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5. Was Lüdersen bei der Unterredung auf dem Büro des Postdirektors am empfind- lichsten getroffen hatte, war weder Bergers Anspielung auf seine geringere Intelligenz, noch die Behauptung, daß er weniger kalt- blütig sei. Beides war an sich beleidigend genug.. Aber man konnte es als Ausbrüche einer heftigen Augenblicksstimmung auf- fassen, als eine Störung des Gleichgewichts infolge der Katastrophe. Was ihn aber wirtlich getroffen hatte, war die Bemerkung von der kleidsamen Bandage. Die war ein persönlicher Ueberfall und einhielt einen wirklichen Stachel, den man nicht so emfach außer acht lassen konnte. Sie verriet, daß Berger sich über den ficht- baren Beweis von Lüdersens größerem Mut geärgert hatte. Sie verriet aber auch, daß nach Bergers Meinung er— Lüdersen— zu sehr prahle. Es schien ihm fast, als fei Berger der Meinung, er fei ein eitler Narr und kokettiere mit seinem mutigen Auftreten. Und das faß. Eine boshafte und räche- gierige Niedertracht war es. Es war sozu- lagen wie Schmutz in einer Wunde. - Aber wenn Schmutz in eine Wunde kommt, strömen die weißen Blutkörperchen zu Hilfe und vertreiben ihn. So auch bei Lüdersen. All sein aufgespeicherter Unwille gegen Berger, aller Groll des weniger tüchtigen Kollegen strömte zusammen und formte sich zu einem verächtlichen Haß gegen Berger.— Was war denn der und was bildete er sich ein? Hatte er sich nicht in der Stunde der Gefahr deutlich als feiger Stüm- per gezeilt? Als ein Angsthase?— War der ein Mensch, auf den man Rücksicht zu nehmen brauchte? Aber wo die weißen Blutkörperchen sich um den Schmutz sammeln, entsteht Eiter. So auch bei Lüdersen. Es brannte und schwärte ihm in der Eitelkeitswunde und sie ent- zündete sich. Es war wie ein Geschwür an der Persönlichkeit selbst. Und nun lag ihm alles daran, daß das Geschwür aufbräche. Keine Gelegenheit war ihm zu gering- fügig. un, Berger anzuschwärzen.' Beim Postdirektor, bei den Kollegen und bei einer abermaligen Unterredung auf der Polizei. Dies tat er nicht etwa mit großer Geste oder mit überzeugendem Pathos. Er tat es mit kleinen, geringschätzigen Seitenhieben, jeder für sich kaum mehr als ein Achselzucken. Nach und nach wurden sie der stete Tropfen, der den Stein höhlt. Alles dies war nicht Ueberlegung. Es ge- schah instinktiv— ohne weiteres Nach- denken. Die Woche über redete er nicht mit Berger, nicht ein Wort. Er sah ihn nur. wenn er an ihm vorbeigehen mußte, mit schwerer, vor- wurfsvoller Verachtung an. Der Kerl soll sich bloß nichts einbilden. Ein bißchen mehr praktische Tüchtigkeit mag er ja haben, wenigstens möchte er, daß es so wäre. Aber warten wir's nur ab. Wer weiß, ob auf die Dauer nicht auch andre Eigenschaften in Betracht kommen. Er soll sich bloß nicht erhaben dünken. Lüdersen lebte in einem sogenannten beste- ren Pensionat. Seine Mitpensionäre bestan- den aus ein paar Lehrerinnen, der In- haberin eines Handarbeitengeschäfts, einigen Ingenieuren, einem Bantkassierer und einem Steuerinspektor. Im ganzen zehn— elf Leute, die in Gruppen auftraten. Die Damen bildeten eine Gruppe für sich, die Ingenieure eine zweite, der Bankkassierer und der Steuerinspektor bildeten eine Gruppe für sich, die Ingenieure bildeten eine etwas lockere Formation und die vierte Gruppe bestand aus Lüdersen ganz allein. In den drei Iahren, die er in dieser Pension wohnte, hatte er mit den anderen Gruppen wenig Verkehr gepflegt. An den Pflichtgefprächen bei Tisch nahm er in der ihm eigenen, etwas verdrossenen Weise ohne besonderen Eifer teil, und es kam auch vor, daß er abends im Salon erschien. Zum Bei- spiel, wenn in den Kinos das Programm zu schlecht oder das Wetter zum Ausgehen zu scheußlich war. Dieses letztere war an dem Sonntag nach Quifchus' Beerdigung her Fall. Nach den, Abendessen hatten sich sechs Leute im Salon niedergelassen Die Damen- gruppe vollzählig, Ingenieur Engelhardt. Bankkassierer Ragnos und Lüdersen. Die Damen saßen in der Sofaecke und plauderten halblaut bei ihrer Patience, In- genieur Engelhardt las einen Detektiv- schmöker und Lüdersen ging langsam im Zimmer auf und ab. während der Bank- kassierer Rognos nervös auf dem ziemlich perstimmten Klavier spielte.
