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Abend- Ausgabe

Nr. 6

B3 50. Jahrg.

Rebaftion and Berlagi Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernfprecher 7 Amt Dönhoff 292 bis 29? Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

4. Januar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Neue oftelbische Korruption

Geheime Siedlungssabotage des Reichs

Im September hatte Herr von Papen auf Verlangen der Landwirtschaft eine Herab= jegung der Zinsen um 2 Broz. notvero.onet. Der Unterschied zwischen den alten und neuen Zins= sägen sollte dem Kapital zugeschlagen werden, wenn die Gläubiger, d. h. in erster Linie die Landschaften, in der Lage sind, die von ihnen aus­gegebenen Schuldverschreibungen in der bisherigen Höhe weiter verzinsen zu können.

Aus dieser Bestimmung mußte jeder, der mit gesundem Menschenverstand auss gestattet ist, schließen, daß man endlich die ost­elbischen Landschaften, deren Hypothekenschuldner vielfach schon lange ihre Zinsen nicht mehr be­zahlen, zwingen wollte, die mit den Zinsen im Rückstand befindlichen Güter zur Versteigerung zu bringen, oder die Haftung aller an die Landschaft angeschlossenen Landwirte in Anspruch zu nehmen.

Aber die vom Schleicher - Kabinett gefreulich von Papen übernommene gottgewollte Ordnung darf durch gefunden Menschenverstand nicht ver­dorben werden, wie eine Bekanntmachung im Reichsanzeiger vom 29. Dezember zeigt.

Dort erklärt der Reichskommissar für das preußische Landwirtschaftsministerium als Auf sichtsbehörde der Landschaften, daß sämtliche preußischen landschaftlichen( ritterschaftlichen). ( ritterschaftlichen) Kreditinstitute in der Lage sind, die von ihnen ausgegebenen Schuldverschreibungen in bisheriger Höhe weiter zu verzinsen".

Ein Wunder scheint geschehen zu sein. Die Land­schaften, deren Zinsrückstände noch im Oktober teilweise über 50 Proz. des Solls des Zinsen­eingangs betrugen, find alle plötzlich solvent ge­worden! Leider ist kein Wunder geschehen, sondern die Solvenz der Landschaften stammt aus dem für Agrarier schon immer in Deutschland un­erschöpflichen Reichssäckel!

Um die Zinssenkung durchführen zu können, hat das Reich nicht nur die Verpflichtung über­nommen, allen Landschaften den Betrag, um den die Zinsen herabgesetzt sind, zur Verfügung zu stellen. Es hat ihnen auch ganz heimlich durch die Rentenbankkreditanstalt Rredite zur Ver­fügung gestellt, damit der Zinsendienst für die Landschaftspfandbriefe in bisheriger Höhe aufrecht­erhalten werden kann. Daß diese Kredite nie zurückgezahlt werden, sondern verlorene Sub­ventionen sind, ist klar.

Diese Regierungskunst ist in der Tat einzig­artig. Man erklärt als Aufsichtsbehörde, daß die Landschaften ihren Zinsendienst aufrecht­erhalten können, und verschweigt dabei, daß man selber den Landschaften durch Sub­

Dgruf Göring

hat keine Zeit

Heute foll der Aeltestenrat des Reichs­fags zusammentreten, um über den Termin des Zusammentriffs des Reichstags zu beschließen.

Die Nationalsozialisten setzten ihr Verschleppungs­manöver fort. Der neuerdings zum Ogruf" be­förderte Reichstagspräsident Göring hat nicht einmal Zeit gefunden, um an der Aeltestenrats­fihung überhaupt teilzunehmen. Er läßt sich durch den Bizepräsidenten Esser vom Zentrum ver­treten. Infolgedessen kann ihm von den Nazis nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte so oder so gefagt!

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ventionszahlung die Möglichkeit hierfür ge­schaffen hat.

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Der Sinn dieser ganzen im kaufmännischen Leben würde man sagen Schiebung ist der, daß man den Großgrundbesigern, bie in erster Linie die Schuldner der Landschaften sind, nicht an den Kragen gehen will. Die Land­schaften erhalten Subventionen, damit sie nicht die Zahlung von Zinsen und Zinsrückständen zu ver langen und um Gottes willen feinen überschulde= ten und heruntergewirtschafteten Großbetrieb zur Zwangsversteigerung zu bringen brauchen.

Was die übrigen Gläubiger, deren Forderungen hinter der ersten Hypothek der Landschaft stehen, anfangen, ist der Reichsregierung und den mit den Großgrundbefizern verfippten Direktoren der Landschaften völlig gleichgültig. Borläufig fönnen fie wegen des Sicherungsverfahrens an die meisten Betriebe nicht heran, aber auch mit der Aufhebung des Moratoriums wird ihnen wenig geholfen fein. Kommt es wirklich zur Zwangsversteigerung, dann verlangt die Landschaft, wenn die nach­gestellten Gläubiger oder eine Siedlungsgesellschaft das überschuldete Gut übernehmen wollen, die fofortige Auszahlung der ersten Hypothet, was natürlich unmöglich ist. Dagegen sind die Land­schaften bereit, mie man bereits oft erfahren fonnte, einem Verwandten des Besizers im Inter­effe der Erhaltung des Besizes für die Familie den Kredit zu belassen.

