehr alarmiert. Man mußte Sand streuen, um den Verkehr wieder in Fluß zu bringen.
Im Theater am Schiffbauerdamm ist die Premiere" Automatenbüfett" auf Mittwoch Derlegt. Die Karten behalten Gültigkeit.
Bon der großen Räuberbande Theißen und Pätzold, die seit Monaten das westliche Industriegebiet terrorisiert, hat die Polizei nunmehr 30 Mitglieder in Essen, Duisburg und Düsseldorf verhaftet.
Schupo- Weihnachtsmann
Der Tagesraum des 259. Polizeireviers in Wittenau war am Freitag in einen kleinen Festsaal umgewandelt worden. Die Beamten erwarteten kleine Gäste; nämlich 35 Kinder armer Wittenauer Einwohner, um ihnen eine Weihnachtsfreude zu bereiten.
Von den knapp 50 Beamten des Reviers waren trotz ihres kleinen Einkommens über 200 M. aufgebracht worden und für das Geld hatte man für die Kinder allerlei praktische Dinge und Bekleidungsstücke gekauft. Als nach einer gemeinsamen Kaffeetafel unter dem strahlenden Weihnachtsbaum ein Revierbeamter als Weihnachtsmann verkleidet eintrat, erreichte die Stimmung der Kleinen ihren Höhepunkt. Jedes Kind erhielt einen bunten Teller, eine große Chriftstolle, ein Lebensmittelpatet von 12 Pfund oder Kleidungsstücke wie Mäntel, Hosen und Schuhe.
Die Schupo hat sich durch ein anerkennenswertes
Frei- und was nun?
Von der Not der Heimgekehrten
In diesen Tagen haben sich die Gefängnistore auch für viele junge Menschen geöffnet, die aus Unbesonnenheit, politischer Verhegung, vor allem aber aus Hunger irgendwie mit dem Gesetz in Konflikt kamen. Nun hat man ihnen als Weihnachtsgabe die Freiheit geschenkt! Sie freuen sich und wissen doch nichts Freudiges damit zu beginnen. Weihnachten feiern heißt: daheim sein; aber viele unter ihnen stehen trogdem auf der Straße und fragen sich: wohin?
Da ist ein Neunzehnjähriger. Aus gutem Hause, der Vater bekleidet eine gehobene Stellung, es ist keine Not im Hause und doch leidet der junge Mensch unter den starren, überalterten Anschauungen, unter der Enge der elterlichen Welt. Er schließt sich der Arbeiterbewegung an, heimlich, der Vater darf ja nichts davon erfahren; so sind Vater und Sohn stillschweigend schärfste politische Gegner geworden. Der Junge lebt ordentlich auf, er will sich später aus diesem selbstgeschaffenen Milieu seinen Lebensweg bah nen, da, da geschieht es: er wird straffällig durch eine in jugendlichem Ueberschwang begangene Dummheit. Jeßt gibt es für ihn fein Zuhause mehr, wo geht er nun hin? Unterstützungsberechtigt ist er nicht, da der Bater unterhaltspflichtig erscheint. Aber für den Vater ist er tot, und die Mutter hält zu ihrem Mann. Der zarte junge
Mensch ist schrecklich deprimiert, er verrät nicht, wie er leidet. Nun tritt der Fürsorger in Aktion und wird, wie stets in solchen Fällen, versuchen, den Kontakt zwischen Eltern und Kind wieder herzustellen; aber er weiß, daß er hier feinen Erfolg haben wird. Erstarrt, verhär= tet ward hier alle Menschlichkeit, und auch Weihnachten, das Fest der Liebe, bringt hier feine Versöhnung.
