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ZWEITE BEILAGE

DONNERSTAG. 29. DEZ. 1932

Lüdersen machte nämlich linksum kehrt und verließ den Salon ohne ein Wort. Rognos sah ihm nach, erregt, aber unbe- weglich. Hinter ihm aber erhob sich eine lange und gerecht« Lehrerinnengestalt.Pfui!" sagte sie. Pfui, Herr Rognos!" Da wandte er sich um, und man sah, daß er totenblaß war vor nervöser Ueberreizung. Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht", sagte sie.Ich will Ihnen mal was sagen: Ein Mann, der auf seinem Posten fällt, wie Lüdersen, der ist ein Held!" Rognos warf den Kopf rasch und hitzig zurück:Oder ein Hornochse", fagte er. Sie sollten sich was schämen! Das finden wir alle!" Sie wandte sich zu den andern: Nicht wahr? Herr Engelhordt, können S i e denn nicht? Sie find doch ein Mann" Engelhardt ließ das Buch sinken und wurde rot. Aber er nahm sich zusammen und räusperte sich.Doch. selbstverständ­lich". sagte er,selbstverständlich" Aber die Worte gerieten ihm gleichsam in die falsche Kehle, und es kam nichts mehr. Da übernahm Fräulem Larfen selbst die Straf- Handlung. Denken Sie mal an Berger", sagte sie. Daß ein Mann sich so wenig männlich auf- führen kann. So gänzlich ohne Pflichtgefühl. Fänden Sie es nicht richtiger, den anzu- greifen?" Aber Rognos sah sie spöttisch an.Der war der einzig Vernünftige", sagte er.Der war gescheit. Und dann hat er mich nie mit einer Heldenbandage geärgert." Er wandte sich ab und ging hinaus. Und weder er noch Lüdersen zeigten sich mehr im Laufe des Abends. Lüdersen nahm den Verband erst am Montagmorgen ab. eh« er zum Frühstück ging. Cr hatte es gleich an demselben Abend versucht, aber es wurde nichts daraus. Und als er sich jetzt wie«in ganz gewöhn- sicher Mensch zu Tisch setzte, hatte er das beschämende Gefühl, daß die Zeit seiner Größe vorbei sei. Nachts hatte er wachgelegen und an den Austritt gedacht. Er konnte es einfach nicht fassen. Absolut nicht. Weder, daß Rognos wirklich meinte, was er sagte, noch daß er sich dazu hatte hergeben können, es zu sagen. Als er ins Zimmer kam. saß nur die Handarbeitsdame am Tisch. Sie berichtete ihm von der Zurechtweisung und versicherte ihm. alle wären einpört gewesen. AuchIngenieur Engelhardt", sagte sie. Denken Sie doch, er war so indigniert, daß er kein Wort herausbekam. Und sonst fällt ihm das doch weiß Gott nicht schwer." Kurz darauf kam indessen Ingenieur En- gelhardt herein und strafte leider ihre Worte Lügen. Er betrachtete Lüdersens zwilen Kopf mit einem Lächeln, dann zog er er- staunt und belustigt die Augenbrauen hoch. Er war schon an sich häßlich genug! und es wurde eine adscheuliche Grimasse daraus. Gratuliere!" sagte er mit einer leichten Der- beugung. Dann setzte er sich und fing an. von anderen Dingen zu sprechen. Sie kamen einer nach dem andern. Rur Rogno« zeigte sich nicht. Alle dachten das- selbe, aber keiner erwähnte es, um Lüdersen zu schonen. Die Damengruppe war jeden- falls zufrieden damit. Als jedoch Lüdersen zurückkam, um Hut und Mantel zu holen, saß Rognos im Zimmer und wartete auf ihn. Er erhob sich in sichtlicher Verlegenheit und nicht wenig nervös und reichte ihm die Hand.Ich wollte Sie nicht beleidigen", sagte er. Lüdersen nahm unwillkürlich die dargc- reichte Hand, ehe er noch überlegen konnte. ob er es eigentlich wollte. Als es geschehen war, genierte er sich und Iah weg.Das dachte ich mir", sagte er. Ich war bloß gereizt. Vermutlich, well es mich immer so wahnsinnig aufregt, wenn jemand von Krankheit und Berstümmelung redet, So bin ich nun mal. Von Sterben und Verderben mag ich nichts hören. Sie verstehen das, nicht wahr?" Selbstverständlich." Es war ein magerer Trost Aber Lüdersen nahm ihn doch mit. trotzdem er ihn auch wieder ärgerte Und auf dem Wege zum Büro, während er seinen Verband permißte, stellte er fest: Jedenfalls hat die ganze Sache mir Ansehen gegeben. Kein gleichaltriger Molleg« wird mich jetzt so leicht überholen.

