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BEILAGE

Vorwärts

Vom Bürgertum zum Proletariat

Erinnerungen eines alten Parteigenossen

An unserem Gymnasium war Direktor Her mann Schiller  , damals in den achtziger Jahren führender Schulreformer und bedeutender Geschichtsschreiber, ein Mann von unerhörter Ar­beitsleistung und in vielen Dingen freidenkend, ohne politisch links zu stehen. Damals fiel die Schlußfeier und Abiturientenentlassung immer mit der Geburtstagsfeier des alten Kaiser Wilhelms I.( 22. März) zusammen. Kurz vor meiner Versegung nach Oberprima benannte Schiller eine Anzahl Schüler, die auf sein Ar­beitszimmer kommen sollten, um ein Gedicht zum Aussagen bei der Feier zu erhalten. Besonders beliebt waren damals Gedichte von Geitel, Gerod, auch vom alten, patriotisch gewordenen Frel­ligrath. Gesungen wurde Felig Dahns machtpoll flingendes Macte Senex!"( heil dir, greifer Imperator!"). Ich erklärte: Ich kann nicht vor­tragen", was er aber nicht gelten ließ. Nach mittags, auf seinem Zimmer und in Gegenwart der Mitschüler, die mitberufen waren, bat ich ihn, auf meine Mitwirkung zu verzichten. Warum?"

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Weil es gegen meine Ueberzeugung ist. Ler­nen Sie erst etwas, ehe Sie eine solche Ueber­zeugung haben!" erwiderte er, ließ mich aber gehen. Er hat es mir nie nachgetragen, nur ge­legentlich, als er in Oberprima mein Klassenlehrer war, mit Belehrung oder harmlojem Spott auf mich einzuwirken versucht. Sonst war ich, ebenso wie zu anderen Zeiten Edgar Steiger  ( in Konstanz  ) und Eduard David  , einer seiner Lieblingsschüler.

Gelegentlich kam es im Anschluß an Aufsäze zu einigen mehr oder minder freundlichen Er­örterungen. Im ganzen gehört dieses Jahr in Oberprima zu meinen freundlichsten und frucht­barsten Erinnerungen. Man lernte, soweit man auch in mancher Hinsicht heute von der damaligen Methode abweichen mag, arbeiten, dazu geschicht­lich denken und darstellen. Ein neuer Zusammen­stoß fam im Spätjahr, als ich in der Gesang stunde das heil dir im Siegerfranz!" nicht mitsang und von dem treudeutschen Musikdirektor bei dem Direktor denunziert wurde. Er konnte nicht umhin, mir eine Strafe zu er= teilen, die auch mein sonst schönes Abgangs­zeugnis etwas verunzierte. Doch geschah nichts weiter. Wir lebten doch in Hessen  , das nicht völlig verpreußt war. Bon jedem preußischen Gymnasium wäre ich, mie Schiller fagte, aus gewiesen worden. Meiner Stellung zu den Mit­schülern, die fast alle im überlieferten unpoli­tisch- patriotischen", d. h. monarchisch- nationalisti­schen Fahrwasser segelten, tat das, soweit ich nicht schon als Jude, der auch sonst ihrer Schulmoral ablehnend gegenüberstand, schwarz angestrichen mar, feinen Eintrag.

Das alles war noch lediglich formalpolitisch.

Sazial stand ich auf dem Boden Leopold Sonnemanns: die Stillstands­

faßten mich nachher zum Austritt. Ich habe später noch einmal ein Semester dem Akademisch­Philosophischen Verein in Leipzig   angehört. Hier, im Winter 1887/88, fand ich endlich den entscheidenden Anstoß. Schon früher hatte ich affalles Schrift über Fichte ais Pilofophen gelesen. Alles Politische und Wirtschaftliche mar verboten. In Leipzig   kam ich zuerst in Ar­beiterversammlungen, die damals, unter dem fleinen Belagerungszustand, nur als öffentliche Sigungen von Lohnkomitees möglich waren. Was ich da in vorsichtigster Form hörte, noch mehr aber der ganze Zuschnitt und die Art der Leute zogen mich an. Durch Morig Wirth, einen älteren

Schriftsteller im Akademisch- Philosophischen Verein, habe ich Rodbertus   und, was mir wichtiger war, Mar Schippels Schrift: Das moderne Elend und die moderne Uebervölkerung", in der er seinen Uebertritt von Rodbertus  ' Staatssozialismus  zu Marg vollzog, tennengelernt und dadurch den entscheidenden Anstoß erhalten. Nun galt auch für mich Grillparzers Wort, das Schippel als Wahlspruch seines Buches mählte:

,, Bon zweien Welten eine mußt du wählen. Hast du gewählt, so ist kein Rücktritt mehr!" Auch ich hatte gewählt.

