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Morgen- Ausgabe

Nr. 608 A 299 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Ferniprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

27. Dezember 1932

g

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Schule den Deutschnationalen!

Maßregelung von Sozialdemokraten in der Schulverwaltung/ Neues Jahr, neue Provokationen!

Der Rachefeldzug der deutsch nationalen Kommiffariatsregierung in Preußen gegen Be­amte, die Mitglieder der Sozialdemokratie sind oder sich zu ihr bekennen, wird nach dem Weih­nachtsfest fortgesetzt werden. Auch der neue Feld­zug wird dadurch charakterisiert, daß die deutsch­nationalen Herren ohne Rücksicht auf Leistung und Berdienst gegen die einzelnen Beamten vor­zugehen beabsichtigen. Sie schützen diesmal nicht einmal mehr wie früher Sparmaßnahmen" vor. Sie bauen ab, um die freiwerdenden Stellen in erster Linie mit rechtsstehenden Parteibuch­inhabern zu besehen, die seit Monaten auf Be­förderung lauern.

Am 27. Dezember soll zunächst im Berliner Provinzial- Schulfollegium ,, aufge räumt" werden, wie sich dieser Tage ein deutsch­nationaler Abgeordneter des Preußischen Land­ tags ausgedrückt hat. Der entsprechende Erlaß ist bereits fertig. An der Spize der Berliner Schulverwaltung steht seit Jahren der frühere sozialdemokratische Landtagsabgeord­nete König, dessen Fähigkeiten als Schul­spezialist und dessen loyale Amtsführung selbst von dem Urheber des Zwickelerlasses und dem deutschnationalen Kommissar im Volksbildungs­ministerium nicht bestritten werden können und nicht bestritten werden. Aber König befennt sich zur Sozialdemokratie.

Darum muß er ver­

schwinden! Die deutschnationale Fraktion des Preußischen Landtags hat es so gewünscht. Wie sie beschließt, so tanzen die überparteilichen" Preußenkommissare mit dem deutschnationalen Parteibuch in der Tasche. An Königs Stelle im roten Berlin foll ein überparteilicher" Nachfolger treten. Ueberparteilich" deutschnational.

also

Mit König sollen 12 höhere Beamte des Ber­ liner Provinzial- Schulkollegiums in die Wüste gefchickt werden. Alles bewährte pflichtfreue Beamte, gegen die nichts vorliegt, was ihrer Entlaffung auch nur den Anschein der Be­rechtigung geben könnte.

Unter ihnen befinden sich die bekannte Abgeord= nete des Preußischen Landtags Hildegard Weg­ scheider , Regierungsdirektor Kummerow, als dessen Nachfolger ein eingeschriebenes Mitglied der Deutschnationalen Partei mit großem Kopf aber geringem Horizont aus Magdeburg in Aus­sicht genommen ist, und Studiendirektor Knolle, der sich ebenso wie Rummer om aktiv in der Sozialdemokratischen Partei nicht betätigt hat. Macht nichts auch die Mitgliedschaft muß ge­rächt werden. Das geschieht so, daß die zwölf Beamten am 1. Januar mit vollem Gehalt be= urlaubt und ab 1. April zwangsweise in den Ruhestand versezt werden. Schließlich zahlt ja das Volk die Kosten für

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SA.- Fememord aufgedeckt

SA.- Mann von Kameraden erschossen/ Die Leiche in der Talsperre

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Dresden , 26. Dezember.

Um zweiten Feiertag ist in Dresden ein Feme­mord der SA. aufgedeckt worden. Seit dem 4. November war der hiesige SA.- Mann Hentsch verschwunden. Als die Polizei sich der Sache annahm, stellte sie fest, daß er an jenem Abend von drei Su- Kameraden angerufen und zu einer Besprechung bestellt worden war. Einer der drei SA- Ceute gab zu­nächst an, Henhjch seit Wochen nicht gesehen zu haben. Das stellte sich aber bald als unwahr heraus.

Als die Polizei sich nunmehr mit den drei Leuten befaßte, verschwand einer nach dem anderen, teilweise unter 3rreführung der Krimi­nalpolizei. Einer der drei Mörder, der der Poli­jei den angeblichen Täter in die Hände liefern wollte, benutzte eine Autofahrt mit der Polizei dazu, um selbst zu verschwinden. Nachdem die drei Kameraden verschwunden waren, bestand eigent­lich kaum noch ein Zweifel, daß hier ein Freundesmord vorlag. Merkwürdigerweise ver­mutete man bei der Polizei, daß Hentsch noch lebe. Es trafen dann aber gewisse Anzeichen ein, die darauf hindeuteten, daß Henksch in der Nähe der Talsperre Malter er­schossen und seine Leiche dann in die Tal­Sperre geworfen worden war. Mehrfach wurde in und bei der Talsperre nach der Leiche gesucht. Man hatte selbst einen Taucher zu Hilfe genommen.

