Abend- Ausgabe
Nr. 12 B6 50. Jahrg.
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Telegrammabresse: Sozialbemokrat Berlin
Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
SONNABEND
7. Januar 1933
,, Die Journaille lügt"
Wie sag ich's meinem Kinde?
Wie macht man das, wenn den Nationalsozialisten erzählt werden muß, daß Hitler mit Papen gefuhhandelt hat? Wie verhält fich die nationalsozialistische Presse, die am Tage vor dieser Unterredung laut erklärt hat: alles Unsinn, alles Judenschwindel, die Journaille lügt?
Es ist ein Schauspiel für Götter, wie sie sich anstellen, um es ihrem Kinde zu sagen! Da ist der Westdeutsche Beobach= ter", das Blatt der Nazis in Köln . Für ihn hat diese Unterredung obendrein noch Lokale Bedeutung und geschäftliche hinzu, wegen der Schulden des Herrn Ley bei dem Mittelsmann Baron von Schroeder . Dies Blatt veröffentlicht acht 3eilen aus Detmold : Hitler habe im Hause eines Freundes eine zwanglose Unterredung mit Papen gehabt. Aus. Kein Wort mehr!
Diese berühmten acht Zeilen finden sich auch in der übrigen nationalsozia listischen Provinzpresse, bald aus Detmold , bald aus München datiert. Kaum, daß die„ Pommersche Zeitung", durch den Hohn der Deutschnationalen gereizt, einige Zeilen der Verteidigung riskiert: Papen werde Hitler schon nicht infizieren; denn Hitler sei ein Halbgott und Papen ein gewesener Mann, im übrigen werde Hitler Papen fressen, so wie er Hugenberg gefressen habe. Nun hat sich der Prozeß schon umgekehrt, Hugenberg gewinnt, Hitler verliert, er verliert so sehr, daß er schon bei Herrn von Papen angelangt ist.
Die völlig aus der Fassung geratenen Nationalsozialisten suchen vergeblich Aufklärung und Trost in ihrer Presse. Die weiß auch nicht, wie sie es ihrem Kinde sagen soll. Es geht funterbunt durcheinander, man hat den Eindruck, daß sie noch keine Order hat, wie sie sich herauslügen soll. So ist es passiert, daß die Notlüge des ,, Völkischen Beobachters" im vollen Widerspruch steht zu dem, was Hitler selbst erklärt hat. Im ,, Bölkischen Beobachter" liest man, daß Papen Herrn Hitler Mitteilungen über die Vorgeschichte des Kabinetts Schleicher gemacht habe, Hitler selbst aber erklärt feierlich. daß über das Kabinett Schleicher fein Wort gefallen sei.
Was ist Wahrheit? Was soll der gläubige Nationalsozialist für Wahrheit nehmen? Es geht ihm wie dem gläubigen Kommunisten, der auf Befehl morgen verdammen muß, was er heute angebetet hat. Schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig als die seufzende Ergebung: Herr, wie du willst, ich halte still! Wenn Hitler bei Papen angelangt ist, wird der brave Nationalsozialist das Stillehalten schon lernen!
Das Sonntagswetter
In ganz Europa milde Temperaturen Das seit Wochen herrschende milde Winterwetter scheint auch für die nächste Zeit anzuhalten. Ganz Europa hat für die Jahreszeit geradezu abnorme Temperaturen und selbst aus den berüchtigten Kältegebieten Weftrußlands werden nur 5 bis 10 Grad Kälte gemeldet. Jm Reich, in Frankreich , Italien , in den füdlichen Ländern, überall schwanken die Temperaturen tagsüber zwischen 3 und 6 bis 7 Grad Wärme. So wie in Deutschland ist auch den Bewohnern der Nachbarstaaten in diesem Jahr noch fein Schnee zu Gesicht gekommen.
Berlin hatte in der letzten Nacht als Minimum 1 Grad Wärme. Um 8 Uhr hatte das Thermometer bereits 3 Grad und mittags sogar 5 Grad Wärme erreicht. Für den morgigen Sonntag lautet die Prognose des Amtlichen Berliner Wetterdienstes: Teils mollig teils heiter, feine
Riederschläge.