Simon Katzenstein  .

Ein Mann wird vermittelt

Von Erich Spiegel- Allona

Zwei lange Jahre hat der Mann gestempelt. Da übergibt ein Kollege ihm den Brief seines Nachweisleiters mit der Vermittlungskarte. Nun steht er mit der Karte in der Hand an den Tür­pfosten gelehnt. Er kann nicht lesen, auch später nicht, als er den Tert in den schwachen Lichtschein des Treppenhauses hält. Er sieht nur Buchstaben und Linien, aber er weiß: ,, Vermittelt!"

Er packt den Ueberbringer bei den Schultern und lacht, schlägt sich plöglich mit beiden Händen auf die Schentel, fpringt auf dem Treppenabjay herum und hält erst inne, als er fast über die Fußmatte stolpert. Mensch!" sagt er Und dann: ,, Arbeit...!" Und das klingt wie ein ver­wundertes Flüstern.

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Der Mann bin ich. Aber es fann auch jemand anders sein von all denen, die auf Arbeit warten, tagaus, tagein. Irgendeiner von den fünf Mil­lionen, die wahrscheinlich sieben Millionen sind. Ich stelle mich mit meinen Arbeitspapieren im Betriebe vor und werde angenommen.

Am anderen Morgen bin ich auf dem Wege an die Arbeitsstelle. Ein Hafenarbeiter begegnet mir mit geschultertem 3ampelbeutel. Dann überholt mich ein radfahrender Zeitmgsjunge. An der Ede warten zwei Arbeiterinnen auf ihre Bahn. Vor einem Milchgeschäft hantiert ein junger Bursche mit schweren Kannen. Um ein Waren­haus macht ein Nachtmächter seine letzte Runde. Das sind die Leute, die ich nun jeden Tag treffen

werde. Morgen oder Uebermorgen werden mir anfangen, einander zu grüßen. Jeden Tag! Immer an derselben Stelle, immer mit den gleichen Worten. Solange, bis sie arbeitslos werden, bis ich wieder auf die Straße fliege.

Es ist ein graphischer Großbetrieb, der mich eingestellt hat. Eine Massenauflage dicker Kataloge ist hereingekommen. Der Abteilungsleiter gibt mir Anweisungen. Beim Beschneiden der schweren Bände muß ich einen Reklamestempel auf die Schnittfläche pressen. Ich grinse: Also wieder stempeln!" Nachdem der Meister mir meine Arbeit gezeigt hat, läßt er mich allein weiter­machen. Er sieht mir nicht auf die Finger, bis die Arbeit von der Hand geht. Das freut mich.

Neben mir rumort ein Fließband. Zum ersten­mal stehe ich an so einem Ding. Es ist endlos. Unten nimmt es fertig beschnittene und gestempelte Bücher auf; oben, zurückkehrend, trägt es den Späneabfall in eine große Transportfarre.

Laufendes Band! Ich sehe es nicht sehr freund­lich an, und ich merke bald, daß die Bewegungen gemaltig anstrengen, zu denen das Band mich zwingt mir scheint, die Arbeit müsse leichter sein, wenn die Späne einfach beiseite gestreift und die Fertigstücke an der Seite aufgeschichtet werden. Freilich, man spart den Mann, der die Bücher­stapel einsammelt, der die sonst üblichen Späne­förbe entleert. Man erspart ihn auf unsere Kosten! Dennoch scheint dies Band harmlos, meil

palit ben bürgerligen grefinne, aber nicht abƐin denkwürdiger Hexenprozeß

des aus­

gesprochen sozialistisch. Nur eine fleine Arbeit über Geld, die ich in Unterprima verfaßte, murde von dem Lehrer mit mehr oder minderem Recht als sozialistisch bezeichnet. Sozial angeregt und erregt war ich seit 1880, als der eisige und lange Winter die durch die schwere Wirtschaftskrise her­beigeführte Not aufs äußerste gesteigert hatte. Es setzte eine evangelische Hilfsbewegung ein, die von meinem Vater sehr kritisch betrachtet wurde, damals aber noch meine Sympathie fand. Auch das Wuchergesetz von 1880, das ich begeistert be­grüßte, brachte mancherlei Betrachtungen sozialer Art.