Diese unerhörte korruption,

die faum jemals ihresgleichen gefunden hat, mird durch die Zinssubventionen des Reiches an die Landschaften jetzt endgültig möglich gemacht und legalisiert!

Der Reichskanzler hat in einer seiner Rundfunk­reden davon geredet, daß zunächst 800 000 Mor­gen zur Siedlung fommen werden. Durch derartige Subventionsmethoden wird aber jede Siedlungstätigteit verhindert, denn die Landschaften, die einem großen Teil oſt­elbischer Güter erste Hypotheken gegeben haben, haben es völlig in der Hand, die Güter zur Zwangsversteigerung zu bringen, wenn ihnen das Reich die Berzinsung der Brandbriefe garantiert.

Aber nicht nur die Landschaften sabotieren mit Hilfe des Reichs und der Reichskommissare in Preußen das Siedlungswerk, sondern auch die Landstellen geben sich jegliche Mühe,

die Ueberführung des Bodens aus der Hand des Großgrundbesiges in die des Bauern zu hintertreiben.

Jede Bereinigung der Schuldverhältnisse wird hinausgeschoben und möglichst fein Sicherungs­

andere prominente Mitglieder wurden mit einem Ausschlußverfahren bedacht. Um so mehr schleuderten diese schwere Berdächtigungen gegen die Mitglieder der anderen Gruppe, die einst­weilen die Oberhand erlangt hatte. Schließlich blieb Hugenberg nichts anderes übrig, als das Parteigericht in Berlin mit der Schlichtung des peinlichen Streits zu befassen. Das Partei­gericht hat jetzt das Urteil gesprochen, und wenn es auch im Wortlaut erst in der nächsten Woche bekanntgegeben werden soll, so ist doch so viel durchgefickert, daß es für die bisherigen Macht­haber, namentlich für den Landesführer in Ost­sachsen, Geneal a. D. Wöllwarth, recht unangenehm gewesen ist. Wöllwarth wird wieder abgesetzt werden und die bisher von ihm einge­fetzte Ortsgruppen und Bezirksver bandsieitung verschwindet gleichfalls von der Bildfläche. Am 9. Januar soll ein neuer Borstand gewählt werden, mit einem der vom Ausschluß betroffenen Mitglieder an der Spize Die Hugenberger haben große Angst vor dem

Krah bei Hugenbergs lub

Familienidyll der Deutschnationalen Aufeinanderplatzen der beiden feindlichen Gruppen.

Dresden , 4. Januar.

Die Deutsch nationalen in und um Dresden waren einander vor einigen Monaten in bie Haare geraten. Der Borsigende der Dresdener Ortsgruppe, Gurazsch, wurde für abgesezt erflärt,

so daß keine von ihnen die Leitung der zum 9. Januar einberufenen Hauptversammlung haben foll. Es wird vielmehr extra von Berlin der Ab­geordnete Steinhoff entsandt, um die Ver sammlung zu leiten und die Geister zur Ruhe zu bringen.

So find,

verfahren als abgeschlossen erflärt. seitdem mit der Ausscheidung der nicht. sanierungs­fähigen Güter aus dem Sicherungsverfahren be­gonnen wurde, erst 25 000 Morgen oder nur 3 Proz. der 800 000 Morgen, von denen Herr von Schleicher sprach, dem Zugriff der Gläubiger freigegeben worden!

All das geschieht unter den Augen und mit der Billigung des sozialen" Gene= rals, der andauernd davon redet, daß die nicht mehr sanierungsfähigen Güter den bankrotten Großgrundbefizern abgenommen werden sollen. In Wahrheit wird reaktionärste Po= litit zur Erhaltung des Großgrund= befizes getrieben!

Erich Just auf dem Schmerzenslager

Unser Jugendgenosse Erich Just aus Lich­ tenrade im St.- Josephs- Krankenhaus in Tempelhof . Erich Just wurde in der Silvester­nacht von einer ganzen Horde von Nazi­strolchen feige überfallen und niedergemacht; er blieb mit schweren Verlegungen am Kopf hilflos liegen und wurde von seinem Bruder und Freunden aufgefunden und ins Kranken­haus gebracht.

GA. erschießt GA.

Neuer Mord an Kameraden

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Braunschweig , 4. Januar.

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Ein neuer Kameradenmord in der SA. wurde in dem Ort Astfeld im Frei­ staat Braunschweig verübt. Dort er: schoß der SA.- Mann Willgeroth nach boraufgegangenem Streit seinen jünge. ren A. Kameraden Bode, das einzige Kind einer Witwe. Der Mordbube ließ den Erschossenen liegen und bezich tigte später Kommunisten der Zat. Die Gendarmerie verhaftete jedoch den überführten Willgeroth und beschlagnahmte bei ihm außer modernen Waffen zahlreiche Munition, die er aus SA.- und SS.- Beständen in seiner Woh nung aufbewahrte.