III. Der Held und die Ge- s ch l a g e n e n. 1. Das gräßliche Derbrechen blieb unaufgc- klärt. Die Berbrecher waren wie von der Erde verschlungen. Sogar die Sachoerstän- digen für Fingerabdrücke standen machtlos. An den Kassen und den Schlüsseln fand man teilweise erhaltene Abdrücke, aber die deut- lichsten stammten vom Personal. Die anderen waren nur Bruchstücke und an Hand der Sammlungen nicht zu identifizieren. Der leise Verdacht gegen Berger wurde von selber hinfällig. Auch hier war nichts u beweisen. Cr war zu schwach begründet. n fast zwanzigjähriger Dienstzeit war Berger stets ein ungewöhnlich gewissenhafter

und ehrlisbender Beamter gewesen. Einzig und allein sein Verhalten beim Ueberfall hatte den Gedanken eurer möglichen Beteili­gung aufkommen lassen Da war nichts zu machen. Dos Verfahren mußte aufgehoben werden. Nur zwei waren da. die würden es ihr ganzes Leben lang nicht aufheben: Berger und Lüdersen. Keiner von beiden zeigte es dem anderen im täglichen Büroleben. Auch keinem der Kollegen wäre etwas aufgefallen. Die beiden aber wußten es. Sie behiesien sich sozusagen im Auge, wie um sich unterrichtet zu halten, wieviel von dem Geschehenen der andere noch mit sich herumschleppte. Es wurde nicht deutlich zur Schau getragen, aber doch war der eine über den anderen völlig im reinen. Dies hatte wiederum die Folge, daß beide so wenig wie möglich miteinander zu schassen

S

haben wollten Berger mied Lüdersen und Lüdersen ließ es geschehen, da der andere ja ohnehin keine Person von Belang mehr war. Es versteht sich von selbst, daß Berger die tiefsten Wundmale trug. Für Lüdersen war und blieb das Ganze eine Sache der Eitel- keit. Berger hingegen fühlte sie als einen Klecken und eine Demütigung, die kein ehr- ebender Mann auf sich sitzen lassen konnte. Er lebte in einer fortwährenden schweigen- den Opvosition gegen die Auffassung, die alle die anderen sich angeeignet hatten. Der

eigentllche Feind aber war ihm Lüdersen. In ihm war diese Auffassung inkarniert. Ihn hatte sie zum Helden erhöht. Mit seinem schlichten, stillen, fast tnaben» hasten Wesen hatte Berger zum Querulanten wenig Anlage. Er suchte sich im Gegenteil, solange es ging, den Glauben zu erhalten. daß die meisten Menschen es mit ihm hallen würden, wenn er sie sich nur einmal ordent- lich vornehmen könnte. Zu einem solchen linternehmen hatte er allerdings weder Ge- legenhell, noch Freimut genug. Aber all» mählich gewann er doch einen bestimmten, wenn auch nur recht schwachen Eindruck von den Menschen, mit denen er in Berührung kam. Und er entdeckte zu seinem bittersten Staunen, daß er fast ganz allein stand. Wir sind zwei Parteien, stellte er zuletzt fest, ein kleiner Junge und ich auf der einen, und alle andern, mit dem Helden Lüdersen an der Spitze, auf der andern Seite. In Wirklichkeit ist Helene auch bei denen brühen, wenn sie auch nicht mehr davon spricht. Ein schlichter, einfacher Alltagsmensch und ein kleiner Junge von fünf Iahren gegen die ganze übrige Menschheit, das ist eine Unter- legenhell, schlimmer als sich ertragen läßt. Für den Jungen war es ja das Natürlichste. daß ein Bater am Leben zu bleiben hat, einerlei, wie er es fertigbringt. Er dachte über eine so selbstverständliche Sache gar nicht weiter nach. Cr vergaß sie ganz einfach. (Fortsetzung folgt.)

