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Gemeinden an der Jahrestvende Theaterskandal

Kommunale Bilanz 1932- Das Problem der Umschuldung

Die Wirkungen der Wirtschaftskrise werden in Haushalt und Arbeit der Gemeinden am schmerzlichsten verspürt. Unter dem mürgenden Drud der Arbeitslosigkeit steigen die Ziffern der Wohlfahrtsausgaben von Monat zu Monat. Die Schrumpfung der Einkommen, der Rüdgang der gewerblichen Tätigkeit, die Ver­minderung des Barenumschlages und der Absturz der Preise prägen sich in den Steuereinnahmen der Städte auf das deutlichste aus. Unter der Ein­schränkung der Konsumkraft der Bevölkerung leidet der Absatz an Gas, Waffer, Elektrizität, die Folge ist eine empfindliche Berringerung der für den Etat bedeutsamen Werksüberschüsse. Die Still­legung von Fabriken, die Kurzarbeit und der all­gemeine Abbau von Arbeitskräften entziehen den Berkehrsunternehmungen zahlreiche Fahrgäste, so daß oft hohe Zuschüsse erforderlich werden, um den für die Großstadt erforderlichen Verkehrs­betrieb aufrechtzuerhalten.

Dieser Bedrohung von der Ausgaben- und Ein­nahmenfeite konnten die Städte nicht ausweichen.

Ihre Pflicht zur Fürsorge für Hilfsbedürftige ift gefehlich festgelegt und muß angesichts des namenlosen Maffenelends vor allen anderen Aufgaben gesichert werden.

Die Erhöhung der Gemeinde steuern ist zum Teil aus gesetzlichen Gründen nicht zulässig, zum Teil wegen der Ueberbelastung der betroffenen Bevölkerungsschichten praktisch unmöglich. Die notwendige Hilfe von Reich und Land blieb in den ersten Jahren der Krise vollständig aus. So­weit sie jetzt erfolgt, ist sie angesichts der Größe der an die Gemeinde gestellten Anforderungen unzulänglich und in feiner Weise aus­reichend, um die täglich zunehmenden städtischen Finanznöte erfolgreich zu befämpfen.

Unter diesen Umständen blieb fein anderer Aus­weg als der Versuch, durch stärkste Einschrän fungen im Gemeindehaushalt einen Ausgleich zu schaffen und die Erfüllung der dringlichsten Aufgaben sicherzustellen. Diese Sparmaßnahmen haben feinen Teil der Gemeindearbeit unberührt gelassen.

Herabsetzung der Gehälter und Löhne, Droffe­lung der Sachausgaben, Einschränkung der städtischen Leistungen in Schulen und Anstalten. Unterlassung notwendiger Unterhaltungsarbeiten im Straßenbau, bei den Gebäuden und technischen Einrichtungen sind die Mittel, mit denen die fom­munalen Ausgabeziffern gewaltsam herabgebrüdt wurden. Gegenüber der Steigerung der Fürsorge­aufwendungen und der Verminderung der Steuer­eingänge aber reichten diese Mittel in den meisten Städten nicht aus. Einstellung des Zinsendienstés oder stodende Leistung gegenüber den Bläubigern, Zurüdbehaltung von Staatssteuern, Nichtbezahlung von Rechnungen, Kreis- und Provinzialabgaben und ratenweise Auszahlung der Beamtengehälter

Der Theaterterror

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Allerlei Nachspiele

Der unerhörte und in keinem Fall vorauszu­sehende Erfolg, den die Theaterterroristen mit ihrem Radau und ihren Drohungen im Deutschen Theater erzielt haben, hat die Urheber der Provokation in Sieges­stimmung versetzt. Sowohl die Zentrums- wie die Nazipresse buchen das Resultat als ihr Wert. Die Germania" spricht jetzt sogar den frommen Wunsch aus, daß das Stück endgültig auch von den Bühnen im Reiche, die es gleichzeitig zur Aufführung brachten, verschwindet. Auch das bischöfliche Ordinat Berlin hatte nach dem Zentrumsblatt schärfsten Einspruch gegen die Aufführung des Stüdes wegen der schamlosen Berzerrung der historischen Wirklichkeit" usw. er hoben.( Die historische Wirklichkeit kann man in jedem Geschichtsbuch, sogar in fatholischen, fest­stellen.)