Lüdersen war recht übler Laune. Er be- fand sich in einer Art Katzenjammer nach dem Mittelpunktdasein einer ganzen Woche. Das Leben war im Begriff, wieder in die alte wohlbekannte Einförmigkeit zurückzu- ebben. Den ganzen Nachmittag hatte kein Mensch ihn gefragt und keine brauchbare Ge- legenheit hatte sich ergeben, sein Wissen aus- zu kramen. Wie er da ging, sah er mit gerunzelter Stirn zu Boden, als ob er etwas sehr Schwieriges durchdächte. Und doch bejchäf- tigte ihn nur das eine. Ein paarmal machte er in der Nähe der anderen Gruppen halt und betrachtete sie mißbilligend. Die Damen kamen noch am besten dabei weg. Diese Ansammlung ältlicher Nippfiguren hatte ihn weidlich verhimmelt. Aber dieser Engelhardt hätte ihn eigentlich mal
fragen können. Wozu las er Räubergeschich- ten. wenn sich in Wirklichkeit ein Roman dicht vor seiner Nase abspielte und er unter einem Dach wohnte mit dem Helden des Romans? Er hatte ihn die ganze Woche nicht gefragt. Na ja, einerlei. Er war ein weichlicher, witzelnder Idiot. Da war es mit Rognos schon ärgerlicher. Der war doch wenigstens ein strammer Kerl, ganz nett. wenn er sich mal im Hause zeigte. Aber auch der hatte ihn nicht gefragt. Er hatte nicht einmal ordentlich zugehört. Lüdersen sah ihm zu und ärgerte sich grün und blau über die langen, schlanken Finger, die mit sich selbst um die Wette über die Tasten liefen. Blödsinn! dachte er, wie kann sich ein erwachsener Mensch dazu her- geben, stundenlang auf dem Wimmerkasten herumzuklimpern.— Ucbrigens spielt er heute besonders nervös. Aber auch Rognos schien sich zu ärgern, und zwar über Lüdersen; denn plötzlich brach er mitten in einem Lauf ab. sprang auf und fragte mit einer gewissen Gereiztheit: „Wollen Sie mir einen Gefallen tun, Lüdersen?" Lüdersen sah verdonnert aus. Eine schwer- fällige, träge Verworrenheit stieg in ihm auf, die ihn am Antworten verhinderte. Er stand nur und glotzte ihn an. „Dann nehmen Sie bitte die Bandage ab, sobald sie nicht mehr notwendig ist!" Die Worte erregten die Aufmerksamkeit
des Salons. Sämtliche Anwesende blickten von ihren geistigen Interessen auf und sahen erstaunt die beiden an. Da tauchte Lüdersen mitten in seiner augenblicklichen Stimmung die Erinnerung an die infame Bemerkung Bergers auf: Hättet ihr beide auch etwas mehr Zeit ge- habt, so läge Ouisthus heute nicht in seinem Sarge und du wärst ohne die kleidsame Bandage! Er fühlte sich völlig überrumpelt. Er ver- stummte total und sah verblüfft und ver- wirrt in Rognos' nervöses Gesicht. Der Bankkassierer unterbrach als erster die Stelle:„Sie tragen den Lappen ja wie ein eisernes Kreuz ", sagte er.„Ist es etwa eine Heldentat, sich übereilt zu benehmen? Außer- dem habe ich im Krankenhaus erfahren, daß es mit der Wunde da nicht viel auf sich hat. Immer und ewig diese Helden- und Kranken- Hausreminiszenzen mitanzusehen, das kann einen ja verrückt machen. Sie können den Verband ruhig abnehmen. Kommen Sie. ich helfe Ihnen. Wir legen Haar darüber. Dann sieht es wenigstens nicht so wider- lich aus." Das war ja unerhört! Ein phantastisches Ereignis in der Geschichte des Pensionats! Und keiner wagte zu mucken. Keiner konnte sich ermannen, einzugreifen, ehe es geschehen war. Ehe es zu spät war. (Fortsetzung folgt.)
