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Abend- Ausgabe

Nr. 617 B 300 49. Jahrg.

Rebattton und Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Sernsprecher 7 Amt Doaboff 292 bts 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlia

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

31. Dezember 1932

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts.. 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise

fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Ende schlecht- alles schlecht!

Die Silvestergrüße der Reaktion an das Volk- Vorwärts zu neuem Kampf!

Die letzte Woche des scheidenden Jahres hat noch einmal die Herrschaft der Reaktion im voll­ften Glanze gezeigt!

Die Margarineverordnung des Ka­binetts Schleicher ist der Ausfluß Agrarierüber­muts und jener Volksfeindlichkeit, die das Kabinett Papen auszeichneten. Den Papen sind wir los- die Papen - Minister sind geblieben! Der Kurs der Begünstigung großagrarischer Interessen auf Kosten des Bolles und zum Schaden der gesamten deutschen Wirtschaft geht weiter!

Der großzagrarische Anschlag auf die Fettversorgung der notleidenden Be völkerung- das ist ihr Abschiedsgruß

1932!

In Preußen alles beim alten! Papen­Kurs in der Schulverwaltung, Massen­entlaffung sozialdemokratischer und republikani­scher Beamten, um die Schulverwaltung der finstersten Reaktion auszuliefern! Mit Hilfe rabulistischer Begründungen, die dem Recht nicht ftandhalten, wird das verfaßungemäßige Recht der Beamten durchbrochen, wird eine Parteibuch­politik der schlimmsten Sorte betrieben! Die Politik der Provokation gegen Sozialdemokraten und Republikaner wird unentwegt fortgesetzt, nichts hat sich geändert!

Schlichter Abschied

1932

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THE SANFT

Wo bleibt denn mein Trauergefolge?"

,, Es trauert niemand. Als einziger Leidtragender hat sich ein gewisser Herr v. Papen angemeldet."

Lieber tot... Selbstmord vor Auslieferung

Der italienische Antifaschist Marcello Ferrari, der nach Cesterreich geflüchtet war, aber wegen Fortsetzung dieser Be­tätigung aus Wien ausgewiesen wurde und an Italien ausgeliefert werden sollte, sprang vor Erreichung der italieni­schen Grenze aus dem Schnellzug. Er wurde von den Rädern erfaßt und zer­stückelt. Ferrari war 34 Jahre alt.

Das Afntrecht für politische Flüchtlinge ist in der Berfassung der Republik Desterreich enthalten. Trozdem weist die Polizei diese fast immer mittel­

Unter dem Freudengeheul der Reaktio­näre hat die fommissarische Verwaltung einen regelrechten Schulputsch einge leitet!

Ueber die Arbeitsbeschaffung haben wir Programme und Rundfunkvorträge gehört- cber wo sind die Taten? Die Taten für die Unternehmer! Die Einstellungsprämien sollen bestehen bleiben, damit die Unternehmer zu öffentlichen Aufträgen noch Geldgeschenke hinzuerhalten!

Für die Winterhilfe war kein Geld da

aber für Liebesgaben für Unter­nehmer kann immer noch Geld beschafft werden!

Während die regierende Reaktion ihre volks­feindlichen Pläne verfolgt, zeigt die National­sozialistische Partei noch einmal ihr wahres blut­befledtes Gesicht. Der Fememord in Dresden enthüllt die Berkommenheit und Unmenschlichkeit des deutschen Faschismus, die Existenz von Mördertrupps und Mörderbegünstigungsorgani­jationen.

So scheidet das Jahr 1932! Das ist die letzte Woche des Jahres, erfüllt vom Herenfabbat der reaktionären Gewalten! Die feudale Reaffion, das raffende Großagrariertum, das nimmersatte

Losen Flüchtlinge aus. Gewöhnlich treibt man fie bei Passau über die Grenze; sie können dann fehen wie sie in Deutschland weiterkommen. Einen italienischen Antifaschisten aber an Italien aus­liefern zu wollen, das ist eine Schurtentat, die hier einen mörderischen Ausgang genommen hat. Der dafür Verantwortliche wird seiner Brand­martung nicht entgehen.