Die zunehmende Kälte hat am zweiten Weih­nachtsfeiertag Licht in die Sache gebracht. Durch die Eisbildung senkte sich der Wasserspiegel der Talsperre so, daß man jetzt die Leiche des Henhich fand. Sie war in einen Sad gehüllt, der mit schweren Steinen belastet war. Die äußere Be­

fichtigung hat nach Mitteilung der Mordkommission gezeigt, daß Henhjch durch einen Brust­schuß getötet worden ist. Nach amtlicher Mitteilung steht einwandfrei feft, daß Hentsch einem Mord zum Opfer gefallen ist. Die Kriminalpolizei hat inzwischen mit der Staats­anwaltschaft eingehende Ermittlungen angestellt, die für die Aufklärung des Falles wichtiges Material ergeben haben. Im Interesse der Unter­suchung werden von der Polizei Einzelheiten nicht bekanntgegeben.

Als Mörder kommen die drei S.- Ceute Schenk, ein 27jähriger Funker aus einer kleinen Nachbargemeinde, Friedrich Fräntel, ein 22 Jahre alter Telegraphenbauarbeiter aus Dres­

Warenhaus ausgebrannt

In

Riesenfeuer in Barcelona Barcelona , 26. Dezember. den Mittagsstunden des ersten Feiertages brach im größten Warenhaus Barcelonas ,, El Siglo" ein Brand aus, der bei dem herrschenden starken Wind bald riesige Ausmaße annahm. Die Löscharbeiten wurden dadurch außzer­ordentlich erschwert, daß der Wasserdruck der Feuerspriken sich als zu schwach erwies. Das ganze riesige Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Der Sachschaden beträgt etwa 30 Millionen Peseten. Bei der Be­kämpfung des Brandes wurden acht Per­sonen verletzt. Ueber 1000 Angestellte sind durch das Brandunglück brotlos geworden.

Als Ursache des Brandes wird angenommen, daß von einem elektrisch betriebenen Spielzeug, das in einem Schaufenster ausgestellt war, ein

die ,, ü berparteiliche" Kommissa= riatswirtschaft mit schwarzweiß=

rotem Vorzeichen.

Mit den Maßregelungen von Sozialdemokca­ten und Staatsparteilern im Berliner Pro­vinzial- Schulkollegium ist der Rachefeldzug der deutschnationalen Kommissariatsregierung noch feineswegs beendet.

Die Herrschaften wollen noch zahlreiche andere Sozialdemokraten und Staatsparteiler in den preußischen Schulverwaltungen mit Neujahrs­geschenken ,, beehren". Es ist ihr Plan, möglichst alle Sozialdemokraten in den Schulverwaltun­gen in die Wüste zu schicken. In Berlin soll damit am 27. Dezember, im übrigen Preußen am 1. Januar begonnen werden.

Die Rache gegen etwa 75 anerkannte Schul­politiker vollzieht sich unter dem Protektorat des Reichskanzlers von Schleicher als Reichs­fommiffar für Preußen.

"

Als Herr von Schleicher vor wenigen Wochen sein Amt antrat, ließ er als Ziel seiner Regierung Versöhnung mit Allen" ver­fünden. Schon die Berufung des Herrn Bracht zum Reichsinnenminister hat gezeigt, was es mit dieser Versöhnung auf sich hat. Jezt folgt eine neue Provota= tion der Sozialdemokratie.

Die deutschen Christen

Kreuz und Hakenkreuz

,, Das Christentum hat seinen Namen Don Christus, der Nationalsozia lismus wird in die Geschichte eingehen als die Idee Adolf Hitlers ".

( ,, Angriff" vom 12. Dezember.) Der Antrag der preußischen Nazifraktion, der das Verbot der Freidenker for dert, und der in diesen Tagen zur Verhand­lung tommende Prozeß, der eine Karikatur verfolgt, die auf die religiöse Blasphemie der Wotansjünger zielt, geben Gelegenheit fest­zustellen, daß, woran schon neulich hier er­innert worden ist, niemand mehr als die Hitlerianer die christliche Religion und deren Einrichtungen verhöhnen und verwerfen. Die beste Auskunft über die Stellung der Natio­nalsozialisten zum Christentum gibt immer noch Alfred Rosenberg , Chefredakteur des Bölkischen Beobachters" und prominen­ter Vertreter der nationalsozialistischen Welt­anschauung, in seinem umfassenden und von den Hakenkreuzlern angebeteten Werk ,, Der Mythos des 20. Jahrhunderts." Kurz und bündig ist das Gesamturteil Rosenbergs:

,, Das kirchliche Christentum katholischer Form und protestantischer Abart liegt heute als geschicht­liche Erscheinung vor uns; Anfang und Ende lassen sich flar überblicken. Nun ist die Erstarrung ein­getreten... Der treuherzige Bibelglaube der Pro­testanten ist heute ebenso unwiderbringlich dahin, wie einst der Glaube an die göttliche Berufung der Kirche"."

