Die von der Landstraße
Weihnachten im Jugendwanderheim- Junge Menschen ohne Ziel
So sieht die Landstraße im Winter aus: Regen, Rebel, Feuchtigkeit und Kälte. Nur zwischendurch die Sonne, ihre Strahlen wärmen faum, die Dunfelheit bricht früh an. Die dürftige Kleidung der Tippelbrüder schützt nicht gegen Kälte, die dünnen Sohlen lassen Nässe durch, die handschuhlosen Finger finden in den Taschen nur wenig Schutz. Das Uebernachten auf den Heuböden ist unmög= lich; der Nachtfrost ist der schlimmste Feind. Nur geringe Strecken fann man im Laufe des Tages zurüdlegen. Die Herberge mit ihrer Wärme und der Suppe ist der einzige Hoffnungsstrahl...
Wer im Winter die Landstraße entlang tippelt, dem geht es bestimmt nicht gut. Es sind die Landarbeiter ohne Bleibe, die arbeitslosen Burschen, deren erwerbslose Bäter von der Wohlfahrtsunterstützung ihre großen Jungen nicht durchhalten können oder ihnen immer wieder megen ihrer Untätigkeit Vorwürfe machen. Dann gehen die Burschen lieber los. Sie flappern die Landstraße ab, von Herberge zu Herberge, ohne Lust und Freude. Das einzige, was sie sich nicht nehmen lassen, das ist der Galgenhumor. So feiern sie auch Weihnachten in der Fremde...
Im Charlottenburger Jugendwanderheim waren es 50 junge Burschen, viel Bayern , Rheinländer, Saarländer , Schlesier, Sachsen , Ost und Westpreußen . Im Jugendheim saßen sie auf langen Bänken, sangen Weihnachtslieder vor dem Tannenbaum und sahen sich zwei Theaterstücke an, die von den Jungens aus dem Jugendheim gespielt wurden. Es war ein schöner Abend für diese vom Leben enttäuschten jungen Men= schen und sie tauschten später noch lange ihre Erlebnisse von den Märschen auf endlosen Straßen aus. Und alle hatten sie nur die eine Sehnsucht: Wie die anderen, denen es besser geht, daheim bei den Angehörigen unter dem Weihnachtsbaum figen zu können, ohne am nächsten Tage wieder ins Ungewisse hinaus die Landstraße entlang= tippeln zu müssen.
Fest der Gemeinschaft
In dem Gebäude des früheren Chemischen Laboratoriums auf dem Gelände der alten Span dauer Pulverfabrik, wo einst die Versuche für Explosivstoffe gemacht wurden, hat der
Die Not der Jugend
Das Notwerk der Reichsregierung
Reichspräsident und Reichsregierung teilen in einem Aufruf mit, daß ein„ Notwerk der deutschen Jugend" geschaffen werden soll. Der Aufruf lautet:
,, Die Not der Arbeitslosigkeit lastet schwer gerade auch auf der deutschen Jugend. Weder Arbeitsbeschaffung noch Arbeitsdienst können verhindern, daß mit dem Anbruch des Winters Hunderttausende von jungen Deutschen mit dem Schicksal der Erwerbslosigkeit und der Untätigkeit zu ringen haben. Darum rufen Reichspräsident und Reichsregierung das deutsche Volt am Weihnachtstage zum Notwert der deutschen Jugend auf. Das Noiwert soll der arbeitslosen Jugend Gelegenheit zu ernsthafter beruflicher Bildungsarbeit bieten und ihr sonstige sinnvolle geistige und körperliche Betätigung ermöglichen. Es soll ihr in Verbindung damit täglich eine gemeinsame warme Mahlzeit sichern.
Gemeinsinn und Hilfsbereitschaft aller Teile der Bevölkerung müssen in diesem Notwert zusammenwirken, um die arbeitslose Jugend förperlich und geistig gesund und lebenstüchtig zu erhalten und ihren Willen zu tameradschaftlicher Selbsthilfe zu stärken. Die freiwilligen Anstrengungen der Bevölkerung werden die planmäßige Unterstützung des Reichs erfahren. Die Reichsregierung stellt allen geeigneten Einrichtungen, insbesondere auch freiwilligen Kamerab schaften junger Arbeitsloser, die sich in den Dienst des Notwerks stellen und es praktisch verwirtlichen, Beihilfen zur Verfügung. Sie sollen vor allem die vorgesehene Verpflegung ermöglichen.