'Denkmal der Chinefifche Zrsähhmq/ Ton Jfnn Zongheng
Nördlich von Peking , der alten 5?auptstadt des Reiches der Mitte, liegt etwa einen Tagemarsch entfernt das kleine Dörfchen Pelingkau in einem öden Tal zwischen kahlen Bergen. Aus einem Platz in der Mitte der Ortschast rage» einige uralte Eichen, Eschen und Buchen gen Himmel. Tag und Nacht ziehen hier die Karawanen vorbei mit Kamelen und kleinen Pferden, Eseln und Maultieren: sie komincn von der Mongolei über die große Mauer und streben gen Peking oder sie bringen Ware von der Hauptstadt zu den Bar- baren im Nordwesten. Ununterbrochen dröhnt es im Dorf von den Schlägen des Gongs und der Handtrommel, ohrenbetäubend schwillt oft der Lärm, und dazwischen tropft in allen Tönen das Kling-Älang der Pichglöckchen. In der Stille der Nacht wirkt der Lärm doppelt laut, aber die Dorfbewohner haben sich daran gewöhnt und lassen sich nicht mehr stören. Befriedigt blicken sie. ehe sie schlafen gehen, auf das Hin- und Her- gewoge der bunten Lampions und Fackeln im Karawanenbetrieb, dem sie ihren Wohlstand ver- danken. Die Dörfler von Pelingkau hatten einen guten Ruf in der ganzen Gegend und waren dafür be- kannt, daß sie die Gesetze der alten Lehrer hoch- hielten. An Ehrbarkeit und Nächstenliebe galten sie überall als Vorbild. Kein Makel lag auf der Gemeinde. Da, in einer dunklen 5)erbstnacht, fand man zwischen Pelingkau und der Ortschast Mailingsan im Tal an den unteren Aesten einer Buche zwei Männer und eine junge Frau erhängt aus. Man erkannte die Toten sofort, aber alle standen vor einem Rätsel. Was war die Ursache? Erst mühselige Nachfragen ergaben die Zu- sammenhänge. In Mailingsan wohnte Woang Tsching Pai mit seinem alten Vater, in Pelingkau sein jüngerer Bruder Fung Pai mit seiner jungen Frau. Ein- tracht, Liebe und Vertrauen herrschte zwischen ihnen. Eines Tages besuchte Tsching Pai seinen Bruder in Pelingkau. Als er ins Zimmer trat. saß die Schwägerin gerade vor dem Spiegel und schmückte sich. Sie genierten sich beide ein bißchen. sprachen aber doch miteinander. Der Mann werde gleich heimkehren, sagte die Frau. Im Verlauf des Gesprächs sahen sie eine kleine
./Ufo fpmch... Dante Alighieri , der größte Dichter des mittelalterliche» Italiens , diente vor seiner Ver- bannung für ein geringes Gehalt in der Verwal- tung seiner Vaterstadt Floreuz. Klarsichtige, tri- tische Menschen, die das, was ihnen nicht als Recht und Gerechtigkeit erscheint, sogar aus- schreiben, enipsahle» sich schon damals mit solcher Literaturerzeugung nicht gerade für große Karrieren im Staatsdienst. Die anderen, weniger charaktervollen Hofleute, ja sogar die Hofnarren, die lebten jedenfalls viel besser in Florenz . Und es müßten keine Hofnarren gewesen sein, wen» sie aus ihrem besseren Gehalt nicht die Be- rechtigung abgeleitet hätten, das Genie zu höhnen. „Wie kommt es", sagten sie zu Dante,„daß Ihr mit all Eurer Dichtkunstt so arm bleibt, während sogar wir Hofnarren im Uebersluh leben und uns noch ein Erkleckliches zurücklegen können?" „Auch ich würde reich sein", erwiderte Dante, „wenn ich das Glück hätte, einen Brotgeber zu finden, der mir gleich ist an Geist und Sinn." dOl.
