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Morgen- Ausgabe

Nr. 9 A 5

A 5 50. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Sernsprecher A7 Amr Dönhoff 292 bis 297

Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

FREITAG

6. Januar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Nazis

ftimmen für Bolschewiften

Mit Hitlers Hilfe wird ein kommunistisches Präsidium gewählt

Eigener Bericht des ,, Vorwärts "

Chemnih, 5. Januar. Das im November vorigen Jahres neu gewählte Chemnizer Stadtverordnetenfol= legium trat heute abend zu seiner tonstituieren­den Sigung zusammen. Diese erste Sigung be= wies wieder einmal auf das deutlichste, daß das tommunistische Gerede von Einheits­front nichts weiter als Lüge bedeutet. Sie bewies ferner, daß die Kommunisten sich nicht scheuen, in entscheidendsten Augenblicken

gemeinsam mit den Nationalsozialisten gegen die Sozialdemokratie

zu gehen. Im alten Kollegium hatten die Bür= gerlichen mit einer Stimme die Mehrheit über die beiden Linksparteien. Bei der Neuwahl war es gelungen, dieses eine Mandat zu erobern, so daß das neu gewählte Kollegium eine Links­mehrheit von 31 gegen 30 Stimmen besitzt. Obwohl im alten Kollegium die Sozial­demokratie die stärkste Fraktion hatte, hatten da­mals die vereinigten Bürgerlichen und die Na­tionalsozialistische Partei es abgelehnt, der stärk­sten Fraktion den Vorsteherposten zuzubilligen. In der heutigen Sigung nun lehnte es darum die Sozialdemokratie ab, der jetzigen stärksten Fraf­tion, den Nationalsozialisten, den Vorsteherposten

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zuzubilligen und schlug darum einen eigenen Kan­didaten vor. Im ersten Wahlgang hatte der Ver­treter der Sozialdemokratie 10 Stimmen, die Stimmen der SPD - Fraktion. Der kommu nistische Vorschlag aber erhielt zur größten Ueberraschung nicht nur die 14 Stimmen der tom­munistischen Fraktion, sondern darüber hinaus auch noch

fünf Stimmen, die von der nationalsozia­liftischen Fraktion abfommandiert worden waren. Die Nazis hatten dieses Manöver unternommen, um zu erreichen, daß in dem Hauptwahlgang der sozialdemokratische Kandidat ausgeschaltet werde. In der nun folgenden Stich­wahl zwischen dem nationalsozialistischen und dem kommunistischen Kandidaten stimmte die So­zialdemokratie für den Kommunisten, um zu verhindern, daß ein Nationalsozialist in Chemnitz Stadtverordnetenvorsteher wurde. Gewählt wurde also der Kommunist Wesche mit 31 Stimmen gegen 29 Stimmen, die der national­sozialistische Kandidat erhielt. Ein bürgerlicher Stadtverordneter hatte im Hauptwahlkampf feinen Stimmzettel abgegeben. Bei der Wahl des ersten Bizevorstehers wiederholte sich dasselbe Spiel. Im ersten Wahlgang tommandierten die National­sozialisten vier ihrer Fraktionsmitglieder ab, so daß wiederum für den Hauptwahlgang der sozial­

Hitlers Bickzackfurs

Papen und Hitler verhandeln- Schwerindustrie im Hintergrund

Jetzt werden schon die getreuesten Heloten aus dem Kurs ihres geliebten Führers nicht mehr gescheit; Herrn Rosenberg im Völkischen Beob achter" ist die Spude weggeblieben, als er von der Kanossafahrt Hitlers zu Papen hörte sein Blatt darf kein Wort darüber ver­lauten lassen und auch Goebbels ist, da ihn die Nachricht gerade erreichte, als er im kleinen Lippe die große Lippe riskierte, von einer plötz= lichen Maulsperre befallen worden.

Während Adolf treu und bieder bei dem ,, feinen Herrn" von Papen in Köln saß und um gütige Beschwichtigung des gestrengen Herrn Reichspräsidenten bat, während Röhm und Straßer in getrenntem Anmarsch bei Herrn von Schleicher erschienen, hatte der Bölkische Beobachter" noch Don oben herab über ,, Schleicher in der Klemme" geschrieben und dabei auch Herrn von Papen noch einmal rauh mitgenommen. Es hieß da:

,, Genau so wie der feudale Herr von Papen an seinen att testamentarischen Freun den in und um den Herrenflub scheiterte, so wird es Herrn von Schleicher mit seinen Mossegardisten gehen."

Um die Zeit, da das geschrieben wurde, saß Adolf schon auf den Stühlen, die sonst von den ,, alttestamentarischen Freunden" besetzt sind. Und Rosenberg donnert ungnädig weiter:

,, Der Boden, auf dem die Regierung Schleicher steht, ist nämlich genau der gleiche, auf dem auch die Severings und Erzberger und Müllers standen." Die ,, neuen Herren", die alle sechs Monate auf­tauchen, dreschen nur grundsätzlich neue Phrasen­und trotz alledem, trotz alledem ist Adolf schon wieder dicker Freund mit diesen verkappten Erz­berger und Severings! Denn die National­sozialistische Korrespondenz" bestätigt die Zu fammenkunft ihres Führers mit Papen im Hause eines Freundes".