Die Staatspolizei begründet die Ausweisung Ferraris damit, daß er seine antifaschistische Agi­

ein

tapitalistische Unternehmertum, seine faschiffischen Soldknechte das ist der Feind, den es im Jahre 1933 zu schlagen gilt!

Der Kampf ruht nicht! Wir haben im Jahre 1932 dem Ansturm aller reaktionären Gewalten standgehalten. Wir werden im neuen Jahre zum Angriff übergehen. Fort mit der Reaffion welches Gesicht sie auch immer zeigen möge! Borwärts zu neuem Kampfe!

Der Schulputsch

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Reaktionärer Rachefeldzug gegen Sozialdemokraten

Die von der preußischen tommissarischen Re­gierung aus ,, Ersparnisgründen" abgebauten höheren Beamten der Schulverwaltung follen zum Teil Wiederverwendung finden. So beabsichtigt man die meisten bisherigen Vize­präsidenten der Provinzialschulkollegien, die jetzt abgebaut werden, zu Regierungs­direktoren zu ernennen, vorausgesetzt, daß sie damit einverstanden sind, einen solchen Posten anzunehmen, der unter ihrer bisherigen Stellung rangieren würde.

Die Wiederverwendung eines weiteren Teiles der abgebauten Beamten wird ermogen, wäh­

tation in Desterreich fortgefeht habe. Gegen über Wünschen der italienischen Gesandtschaft magt eine Bürgerblodregierung eben feinen Widerstand. Die Auslieferung aber scheint ,, in furzem Wege" durch die Polizei und ohne die dazu nötige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ange ordnet worden zu sein.

Staatssekretär für Sicherheitswesen ist der Heimwehrmajor Fey.

Gefährliches Glatteis

Die Folgen eines Wärmeeinbruchs

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Nach einer ziemlich falten Nacht es wurden stellenweise 4 bis 5 Grad Kälte in Berlin gemessen trat in den heutigen Morgenstunden Wetterumschwung ein. Gegen 29 Uhr setzte bei 1 Grad Wärme plötzlich Regen ein. Während in der Innenstadt sich der Witterungsumschlag im Verkehr weniger gefahr­bringend auswirkte, führte die stellenweise sehr starte Glatteisbildung in den Außenbezirken zu zahlreichen Verkehrsunfällen.

städtische Straßenreinigung wurde zwar sofort mobilisiert und zahlreiche Streufolonnen auf die vereisten Straßen geschickt, in der kurzen Zeit fonnten aber naturgemäß nicht alle Gefahrenpunkte rechtzeitig beseitigt werden. In Tempelhof auf der vereisten Attilastraße gerieten zahlreiche Autos ins Schleudern, so daß sie trotz fleiner Fahrtgeschwindigkeit gegen die Bäume prallten Ein Opel - Wagen wurde dabei völlig zertrümmert, der Führer tam wie durch ein Wunder mit leichten Verlegungen da von. Ein ähnliches Schicksal ereilte einen Motor­radfahrer, dessen Beiwagen bei dem Anprall gegen einen Baum abgerissen wurde. In der Dorfstraße in Mariendorf rutschten nacheinander sechs Autos gegen den Bürgersteig und wurden zum Teil schwer beschädigt. Auf den vereisten Chauffeen in ber weiteren Umgebung Berlins ereigneten fich

weitere Unfälle, bet denen in der Hauptsache schwerer Sachschaden angerichtet worden ist.

Von der Feuerwehr wurden in den Vor­mittagsstunden drei Bassanten, die auf den vereisten Bürgersteigen gestürzt waren und sich Knochenbrüche zugezogen hatten, in die Kranken­häuser gebracht. Hochbetrieb herrschte auch auf einigen Rettungsstellen, wo die Aerzte alle Hände voll zu tun hatten, um die Glatteisopfer mit Not­verbänden zu versehen.