Ein anderer Fall: Zu Hause ein erschütterndes Elends milieu. Die Mutter seit Jahren eheverlassen, alt und frank. Eines Tages soll sie aus ihrer Wohnküche ermittiert werden. Da packt ihren einzigen Jungen, der Jahr und Tag mit untätigen Händen dasigt und der Mutter schweres Leid schon faum mehr ertragen fann, eine ohnmächtige ,. unbesonnene Wut. Er vergreift sich an den Menschen, die seine Mutter auf die Straße sehen sollen. Sechs Monate gibt es wegen Beamtenbeleidigung, tätlicher Bedrohung, Körperverlegung und Hausfriedensbruch. Monate hat der junge Mensch davon verbüßt, jetzt kommt er frei. Wo soll er hin? Die Mutter wohnt irgendwo in Schlafstelle. Nun soll er mit ganzen drei Mark Unterstügung wohnen und essen. Hier herrscht, im Gegensatz zu dem anderen Fall, zwischen Mutter und Sohn ein überaus inniges Verhältnis. Nun will man
Für Freiheit, Volk und Sozialismus! Der Sozialistische Kulturbund, dem alle großen Arbeiterorganisationen angeschlossen find, ruft für Sonntag, den 15. Januar, vorm. 11% Uhr, zu einer Massenfundgebung in der Volksbühne auf. Es werden sprechen: Thomas Mann , Adolf Grimme , Theodor Leipart und Kurt Löwenstein . Die Veranstaltung wird durch Chöre des Neuköllner Sängerchors umrahmt. Eintrittspreis
30 Pf. Einlaßkarten sind in den Büros der Organisationen sowie an folgenden Stellen zu haben: Geschäftsstelle der Volksbühne, Linienstraße 227; Boltsbühnenbuchhandlung, Köpenider Straße 68; Buchhandlung Diez, Lindenstr. 2; Bezirksbildungsausschuß der SPD. , Lindenstr. 3, 2. Hof, II; Arbeiterbant, Wallstr. 65; Konjum Warenhaus, Oranienplay; Verlagsgesellschaft des ADGB., Sortiment, Inselstr. 6; Zigarrengeschäft Horsch, Engelufer 24/25; Freidenker, Gneisenaustraße 41; Butab, Werftstr. 7.
8. Abt. Mittwoch, 28. Dezember. Die Mitgliederversammlung fällt aus. Die Bezirksführer rechnen von 20-22 Uhr ab bei Rickert, Steinmegstr. 36a.
versuchen, die Wohngemeinschaft zwischen beiden wieder herzustellen. Bloß die Not, die große, schreckliche Not!...
Ein Achtzehnjähriger von außerhalb. Daheim ist Geburtstag und es gibt nichts zu essen. Der Vater verunglückt, der Junge seit Jahren ohne Arbeit, vier kleine Geschwister; der Mutter Pfennige, die sie auf Landarbeit verdient, was zählen die schon? Da kommt der Junge freudestrahlend angerannt: Mutter, ich hab ein Kaninchen geschenkt gefriegt" Und jetzt wird ein bißchen Fettlebe gefeiert, bis das dicke Ende nachkommt und einer erscheint, der ihn beim ,, Raninchenfauf" erwischt hat. Der Junge, der schon etwas auf dem Sündenregister hat, geht ins Gefängnis. Jezt aber ist auch er frei geworden.„ Nach Hause, nee!" meint er und man merkt, daß es ihm bitter ernst ist. Zu all der Not auch noch die Schande" heimbringen, da will er sich lieber hier in Berlin mit ,, Schmalmachen", wie es im Bettlerjargon heißt, sein bißchen Leben zusammenfragen. Auf ihn wird man nun ein besonders betreuendes Auge haben müssen. Er ist einer von den wenigen, der sich seiner Freiheit nicht freut. Er denkt an das traurige Nachher.....
Und dann gibt es wieder viele, viele, unter ihnen ganz hartgefottene Sünder, die hasten und fragen und beschwören: Komm ich denn frei? Ich hab doch nur aus Not gehandelt!" Die drinnen bleiben müssen, möchten die Mauern sprengen, und die man herausließ, die find gefangen in ihrer Not....
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