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Stettiner S2. als Raubmörder
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Ihr Schuldkonto: Bombenanschlag auf den ,, Volksboten". Bandenraub und Mord an einem deutschnationalen Gutspächter- Raubmord mit SA. - Waffen
Stettin , 7. Januar. In Stettin wurde ein schweres nationalsozialistisches Verbrechen aufgeklärt. Kreis Randow am Silvestertage der Wie bereits berichtet, wurde in Streithof Gutspächter Steinicke beraubt, niedergeschossen und so schwer verletzt, daß er inzwischen verstorben ist. Als Täter wurden vier Stettiner National. sozialisten ermittelt und festgenommen!
Bei ihrer Vernehmung hat sich, wie das Polizeipräsidium in Stettin mitteilt, er geben, daß mehrere an dem Bandenüberfall in Streithof als Täter beteiligte Personen auch an dem Sprengstoff. attentat auf den Stettiner ,, Volksboten" am 9. August 1932 beteiligt waren. Es sind daraufhin noch weitere Festnahmen erfolgt. Die Er mittlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Das Attentat auf den ,, Volksboten" war
mit einer Vikrinladung durchgeführt worden, die in den Ladeneingang des Verlagshauses geschleudert und zur Explosion gebracht worden war. Nur dem Umstand, daß die Wucht der Explosion
sich nach außen entlud, war es zu verdanken, daß das vierstöckige Haus nicht in die Luft flog, sondern nur schwer beschädigt wurde. Es wurde schon damals vermutet, daß die Täter, die in einem Auto gekommen und geflohen waren, der nationalsozialistischen Bewegung angehörten. Die Vermutung wird jetzt bestätigt.
Die Polizei hat festgestellt, daß die Banditen mit Waffen ausgerüstet waren, die aus dem Depot der SA. stammten. Bei den Stettiner Stürmen sind daraufhin Durchsuchungen borgenommen worden, die zur Entdeckung größerer Waffenmen. gen führten.
Der Bandenüberfall auf den Gutspächter Steinice spielte sich folgendermaßen ab: Die Räuberbande fuhr mit einem Kraftwagen vor dem Gute vor. Sie zerschnitt zunächst die Tele= phonleitungen tes Gutes. dann drangen die Verbrecher mit Pistolen bewaffnet und mit dem Ruf Hände hoch" in das Büro des Guts pädters ein, der gerade einer Frau die Löhnung auszahlte. Die Arbeiterfrau schrie auf und stürzte
Eigener Bericht des Vorwärts"
Zeih, 7. Januar. Das Bergarbeiterstädtchen Hohenmölsen im Zeiz- Weißenfelser Kohlenrepier hat eine Stadtverordnetemversammlung, die sich aus 5 So= zialdemokraten, 5 Kommunisten und je 3 Bürgerlichen und Nazis zusammenfeßt. Kommunistische Dankbarkeit für Chemnih verhalf den Nazis zum Stadtver= ordnetenvorsteher.
Im Vorjahr mußte der Bürgermeister gewählt werden. Sozialdemokraten und Kommunisten präsentierten je einen Randidaten. die Nazis schlugen einen angeblich neutralen" Mann vor. Durch das Los wurde entschieden, daß der Kommunist mit dem Nazikandidaten in Stichwahl fam. Um die Wahl eines Faschisten zu verhindern, stimmten die Sozialdemokraten für den Kommunisten, den Landtagsabgeordneten Schlag. Die Regierung versagte aber dessen Bestätigung.
Am 5. Dezember wurde die Wahl wiederholt. Dasselbe Spiel, nur fam diesmal der sozial. demokratische Kandidat durch das Los in
die Stichwahl. Diesmal
stimmten die kommunisten aber nicht für den Sozialdemokraten, sondern für ihren ausgeschiedenen Kandidaten. Erfolg: mit 6 Sfimmen( gegen 10 Arbeitervertreter!!) wurde der Faschist Bürgermeister, und der wurde inner
halb 14 Tagen bestätigt!
Die Einführung des neuen Mannes nahm der Weißenfelser Landrat vor. Sozialdemokratische und bürgerliche Stadtverordnete blieben der Einführung fern, nur die Nazis und die Kom munisten( sie hatten ihn ja mitgewählt!) wohnten der Feier bei. In einer kurzen Ansprache bedankte sich der Nazibürgermeister öffentlich für die kommunistische Hilfe bei seiner Wahl. Das bürgerliche Magiftratsmitglied gab eine Ere
flärung ab, wonach sich die bürgerlichen Stadtverordneten von den Nazis und auch vom neuen Bürgermeister wegen der Parteizugehörigkeit hintergangen fühlen!