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Wer ist der gute Freund, der beide so liebevoll aufnimmt? Baron Don Schroeder ( Mieder mit den Baronen!), Teilhaber des Bank­hauses J. H. Stein in Köln ( Enteignet die Bank­und Börjenfürsten!), außerdem Aufsichtsrat der

Aktiengesellschaft Charlottenhöhe, die zum Flick­Konzern gehört.( Nieder mit dem raffenden Kapital!) Bei diesem etwas gar zu prominenten Mitglied der Arbeiterpartei" schleicht der große Adolf umher und sieht, ob nicht Papen wieder Kanzler und er preußischer Ministerpräsident wer­den kann, worauf sich Schleicher wieder ins Wehrministerium schleichen soll!

Diese unerwartete Wendung durch Hitlers Fü­gung ist dem Bölkischen Beobachter" so in die Knochen gefahren, daß er sogar über den Aeltesten­rat und die ruhmvolle Rolle feiner Komplicen darin zu berichten vergißt. Er schreibt sehr sach verständig über französische Freimaurer, ameri tanische Inflation, Stimettkämpfe in St. Moriz aber vom und Fahrten über den Baikalfee Aeltestenrat des Deutschen Reichstags hat er nichts gehört. Morgen werden seine Leser vielleicht Näheres über den König von Honolulu erfahren, aber was Hitler mit den Großkapitalisten ver= einbart, davon hören sie bestimmt nichts!

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Was Papen wollte

Aus Düsseldorf wird gemeldet:

Reichskanzler a. D. von Papen äußerte sich dem hiesigen Vertreter des Conti- Büros gegenüber auf Befragen zu den Gerüchten, die im Zusammen­hang mit seiner gestrigen Aussprache mit Herrn Hitler in Köln in einem Teil der Presse auf­getaucht sind. Anläßlich meiner Reise nach Düssel­ dorf zu meiner Mutter habe ich mit Herrn Hitler eine politische Aussprache in Köln gehabt. Wie mir mitgeteilt wird, knüpft ein Teil der Berliner Presse an die Meldung hierüber Kommentare, die frei erfunden sind, so insbesondere die Darstellung, ols ob die Unterredung mit Herrn Hitler eine Spize gegen den Reichskanzler nder die gegenwärtige Regierung gehabt habe. Das Gegenteil ist der Fall Die Aussprache. hat sich ausschließlich um die Lösung der Frage gedreht, der schon die Arbeit des letzten Halbjahres gewidmet war, der Frage der Ein­gliederung der NSDA P. in nationale Ronzentration.

eine

demokratische Kandidat ausgeschaltet wurde. Auch diesmal kam es nun zur Stichwahl zwischen dem nationalsozialistischen und dem kommunistischen Kandidaten. Gewählt wurde der Kommunist mit 31 Stimmen gegen 26, die auf den National­sozialisten fielen. Die sozialdemokratische Frat­tion gab daraufhin eine Erklärung ab, in der sie mit aller Schärfe betonte, daß ihr zum mindesten der zweite Vorsteherposten gebühre.

Die Kommunisten haben es aber nicht ver­schmäht, sich der nationalsozialistischen Hilfe zu bedienen, um dadurch die beiden Borsteher­posten mit ihren Leuten besehen zu können. Die Sozialdemokraten erklärten weiter, daß sie sich an den ferneren Wahlen nicht beteiligen würden. Eine gleiche Erklärung gaben die Nationalsozia­listen und die Bürgerlichen ab, so daß bei der Wahl des dritten Vorstehers sowie des ersten und zweiten Schriftführers wiederum Kommu­nistten gewählt wurden.

Das Präsidium besteht also nur aus Kom­munisten.

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3n seiner Neujahrs - ,, Botschaft" hat Adolf der Große wieder den Bolschewiffenfchred an die Wand gemalt. Als erste Auswirkung der Botschaft müssen die Nazis in Chemnitz für die Bolschewisten stimmen.

listischen Presse noch genau so angeranzt wird, mie vordem Papen.

Das Ganze ist der Gipfel der Nazi= perlogenheit. Bor seinen Anhängern pran­gert man die Barone und Generale an, hinter verschlossenen Türen führt man Friedens- und Freundschaftsverhandlungen. Wie lange wird dieser Schwindel halten?

Fall Hentsch im Landtag Um die Immunität des Abg. Bennecke

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"..

Dresden , 6. Januar.