Dazu werden die folgenden amtlichen Erläuterungen gegeben:
,, Das Notwert der deutschen Jugend, zu dem Reichspräsident und Reichsregierung aufrufen, wird auf Anordnung des Reichsarbeitsministers durch die Reich sanstalt für Arbeits. Dermittlung und Arbeitslosenver. sicherung durchgeführt. Für das Notwerk stehen aus Reichsmitteln in dem laufenden Haushaltsjahr 9 Millionen Mark zur Verfügung. Hieraus dürfen Beihilfen solchen Einrichtungen und insbesondere auch solchen freiwilligen Kameradschaften gewährt werden, die allein oder im Zusamenwirten mit anderen Stellen junge Arbeitsloseim Alter bis zu 25 Jahren außer zu gemeinsamer Mahlzeit durchschnittlich mindestens vier Stunden am Tage zusammenhalten. Hiervon sollen nach Möglichkeit zwei Stunden der beruflichen Fortbildung dienen, die übrige Beit foll sportlicher Betätigung und geistiger Bildungsarbeit gewidmet fein.
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Die Beihilfen sollen so berechnet werden, daß höchstens je nach den örtlichen Verhältnissen 15 bis 25 Pfennig für jeden Teilnehmer gewährt werden. Sie haben regelmäßig zur Bor= ausseßung, daß sich auch andere private oder öffentliche Stellen mit eigenen Mitteln an der Verpflegung und den sonstigen Aufgaben des Notmerts beteiligen. Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wird die hiernach erforderlichen Maßnahmen im engsten Einvernehmen mit den Körperschaften, Verbänden, Vereinigungen und allen sonstigen
Stellen einleiten und durchführen, die sich nach ihrem Aufgabenfreis mit der Hilfe für die arbeitslose Jugend befassen.
Zur Förderung des Notwerks sollen unverzüglich in den Bezirken Arbeitsämter Bezirken aller Arbeitsgemeinschaften gebildet werden. Sie sollen unter Vermeidung überflüffiger Organisationsarbeit alle Stellen zusammenfassen, die sich der arbeitslosen Jugend an= nehmen: Neben dem Arbeitsamt vor allem die Gemeinden( Jugend- und Wohlfahrtsämter, Berufsschulen), die freie Wohlfahrts- und Jugendpflege( insbesondere die Winterhilfe), die Geift lichkeit und Lehrerschaft, die Jugendverbände aller Art, die Berufsverbände der Arbeitnehmer, Arbeitgebervereinigungen usw.
Der Reichsarbeitsminister hat sich an jämtliche Landesregierungen sowie an die in Betracht tommenden Spizenverbände mit der Bitte um Unterstützung des Notwerks gewandt."
Krise schlingt weiter
Nun auch White- Star
London , 26. Dezember. ,, Sunday Expreß " zufolge befindet sich die englische White Star Dampfschiffahrtsgesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten. Zu Beginn des neuen Jahres werde ein Vierer- Ausschuß ein
Soziale Dienst für seine im Freiwilligen Arbeitsdienst tätigen Kameraden ein Heim ge= schaffen, das als mustergültig zu bezeichnen ist. In dem großen Gemeinschaftssaal wurde eine Weihnachtsfeier durchgeführt, die besondere Erwähnung verdient.
Die Feier wurde mit dem Gesang:„ Wenn wir schreiten Seit an Seite" eingeleitet. Der stellvertretende Leiter des Lagers Genosse Pehla begrüßte die anwesenden Gäste, von denen als Vertreter des Bezirksamts Bürgermeister Stritte, vom Arbeitsamt Direktor Taubmann und Stadtrat Genosse Bergemann erschienen
waren, und dankte ihnen mit herzlichen Worten für die bisherige weitgehende Unterstügung. Selbstverständlich fehlte nicht die Bescherung der 80 Kameraden. Mit strahlenden Augen und innerer Freude wurden die Geschenke entgegengenommen. Der Vorsitzende des Sozialen Dienstes, Genosse Lück, gab einen Rückblick auf die Entstehung des Weihnachtsfestes und ermahnte zur inneren Verbundenheit, Kameradschaftlichkeit und Einigkeit. Allen wurde so das Weihnachtsfest als Fest der Gemeinschaft, der Solidarität und der Kameradschaft nahe gebracht.
gesetzt werden, um die Intereffen der vier Hauptgläubiger der Gesellschaft einschließlich des englischen Schatz amtes und der nordirischen Regierung zu wahren. Die Lage der White Star Line sei ein großes Problem für die englische Regierung und die übrigen Gläubiger. Ein stückweiser Verkauf der Flotte würde angesichts der Schiffahrtskrise einen größeren Verlust bedeuten, andererseits sei zu befürchten, daß bei einem Verkauf im Ganzen, die Flotte in die Hände der ausländischen Konkurrenz übergehen könnte.