Der Angriff" schreibt triumphierend:

,, Selbstverständlich wird sowohl das Polizei­präsidium als auch die Direktion des Theaters die Auffassung energisch dementieren, daß man lediglich auf Grund der Auslassungen des ,, Angriff" so schnell zu einer Bereinigung dieser üblen Affäre fam. Wir sind jedoch der Ansicht, daß auch heute noch keine Klärung herbeigeführt wäre, wenn wir es nicht unternommen hätten, die Dinge einmal beim rechten Namen zu

nennen."

Mögen die merkwürdigen Brüder es unter sich ausmachen, wer den größeren Anspruch auf diese Kulturtat hat, wer mehr dazu beigetragen hat, die Freiheit des Theaters zu erdolchen. Uebrigens nehmen sich die Nazis recht erbaulich aus, wenn sie sich als Schüßer der mittelalterlichen Kloake aufspielen, die in Konstanz so prächtig zum Ausbruch fam, wenn sie diese verfaulte Ge­sellschaft der Kaiser und Päpste als satrosantt er­flären wollen. Den übereifrigen Anwälten des Zentrums geben wir aber zu bedenken, was aus ihrer religiösen und sonstigen Freiheit wird, wenn politische Machtmittel darüber entscheiden dürfen, was das Licht der Deffentlichkeit erblicken darf. Haben sie die Lehren der maigesetzlichen Zeit bereits völlig vergessen und glauben sie, daß eine Naziherrschaft, wenn fie ans Ruber fäme, nicht

fennzeichnen den abschüssigen Weg, den zahlreiche Stadtverwaltungen während des abge= laufenen Jahres gehen mußten. Von Woche zu Woche mußte sich unter diesen Verhältnissen der bedrohliche Zustand in den deutschen Gemeinden verschärfen.

Angesichts dieser Entwidlung der Gemeinde­finanzen, deren Erschütterung für die Deffentlich­feit immer offenkundiger werden mußte, hat das Vertrauen in die Fähigkeit der Städte, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, ständig nachgelassen. Die Erlangung neuer Kredite wurde dadurch un­möglich, aber auch die Beteiligung der Gemeinden. an irgendwelchen Arbeitsbeschaffungs. maßnahmen außerordentlich erschwert. Darüber hinaus hat die fommunale Not ihre empfindlichsten Rüdwirkungen auf meiteste Kreise der Wirtschaft ausüben müssen. Die nichtbezahlten Lieferanten­rechnungen erschweren die Dispositionen der mit den Gemeinden arbeitenden Gewerbetreibenden in empfindlichster Weise. Die Stockung in der Zahlung von Zinsen und der Abtragung von Krediten wird für die beteiligten Banken und Kreditinstitute immer unerträglicher. Die Ausschaltung der Rom­munen als großer Auftraggeber auf den ver­schiedenen Gebieten hat für große Wirtschaftszweige zum Teil geradezu ruinierende Folgen.

Gegenüber diesen offenkundigen Notständen des Gemeindehaushalts, der ein entscheidender Teil des öffentlichen Gesamthaushalts ist, hat sich der Gesetz­geber auch in diesem Jahre mit unzureichenden und im Erfolg unbefriedigenden Teilmaßnahmen begnügt. Das Syftem der Ausgleichs- und Hilfsfonds ist ständig weiter ausgebildet worben, dagegen ist jeder Versuch einer organischen zukunstweisenden Neuordnung unterblieben. Dar­unter leiden nicht nur die Städte als finanzielle Kostgänger dieser von allen Seiten bekämpften Fonds, sondern vor allem

der Geist der Selbstverwaltung und der Selbstverantwortung,

den zu stärken in dieser Krisenzeit besondere Ber­anlassung ist.

Es besteht bei dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung die Gefahr, daß dieser unerträg­liche Zustand sich auch im Jahre 1933 fortsetzt. Daß auch im nächsten Jahre der Versuch unter­bleibt, durch eine Neuordnung der Arbeitslosen­hilfe, einen sinnvollen Finanzausgleich und einen angemessenen, auf objektiven Merkmalen aufge­bauten Lastenausgleich die Grundlagen einer ge­ordneten gemeindlichen Haushaltsführung zu schaffen. Daß vor allem das Problem der Umschuldung der drückenden kurzfristigen Kommunalkredite, das bereits in der Notverord­nung vom Oftober 1931 angepadt wurde, weiter ungelöst bleibt und dadurch die Aufrechterhaltung des fommunalen Eigentums an den großen Ver­forgungsbetrieben, eine gemeindliche Lebens= frage, auf das höchste gefährdet wird.

noch ganz andere Angriffe auf die Kirche zulassen würde?