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Die Universitätszeit, zuerst drei Se­mester als Student der Geschichte und Philosophie, dann sieben als Jurist und Volkswirtschaftler, fiel noch unter das Sozialistengefeß. Es gab damals noch allerhand echte und gefünftelte Romantif alten Schlages mit schönen Liedern, vielem Saufen und starkem Patriotismus. Ich gehörte zuerst einem akademisch- literarischen Verein an, der ent­standen war aus dem Bund der Wikinger  ", einem urgermanisch getünchten, übrigens nicht antisemitischen Verein höherer Schüler, der Tüch tiges in Literatur leistete und eine gute Bücherei ansammelte. In meinem zweiten Semester wan­delten wir ihn auf Antrieb von Jena   und Berlin  fommender Kommilitonen in eine Reformburichen­schaft: Arminia  " im Allgemeinen Deutschen  Burschenbund, um. Dort wurde allerhand erfolg­lose studentische Reformarbeit getan, viel politisiert, sonst gelebt, wie es in einer Verbindung klein­bürgerlichen Charakters mit vielen unbemittelten Mitgliedern, unter denen eine Reihe guter Köpfe und braver Kerle, üblich war. Im ganzen galter wir für liberal. Dem Bunde gehörten u. a. der spätere freisinnige Führer Fischbeck und der Maler Binde mald, später antisemitischer Ab­geordneter, an. Inzwischen ist auch dieser Bund in dem großen Sumpf des Nationalismus ge­landet. 1886 trat Eduard David   bei, der feine Schulzeit unterbrochen und vier Jahre als Kaufmann gearbeitet, dann seine Schule in Gießen  beendet hatte. Er mar, wenn auch erstes Se­mester, an Jahren der Aeltefte und Gereifteste und übernahm, nachdem er als Turnwart be gonnen hatte, bald die Führung./ Antisemitische Treibereien und andere Unstimmigkeiten veran­

Die Muller des Astronomen Kepler   als Hexe

Im Jahre 1611 war Linz   die neue Heimat des bahnbrechenden Mathematikers und Astronomen Kepler   geworden, der vorher in Prag   eine Reihe von höchst unglücklichen Jahren verlebte. Er hatte dort seine Frau und drei Kinder verloren, Kaiser Matthias war ihm jahrelang die Besoldung als faiserlicher Astronom schuldig gel lieben, er mußte. um nicht zu verhungern, astrologische Kalender mit unsinnigen Prophezeiungen versehen und bezeich= nete diese Tätigkeit als eine bessere Art von Betteln, die ihm überdies seine wissenschaftliche Arbeit beinahe unmöglich machte.

Auf seine dringende Bitten erhielt er dann die Professur der Mathematik an der Linzer Land­schaftsschule, bezog dafür ein Jahresgehalt von 400 Gulden und hatte neben seiner Lehrtätigkeit noch die bereits in Arbeit befindlichen Rudolfi­nischen Tafeln" fertigzustellen. Der Unstern, der den genialen Mann zeitlebens verfolgte, ließ ihn aber auch hier nicht zur Ruhe kommen, denn in: Jahre 1620 traf ihn ein neuer Schicksalsschlag: Gegen seine im württembergischen Dorf Magstatt lebende Mutter war ein Herenprozeß eingeleitet worden und die alte Frau stand in Gefahr, am Scheiterhaufen zu sterben.

Die etwas sonderliche Mutter Kepler   befaßte fich nämlich mit der Heilung von Krankheiten durch Kräuterturen und Salten, las viel in Büchern und war schon aus diesem Grunde in ihrer Ge­meinde unbeliebt und geheimer Künste verdächtig. Als nun der Fuß einer Glasersfrau durch die Behandlung der alten Kepler steif blieb, nahm die Glajerin vor dem Dorfpfarrer das Sakrament darauf, daß die Kepler eine Here sei, und es fanden sich dann noch einige ihrer Patienten, die sie eben­falls als Zauberin und Here verleumdeten.