Wie groß die Empörung und Erregung über den Standstreich der Kommunisten ist, bewies eine am Donnerstag von der Sozialdemokratie einberufene Bersammlung, die polizei lich abgesperrt war. Die Kommunisten versuchten sie zu sprengen, das gelang aber nicht. KP. - Landtagsabgeordneter Schlag der eine klägliche Verteidigung der Haltung seine Genossen magte, wurde von der Versammlung a us
aus dem Zimmer, worauf die Verbrecher sofort den Gutspächter niederschossen. Ein anderer im Büro anwesender Mann wurde von den Raubmördern mit der Waffe in Schach ge= halten.
Der von der Mörderbande niedergeschossene Gutspächter war erster Vorsigender des Kreisvereins Randow der Deutsch = nationalen Volkspartei, ein bekanntes Stahlhelm mitglied und Vorsitzender des Kriegervereins.
SA.- Mörder gesteht
Der Schuldige von Breslau Eigener Bericht des„ Vorwärts" Breslau , 7. Januar. Der junge S A.- Mann, der am Donnerstagabend den jugendlichen sozialdemokratischen Arbeiter Fritz Hanisch erstochen hatte, hat inzwischen seine Tat eingestanden. Es ist der 17jährige Handelsschüler Walter Kraftczif. Sein Bater ist Oberpoftjetretär in Breslau . Der Junge hat die tödlich wirkenden Stiche mit einem Taschenmeffer ausgeführt.
nach dem bisherigen Abkommen noch in Deutsch land festgehalten sind, aber den Ausländern inner halb Deutschlands zur freien Verfügung stehen. Auf dem Aktienmarkt konzentrierte sich das Interesse wieder auf die IG. Farben Aftie, die ihren gestrigen Kursgewinn von über 4 Proz. fortsetzen konnte und heute um weitere 2 Proz., von 102 auf 104% Proz., stieg.
k
Auf dem Rentenmarkt herrschte ein stürmisches Geschäft wie in den besten Tagen. Auf dem Markte der Alt- und Neubejizanleihen drängte sich die Maklerschaft. Neubesig wies sensationelle Kurssteigerungen bis 8,70 auf während Altbesitz auf 67% stiegen. Goldpfandbriefe verbesserten ihren Kursstand um durchschnittlich 1 Proz., die Pfandbriefe der Hannoverschen Bodenkredit sp gar um 1½ Proz. und Reichsschuldbuchforderun gen um ½ bis 1 Proz.
gelacht; der sozialdemokratische Landtagsabge Feuer im Geschäftshaus
ordnete Franken fennzeichnete unter stürmischem Beifall den erbärmlichen Arbeiterverrat der Kommunisten.
Die Kurse steigen
Das Ausland kauft- Rentenhausse Das Ausland kauft
Zum Wochenende hat die stürmische Auf wärtsbewegung, die sich schon am Freitag, vom Rentenmarkt und von der IG.- Farben- Aktie ausgehend, durchgesetzt hatte, angehalten. Besonders auffallend war, daß wieder von ausländischer Seite größere Kaufaufträge vorlagen. Es handelt sich hier in der Hauptsache um ausländische Stillhaltegelder, die
Trikotagenfabrik ausgebrannt
In der Trifotagenfabrik von Müller u. Sprinh in der neuen Friedrichstraße 38/40 brach heute vormittag Feuer aus, das schnell um sich griff. Zum Glück gelang es der Feuerwehr, den Brand auf seinen Herd zu beschränken.
Das Grundstüd Neue Friedrichstraße 38/40 ist ein großes Geschäftshaus mit mehreren Hintergebäuden, in denen eine große Zahl von Mittelund Kleinbetrieben ihre Werkstätten und Vertaufsräume sowie Lager haben. Im dritten Stockwerk des linken Seitenflügels auf dem III. Hof befinden sich die Räume der Trikotagenfabrik. In einem Lagerraum brach das Feuer plöglich aus und die Angestellten mußten sich vor den Flammen