Der Wärmeeinbruch ist besonders stark

in West- und Nordwestdeutschland in Erscheinung

getreten. Von dort werden Temperaturen bis zu 7 Grad Wärme gemeldet. Im Osten des Reiches ist es dagegen nach wie vor falt. Die Kälte be­trägt dort 5 bis 7 Grad. Bestlich Islands liegt ein sehr starkes Tief, das stärkste, was seit langem beobachtet worden ist. Diese Depression drängt nach dem Kontinent, wird zunächst aber ohne Ein­fluß auf unser Wetter bleiben. Schiffsmeldungen, die heute vormittag beim Amtlichen Wetterdienst eingegangen find, besagen, daß auf dem Meer 22 Grad westlich Greenwich und 49 Grad nörd­licher Breite orfanartige Stürme herrschen.

Für den Neujahrstag gibt der Betterdienst folgende Prognose: Wieder Aufheiterung, Tem­peraturen später fintend, auffrischende südöstliche Binde!

rend eine dritte Kategorie überhaupt keine Berwendung mehr finden foll.

Ueberflüssig zu betonen, daß diese räudigen Schafe, die endgültig zur Entlassung gelangen, in der Hauptsache Sozialdemokraten sind. Es befinden sich unter ihnen die Genossen Paul König und Frau Wegscheider Ziegler.

Natürlich versichern die zuständigen Stellen falt­blütig, daß die Parteizugehörigkeit der einzelnen Beamten bei ihrer Wiederverwendung bzw. end­gültigen Verabschiedung keinerlei Rolle gespielt habe und daß ,, rein sachliche Gesichtspunkte" dabei maßgebend gewesen seien. Die Herrschaften haben nicht einmal den Mut, sich zu den offenkundigen Beweggründen ihrer Handlungsweise zu bekennen!

Sozialpolitik 1932

Von Rudolf Wissell

Die Sozialpolitik des Jahres 1932 steht im Zeichen jenes höhnenden Wortes der Regie­rung Papen : Die Nachkriegsregierun gen... haben den Staat zu einer Art Wohlfahrtsanstalt zu machen ver­sucht und damit die moralischen Kräfte der Nation geschwächt."

Gegenüber diesem Hohn auf Millionen Menschen, die nur den einen sehnlichen Wunsch nach Arbeit haben, sei auf den Ar­titel 163 der Reichsverfassung hingewiesen, wonach jedem Deutschen das Recht auf Arbeit zusteht, oder falls ihm eine ange­messene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, ein Anspruch auf den notwen­digen Unterhalt. Die Mißwirtschaft der Parlamentsdemokratie", die Herr v. Papen liquidieren wollte, hatte im Arbeitslosenver­sicherungsgesetz diesen verfassungsmäßig ver­heißenen Unterhalt gewährt und bis zum Anfang des Jahres 1930 aufrechterhalten. Dann waren Eingriffe erfolgt. Doch erst der Regierung Papen blieb es vorbe­halten, uns auf diesem Gebiet wieder zu­rückzuwerfen. Ihre Notverordnungen haben von der Arbeitslosenversicherung nur noch einen fümmerlichen Rest übrig gelassen. Die geringen Verbesserungen" dieser Bestim­mungen, die von der Regierung Bapen zur letzten Reichstagswahl als Wahlsped gereicht wurden, fallen demgegenüber überhaupt nicht ins Gewicht.

Die Beiträge der Arbeitslosenver­ficherung dienen heute mit dazu, einen Teil von Aufgaben zu erfüllen, die mit der Bersicherung an sich nichts zu tun haben.

Das Regieren mit dem Artikel 48 stammt freilich nicht von Herrn v. Papen . Als das deutsche Volk die Schwelle des Jahres 1932 überschritt, hatte es bereits vier Notverord­nungen hinter sich, die auch auf sozialpoliti­schem Gebiet einschneidende Aenderungen mit sich brachten. Anfang 1932 hatten die Lohn­und Gehaltssenkungen derart gewirkt, daß der damalige Preiskommissar Dr. Goerdeler in einer Rundfunkrede sagte: ,, Die Kauf­traft ist in einem Maße mit dem Jahres­beginn vermindert worden, wie wir es alle bisher noch nicht erlebt haben. Von der Einkommensminderung um 10 Proz. werden etwa 35 Milliarden deutschen Volksein­tommens erfaßt. Es tritt also eine plötzliche Senfung von einem Jahreswert von etwa 3,5 milliarden ein. Daß diese Lohnsenfung die Borleistung auf die verheißene Preis­