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BEILAGE

Vorwärts

Winterstudien im Nordharz  

Freizeit muß mutzbringend gestaltet werden Das ist der Grundsay für jeden erlebnishungrigen Menschen. Und selbst wenn zur Jahresneige sich die winterliche Welt in grünen Weihnachten wider­spiegelt und dem aktiven Wintersportler teine Be­tätigungsmöglichkeit bietet, bleibt für den wahren Naturfreund Stubenhocken verpönt. Eines der reizvollsten Gebiete für solche winterlichen Streif­züge ob Schnee oder nicht wird immer der Nordharz   sein. Des wirklich schauenden Wan­derers Auge bleibt dabei nicht nur an dem schönen Naturbild, an der Romantik der grünen Fichten­täler, der sprudelnden Wäfferchen, der schroffen Felswände und der springenden Wasserfälle haften. Der Blick dringt tiefer, fördert Studien im sozialen und politischen Geschehen des menschlichen Lebensschicksals. Und das ist wesentlich.

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Kaum ist die lange Bahnfahrt von der Reichs­hauptstadt her beendet, da geht es schon hinauf in die Berge. Jede freie Minute soll ausgenutzt wer den. Die Brodenbahn führt den Schönheits­sucher noch am Nachmittag schnell aufwärts, vor= bei an Fabriken und Sägemühlen. Noch ein Blick auf Stadt und Schloß Wernigerode  . Bald fesselt tief unten das Drängetal mit seinen waldigen Hängen die Sinne. Ein sonderbares Bolt hat sich hier dichtgedrängt in den fleinen Wagen zu­sammengefunden, keine Gesellschaft für Arbeiter­jungen und mädel. Brozzerei und spießbürgerliche Behäbigkeit paaren sich mit einem Schuß Herren­menschentum. Kühl- reservierter Danf quittiert die freundliche Auskunft eines Arbeiterwanderers, daß es sich hier um das Tal der Holtemme und nicht wie die gnädige Frau" vermutete ums Bodetal   handelt. Es ist manchmal unbequem, wenn solche Proletarierjungen in der Geographie besser Bescheid wissen, als die zwar nicht von Natur, aber von Besitz wegen im Bildungs­grad scheinbar Bevorrechteten. Eine reichlich par­jümierte Dame aus Spree- Athen aber findet es hier echt snobistisch schon ganz nett". Einige un­entwegte Schneeoptimisten schließlich ziehen troiz hellen Sonnenscheins nunmehr mißmutige Ge= fichter. Die grünen Fluren geben teine Abfahrts­bahn für die mitgeschleppten Stier.

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Im hohen Fichtenwald erst wird uns wieder richtig wohl: Ruhe, Beschaulichkeit, froh­gemutes Aufatmen. Das ist ein anderer Duft. In der Steinernen Renne türmen sich die granitenen Blöde in wildestem Durcheinander und dazwischen rauschen die Wasser der Holtemme zu Tal. Da fönnte man stundenlang lauschen. Unten in Hasserode   aber umgibt uns bald wieder der rauhe Alltag, keine weihnachtliche Feiertagsstim­mung. Auch in Wernigerode   hat die Not der Zeit Einzug gehalten. Die früher vorhandene Metallindustrie liegt schon seit Jahren danieder. Von den Schokoladenfabriken ist nur noch eine im Betrieb. In den Steinwerfen ist es gleichfalls still geworden. Abgesehen von der saisonmäßig ungünstigen Jahreszeit werden die Steinbrüche im Harz   überall weit weniger denn früher ausge beutet. Einzig die Holzindustrie kann nicht aussterben. Selbst das deutsche Gemüt wird von der Wirtschaftskrise in seinen schönsten Wallungen gehemmi. Kam man früher bei einbrechender Dunkelheit aus den Bergen, leuchteten weithin von der Burgmühle her zahllose Kerzen aus den grünen 3weigen einer hochgewachsenen Fichte. Heute hebt sich nur die dunkle Silhouette des mundervoll ge­wachsenen Baums vom lichten Himmel ab.