Maus in der einen Ecke des Zimmers hin und her lausen.- Schnell verstopfte die junge Frau das Mauseloch in der Ecke, und beide jagten dem Tiere nach. bald unter der Truhe, bald unter dem Schränk. Sie kniete» auf dem Boden und rückten Kasten und Körbe in die Mitte des Zimmers. Plötzlich war der kleine Nager spurlos verschwunden. Er- hitzt von der Hetze standen die beiden da und atmeten schwer. Verwirrt war ihnen Haar und Kleidung. In diesem Augenblick trat Fung Pai ins Zimmer. Er sagte kein Wort, sah beide einige Sekunden lang scharf an, die wie Stunden ver- gingen, dann drehte er sich brüst um und stürzt« fort. Stumm und betreten standen die beiden da. Sie wußten, was Fung Pai vermutete. Aber wie wollten sie ihre Unschuld beweisen. Stunde um Stunde warteten sie vergeblich aus Fung Pais Rückkehr. Die Frau weinte. Nieder- geschlagen erklärte Tsching Pai:„Wir können unter diesem schmählichen Verdacht nicht weiter- leben. Ich werde unser« Unschuld durch meinen Tod beweisen. Sie können dann mit Ihrem Gatten wieder in Frieden leben." Di« junge Frau erwiderte nichts. Was sollte sie auch antworten? Entschiede» griff Tsching Pai zu Papier und Pinsel, malte einige Worte und steckte den Zettel in seine Tasche. Dann verließ Tsching Pai schweigend das Haus. Die junge Frau wartete weiter. In ihrer Verzweiflung be- gab sie sich schließlich aus die Suche nach Jung Pai. Inzwischen kehrte Fung Pai verbittert heim. Alles war still und dunkel, die Oellampe bis auf den Docht heruntergebrannt. So zündete er eine Kerze an und stellte sie auf den Tisch: alle Gegen- stände im Zimmer sah er sinnlos durcheinander gestellt. Wozu das? fragte er sich. Wollte man mich damit täuschen? Ich habe genau gesehen und kann mich nicht irren. Aber gerade mein Bruder? Die ganze Welt mag mich betrügen, von ihm glaube ich es doch nicht. Und meine Frau? Sie ist immerhin nur ein Weib, und ich kenne sie erst seit drei Jahren. Doch wenn sie mir un- treu werden wollte, hätte sie schon mehr und bessere Gelegenheit gehabt. Oder habe ich nur nichts gemerkt? Sind beide Betrüger, bin ich so dumm? Da hörte er ein Geräusch. Kam seine Frau? Nein, unter dem Lampenständer lag ein Stückchen Papier , und dieses Papier bewegte sich. Fung Pai blickte genauer hin... ein Mäuschen raschelte unter dem Papier hervor. Eine Maus? Wie kam die Maus hier ins Zimmer. Fung Pai oersuchte sie zu haschen, sie schlüpfte unter ein Tuch am Boden. Er hob das Tuch auf. warf es beiseite, wieder entschlüpfte die Maus und entwischte durch die Türritze ins Freie. In diesem Augenblick war Fung Pai das ganze Geschehnis klar: diese Maus hatten die beiden sangen wollen, auf der Mäusejagd hatten sie die Unordnung gemacht, um der Maus willen waren sie erhitzt und zerzaust. Wo sind sie jetzt, was haben sie getan? Aollsr Angst lief Fung Pai ins Freie. Bruder und Frau zu suchen. Das Bgchufer entlang ellte er, dann zurück durch dre Ortschaft. Niemand sah er in der Dunkelheil. Vielleicht sind sie nach Mai- lingsan zum Vater gegangen? Fung Pai rannte aus dem Dorf; gerade als er ins Freie trat, stieg der Vollmond über den Gipfel des Hingson, deutlich tonnte man die Riesenschlange der Großen Mauer im geisterhasten Licht erkennen, wie sie sich über Bergrücken und Täler wälzte. Der Weg nach Mailingsan war die ehemalige Karawanenstraß« von Peking nach Urga , der
