Einzelbild herunterladen
 
  

Abend- Ausgabe Nr. 8 B4 50. Jahrg.

Rebattten und Berlag, Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DONNERSTAG

5. Januar 1933

In Groß Berlin   10 Pf. Auswärts 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise

fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands

Straßer bei Schleicher

und Papen   bei Hitler  

Die Nationalsozialisten, die in der Deffent­lichkeit laut Kampf, Kampf dem Kabinett Schleicher! schreien, wollten einem wirklichen Kampf mit Konsequenzen im Plenum des Reichstags ausweichen. Ihr Osaf Hitler  bevorzugt statt des Kampfes die Schiebung hinter den Kulissen.

Schleicher versucht Hitler   und die NSDAP  . an sich heranzuziehen. Er geht dabei den Weg über Gregor Straßer  . Am Dienstagabend hat nach einer mit ab­soluter Bestimmtheit gegebenen Meldung der ,, Frankfurter Zeitung  " eine Unterredung zwischen Schleicher und Gregor Straßer   stattgefunden. Das amtliche Dementi von gestern steht dem nicht entgegen; denn das sprach vom Mittwoch... Nach diesen Mitteilungen sei Schleichers Ziel zunächst nicht, zu sprengen, sondern Gregor Straßer   zu gewinnen und für Gregor Straßer   die Tolerierung Hitlers  .

Auf der anderen Seite sucht Hitler  hinter den Kulissen Bundesgenossen. gegen Schleicher und er hat einen Bundesgenossen gefunden in Herrn Herrn von Papen! Die ,, Tägliche Rundschau" meldet heute:

,, Wie wir erfahren, fand am Mittwochmittag in Köln   in der Wohnung des Barons Schroeder eine geheime Unterredung zwischen Adolf Hitler   und dem früheren Reichstan3­ler von Papen statt. Adolf Hitler   war in Begleitung seines neuen Generalsekretärs Rudolf Heß   und des obersten SS.  - Führers Himmler   und feines Wirtschaftsberaters Keppler erschienen. Die Unterredung dauerte etwa Stunden. Gegen drei Uhr verließen beide in ihren Autos Köln  .

Bei der Unterredung sind die Möglichkeiten er­mogen worden, noch einmal den Bersuch einer Kanzlerschaft Hitlers   zu unternehmen. Angesichts der guten persönlichen Beziehun­gen des Herrn von Papen zum Reichs­ präsidenten   hoffen die Beteiligten anscheinend, daß Herr von Papen den Reichspräsidenten   dazu umfflmmen fann, seine bisherigen Bedenken gegen eine Kanzlerschaft Hitlers   fallen zu laffen."

Als die Gerüchte über eine Unterredung Hitlers   mit Papen zuerst auftauchten, haben wir sie für unwahrscheinlich gehalten. Daß Hitler   ein Komplott schmieden sollte mit dem Mann, den er monatelang in der blutigsten Form als den Herrenreiter, den Chef der feinen Leute aus dem Herrenklub hat höhnen laffen, das erschien als haarsträubende Un­wahrscheinlichkeit. Aber an der absolut be= stimmten Mitteilung der Täglichen Rund­schau" ist kaum ein Zweifel möglich.

Hitler   hat übrigens im Sommer vorigen Jahres einen Feldzug mit ein st weiligen Verfügungen unternommen gegen alle Behauptungen, daß er Papen toleriere und demnach mitverantwortlich sei für die Hungernotverordnung Papens  . Eine solche Verfügung hatte er gegen die Schwä bische Tagwa ch t" in Stuttgart   erreicht. In der Klage zur Hauptsache wurde er jedoch in erster Instanz abgewiesen. Er legte Be­rufung ein. Nunmehr hat er trotz der außer ordentlich hohen Gerichtskosten, die er zu tragen hat, die Klage zurückgenom­men! Wenn er mit Papen an einem Tische sigt und Komplotte schmiedet, kann er nicht gut beschwören, daß er mit Papen   nichts zu tun habe!

Die Verlogenheit der nationalsozialistischen Agitation, insbesondere des Geschreis gegen die feinen Leute, wird durch die neue Inti­mität Hitlers   mit Papen ins rechte Licht ge­rückt. Wenn Hitler und Papen jetzt gemein­fam in der Wohnung eines Barons an einem Tische sizen und darüber beraten, wie eine Kanzlerschaft gegen Schleicher zu erschleichen fei, so sind sie beide- feine Leute!

Erfolg gegen die Sozialreaktion

Das Ziel des sozialdemokratischen Volksbegehrens erreicht

Dem Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands   ist das folgende Schreiben des Reichsministers des Innern

zugegangen:

Im Reichsgejetblatt Teil I Nr. 80 vom 20. Dezember 1932 ist das Gesetz vom 17. Dezember 1932 verkündet, wp­nach der zweite Teil sozialpoli. tische Maßnahmen" der Verordnung des Reichspräsidenten   vom 4. September 1932 aufgehoben wird. Ich nehme an, daß damit eine Weiterverfolgung Ihres Antrags vom 12. September 1932 wegen Zulassung eines Volks. begehrens über den Entwurf eines Gesetzes über Aufhebung einer Verord nung des Reichspräsidenten  , betreffend sozialpolitische Maßnahmen sich er. übrigt. Ich bitte um Rücäußerung."