Aus unserem Wernigeroder   Parteiblatt ersehen wir, daß im Nordostbezirk des Harzes auch der freiwillige Arbeitsdienst eingewurzelt ist, nicht gerade zur besonderen Freude vor allem der Wald- und Forstarbeiter. Wegebauten und verbesserungen im Umkreis von Beckendorf, Ilsenburg   und Wernigerode  , Boden verbesserungsarbeiten in Oschersleben  und Osterwiec, Planierungen in der vor­städtischen Siedlung und auf Sportplätzen in Halberstadt   sind die Aufgabe der rund sechshundert Arbeitsdienstfreiwilligen. In Wernigerode   arbeitet noch eine Schar Mädels an der Ausbesserung von Kleidungsstüden für die Winterhilfe. Geschloffene Arbeitslager find nur zwei von rechtsstehenden Organisationen vorhanden, in denen etwa ein Drittel der Jugendlichen erfaßt werden konnten. Der volkswirtschaftliche Wert der meisten Arbeiten muß anerkannt werden, der soziale und pädago­gifche bleibt fragwürdig.

Ein Aufstieg auf den Broden zur Winterszeit ist teine ganz leichte Sache. Jetzt ohne die Beschwerden der schneeverwehten oder vereisten Wege ist es schon bequemer, wenngleich rund acht­hundert Meter Anstieg in oft 40- Grad- Linie für Großstadtmenschen nicht gerade etwas Alltägliches und somit leicht zu Bezwingendes find. Bei wun­dervollem Sonnenwetter wird auch das geschafft. Oben auf der kahlen Ruppe aber ist's ungemütlich. Die unvermeidliche Nebelhaube weicht nicht. So muß schon das gewiß in Bau und Innenaus stattung geschmackvoll eingerichtete Brockenhaus aufgesucht werden. Es ist teurer Boden. Dazu find Geist und Gesinnung dort oft unerträglich. Der Besitzende gibt den Ton an. Die besseren Plätze sind für die feinen Leute" reserviert, die noch Wein und Seft bezahlen können und selbst jetzt per Auto hinauf wandern". Einfachen Wan­derern wird es schon deutlich, wenn auch ge zwungen höflich, flargemacht, daß sie nur zwangs­läufig geduldete Gäste find. Wie bereits feit

Jahren müssen hier immer noch mit Gitarre- und Zitherspiel fahrende Musiker ihren Lebensunter­halt zusammenbetteln. Der Brockenwirt hat es nicht nötig, für die Unterhaltung seiner Gäste an­ständig zu bezahlen. In dieses reaktionäre Charaf­terbild paßt dann auch, daß im Winterrestaurant noch heute nach 14 Jahren Republik   neben dem Porträt eines glazföpfigen Botentaten jener von Stollberg- Wernigerode auch ein solches in faft Lebensgröße von Wilhelm II.  , dem Hollandfahrer, prangt. Arbeiterjugend tut recht daran, wenn sie dieses Haus nach Möglichkeit meidet. Der Abstieg den Goethe- Weg hinunter nach Dder= brück geht schneller, ist aber beschwerlicher in dieser Zeit. Hier liegt noch verharrscht überall Schnee und die Bege sind starf vereist.

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herrscht

In Naturfreunde- häusern ein anderes Leben. Dort waltet Klassen und Ge­sinnungsfreundschaft. Die niedersächsischen Natur­freunde schufen sich in opferfreudiger Arbeit unmeit vom Forsthaus Oderbrüd ein nettes Heim. Ein anderes, stattliches liegt Don Braunschweig aus betreut bei Bad Harzburg  , am Rande des Harzwaldes, im Gebiet der Arbeitergemeinde Bündheim. Es sind prächtige Werke wahrer Ar beiterfultur. In ihren Räumen herrscht an Feier­tagen ein buntbewegtes Leben. Freunde, Sozia­

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listen, Klassentämpfer aus den verschiedensten deutschen   Gauen finden sich ein, tauschen Gedanken und Erfahrungen aus, bringen einander wieder gegenseitig Mut für den Alltagskampf daheim. Startes Interesse finden naturgemäß die Schilde rungen aus den politischen Auseinandersetzungen im nahen Klaggeftan, denn viele Gebiete des Harzes find braunschweigisch. Da ballen sich die Fäuste, und selbst der Berliner   wird still, denn Achtung vor dem Opfermut der Klassengenossen draußen im Kampfe ist wesentlicher Bestandteil wahrer proletarischer Solidarität. Siegeszuversicht. und Kampfesfreudigkeit in den Sinnen, trennt man sich schweren Herzens wieder.