Repler richtete sofort ein dringendes Bittgesuch an den württembergischen Kanzler Faber, in dem er die wahnwizzige Anflage gegen seine vierund­siebzigjährige Mutter zu entkräften suchte; die Greisin hatte sich aber inzwischen durch eine aben­teuerliche Flucht dem Herentribunal entzogen und traf nach einer wohenlangen Reife in Begleitung ihres jüngeren Sohnes vollkommen erschöpft und

frank in Linz   ein. Kepler   mar durch dieses traurige Wiedersehen tief erschüttert und sandte so­fort ein zweites Gesuch an den Oberrat in Würt temberg; trotz seiner inständigen Bitten wartete aber seine Mutter nicht die Antwort ab, sondern reiste nach einigen Wochen wieder nach Württem­ berg   zurüd, um ihre Sache persönlich zu vertreten, wurde nach ihrer Rückkehr sogleich in eine naise. finstere Kerkerzelle geworfen, mit schweren Ketten an Händen und Füßen gefesselt und an die Mauer geschmiedet.

Die Nachricht von dieser unmenschlichen Behand. lung der alten Frau brachte Kepler   fast zur Ber­zweiflung, doch alle Bittgesuche blieben erfolglos und die Akten dieses Prozesses gingen schließlich an die Juristenfakultät in Tübingen  , welche anord­nete, daß die Witme Kepler zur Erlernung gründ licher Wahrheit peinlich bestraft werden solle. Als nun am 28. September 1621 die Folter= Pnechte ihre Marterwerkzeuge in die Zelle schlepp. ten und der vierundsiebzigjährigen Frau die Daumschrauben ansetzten, blieb sie trotz aller Qualen standhaft und sprach folgende tapfere Worte: Man mache mit mir, was man will, ich weiß doch nichts zu bekennen. Lieber will ich: sterben, als lügen."

Dieser Todesmut der weißhaarigen Greifin machte großen Eindruck auf die Tübinger   Juristen, die dann folgendes Urteil fällten: Nachdem Hein­rich Keplers Witwe durch ausgestandene Territion die Indizien purgieret hat, ist diefelbe von ange­stellter Klage zu absolvieren.

Der Herenprozeß war nun wohl beendet, die alte Frau starb aber bald darauf an den Folgen der Kerkerhaft. Johannes Kepler   war schon vor dem Beginn des Prozesses nach Tübingen   gereist, um seiner Mutter beizustehen. Die Urkunde über diese Reise befindet sich noch im Linzer Beschaid­Protokoll ad 1620, Fol. 108. Es heißt dort: Johannis Kepleri Mathematici Prof. Erlaubnis zu einer Reise ins Reich.

Doch soll sich der Supplikant so ehest es fein tann, längstens auf fünftige Ostern, wiederumb in Linz   einstellen. Dr. Volkmar Iro.

DONNERSTAG, 5. JAN. 1933

es feine Werkstüde heranträgt, meil er nur fertige Buchblocks weiter befördert. Fortschaffen fann es schließlich nur, mas eben fertig ist. Dann muß ich an die denken, die drüben die beschnittenen Bücher vom Band nehmen, auseinanderschneiden und mit Rücken beziehen sollen.

Der Gehilfe an der Schneidemaschine fragt, wie es auf dem Nachweis aussieht. Dunime Frage, schlecht natürlich. Dann will ich missen, mas für Lohn gezahlt wird.., Lohn? Wir müssen noch zehn Mark mitbringen, damit wir überhaupt arbeiten dürfen!"

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,, Wie lange wird die Arbeit dauern?" ,, Drei, vielleicht vier Wochen!"

Ich bin enttäuscht. Ich weiß, nach diesen drei Wochen folgt eine neue Wartezeit von drei Wochen Ich weiß, sie werden mir Bürgersteuer abziehen. Ich weiß, ich fann mir nicht einmal Brotbelag erlauben, wenn ich von meinen Schulden herunter mill. Nur eins meiß ich nicht, warum ich den Krempel nicht einfach hinschmeiße...

