Der heilige Geift
Wieder Rollkommando im Arbeitslager
Im Arbeitsdienstlager Rottbus wurde ein jugendlicher Arbeitsdienst milliger, der den Nazis im Lager wegen seiner Gesinnung nicht paßte, von einem Rollkommando überfallen und blutig geschlagen. Der Ueberfallene gibt die folgende Schilderung:
,, In dem Lager sind zirka 90 Pro3. Nazis. Die übrigen Arbeitskräfte zählen sich zu den Linksparteien. Ich selbst zähle mich zu den legteren. Das Haben die Nazis in Erfahrung gebracht. Sie suchten deshalb einen Grund, mich los zu werden. Als am 23. Dezember einige Nazis meldeten, daß ihnen Geld aus der Tasche verschwunden sei, untersuchte der Zugführer Laest mein Bett, meine Taschen usw. Er fand aher nichts. Trozdem verbot Loest mir das Betreten des Lagers. Ich folgte seinem Befehl, verlangte aber zuerst meinen Anzug. Diesem Wunsche wurde entsprochen.
Loest schickte mich auf den Schlafraum. Zirka 25 Mann folgten mir. Als ich an der letzten Bodenstufe angelangt war, griff mich der Nazi Scheel von hinten an. Ich wehrte mich, worauf die übrigen Mannen auf mich mit Roppelriemen, Schulterriemen und anderen Gegenständen einschlugen. Als ich bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen wurde, schleifte mich der Zugführer Loest die Treppe herunter bis in den Sanitätsraum. Der Sanitäter versuchte mir von den Stellen am Kopfe, an denen ich stark blutete, die Haare abzuschneiden. Ich wehrte mich dagegen. Darauf wurden die Wunden mit Jod bepinselt. Dann erst ließ der Zugführer mich laufen. Ich bemühte mich sofort zum Arzt, der mir folgende Bescheinigung ausstellte:
W. W., geboren 13. Januar 1915, erscheint zur Untersuchung mit der Angabe, er sei überfallen und durch Schläge schwer mißhandelt worden. H. weist am Halse zahlreiche Krag und Würgemale auf, die frisch verschorft sind. Die linke Ohrmuschel ist stark geschwollen und mit eingetrocknetem Blute bedeckt. An der Stirn- Haargrenze, an der rechten Schläfe und unterhalb des rechten Ohres finden sich frisch verschorfte Wunden, die, nach den Blutspuren zu schließen, start geblutet haben müssen. Der Befund läßt die Angaben des H. als mit höchster Wahrscheinlichkeit zu Recht bestehend erscheinen."
Des weiteren erstattete ich sofort gegen die Nazis Anzeige, die dem Staatsanwalt überreicht wurde." Diese Fälle stimmen bedenklich. Man wird auf die Arbeitsdienstlager ein sehr genaues Augenmerk haben müssen.
Laghint
Gin Scheinmanöver
Die Erhöhung
der Ausgleichssteuer für Benzin
Durch eine Verordnung des Reichsfinanz ministers ist ab 1. Januar bis auf weiteres die fogenannte Ausgleichssteuer für Mineralöle, das heißt in der Hauptsache für Benzin, wieder auf 3,80 Mart je Doppelzentner erhöht worden.
Die Reichsregierung hat im Zusammenhang mit ihren Winterhilfsmaßnahmen erflärt, daß ab 1. Januar die Ausgleichssteuer wieder voll in Ansatz gebracht werden soll. Es besteht die Gefahr, daß diese Maßnahme, die jetzt durchgeführt worden ist, als Abbau jener 70 Millionen Mark Subventionsgeschenke erscheint, die der JG.- Farbentrust und die Schwerindustrie bisher durch den fehlenden Ausgleich der Benzin30lbelastung erhielt. Die Wahrheit ist folgende: Je Liter ist eingeführtes Benzin mit 16½ Pf. belastet. Die Ausgleichssteuer betrug früher 3,80 Mart, zuletzt 1 Mark je 100 Kilo, also je Liter entsprechend weniger Pfennige, denn Benzin ist leichter als Wasser. Seit ihrem Tiefstand haben sich die deutschen Benzinpreise von 27 auf 39 Pf. je Liter erhöht. Die Erlössteigerung auch der deutschen Produzenten beträgt je Liter gut 10 Pf. Wenn jetzt die sogenannte Ausgleichsabgabe wieder von 1 Mart auf 3,80 Mark erhöht wird, so werden bestenfalls 3 Pf. je Liter neue Aus= gleichsabgabe gezahlt. 11 bis 12 Pf. je Liter Benzin bleiben nach mie vor reine Subvention für IG. Farben und die deutsche Schwerindustrie.