Der letzte Feiertag foll noch recht genußreich werden. Aus dem Brockengebiet hinaus über den herrlichen Magdeburger Weg und am Kellmasser entlang geht es in hellem Sonnenschein ins breite Ofertal Welte Ausblicke, Rauhreif­pracht in den ersten Morgenstunden, hochragende Fichtenwälder und das in breitem Bett dahin­sprudelnde Flüßchen lassen die Herzen höher schlagen. Springende Waffer am Romkerhaller Wasserfall fügen neues Erlebnis hinzu. Eiswände und-zapjen zeugen von erster früher Winterschön­heit. Scharfe, hochgesteilte Klippen durchbrechen oft den grünen Waldrand. Naturverschandelung ift

Dnjeprostoj der Literatur"

Von Oswald Zienau

Durch eine Verordnung des Zentralfomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion   vom 23. April v. J. wurde die Assoziation proletarischer Schriftsteller( RAPP.)" plötzlich aufgelöst. Jahre lange Auseinandersezungen zwischen Partei­instanzen und Sowjetschriftstellern und eine mechselvolle sowjetamtliche Kulturpolitik, die einmal sich um Verständigung mit den literarischen ,, Mit­läufern" mühte und ein andermal wieder diese in Acht und Bann tat und als Literaten nur aner­kannte und förderte, wer die strengen Dogmen und Aufgaben bolichemistischer Klassenliteratur erfüllte, sind mit diesem Machtgebot abgeschlossen und end­gültig abgetan. Der Parteibeschluß drückt das so aus: ,, der Einfluß fremder Elemente auf die Literatur", wie er ,, besonders in den ersten Jahren der Nep start fühlbar" mar, ist übermunden. Nun, da die Kader der proletarischen Literatur und Kunst schon herangewachsen und aus den Fabriken und Kolchosen neue Schriftsteller entstanden sind, werden die Rahmen der bestehenden Literatur­organisationen schon zu eng und hindern die ernste Entfaltung der fünstlerischen Produktion".

Die Mobilifierung der somjetrussischen Schrift­steller für ihre besonderen Aufgaben im Rahmen der Fünfjahrespläne ist mit dieser organisatorischen Zentralisierung vollzogen. Alle Schriftsteller, die die Plattform der Sowjetmacht unterſtüßen und am sozialistischen Aufbau teilzunehmen wünschen, sind in einer einheitlichen Gewerkschaft der Sowjet­schriftsteller zu vereinen." An die Stelle einer Bielheit von Literatenorganisationen, wie die älteren Bereinigungen Oftober" ,,, Schmiede" oder als jüngste die ,, Ref", ist jetzt als einzige der ,, Ber­band der Sowjetschriftsteller mit einer fommu­nistischen Fraktion" getreten.

Einen Einblick in die durch die organisatorische Zentralisierung geschaffenen Verhältnisse und Ar­beitsbedingungen für den Sowjetschriftsteller er­laubt die jüngst in Moskau   stattgefundene Tagung des Erweiterten Plenums des Organisationsfomitees des Ber= bandes der Schriftsteller der Somjet union. Mit 129 Delegierten von den Schrift stellerorganisationen der Bundesrepubliken und der autonomen Sowjetrepubliken und Gebiete und über 500 Gästen, Schriftstellern und Mitgliedern proletarischer Literaturzirkel, war diese Tagung sicher die größte ihrer Art seit je und die ge= schlossenste Vertretung des Sowjetschrifttums der Gegenwart überhaupt.

Die ernste Entfaltung der künstlerischen Pro­dultion" im bolschemistischen Parteifinne ist die bedenkenlose Durchführung der sogenannten Klassenaufgaben der Schriftsteller. Klassen= aufgabe ist jetzt die Industriali­sierung; diese hatt der Schriftsteller in Reimen und in Prosa zu verherrlichen, als Mitarbeiter an Betriebszeitungen hat er die Helden der Arbeit" zu feiern und die Säumigen und Nachlässigen an­zuspornen oder als Feinde des sozialistischen   Auf­baus zu brandmarken. Jede andersgeartete lite= rarische Produktion erscheint wertlos; wer sich einem von der Klassenaufgabe abgewandten litera rischen Schaffen hingibt, ist nicht minder ein Feind des sozialistischen   Aufbaus. Zu Zeiten der RAPP. mit der Duldung von vielerlei und auch gänzlich unpolitischen Literaturvereinigungen ist die tonfequente Klaffeneinstellung des Sowjetschrift stellers angeblich verhindert worden.