Rosenberg sagt ferner, daß die römische Dogmen- und Kirchengeschichte nichts anderes

den, und der berufslose 20 Jahre alte Walter sei als eine Geschichte der zauberhaft- dämo­Woicit aus Dresden in Frage.

Die Angelegenheit erregte feit Wochen die ganze sächsische Deffentlichkeit. Die sozialdemokratische Fraktion des Sächsischen Landtags hatte im Land­fag eine Anfrage an die Regierung gerichtet. Der Minister des Innern antwortete darauf zum leb­haften Befremden des ganzen Landtags, ihm sei von der Sache nichts weiter bekannt. Er versprach jedoch Anweisung zu geben, daß die Nachforschun­gen aufs schärffte vorgenommen würden. Die Er­mittlungen haben indessen in mehreren Wochen nichts ergeben und nur den Wirkungen der Natur hat man es zu verdanken, daß nun endlich der Fememord aufgedeckt wurde. Es wird nun vor allem Aufgabe der Polizei sein, die Schuld efwaiger Führer der Nationalsozialisten festzustellen. Denn es kann nach Angaben, die aus Nazikreisen stammen, als sicher gelten, daß die drei SA. - Leute nicht aus eigenem Antrieb gehan­delt haben.

Funke auf die leicht entzündbaren anderen Gegenstände der Fensterdekoration übersprang. Der Schaufensterbrand dürfte sich dann mit rasen­der Geschwindigkeit erweitert haben.

Grubentatastrophe

52 Bergleute verschüttet

New york, 26. Dezember. Auf der 300- Meter- Sohle des Kohlenbergwerkes Moleaqua im Staate 3llinois ereignete jich am Sonnabend eine Explosion, durch die 52 Bergleute verschüttet wurden. Es ent­wickelten sich giftige Gase, die sich fast über das ganze Bergwerk verbreiteten und die Rettungs­arbeiten außerordentlich erschwerten. In den Stollen spielten sich entsetzliche Schredens­fzenen ab. Bisher konnten neun Leichen geborgen werden. Man befürchtet, daß auch die übrigen 43 Bergleute durch einstürzende Gesteins. massen oder durch die giffigen Gase den Tod ge­funden haben.

nischen Weltauffassung des Medizinmannes, wie er aus Afien gekommen ist; der Papst habe es verstanden, sich der Nachprüfung solcher Zauberei, als da find der Ablaß , die lezte Delung und dergleichen, raffiniert zu entziehen, indem er die Wirkung des Zaubers ins Jenseits versetzte. Der Protestantismus fommt bei Rosenberg kaum besser weg:

,, Der Protestantismus hat religiös versagt, meil er an die Stelle des römischen das jerusalemitische Zentrum setzte: das Herrscherrecht des Buchstabens

Die Bibel wurde Volksbuch und die alttesta­mentliche Prophetie Religion. Damit war die Berjudung und Erstarrung unseres Lebens um einen neuen Schritt vorwärtsgetrieben, und es iſt kein Wunder, daß fortan blonde deutsche Kinder allfonntäglich singen mußten: Dir, dir, Jehova, will ich fingen"."

Das Christentum beider Konfessionen wird von den Nationalsozialisten als jüdisch und darüber hinaus als ägyptisch, vorder= asiatisch, syrisch, afrikanisch ver­worfen. Jesus behält eine gewisse Geltung, aber nur darum, weil er blonder Abstam­mung ist: ,, Die Amoriter gründeten Jerusa­ lem , sie bildeten die nordische Schicht im späteren Galiläa, aus der einst Jesus hervor­gehen sollte." Jesus ist gewissermaßen im Verlauf der großen nordischen Wanderungen nach Palästina gekommen, aber gleich nach seinem Hinscheiden wurde, so lehren die Nazis, seine geschichtliche Persönlichkeit ,, mit allem Wust des vorderasiatischen, des jüdischen und und ver­afrikanischen Lebens beladen schmolzen... Jesus ist hinausgedrängt, der syrisch- etruskische Aberglaube, der sich um seine Persönlichkeit rankte, ist als apostolische Ueberlieferung an seine Stelle getreten." Im besonderen wird Paulus für die Verbastar­dierung, Verorientalisierung und Verjudung des Christentums verantwortlich gemacht: ,, Seine Lehren bilden bis auf heute, troz aller Rettungsversuche, den jüdisch- geistigen gleichsam die talmudistisch­Grundstock, orientalische Seite der römischen, aber auch der lutherischen Kirche..., der volklosen