Was hier geschieht, ist ein Scheinmanöver der Reichsregierung gegen die Subventionspolitik. Wir fordern nach wie vor, daß die Ausgleichssteuer in voller Höhe der Zollbelastung von den inländischen Produzenten erhoben wird. Wenn man eine kümmerliche Winterhilfe macht, find solche Subventionsgeschenke, wie sie hier weiter gewährt werden, unerhört! Im übrigen fann auf Graf Schwerin von Krosigt, so sehr wir seine Fertigkeit als Bodenseereiter bewundern, nicht auf Duzende von Millionen verzichten, die der Reichshaushalt dringend benötigt!
Sigmanns Abschied
vom Reichstag
General und Alterspräsident Lizmann hat mit Ende dieses Monats sein Reichstagsmandat niedergelegt, da er außerdem dem Preußischen Landtag angehört Er war nur fürs Reichsparlament aufgestellt worden, um Clara Zetkin vom Platz des Alterspräsidenten zu verdrängen.
Als er an ihre Stelle gelangt war, erschöpfte sich seine Weisheit darin, die Kommunisten nachzuahmen, indem er eine grob parteipolitische Eröffnungsrede hielt, in der er obendrein den Reichspräsidenten Hindenburg recht taktlos angriff, wofür ihm wieder von anderen ,, Kriegskameraden" im Generalsrang die Leviten gelesen wurden so sorgte er für ein eindrucksvolles Kameradschaftsbild aus den Kreisen militärischer Führer.
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Mehr als zu einer komischen Figur hat er es also als Reichstagsabgeordneter nicht gebracht und daß er wieder verschwindet, ist das klügste, was er tun kann. Er wird nunmehr durch einen Oberleutnant a. D. Friedrich Krüger- Berlin ersetzt, wo mit die Nationalsozialisten ihre Eigenschaft als ,, Arbeiterpartei" erneut beweisen wollen.
Hamburg , 28. Dezember. Polizeibeamte beobachteten gestern abend in St. Pauli , wie vier Männer eine schwere Kist e von einem Geschäftsauto abluden. Da ihnen das Verhalten der Männer verdächtig vorfam, ließen sie die Kiste öffnen und stellten fest, daß sie mehrere Gewehre und Karabiner Modell 98, zahlreiche Pistolen, eine Granate, einen Granatzünder, eine Rugelhandgranate, acht geschliffene Seitengewehre sowie diverse Pistolenmunition enthielt. In einem in der Nähe gelegenen Keller wurden dann noch zwei Armeepistolen, Munition, ein Morseapparat, kommunistische Broschüren sowie zahlreiche Flugblätter gefunden. Die Polizei nahm die vier Männer fest. Sie erklärten, der Kommu= nistischen Partei anzugehören bzw. mit ihr zu sympathisieren. Im Laufe der Nacht wurden im Zusammenhang mit diesem Waffenfund noch mehrere Personen verhaftet.
Eine chinesische Widerlegung Genf , 28. Dezember.
In einer amtlichen Mitteilung an den Völkerbund: antwortet die chinesische Delegation auf gewisse Erklärungen des japanischen Vertreters Matfuofa in der außerordentlichen Völkerbundsversammlung. Auf die Erklärung, daß Japan die Rückgabe der Mandschurei an China nach dem russisch - japanischen Krieg mög= lich gemacht habe, antwortet China , daß der USA. - Präsident Theodore Roosevelt in seiner Antwort auf das japanische Gesuch um seine Vermittlung bei den Friedensverhandlungen mit Rußland schon im April 1905 der Hoffnung Ausdruck gegeben hatte, daß Japah der Politik der offenen Tür in der Mandschurei zustimme und daß es deren Rückgabe zulassen werde; Japan stimmte zu, und der Friedensvertrag von Portsmouth wurde in diesem Sinne abgeschlossen, wenigstens was die Mandschurei betrifft.