Hauptstadt der Mongolei . Dicht vor dem Dorf liegen hier noch die alten Säiöpfbrunnen, aus denen einst Millionen von Menschen und Last- tieren ihren Durst gelöscht. Auch die Riesenbäume stehen hier, darunter mühselige Wanderer jähr- hundertelang ersehnten Schatten gesunden. Ganz vorn am Wege ragt eine Buche, von der die Alten berichteten, sie sei mehr als tausend Jahre alt. Jedes Jahr bekommt der Baum ein Dorfopfer, unzählige Rinder und Schweine sind ihm zu Ehren geschlachtet worden. Unter dieser Buche sah Fung Pai jemand stehen. „Wer sind Sie? Was machen Sie hier?" fragte er ängstlich. Keine Antwort. Er ging näher. Die Gestalt hing in der Lust an einem Ast. Die Füße berührten fast den Boden. Fung Pai schrie auf. Er zitterte wie ein frierendes Kind. Er ist es! Ich bin sein Mörder! Mit seinem Tod wollte er seine Unschuld beweisen. Und meine Frau? Nur von dem einen Gedanken ersüllt, raste er nach Hause. Da brannte die Kerze immer noch, aber sonst war alles unverändert still. Verzweifelt malte er einige Zeilen auf ein Stück Papier und legte es deutlich sichtbar mitten aus den Tisch. Dann ging er wie im Traum und unbeirrt zu der Buche zurück und gesellte sich zu seinem tote» Bruder. Es war schon tiefe Nacht, als die Frau von ihren vergeblichen Irrwege» im Dorf in das L)a»s zurückkehrte. Van Angst geschüttelt, erblickte sie das Licht, das vorher nicht dagewesen war, und den Zettel aus dem Tisch unter der brennenden Kerze. Dann los sie, und ihre Augen wurden ganz weit vor Entsetzen. Kann so etwas sein? Heut obend noch vor Sonnenuntergang haben wir ge- schwatzt und gelacht, und nun ist er für immer von mir fortgegangen? Kaum sah sie durch ihre Tränen, was sie auf die Rückseite des Zettels schrieb, den ihr Mann hinterlassen hatte.„Als ich in die Ehe trat", war da zu lesen,„habe ich meinem Gatten ge- schworen, ihm bis zum Tod zu solgen. Ich halte mein Versprechen und folge ihm nach." Schluchzend nahm sie Abschied von allen Gegen- ständen des Hauses und machte sich auf den letzten Weg, den ihr das Schicksal bestimmt hatte. Irgendwo heulte ein Hund. Schon gaben von allen Seiten die anderen bellende Antwort. Fern aus der Landstraße ertönten lärmende Geräusche aller Art. Eine Stimiüe schimpste, und andere riefen lachend zurück. Immer zögernder werden die Schritte der jungen Frau. Wie oft hat sie diesen Weg zum Schöpfbrunnen wohl schon ge- macht im Leben, jeden Tag mehrmals hin und zurück? Und nun wird sie nie wieder heimkehren. Endlich steht sie vor dem Geisterbaum und den zwei stummen Gestalten Dreimal verbeugt sie sich tief gegen den Baum und spricht:„Herrscher des Himmels und ihr Götter auf der Erde! Gern wollten wir noch wie andere Menschen durch eure Gnade, ein paar Jahre lebe», aber es scheint, die Welt ist uns ver- sagt. Laßt unseren Tod der Nachwelt eine Mahnung sein! Wer scheinbar schuldig aus dem Leben ging, ist oft frei von Fehl--- die Lebenden tragen Schuld. So gehe auch ich. Ein Weib ohne Gatten ist wie ein Haus ohne Dach. Mein Herr Gatte hat mich geliebt--- er ist nun von mir geschieden, und ich folge ihm treu ins Jenseits" Weiß und kalt leuchtet der Mond über den öden Bergen. Ein Wind fährt durch die Buche, rafchsliii riefeln rote Herbstblättor auf die drei Toten. In dieser Nacht fingen alle Hunde km Dorf an zu heulen und liefen nach dem Baum. Als sie nicht aufhören wollten, gingen eimge alte Männer hinaus und sahen, was geschehen war. An der Beerdigung der drei beteiligten sich Tausende aus der wettest«» Umgebung. Sie kamen nicht aus Neugierde sondern aus Hoch- achtung. Unter der Buche wurde ein Denkmal errichtet mit der Inschrift: „�Voan Sc Tsching Fung." „Nur die Wahrheit bleibt ewig."