Damit ist der ist der sozialdemokratische Kampf gegen die ungeheuerlichen Pläne, die seinerzeit die Regierung Bapen gegen die gesamte Sozialpolitik und besonders gegen das Tarifrecht verfolgte, zu einem erfolgreichen Ab­fchluß gefommen!

Am 4. September 1932 murde die Notverord­mung verkündet, die angeblich der Belebung der

Wirtschaft dienen sollte. Sie enthielt Milliarden­geschenke für die Unternehmer, gleichzeitig auch die Ermächtigung für die Reichsregierung, schmer­miegendste Eingriffe auf dem Gebiet der gesamten Sozialpolitik vorzunehmen. Auf Grund dieser Ermächtigung erfolgte die Papen   Lohn­fürzung und der Einbruch in in das Tarifrecht.

Die Arbeiterschaft hat sich gegen diese Lohn­fürzungen zur Wehr gesezt, in vielen Fällen mit Erfolg.

Die Sozialdemokratische Partei   hat den heftigsten Kampf gegen diese reaktionäre Ber­ordnung aufgenommen. Als Papen durch die Reichstagsauflösung einem Aufhebungsbeschluß des Reichstags zuvorkam, leitete die sozialdemo­frafische Reichstagsfraktion noch am selben Tage den Volksentscheid ein.

Sie beantragte, dem Bolle zur Entscheidung ein Gesetz zu unterbreiten, wonach der zweite Teil der Verordnung, sozialpolitische Maßnahmen be treffend, aufzuheben fei.

Die Bürokratie des Kabinetts Papen   hat zu nächst den Versuch unternommen, das Bolks­begehren zu fabotieren. Erst am Tage vor dem Rücktritt Papens   wurde dem sozialdemokra­

Der Brand der ,, Atlantique"

Niemand mehr an Bord des brennenden Schiffes

Paris  , 5. Januar.

Nach den in den ersten Morgenstunden einge­troffenen, vom Minifterium für die Handels­marine bestätigten Listen der Südatlantischen Schiffahrtsgesellschaft, der der in Brand geratene Dampfer Atlantique" gehört, befanden sich ins­gefamt 229 Mann( Offiziere und Mannschaften) an Bord, als der Dampfer den Hafen Pauillac  verließ. Insgesamt sind in Cherbourg   bis gegen Mitternacht 211 Mann der Befahung von verschiedenen ausländischen Dampfern an Cand gesetzt worden, so daß als vermißt 18 Mann gelten. Man nimmt an, daß fie erstickt oder ertrunken sind. Von den Geretteten befinden sich 27 Verletzte im Hospital von Cherbourg  . Die meisten Verletzungen find leichter Natur, nur zwei geben zu einiger Besorgnis Anlaß. Unter den Schwerverletzten befinden fich der Bordarzt und ein Schiffsingenieur.

tönne sich nicht erklären, wie der Brand so schnell um sich greifen konnte.

Das Schiffsunglück wird auch ein Nachspiel im Parlament haben, da bereits ein Abge­ordneter der Fraktion Marin, Henriot, den Minister für die Handelsmarine in Kenntnis gesetzt hat, daß er sofort bei Wiederzusammentritt des Parlaments über die Ursachen des Schiffs= verlustes interpellieren wolle.

Ein in Begleitung des Handelsmarineministers befindlicher Marinefachverständiger be tonte in den späten Abendstunden, daß vorläufig noch keinerlei Beweise vorlägen, daß die ,, Atlantique" einem verbrecherischen Anschlag zum Opfer gefallen sei. Der Ingenieur, der mit der leberwachung der Sicherheitseinrichtungen an Bord des Schiffes beauftragt war, bezeichnet es jedoch als merkwürdig, daß gerade die neuesten und modernsten Schiffe der französischen   Handels­marine in den lezten Monaten ein Raub der Flammen geworden seien.

Die französische   Presse widmet der Bericht­erstattung über das Unglück, das nicht nur die französische   Handelsflotte, sondern ganz Frank­ reich   in Trauer und Erregung versezt hat, Spalten um Spalten.

tischen Parteivorstand mitgeteilt, daß die Zulaffung des Volksbegehrens erfolgt sei!

Im neuen Reichstag, der nach der Wahl vom 6. November zufammentrat, fezte die sozialdemo fratische Reichstagsfraktion ihre Vorstöße gegen die sozialreaktionäre Verordnung fort. Ihrer Politik ist es zu verdanken, daß der Reichstag ein Gesetz beschloß, wonach die sozialpolitischen Maß­nahmen in der Verordnung vom 4. September aufgehoben werden müssen An dieses Gesetz war die Nachfolgerin der Regierung Papen  , die Re­gierung Schleicher, gebunden.