Hitler Liebe Frau, bei einer Organisation von 100 000 kann ich doch nicht wissen, was mit jedem einzelnen passiert."
Raubüberfall im D- 3ug entferne, um so der Regierung und den fie
Der Täter festgenommen
Auf der Fahrt nach Berlin wurde die 40jährige Frau Anna Moller aus der Köpenider Str. 93/94 in einem Abteil dritter Klasse des D- Juges 33 zwischen den Stationen Leipzig und Thürow von einem etwa dreißigjährigen Mann überfallen und niedergeschlagen.
Die Ueberfallene rief um Hilfe, und gerade als der Täter das Ableil mit der geraubten Handtasche und einem Coupétoffer verlassen wollte, wurde er von Begleitbeamten des Juges gestellt.
Nach heftiger Gegenwehr wurde der Bursche überwältigt und bei der Ankunft des Juges in Berlin auf dem Anhalter Bahnhof der Polizei übergeben. Frau M. hatte mehrere klaffende Kopfwunden davongetragen. Ueber feine Perjonalien verweigert der Täter jede Auskunft.
Belgische Steuervollmacht
Brüffel, 28. Dezember.
Die Mehrheit der Kammer erteilte nach einer außerordentlich heftigen mehrtägigen Debatte die von der katholisch- liberalen Koalitionsregierung geforderte außerordentliche Bollmacht zur beschleunigten Erhebung neuer Steuern. Vor der Abstimmung ließ die sozialdemokratische Frattion eine Erklärung abgeben, wonach sie die Gewährung dieser Vollmacht für verfassungswidrig hält und sich deshalb zum Protest gegen dieses Verlangen aus dem Saale
Mazedonische Mordsucht
Die Regierung Muschanoff ist zurüdgetreten. Unmittelbar nach dem Besuch des Ministerpräsidenten beim König Boris hat es blutige Zufammenstöße gegeben.
Als Muschanoff das Schloß verließ, stießen vor dem Schloß zwei Hauptgruppen der Mazedonier, die Michailoffisten und die Protogeroffiften, aufeinander. Es entwickelte sich ein Feuergefecht, in das auch die Gendarmerie eingriff. Dabei wurde ein Gendarm getötet. Die beiden mazedonischen Gruppen hatten sechs Schwer= verwundete, darunter den Hauptschriftleiter der Zeitung ,, Makedonia", Eftimoff. Er wurde beim Verlassen der Redaktion angefallen und ver letzt. Die Angreifer hatten sich, um die Polizei irrezuführen, als Jäger verkleidet. Bei der Verfolgung der Angreifer ist es dann zu dem Feuergefecht gekommen. 3wei Angreifer, Protogeroff- Leute, find verhaftet worden. Mit dem Rücktritt der Regierung hängen diese Bluttaten nicht unmittelbar zusammen, sie sind vielmehr eine gesteigerte Fortsetzung der nahezu schon täglich sich ereignenden Parteimorde der beiden mazetonischen Terrorgruppen gegeneinander.
Ein weiterer Bericht lautet:
Als Eftimoff den Schloßplatz überschritt, eröffneten zwei Männer in Jägerkleidung ein Schnellfeuer aus Pistolen und JagdDie gewehren und verletzten E. schwer. Leibwache Eftimoffs, die ihn stets begleitete,
erwiderte das Feuer. In diesem Kreuzfeuer wurden
vier zufällig Borübergehende schwer verletzt. Einer der Attentäter flüchtete in den Stadtpark und schoß auf seine Verfolger, fonnte aber fest= genommen werden. Ein weiterer Attentäter lief über den um die Mittagszeit start belebten Boulevard ,, Zarbefreier" und schoß mild um sich. Ein zufällig daherkommender Offizier brachte ihn schließlich zu Fall, wobei der Attentäter einen Revolver und zwei Handgranaten verlor. Schließlich wurde er von einem Polizisten durch zwei Schüsse niedergestredt und fonnte in schwerverleßtem Zustand verhaftet werden. Bei der Schießerei auf dem Schloßplaz erhielt ein Polizeibeamter einen Kopfschuß, durch den er sofort getötet wurde. Ferner wurde im benachbarten Kriegsministerium ein am Fenster stehender Beamter durch eine verirrte Kugel ins Herz getroffen, so daß insgesamt zwei Todesopfer und sechs Schwerverletzte das jüngste Ergebnis des mazedonischen Brudertampfes ist. Die Angreifer waren Protogeroffiften.