Es sieht leider so aus, als ob die Sozial­demokratie noch die einzige Partei in Deutschland wäre, die bereit ist, ohne Rücksicht auf ihre speziellen Interessen, die Freiheit der Kunst und Wissenschaft zu ver= teidigen. Eine liberale Partei von politischer Bedeutung, die diese Aufgabe übernehmen fönnte, gibt es ja nicht mehr, und diejenigen, die an erster Stelle berufen wären, die Freiheit des Theaters mit allen Mitteln hochzuhalten, nämlich die Theaterdirettoren selbst, scheinen die Vorsicht für den besseren Teil der Tapferfeit zu halten. Wenigstens geht aus einer

Erklärung des Direktors Beer

hervor, daß das Deutsche Theater nicht einmal daran dentt, Gott, Kaiser und Bauer" in geschlossener Bor= stellung mit der Erörterung für und wider aufzunehmen. Er macht sogar das Zugeständnis,

ceelle

,, Meine Herren, warum die Aufregung? Das Stück spielt doch im Mittelalter." ,, Eben das lassen wir nicht schlecht machen, wo wir dahin zurück wollen!"

daß es mitbestimmend für die Absetzung des Werks war, daß es sich in ihm nicht um eine Idee, sondern um eine rein historische Darstellung handelte. Mit dieser rabulistischen Unterscheidung fann man schließlich jede Forderung auf Absetzung eines Stückes motivieren. Weniger schnell scheint

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der Verfasser des Dramas, Julius Hay , nachgeben zu wollen. Er hat merkwürdigerweise erst aus den Zeitungen erfahren, daß sein Stück abgesetzt wurde. Die Theaterdirektion hat es nicht für angebracht gehalten, ihn zu der Rücksprache mit der Polizeidirektion zuzuziehen. Infolgedessen hat der Rechtsvertreter des S. Fischer Ber lages, der den Vertrieb des Stückes hat, die Direktion des Deutschen Theaters aufgefordert, das Werf wieder in den Spielplan aufzu= nehmen und ordnungsgemäß im Spielplan auszunügen Er macht zugleich das Theater für jede Benachteiligung, die der Autor durch die Absetzung des Stückes erleidet, verantwortlich.

Man erfährt zu guter Legt, daß der Stein des Anstoßes, an dem die politischen Parteien ihre Macht erproben, bereits in Breslau mit großem Erfolg und ohne daß es zu Zwischenfällen fam, aufgeführt ist. Auch hat ein Teil der Rechtspresse in seiner Kritik dem Drama Gerechtig feit widerfahren lassen.

Brith Trumpeldor

Dementierte SA.- Instrukteure

Der Vorwärts" hat am 28. d. M. einen Be= richt des Politischen Pressedienstes" wiederge= geben, wonach die jüdische Weberorganisation ,, Brith Trumpeldor" Instrufteure einstelle, die früher Offiziere der Hitler - Armee gewesen seien. Die Landesleitung des Brith Trumpeldor er. klärt in der Jüdischen Telegraphen- Agentur" diese Mitteilung als falsch; nur Juden seien In­strukteure und diese ganze Organisation diene lediglich der Verteidigung Palästinas und der Ab­wehr antijüdischer Pogrome.

Der Lahusen- Prozeß

Endlich zum 14. Februar 1933

Im Sommer 1931 wurde jener Konzernstandal aufgedeckt, der unter dem Namen Nordwolle" eine so traurige Berühmtheit erlangt hat. Schon furze Zeit nach den ersten Enthüllungen zeigte es sich, daß die Machthaber in der Nordwolle, die Bremer Patrizier Gebrüder Lahusen, sich schwerste kriminelle Verfehlungen hatten zuschulden tommen lassen. Es dauerte aber noch eine ganze Zeit, bis unter dem Druck der Oeffentlichkeit sich die Bremer Staatsanwaltschaft zu einer Verhaf­tung der Brüder Lahusen entschloß.

Sett anderthalb Jahren hat die Deffentlichkeit in Deutschland vergeblich auf die Festsetzung des Prozeßtermins gewartet. In England hat die Untersuchungsbehörde auch bei den schwierigsten Wirtschaftsprozessen der letz­ten Zeit, so zum Beispiel bei dem Fall des Multi­millionärs Lord Kylsant, in drei, höchstens vier Monaten das gesamte Anklagematerial zu ſammengehabt, und unter dem frischen Eindrud

der Korruptionsaffären den Prozeß gegen Wirt­schaftsverbrecher verhandelt. In Deutschland ist das anders!