Sie mußte den Einbruch in das Tarifrecht, den die Regierung Papen   vorgenommen hatte, rüdgängig machen. Damit wurden auch die auf Grund dieses Einbruchs erfolgten Cohnkürzungen rechtsungültig.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ist das Ziel, das sich die sozialdemokratische Reichstags­fraktion mit der Einleitung des Volksbegehrens gestedt hatte, erreicht.

Die sozialdemokratische Politik der Verteidigung der Arbeiterinteressen gegen die Sozialreaktion hat in diesem Punkte zu einem bemerkenswerten Erfolg geführt!

Berliner   Anleihen

Austausch der Schatzanweisungen

Am 1. April d. J. werden 25 millionen Mark Berliner Schahzanweisungen, rüdzahlbar zu 110 Proz. fällig. Auf Borschlag des Stadtkäm­merers hat sich die Finanz- und Steuer­deputation in ihrer heutigen Sitzung ein­mütig damit einverstanden erklärt, daß den Gläubigern ein Umtausch angebot für die Obligationen unterbreitet wird. Nach diesem Angebot sollen am 1. April 1933 die 10 Proz. Aufgeld in bar zurückgezahlt und neue fünf jährige, mit 6 Proz. verzinsliche Schahzanweisun­gen angeboten werden. Diese Schahzanweisungen werden jährlich mit 10 Pro3. getilgt und mit 108 Proz. zur Rückzahlung gebracht.

Der Grüßner- Skandal

Auf Grund der im Vorwärts" mehrfach be= handelten Borgänge hat die sozialdemokratische Landtagsfraktion folgenden Urantrag einge­bracht:

Der nationalsozialistische Senatspräsident am Oberverwaltungsgericht, Grüner, hat gegen den im öffentlichen Leben sonst unbekannten Kammergerichtsrat Dr. Fränkel eine Strafanzeige wegen wissentlicher, vollendeter Rechtsbeugung er­

Aufmarsch zu Bernsteins Gedächtnis!

Am 6. Januar 1933, nachmittags 4 Uhr, findet die Beisetzung der Asche des ver­storbenen Genossen Eduard Bernstein   auf dem städtischen Friedhof, Maxstraße in Schöneberg  , statt.

Alle Genossinnen und Genossen, Reichsbannerkameraden, Arbeiterjugendgenossen und alle Arbeitersportler beteiligen sich.

Der Minister für die Handelsmarine, Meyer, ist gestern abend in Cherbourg   eingetroffen, um den Arbeiten der Untersuchungskommission, die heute ihre Tätigkeit aufnimmt, persönlich beizu wohnen. Nach seinen Besprechungen mit den zuständigen Persönlichkeiten erklärte er, daß das Schiff verloren gegeben werde, man aber doch beschlossen habe, zu versuchen, den Schiffsrumpf möglichst bis nach Cherbourg   zu schleppen. Ueber die Ursache des Brandes und darüber, wie er so überraschend schnell um sich greifen konnte, sei bisher nichts Näheres zu er fahren und vielleicht werde es unmöglich sein, jemals darüber genauen Aufschluß zu erhalten. Der Minister unterhielt sich lange mit den geretteten Mitgliedern der Besatzung und zollte den heroischen Bemühungen der deutschen  . holländischen und englischen Seeleute, die am Rettungswerk teilnahmen, dankbare Anerkennung. Der zweite Bordkommandant, Kapitän Gaston, erklärte, daß vom Sicherheitsstand­punft aus das Schiff untadelig ausge= rüstet gewesen sei. 3weimal täglich habe die Mannschaft Feueralarmübungen vorgenommen. Der Dampfer sei auch mit den modernsten Feuer Paul Löbe   wird an Stelle des leider erkrankten Parteivorsitzenden   Otto Wels   die bekämpfungsapparaten ausgerüstet gewesen. Er

Antreien 34 Uhr auf der Mittelpromenade der Innsbrucker Straße, Spitze Wart­burgstraße, und Nebenstraßen. Spitze 11. Kreis, dann folgen die Kreise 7, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16 aus dem früheren Wahlkreis des Genossen Bernstein  . Anschließend die Kreise 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 17, 18, 19, 20. Abmarsch pünktlich 32 Uhr. Marsch durch Wartburg  -, Martin- Luther  -, Grunewaldstraße, Akazienstraße, Hauptstraße, Tempel­hofer Straße, Ehers-, Maxstraße, Friedhof.

Fahnen und Banner sind mitzubringen. Fahrgelegenheit U- Bahnhof Bayerischer Platz. Straßenbahn 3, 5, 6, 19, 60, 119. Omnibus 8 und 19.

-

Gedächtnisrede halten.