Der Rücktritt des Gesamtkabinetts ist darauf zurückzuführen, daß die Agrarier weitere Ministerien für sich fordern
Das Schicksal der Regierung wird von den Fraktionen des linten Zentrums abhängen, die sich bei kritischen Abstimmungen oft spalten.
stüzenden Parteien die ausschließliche Verantwor= tung für dieses Vorgehen zu überlassen. Mit den Sozialisten entfernten sich auch die Flämi schen Frontparteiler und die Kommu nisten, also die gesamte Opposition.
,, Boltsgericht"
Ein Beitrag
zur Geschichte der Revolution
Noch vor einem halben Jahre wäre es unmöglich gewesen, Anhänger der Hitler- Bewegung mit geschichtlichen Tatsachen und auch sonstwie zu überzeugen. Damals befand sich die Masse ihrer Anhänger in einem Zustand der religiösen Ertase und alle Belehrungsverfuche waren von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Das war auch die Zeit, in der ein Buch er schien, das wie faum ein anderes geeignet ges wesen wäre, das Schlagwort vom Novemberverbrechen" als einen Massenbetrug zu entlarven. Aber der Zeitpunkt für eine solche Aufklärung war leider recht ungeeignet.
Heute ist die Stimmung schon wesentlich anders. Die Zahl der blinden Anbeter, der bedingungs losen Mitläufer jener größten politischen Scharlata nerie der Gegenwart hat sich stark verringert. Unter den vielen ehemaligen Gläubigen des neuen Meffias gibt es jetzt Ernüchterte, 3weifler, Angewiderte, denen nur noch die überzeugende Aufflärung not tut, um sie restlos aus dem Raume der national hysterischen Phrase zu befreien.
Dieses verdienstvolle Werk der Aufklärung hat, mit einer überraschenden Fülle von historischen Tatsachen und mit darstellerischer Meisterhaftigkeit Dr. Eugen Fischer in seinem bei Rowohlt erschienenen Buch„ Volksgericht" vollbracht. Eine Darstellung der Vorgeschichte und des Verlaufs der deutschen Revolution.
Dr. Fischer, seit einigen Jahren Bibliothekar des Reichstages, hat bereits durch seine ,, 39 Tage" den Ruf eines objektiven Historikers erworben, der geschichtlichen Stoff in schriftstellerisch fesselnder Form zu verarbeiten vermag. Diesen Ruf hat er durch sein neues Werk bekräftigt. Hier ist er vielleicht mehr Schriftsteller als Historiker, jedenfalls aber nicht zum Nachteil des Lesers, der zumeilen glaubt, einen spannenden Roman zu verschlingen. Und auch nicht zum Nachteil des Staatsbürgers, dem wertvollste Aufklärung zuteil wird.
Einen breiten Raum widmet der Verfasser den Stimmungen und Erwägungen, die von 1914 bis 1918 die Politik der Sozialdemokratie, sowohl der Mehrheitspartei wie der Unabhängigen, bestimmten. Das meiste, alles in allem, richtig ge= sehen, unparteiisch geschildert und selbst für den unmittelbar Beteiligten, aber erst recht für den Fernstehenden, plastisch wieder lebendig geworden. Meisterhaft die Darstellung der psychologischen Entwicklung im Volke und im Heere. Eine ausgezeichnete historisch- literarische Ergänzung des Remarque - Buches und des Remarque - Films. Allein in dieser Kennzeichnung liegt die beste Empfehlung für weiteste Verbreitung unter den bisher Irrgeführten, besonders unter der Jugend. Manche Teile der Darstellung sind vielleicht etwas feuilletonistisch überspißt, z. B. der Versuch, die Rolle Eberts in den Tagen des ,, Volksgerichts" geschichtsphilosophisch zu untermauern. Auch find die seelischen Kämpfe, die ein jeder Sozialdemokrat in jenen Jahren durchmachte, bei aller Objektivität der Absicht, etwas zu sehr von der Perspektive des Aber nachträglich Analysierenden zergliedert. dadurch gewinnt das Buch nur an Reiz, ohne an Wert zu verlieren. V. Sch.