Wenn man demnach erwartet, daß nun die erste Gelegenheit benutzt wurde, die Verdammnis der RAPP. und der Literaturklassenfeinde von der offiziellen Tribüne des Verbandes der Sowjet

schriftsteller zu verkünden, so hat die erste Tagung des repräsentativen Verbandsgremiums nichts der gleichen gebracht. Der Grundfehler der RAPP. ist gewesen, daß sie sich über den vollzogenen An­schluß der Schriftsteller an die Sowjetmacht keine Rechenschaft gegeben habe. So ist die RAPP. ein Entwicklungshemmnis gewesen und die Partei mußte fie fiquidieren. Troßdem dürfen die früheren Verdienste dieser Organisation nicht über­sehen werden, die die große Massenbewegung der Arbeiter und Bauern zur Literatur hingeleitet habe. Die Angehörigen der RAPP. müßten nur ihre Fehler gutmachen und gemeinsam mit den übrigen Schriftstellern für die Sowjetliteratur tämpfen... Aber die Methode der RAPP., jeden ihr nicht in allem zustimmenden Schriftsteller als ,, Klassenfeind" hinzustellen und ihn aus der Literatur hinauszuwerfen", iſt abgetan. Die Kritik muß vorsichtig und vom Genossengeist er füllt sein. Der wirkliche Klassenfeind ist rüd­sichtslos zu bekämpfen, aber die Kritik hat auch die Aufgabe, den Schriftstellern beizustehen, damit sie den Weg der Arbeiterklasse finden. Wir wünschen, daß sich die Schriftsteller margistisch- leninistisch bilden, geschichtlich, wirtschaftlich und philosophisch, aber fordern, daß sie nach der Methode des dialektischen Materialismus schreiben, können wir nicht."

Diese von J. M. Gronski dargestellte Situa tion der Somjetliteratur nach der Auflösung der RAPP. läßt nicht darauf schließen, daß die Schriftsteller wirklich restlos ihren Anschluß an die Sowjetmacht gefunden haben und geistig be­dingungslos die Klassenaufgaben erfüllen wollen.

den unmißverständlichen Ausführungen Gronskis hat die fommunistische Fraktion im Ber­bande der Sowjetschriftsteller einfach auf die Durch drückung des Parteistandpunktes verzichtet. Wie weit dieser Verzicht geht, läßt sich auch daraus er: kennen, daß wenigstens fürs erste auch eine die Klassenaufgaben nicht direkt erfüllende Literatur geduldet werden soll; was nach der seinerzeitigen radikalen Formulierung des sozialen Auftrags der Literatur" sogar ein offener Zurückzug ist: Wir sprechen vom sozialistischen   Realismus, der uns hilft, den Massen die Wahrheit über den sozialisti­ schen   Aufbau und über das Vorwärtsschreiten zur flassenlosen Gesellschaft hin zu sagen. Aber wir schließen nicht den revolutionären Ro­mantismus aus, der zum Kampf für die Ideale der Zukunft anfeuert. Vor allem ist uns eine gute dramatische Literatur von­nöten."

Dieses offizielle bolschewistische Literaturpro­gramm gibt tatsächlich wieder Bahn für ein geistig freies Schaffen der Somjetschriftsteller. Der sozia­listische Realismus" ist die Klassenausgabe, die er­füllt wird mit der strengen Verpflichtung zur literarischen Tages- und Kleinarbeit an der In­dustrialisierungsfront; der revolutionäre Roman­tismus" aber und die gute dramatische Literatur" werden wieder Werke von größerem Gehalt er­stehen lassen.

Sicher wird diese kommende Sowjetliteratur ihre neuartige fünstlerische Note haben; der Wechsel der Epoche wird und muß sich auch in der Sowjet­literatur ausdrücken. Schon ist ein scharfes Ringen um diese neuen Wesensinhalte und Formen unter den Sowjetschriftstellern im Gange. Woh'n die Entwicklung gelenkt werden soll, lassen am besten Michael Lewidows programmatische Formulie­rungen erkennen: Das Tote darf das Lebendige nicht fesseln, den Sowjetschriftsteller dürfen die ,, immanenten Gefeße der Literatur und die Tra

ein

MITTWOCH, 4. JAN. 1933

Privileg kapitalistischer Industrialisierung. Das spürt man hier. Aber auch die faschistischen Schergen dieser Gesellschaft wollen selbst darin nicht hintanstehen. Auf einer wundervollen Klippe prangt meterhoch auf rotem Grunde ein Hafen­freuz. In Ofer rauchen selbst an Feiertagen die Essen, ein trostreiches Zeichen. Aber drüben im Westen, im Oberharz  , sind nun auch die letzten Gruben in Clausthal   3ellerfeld still­gelegt.