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Als der Prozeß gegen die betrügerischen Direk toren der Fa vag ein Jahr nach der Aufdeckung der Betrügereien stattfand, erinnerte sich nur noch ein kleiner Teil der Deffentlichkeit bei der Schnell­lebigkeit unserer Zeit dieses ungeheuerlichen Stan­dals. Genau so ist es mit den Lahusens, obwohl die Taten dieser Wirtschaftsführer" weit über Deutschlands Grenzen hinaus gewirkt und die be­reits im Gange befindliche ausländische Kapital abwanderung aus Deutschland zur Kapitalflucht verdichteten. Die Pragis der Bremer Justizbe­hörde im Falle Lahusen hat bisher noch wenig Bertrauen in der Deffentlichkeit erwecken können Die Deffentlichkeit wird daher um so mehr ver­pflichtet sein, mit scharfem Auge den Verlauf dieses Monsterprozesses im Interesse einer Reinigung unferes öffentlichen Lebens zu überwachen.

,, Neujahrswünsche"

Reichsanstalt an die Angestellten

Zu jedem Jahreswechsel spricht der Präsident der Reichsanstalt den Beamten und Angestellten der Arbeitsämter den Dank für die hingebungsvolle Arbeit aus. Dieser Dank hat in diesem Jahr be= sondere Formen angenommen. Bei den neun Arbeitsämtern Berlins ist etwa 500 Ange= stellten am 15. und 23. Dezember ein Ge= halts abzug von 30 bis 100 Mart monatlich gemacht worden. Am 31. Dezember follen außerdem auf Anweisung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Brandenburg bei gleich­bleibender Arbeit etwa 100 Angestellte herab­gruppiert werden, um einen weiteren Ges haltsabbau von monatlich 30 bis 50 Mark vornehmen zu können. Durch diese Maßnahme sollen unzuträglich feiten" vermieden werden, außerdem werden Zeithilfen eingespart", d. h. entlassen.

Daß die Angestellten der Arbeitsämter durch solche Maßnahmen auf das äußerste erbittert werden, scheint den anordnenden Personen, die mit der Masse der Arbeitslosen keinerlei Be­rührung haben, gleichgültig. Verfügungen über Verfügungen zum Schaden der Angestellten werden erlassen. Eine dem Personal auferlegte Schweige­pflicht über dienstliche Borgänge soll außerdem verhindern, daß diese Maßnahmen der Deffentlich­feit bekannt werden.

Der Herr Reichsarbeitsminister ist. zum Schweigen nicht verpflichtet. Statt des üblichen Neujahrswunsches erwarten die Ange= stellten, daß die angeordneten Maßnahmen sofort rüdgängig gemacht werden.

Die Gilvesternacht

Sonderdienst der Schupo

Die Polizei hat alle Maßnahmen getroffen, die einen ruhigen Berlauf der Silvesternacht ge­währleisten. Den Silvestergebräuchen der Berliner Bevölkerung wird weitestgehend Rechnung ge­tragen, jedoch soll davon abgesehen werden, dort Feuerwerke abzubrennen, wo Menschen gefährdet werden könnten.

Die Schutzpolizei ist für die Silvesternacht angehalten, den Dienst mit besonderer Zurüd­haltung auszuüben: alle Vorkehrungen sind aber getroffen, um Auswüchse mit der notwendigen Schärfe zu unterdrücken. Das Abschießen von Raketen und Leuchtkugeln sowie anderen peinlichen Feuerwerkskörpern ist polizeilich verboten. Für die Abend- und Nachtstunden ist ein verstärkter polizei­licher Streifendienst eingesetzt.

Ganz besonders wird darauf hingewiesen, daß die Verkehrsampeln während der Nacht nicht in Betrieb sind. Im Zentrum der Stadt werden sie um 19.30 und im Westen um 21.30 Uhr außer Betrieb gesetzt.

Der kommunistische Reichstagsabgeordnete Schehr, der kürzlich wegen Verrats militärischer Geheim­nisse festgenommen worden war, ist jetzt aus der Haft entlassen worden. Die Entlassung erfolgte, weil auch die Schehr zur Last gelegte Straftat unter die vom Reichstag beschlossene Amnestie fällt.

Die französischen Senatoren Jourdain, Schra­med und Biellard sind in die Steuerbetrugsaffäre. der Basler Handelsbank vermidelt. Sie hatten die Aufhebung ihrer Immuität verlangt, doch hat dies der Senat mit 122 gegen 116 Stimmen abgelehnt.