Der Abdruck auf der glatten Schnittfläche wird sauberer und ansehnlicher. Meine Griffe find fester und sicherer geworden. Nur die unsinnige Fließbandanlage ärgert mich. Sie erleichtert die Arbeit nicht, fie schafft feinen Tempogeminn, fie geht mir auf die Knochen, weiter nichts. Ich spreche mit dem Gehilfen darüber. Quatsch!" jagt der mit einem schiefen Seitenblid. Dann erzählt er mir, daß weiter hinten im Betrieb jetzt eine Maschine läuft, die mit zwei Mädeln Be­dienung die Tagesarbeit von 25 Mädeln und zehn Gehilsen macht. Das klingt nach erbittertem Haß, aber dann streichen seine Hände beinahe zärtlich über die eigene Maschine.

Es wird Zeit zum Smoketime. Ich gehe lang= sam durch die ganze Abteilung hindurch, an Maschinen, an Arbeitstischen, an Druckbogen und Büchern vorbei. Zwei Jahre lang habe ich das nicht gekonnt. Ich bin wieder zu Hause. Ich habe Heimweh gehabt nach dieser Luft, nach diesem Lärm, nach dieser Arbeit! Jetzt bin ich wieder im Betrieb! Erwerbsloser auf Urlaub!

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Die wenigen Züge aus der Kippe von heute morgen erfrischen mich. Als ich den Abort betrat, wurde ich angemedert. Immer dieselben!" Aber es ist doch anders geworden. Man spricht mit­einander, wie auch sonst, aber schon nach dem dritten Wort: Politik, Rationalisierung, Lohn­abbau, Gewerkschaft! Aus Zoten und Witzen und gutmütigen Pflaumereien sind heiße hißige Debatten geworden. Man kann nicht wieder auf­hören damit...

Weiter, weiter! Späne fassen, stempeln, Späne faffen, stempeln, Späne aufs Laufband, Buchblock aufs Laufband. Die Hände machen das allein, sie vergreifen sich nicht mehr. Sie sind so zuverlässig wie eine Maschine. Die Arbeit geht rajdh von der Hand. Tempo, Tempo! Denn nur das Tempo macht das Einerlei erträglia), und nur der gleiche Rhythmus macht das Tempo möglich.

In der Nase spüre ich den Geruch trockenen Papierstaubs, den Duft von Leim und feuchter Druckerschwärze. Ich höre das Surren und Knattern der Riemen auf den Rädern, höre das Stoßen der Messer beim Schnitt. In den Zehen fühle ich ein leises Zittern, das unermüdlich durch den ganzen Bau schwingt, das polternde Dröhnen der Rotationsmaschinen im Erdgeschoß. Draußen blinkt die Sonne auf feuchte Dachziegeln.

Freude an der Arbeit packt mich. Wieder im Betrieb sein, wieder an der Maschine stehen, mieder zugreifen, Geld verdienen...

Endlich Frühstückspause! Ich habe darauf .gemartet, und ich bin lange nicht mehr so hungrig gewesen. Hungriger als jemals vorm Zahltag, wo oft ein Teller Bratkartoffeln ein Mittagessen war und das Abendbrot eine Erinnerung an vorgestern.

Auf dem Balkon folgt der allgemeine Smok time. Im Dachgeschoß laufen die Winden, unten im Hofe schreien die Kutscher thr ,, Hiev" und ,, ha". Und wieder Diskussion:..Parlamen tarisch!". Außerparlamentarisch!", Republif!", ,, Diftatur!", Stimmzettel!", Attion!", Durch halten!", Rämpfen!". Aber vorläufig bleibt es bei der Diskussion Borläufig! Und wenn die heißen Köpfe, die erbitterten Rivalen einma! einig sind?

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Es flingelt. Wieder laufen die Maschinen. Knattern, Stoßen, Knirschen, Brasseln, Poltern füllt die Luft. Als ich den Stempel pace und zum ersten Arbeitsgang ansetze, da schmerzen Rücken und Hände. Ich kann nichts mehr ab. Ich muß mich zusammenreißen. Meine Hände sind meich und weiß geworden. Morgen werden sie voller Blasen sein. Drei Wochen wird es dauern, bis das Kreuz wieder elastisch ist, bis ich der Arbeit wieder gewachsen bin. Drei Wochen wird es dauern dann werde ich die Papiere kriegen.

Hokuspokus politikus

Wieviel Geschosse hat eigentlich der Reichstag? Drei? Alles, was nicht niet- und nagelfest ist!

Die SA.- Büchsensammler bekommen reichlich- ihre Tätigkeit satt.

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Und die Nazis haben doch noch Aussicht auf das Reichskanzleramt

Boßstraße 11.

Dom Dach ihres Hauses