Goslar   hat noch immer sein altes Gesicht. Nur an den Bergen entlang ziehen sich neue Sied­lungen, Zeichen aufblühenden Lebens in den letzten Jahren. Jetzt wirkt sich auch hier die Wirtschafts­not aus. Die innere Stadt erinnert noch am stärt­sten an die einstige Macht der alten Kaiserstadt und auch an die feinen Plaudereien Heinrich Heines   in seiner unverwüstlichen Harzreise". Des alten Spötters Skizzen sind noch heute nach mehr denn hundert Jahren aktuell. Durch enge Straßen wandert man langsam dem Bahnhof zu. Das früher oft aufdringlich in Erscheinung tretende Bild reaktionärer politischer Gesinnung in Ab­zeichen und Fahnenschmud ist fast verschwunden. Auch die Razibemegung feierte einmal in den Harzbergen Triumphe. Jetzt war menig davon zu bemerken. Ulm   so mehr hörten wir allerorten, ja inmitten der Harzer   Waldeinsamkeit, freudig aufgenommen unseren Kampfgruß Freiheit!" Die altbewährte, tlassenbewußte Harzer Arbeiterschaft ist auch jetzt wieder auf der Wacht. Das stählt auch uns den Mut. Adolf Lau.

ditionen des Literaturgenres nicht belasten. Die alten Formen sind nicht imstande, den neuen Inhalt zu umfassen und so muß man die alten Formen sprengen. Der natürliche Abnutzungs­prozeß der Formen muß beschleunigt werden durch zielbewußtes organisiertes Eingreifen. Das Plan­prinzip spielt auch hier, wie überall in der Revolu tion, die grundlegende und wichtigste Rolle. Aber Literatur planen heißt durchaus nicht, den Schrift­stellern Themen geben, sie über bestimmte Sujets schreiben lassen."

Andrej Bjely, der auch in Deutschland   bekannte Sowjetschriftsteller, sprach auf der Schriftsteller­tagung davon, daß jetzt die Schriftsteller einen Dnjeprostroj der Literatur" errichten fönnten. Die Fundamente dieses Dnjeprostroj der Literatur" beginnen zu machsen und sich zu formen; man möchte hoffen, daß die hereinbrechende neue Epoche der Sowjetliteratur ebenso Künder der Zeitmerte des großen Umbruchs eines großen Volkes mird, wie es die neurussische Literatur schon mal ge= wefen ist.

Berthold Jacobjohn:

3790701

Einer von vielen

Er muß schon ganz früh aufstehen. Geräusch­los zieht er sich an. Seine Kinder schlafen noch. Fünf kleine Jungens und zwei kleine Mädelchen. Er sieht sie sich noch einmal an, bevor er Zeitungen austragen geht. Und denkt an die Mutter dieser kleinen Geschöpfe, die schon spüren, daß das Leben ein Kampf ist. Gestern hat man seine Frau überfahren. Sie liegt im Krankenhaus. Jezt muß er aber gehen! Sentimental darf er nicht sein.

Bald ist er in der Zeitungsfiliale angelangt. Nun geht es treppauf, treppab. Wie lange noch? Ja, wie lange noch? Aber auch er liegt bald auf der Straße. Der Weg von der Arbeits- bis zur gemiffen Stempelstelle ist ja nur ein Schritt, Aber er will diesen Schritt nicht gehen. Nur das nicht. Bei diesem Gedanken könnte er wahnsinnig werden. Ist denn Arbeitslossein eine Schande? Feiern" nicht Millionen Menschen? Daran mill er nicht denken! Seine Frau, feine Kinder. Sieben Pleine Kinder und eine kranke Frau warten auf das Wunder.

Durch die Kunst der Aerzte wird die Frau wieder gesund. Die Kinder haben ihre Mutter. Und der Vater? Er macht jede Arbeit. Ihm wurde ja eine höhere" Schulbildung zuteil. Wenn er an sein ,, Einjähriges" denkt, muß er laut auflachen. Was hat er nun davon? Rasier­flingen, Zigarren, Zigaretten, Zahnpaste, Seife verkauft er.

Das geht nun schon jahrelang. Die Hoffnung und der Glaube an eine bessere Zukunft sind seine einzigen Freude. Armer kleiner Mann! Wie viele Jahre sollst du noch warten, noch hungern?

Hokuspokus politikus

Die Versuche der nationalen Konzentration" eranschaulichen deutlich die 3entrifugale.

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Regierungsrat" Hitler   soll sich um den, Harzer Bergbau" verdient gemacht haben; o ja, er hat Sarzburg unterminiert.

Wir haben keine Schlüsselpartei, jon­dern nur eine Dietrich Partei, die Staats­partei.