Großfeuer verhütet
Miẞglückte Brandstiftung
Durch einen raffiniert angelegten Plan follten gestern nachmittag die beiden Dachstühle des Haufes Schinfeftraße 22 in Neukölln eingeäschert werden. Lediglich einem Zufall war es zu danken, daß die Brandstiftung im letzten Augenblid verhindert wurde.
Auf einem Bodenverschlag, dort wo die Dachstühle des Vorder- und Hinterhauses aneinander grenzen, hatte der Verbrecher einen Sad HolzSpäne ausgeschüttet und mit Benzin über. gossen. In die Mitte gieses Scheiterhaufens hatte der Bursche ein Licht gestellt und es angezündet. Wäre das Licht unbemerkt ganz heruntergebrannt, hätte der ganze Boden und der darüberliegende Nachstuhl im Nu in Flammen ge= standen. Zufällig begab sich ein Mieter des Hauses, der in einem Verschlag Tauben züchtet, nach oben um nach dem Rechten zu sehen. Der Mann entdeckte das Verbrechen, löschte das Licht und alarmierte unverzüglich die Kriminalpolizei.
"
im Populaire" einen Artikel, in dem er die Ha[ 1 tung der Sozialdemokraten gegenüber der Regierung von Schleicher darlegt. Breitscheid verwahrt fich gegen die Ansicht, daß die Reichsregierung von den Sozialdemokraten unterstützt oder auch nur geduldet werde.
Der erbitterte Kampf, den er und seine Freunde gegen das Kabinett Papen geführt hätten, habe im Ausland die Meinung aufkommen lassen, als ob sie sich mit dem Kabinett Schleicher abfinden würden. In Wirklichkeit nehme die deutsche Sozialdemokratie jedoch eine streng oppo= fitionelle Haltung ein. Die neue Regierung unterscheide sich zwar in verschiedenen Punkten von der Papens.
Sie sei vor allem wesentlich geschickter und habe für die Notwendigkeiten der Gegenwart ein viel größeres Verständnis. Sie wisse, daß sie großen Schwierigkeiten begegne, die man nicht einfach aus dem Weg räumen könne, sondern die umgangen und vernichtet werden müßten. Wenn Schleicher deshalb im Augenblick darauf verzichte, das Pro
gramm der Verfassungsänderung durchzuführen, so bedeute dies nicht, daß er ein überzeugter Demotrat sei, sondern daß er die bestehenden Schwierig. feiten nicht noch durch neue verschärfen wolle.
Der Beiname ,, sozialer General", den ihm die bürgerlichen Parteien gegeben hätten, sei jedoch ebenso unverdient, wie wenn man einen Offizier loben würde, da er für Unterbringung und Ber pflegung seiner Soldaten forge, um die Moral der Truppe zu heben. General von Schleicher sei zwar nicht aus demselben Holz geschnigt wie der ehemalige Reichskanzler von Papen. Das Holz stamme aber aus demselben Walde.
Wenn Schleicher das Wirtschaftsprogramm feines Vorgängers übernehme, so bedeute das nicht einmal, daß er auf die fapitalistische Lösung verzichte, die fein Vorgänger angestrebt habe, und die von den Sozialdemokraten immer wieder zurückgewiesen worden sei. General von Schleicher habe keinerlei Unterstüßung von den Sozialdemo fraten zu erwarten. Wenn er seine Bemühungen zur Herstellung einer parlamentarischen Grundlage von Erfolg getrönt sehen wolle, so werde er sich an die Nationalsozialisten wenden müssen.
In wenig Worten
Eine furchtbare Entdeckung machte die Pariser Polizei in einem kleinen Dorf in der Nähe von Cahore. Die Bewohner der Ortschaft hatten seit Mittwoch eine 72 Jahre alte Bauernfrau nicht mehr zu Gesicht bekomen und deshalb die Polizei benachrichtigt. Als fie in das offenstehende Haus eindrang, fand sie die unglückliche Frau, von Schweinen angefressen, in ihrem Wohnzimmer vor. Neben ihr lagen in buntem Durcheinander sämtliche Wertpapiere, so daß man nermutet, daß die Unglückliche das Opfer eines Ver brechens geworden ist.