Wozu verführt» srüher den und jenen nicht die Eitelkeit,»inen Orden zu besitzen und sich damit dem Volke zu zeigen! Di« Geschichte der Orden ist zum grötzten Teil die Geschichte der menschlichen Eitelkeit. Die folgend« Erzählung, die ein er- heiternder Beitrag zu dieser Geschichte ist, stammt aus dem Jahre 19tö Im Auswärtige» Ami in der Wilhelmstraße gab es einen Ministerialrat M., Sekretär des Geheimen Rats R, der sich durch ein außerordentlich großes Seibilluwußtsein be­merkbar gemacht hatte. Wer ihn kannte, der wunderte sich nicht, daß dieser Sekretär nachdem eine völlig unwichtige Angelegenheit mit Brasilien . die er selbst erst durch leine Korrespondenz aus- gsbauicht hatte, erledigt worden war, das ganze Verdienst der diplomatischen Beilegung für sich in Anspruch nahm. Sein Kolleg» E. war das Gegentell des Sekre- tärs M.. ein Spaßvogel und sür den Beamten­berus eigentlich nicht ernst genug. Als E. einig« Zeit darauf von einer Ballieitiichteit mit einem Ordensstern aus silberglänzendem Zeug nach kzaus« kam. dachte er an seinen Kollegen M., und wie er ihn einmal zum Narren halten könne Er ver- schaffte sich alles, was er brauchte, fälschte, siegelt« und schrieb einen Brief der brasilianischen Negie- rung. wonach M. zum Dank sür die große» Ber- dienst« um Brasilien zum Ritter des Südtreuzes ernannt worden l-i. Der Briciumschiag war por­tugiesisch gejchriebeni das Siegel hätten auch Kenner aus den ersten Blick für echt gehalten. Unglücklicherweise traf der Arie' mit dem Orden in einem Augenblick bei M»>n, ai» sein Chef, der Geheime Rat R. hinter ihm stand R. war kein gemütlicher Ehes. mißtrauisch und unnahbar. Er sah die offiziell» Adresse bat um Oesfnung des Brieses in seiner Gegenwart und mußte nun sehen, daß d>» brasilianisch- Regierung iernem Sekretär «ine Auszeichnung gesandt hatte, die auf alle Fälle ihm selber zugekommen wäre Weder der Geheime Rat nach sein Sekretär hatren Witterung für Scherze: keiner von beider wagtr angesichts des blitzenden Sterns an einen ichiimmen Scherz zu denken: keiner durchschaut« d>c durchsichtige Mnsiisikation. Ai » der Ehes da» Zimmer oeriletz. ohne seinen Sekretär zu beglückwünlchen. wußte M.. was di» Glocke geschlagen hatte, doch e» be- unruhigte ihn nicht. Die Auszeichnung, wenn auch nach fo unerwartet war verdient, und Stolz drückte sich in feinen Mienen aus. als er den Stern probeweise einmal am Knopfloch befestigte. Inzwischen wurde e» dem guten Spaßvogel C. doch etwa» unbehaglich: der Scherz droht» gesähr-