Berbannte jpanische Monarchisten sind aus Westafrita geflüchtet, zum Teil auf einem fran­zöfifchen Segler.

Herr Konfusius

Und seine Hündchen

Dr. Otto Straßer , der Bruder Gregor. Straßers, ist bekanntlich schon seit mehreren Jahren mit Hitler vollkommen verkracht. Ueber eine sehr lehrreiche Auseinander­segung, die zwischen beiden Herren im Mai 1930 teils unter vier Augen, teils in Gegen­wart anderer nationalsozialistischer Führer stattfand, hat Otto Straßer in einer Broschüre berichtet, die unter dem Titel ,, Ministersessel oder Revolution?" erschienen ist. Obwohl seit der Herausgabe geraume Zeit verstrichen ist, wurde bisher von keiner Seite Einspruch gegen die Aufzeichnungen erhoben.

Die tiefere Ursache des Zerwürfnisses zwischen Hitler und Otto Straßer war die vollkommene Schwenkung, die der Ober­osaf mit seinem sogenannten So zialismus" vorgenommen hatte. Diesen Sozialismus wollte Otto Straßer immer noch ernstgenommen wissen. Hitler suchte den ,, belehrungsfähigen jungen Menschen" immer wieder an sich zu fesseln,

,, während er z. B. eine Aussprache mit dem Grafen Reventlow für völlig überflüssig hielt, weil R. ein alter Mannsei, der seine seit Jahrzehnten vertretenen alten Anschauungen nicht mehr ändern könne und ein ge­wissermaßen hoffnungsloser Fall

wäre".

Weisheiten der tosmischsten Art, wie sie Hitler in seinem profunden Werke ,, Mein Kampf " in Hülle und Fülle verzapft, versetzte er in der erwähnten Unterredung nebenbei auch Otto Straßer . Ein Beispiel über seine Kunstbetrachtung:

,, Es gibt in der Kunst keine Alten und Jungen, so wenig, wie es eine ,, Revolution der Kunst" gibt, sondern es gibt nur eine ewige Kunst, nämlich die griechisch nordische Kunst, und alles, was man sagt: holländische Kunst, italienische Kunst, deutsche Kunst ist Irreführung... Alles was überhaupt auf den Namen Kunst An­spruch erhebt, kann nur immer nordisch- griechisch sein." Als Otto Straßer daraufhin schüchtern etwas von der Kunst als Ausdruck der Völker und im Zusammenhang damit von chinesischer und ägyptischer Kunst sprach, hauchte Hitler ihn furcht­bar an: Es gibt überhaupt keine chinesische oder ägyptische Kunst. bei den Chinesen und Aegyptern usw. handelte es sich gar nicht um ein­heitliche Völker, dort faß auf einem niederrassigen Volkskörper ein nordischer Kopf, der allein jene Meisterwerke schuf, die wir als chinesische oder ägyptische Kunst bewundern."

Doch wir dürfen nicht abschweifen, müssen uns vielmehr auf ein paar wichtigere Punkte beschränken. Wie Hitler bestimmt, was Kunst ist, so bestimmt er auch was ,, Sozialismus ist:

,, Was Sie unter Sozialismus verstehen, das ist traffer Margismus. Sehen Sie, die große Masse der Arbeiter will nichts anderes als Brot und Spiele, die hat kein Verständnis für irgendwelche Ideale... Wir wollen eine Aus­wahl der neuen Herrenschicht, die nicht wie Sie von irgendeiner Mitleidsmoral getrieben wird, sondern die sich darüber klar ist, daß sie auf Grund ihrer besseren Rasse das Recht hat, zu herrschen und die diese Herrschaft über die breite Masse rücksichtslos aufrechterhält und sichert."

Die ehrliche Bestürzung Otto Straßers ließ den Oberofaf vollständig kalt. Der braun­schweigische Regierungsrat" Hitler ist eben ein hoffnungsloser Fall. Das geht auch her­por aus den Bemerkungen, die er über seine Außenpolitik gemacht hat:

,, Die nordische Rasse hat ein Recht dar­auf, die Welt zu beherrschen und wir müssen dieses Recht der Rasse zum Leitstern unserer Außenpolitit machen. Deshalb kann für uns auch nie irgend­ein Zusammengehen mit Rußland in Frage kommen, wo auf einem slawisch- tatarischen Leib ein jüdischer Kopf fitzt."

Brennt Herr von Schleicher immer noch darauf, dieses ausgeruhte Köpfchen für sein Kabinett zu gewinnen?

Solche Sertanersprüchlein sagt der Oberosaf in dem unerschütterlichen Bewußt­sein, daß Ihm niemand zu widersprechen