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Wie die Schweizerische Erdbebenmarte von Neuenburg haben auch die Seismographen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geody namik in Wien gestern ab 3 Uhr 15 früh mitteleuropäischer Zeit ein überaus heftiges Fern. beben verzeichnet, dessen Herd in einer Entfernung von etwa 6300 Kilometer liegen dürfte. Man nimmt an, daß er wahrscheinlich in Nordchina zu suchen ist.
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Bon unbekannten Tätern wurde am Heiligen Abend gegen 11 Uhr nachts durch ein Fenster der Wohnung des Pfarrers Fischer in Saalfeld eine mit Salzsäure und Karbid gefüllte Flasche geworfen, die mit lautem Getöse explodierte und im Zimmer große Verwüstungen anrichtete. Ber. letzt wurde niemand. Eine zweite Aezbombe gleicher Art wurde nach der über der Pfarrmohnung gelegenen Wohnung eines Polizeiober. infpeftors geworfen, prallte aber am Fensterkreuz ab und explodierte auf der Straße.
Tragödie am Fest
Vom Balkon gestürzt
Eigener Bericht des„, Vorwärts" Liegnitz , 26. Dezember. Eine furchtbare Tragödie spielte sich am Vormittag des zweiten Feiertages in der Wohnung des Oberregierungs- und Baurats Dr. Schilling in Liegnig ab.
Die 49 Jahre alte Ehefrau Käte Schilling hatte sich an den Ofen gestellt, um sich zu wärmen. Plötzlich fingen die Kleider Feuer. Die Frau rannte brennend und laut schreiend im Zimmer umher. Ein im gleichen Hause wohnender Arzt war sofort zur Stelle und brachte die erste Hilfe. In ihrem Schmerz und in der Erregung rannte sie jedoch, ehe der Arzt und die gleichfalls anwesende Bedienungsfrau es verhindern fonnten, durch die offene Balkontür und stürzte sich von dem Balkon im dritten Stockwerk in die Tiefe. Sie war sofort to t.
Raubüberfall auf U- Bahn
Geistesgegenwart der Beamtin
Am ersten Feiertag gegen Mitternacht kam am U- Bahnhof Friedrichstadt ein junger Mann die Treppe herunter, der sich auffällig nach allen Seiten umsah. Als er glaubte, unbeobachtet zu sein, sprang er auf das Schalterfenster zu. Er schlug die Scheibe ein und griff nach Fahrfarten und den einkassierten Geldern.
Die erschreckte Verkäuferin rief laut um Hilfe. Sie hatte soviel Geistesgegenwart, die Hände des Mannes festzuhalten. Zufällig war in dem Augenblick des Ueberfalles ein Zug in den Bahnhof eingelaufen. Einige aussteigende junge Leute hörten die Hilferufe und rannten auf den Räuber zu. Der hatte sich inzwischen losgerissen und flüchtete. Er wurde aber verfolgt und fonnte in der Buttkammerstraße eingeholt und verhaftet werden.
Brand im Irrenhaus
In einem Pavillon des Irrenhauses in Heiloo in der Provinz Nordholland brach am Morgen des ersten Weihnachtstages ein Brand aus. In dem Pavillon befanden sich 100 Kranke, derer sich größte Erregung bemächtigte. Den Be mühungen des Pflegepersonals sowie der Feuer mehr gel ng es jedoch, sämtliche 100 Personen in Sicherheit zu bringen. Der Pavillon brannte vollständig nieder.
8. Abt. Mittwoch, 28. Dezember. Die Mitgliederversammlung fällt aus. Die Bezirksführer rechnen von 20-22 Uhr ab bei Rickert, Steinmetzstr. 36â.
Wetter für Berlin und Umgebung: Abgesehen von Morgennebel meist heiter, nachts leichter Frost, am Tage Temperaturen wenig verändert. Leichte südöstliche Winde. Für Deutschland : Im Nordoften des Reiches Wetterbesserung, im südlichen und südöstlichen Deutschland noch vielfach neblig trübe bei Temperaturen um Null. Im übrigen Reiche vielfach heiter, im Küstengebiet jedoch stellenweise nebelig.
KYRIAZI Nº6
KYRIAZI PREBE
KYRIAZING 6
Eine
Spitzenleistung
4Pfg.
MIT ODER OHNE MUNDSTUCK