liche Dimensionen anzunehmen Der Geheime Rat fand keinen Trost in der Hoffnung, binnen kurzem mit einer noch höheren Auszeichnung be- dacht zu werden. Cr besaß keinen ausländischen Orden, und nun erhielt sein Sekretär einen das verstieß gegen alle guten Sitten! Es mar nicht nur«ine Berkennung seiner Verdienst«, sondern auch ein» Beleidigung! Iawoll« Eine Stunde später begab sich der Geheime Rat zu einem Kollegen aus dem gleichen Flur und zog ihn in» Vertrauen. Dieser Kollege betrachtet« die Sache ruhiger und erklärte sie von vornherein als glatte Unmöglichkeit. Es konnte unmöglich ein« Regierung wie die brasilianische»inen solchen Ver- stoß gegen die ungeschriebenen Gesetze riskieren. Ganz ausgeschloffenl Noch eine Stund« später war der gute Spaß- vogel E. im Büro de» Geheimen Rats und der Chef fühlte sich bemüßigt, auf die Auszeichnung de» Sekretär» zu sprechen zu kommen. Da E. be- reit» gemerkt hatte, daß die Ordensauszeichnung schlimme Folgen haben würde, entschloß er sich zum Geständnis und bekannte den Sachverhalt. Zum Schiusie bemerkt« er, daß ihm die Sache selbst höchst peinlich geworden sei: er habe natür- lich keine Sekunde gezweifelt, daß der Scherz sofort erkannt werden würde. Es war fein Glück, daß er diesen Schlußsatz zu seiner Enffchuid>gung vorbracht,. Der Ehes war außerdem froh, daß die Sache so hgrinlole Auf- klärung fand, und ließ den Sekretär kommen. Dieser Halle schon die ganze Zeit hindurch gewußt, daß es dem Chef sehr urnngenehm wäre wenn er den brasilianischen Orden annähme, und erwartet«

3todaXoda:Sehiväiikeromä}allain Du folg-nd« fldiic Hctchichic eindämmt dem achten ÄaiU» derErnogorc!" dc» Aicun Pavieevic. Di« Beleidigung. Irgendwie war Zank an der Grenz« ent- standen cm Montenegriner au» Podgoritza unterfing sich, Pein großen Batzo Kurta, albani- schen Wojwoden. in« Gesicht zu schlagen. Die Folgen konnten surchlbor fein, e, muhte Blut in Strömen fliehen. So zogen denn die angesehensten Führer der V«yend zu Batzo Kurta und beschworen ihn. Friede» zu hatten. Er weigerte sich rundweg. Berzweisell kehrt« Mark Djelosch. Führer jener Absejondten, von Batzo Kurta zurück. Sein jüngerer Bruder aber. Nif vjelnsch,«in ichlichter Schafhirt, sogt«: Wär ich nicht ein jo gemeiner Mann, und könnt« ich sür«inen lag I», von meiner Herd«: ich weih, wie d«r Wojwod« zu oersöhnen wäre." Darauf antwortete ihm Mark Djelosch: Ich will an deiner Stell« einen Tag di« Scho»» hüten geh und oersuch dein Glück! Gut, nächsten Morgen ging der Schafhirt. Er wurde, jeinem Bruder zuliebe, vom Albaner gast-

nicht, anderes, als dah man ihn bewegen wollte, den Orden abzulehnen Deshalb sagte er auch gleich, bevor der Chef den Scherz enthüll?» konnte, er werde di« Auszeichnung ablehnen, weil die hohen Herren offenbar dagegen seien. Darauf er-

widert« der Eh«' nichts weiter als:Wir wallen darüber nicht weiter reden Schicken Sie da» Ding zurück!" Ob der Sekretär den Orden wirklich zurück- geschickt hat, darüber ist nichts bekannt geworden.

lich empjangen. Und eine,» Nachmittag und«ive ganz« Nacht bat er Batzo, den Backenstreich un- gesühnt zu lassen Bergebens. Beim Abschied auf der Schwelle de» Hauses, als si« einander die Hänbe reichten, jagte der Schafhirt noch: .Hör«, Batzo Kurta! Glaubst du. dah es einen vernünftigen Menschen gibt, der an deinem- Mut Zweifelt? Wenn nicht, so hilf durch dein Vorbild dazu, daß Menichenleben in Zllbanien gerettet werden. Für all« Zukunft werden sich geringere und weniger tapfere Leute als du bist, aus dich berufen können dein Andenken wird im Voll fortleben in einem Satz: Wenn Batzo Kurta einen »ackenstreich verzeihen konnte, dürfen wir»s auch." Batzo horchte aus: ..Wiederhol dein« Wort«. Rikal" Der Hirt tat es Da otm«te Batzo tief auf und fproch: Nita. du host mich besiegt Ich will oergesien." ..Dein Ehrenschild leucht« immerdar", ant» wartet« Riko und umarmte ihn. Heule noch erzählt man sich unser den Albanern von diestm selten«» Beispiil das Edelmuts und Heidentum«.