Der Landtagsvorstand hat am Donnerstag be­schlossen, den Landtag auf Donnerstag, den 12. Januar, nachmittags 1 Uhr, einzu­berufen. Auf der Tagesordnung wird stehen als 1. Punft der Antrag des Generalstaatsanwalts auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Bennede und die sozialdemokratischen und kommunistischen Anträge fowie eine kommunistische Anfrage, die den Fall Hentsch betreffen.

Zum Fall Hentsch werden weitere Einzelheiten bekannt. Die Mörder sind am 10 November über die Tschechoslowakei und Innsbruck nach Bozen geflohen und befinden sich gegenwär tig in Verona .

Braune Buttermiţer

Der autoritäre Kurs und seine Patentmedizin

Unter dem Druck der Empörung des Volkes über die Margarinenotverordnung und angesichts des entschiedenen Protestes der Gewerkschaften hat die Regierung der Gewerkschaften hat Schleicher weiche Knie bekommen. Sie wird über ihre famose Verordnung verhandeln und beraten, es läßt sich erkennen, daß sie nicht mehr den rechten Mut zu ihrer Durch führung hat, um so mehr, als in der Regie­rung selbst ernsthafte Differenzen darüber aufgetaucht sind. Mit diesem Mut vor der eigenen Courage zieht sich die Regierung Schleicher den Zorn des agrarischen Inter­essentenklüngels zu und den Zorn der Nazis dazu!

Denn die Nazis sind geschworene An= hänger der Buttermirerei Mo­dell von Braun! Sie lassen erkennen, daß sie darin ein Stück ihrer eigenen Rettungspläne erblicken. Die Pommersche Zeitung", das Naziorgan von Pommern , schreibt in Nr. 5:

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,, Die Regierung Schleicher, die nicht weniger isoliert als das Kabinett Papen ständig auf der Suche nach tolerierungsbereiten Parteien ist, hat in der Frage der Beimischung zur Margarine dem vereinten Druck der Großindustrie und der Gewerkschaften nachgegeben. Man hat eine lebenswichtige Aufgabe der staat­lichen Wirtschaftspolitit nicht angepackt, sondern den parlamentarischen Ber­handlungen und Manövern der Interessenten ausgeliefert.

Mit der trog solcher guten Worte feststehenden Aufgabe des Margarineerlasses verzichtet die Reichsregierung auf den legten ganz fümmerlichen Versuch, für die Landwirtschaft ein gewiffes Preisniveau zu sichern."

Das läßt erkennen, was die Nazis unter den lebenswichtigen Aufgaben staatlicher Wirtschaftspolitik verstehen! Diese Butter­migerei ist also ein Rezept aus dem fest ver­schlossenen Geheimschrank Adolf Hitlers , eine Mit Patentmedizin Marke Hakenkreuz! solchen Medizinen wollen sie die Not der Zeit und die Krankheit der Wirtschaft kurie­ren! Zugunsten eines fleinen agrarischen Interessentenflüngels, der nur an seine eng­ften privaten Profitinteressen denkt und nicht einmal an die Interessen der Landwirtschaft in weiterem Sinne, wollen sie dem armen Volke die Margarine verteuern und die Fett­versorgung einschränken!

Diese Zustimmung der braunen Wirt­schaftsscharlatane kennzeichnet erst das wahre Wesen der Buttermiɣerei! Diese Patentme­dizin sollte ganz ernsthaft von der Reichs­regierung dem Volke durch eine Notverord­nung aufgezwungen werden! Man hat sich nicht gescheut, wegen dieser Angelegenheit den Artikel 48 in Bewegung zu setzen, man hat diese Patentmedizin sogar zu einer poli­

Aufmarsch zu Bernsteins Gedächtnis!

Am 6. Januar 1933, nachmittags 4 Uhr, findet die Beisetzung der Asche des ver­storbenen Genossen Eduard Bernstein auf dem städtischen Friedhof, Maxstraße in Schöneberg , statt.

Alle Genossinnen und Genossen, Reichsbannerkameraden, Arbeiterjugendgenossen und alle Arbeitersportler beteiligen sich.

Antreten 34 Uhr auf der Mittelpromenade der Innsbrucker Straße, Spitze Wart­burgstraße, und Nebenstraßen. Spitze 11. Kreis, dann folgen die Kreise 7, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16 aus dem früheren Wahlkreis des Genossen Bernstein . Anschließend die Kreise 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 17, 18, 19, 20. Abmarsch pünktlich 32 Uhr. Marsch durch Wartburg -, Martin- Luther -, Grunewaldstraße, Akazienstraße, Hauptstraße, Tempel­hofer Straße, Ebers-, Maxstraße, Friedhof.

Fahnen und Banner sind mitzubringen. Fahrgelegenheit U- Bahnhof Bayerischer Platz. Straßenbahn 3, 5, 6, 19, 60, 119. Omnibus 8 und 19.

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Also dem Frieden zwischen Hitter und Paul Löbe wird an Stelle des leider erkrankten Parteivorsitzenden Otto Wels die Gedächtnisrede halten. Schleicher , der augenblicklich in der nationalfozia­