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Abend- Ausgabe

Nr. 16 B 8 50. Jahrg.

Rebattton und Berlage Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

10. Januar 1933

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 f. Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise hehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Was will die KPD. ?

Bedingungslose Unterstützung durch den ,, Hauptfeind"

In dem thüringischen Städtchen Zella­Mehlis ist ein Nazi zum Stadtverordneten­vorsteher gewählt worden- nach einem Bericht der Roten Fahne" deshalb, weil sich die Sozialdemokraten, statt für den Kom­munisten den Ausschlag zu geben, der Stimme enthielten. Obwohl unsere Genossen in Chemnitz fürzlich sogar, um die Nazis nicht heranzulassen, ein rein fommu­nistisches Stadtverordnetenpräsidium wählen half n, findet die Fahne" gerade den Thü ringer Fall typisch. Da hätten nun, ruft sie voll fittlicher Entrüstung, die Sozialdemo traten ihr wahres Gesicht gezeigt.

So ist der Roten Fahne" vorbehalten ge­blieben, über die Politik der KPD. ein wahr­haft vernichtendes Urteil abzugeben. Denn was sie der fleinen sozialdemokratischen Fraktion in Zella- Mehlis vorwirft, das und viel Schlimmeres haben die fommunistischen Fraktionen im Reichstag, in den Landtagen, in den Stadtverordnetenversammmlungen unzählige Male getan.

Unsere Genossen in Zella- Mehlis hatten bie Kommunisten zweimal zu Verhand lungen über die Wahl des Stadtverord­netenvorstandes aufgefordert. Zweimal hatten die Kommunisten Verhandlungen ab­gelehnt. Darum haben sich die Sozialdemo­traten der Stimme enthalten.

Im Lager der KPD. ist man also der An­ficht, daß fozialdemokratische Volksvertreter ohne weiteres ihre Stimmen für fommu­nistische Kandidaten abzugeben haben. Ist das

von Sozialfaschisten " und ,, Arbeiterverrätern", als die wir in der kommunistischen Presse täglich beschimpft merden, nicht ein bißchen viel verlangt?

In derselben Nummer, in der sich die Fahne" über die Sozialdemokraten von Bella- Mehlis entrüstet, weil sie nicht bedin­gungslos für den Kommunisten stimmten, befindet sich auch ein Artikel, in dem es heißt:

Nur schlecht vermögen die Stampfer und Löbe ihre grenzenlose Enttäuschung dar. über verbergen, daß die mustergültige Disziplin und eindrucksvolle Geschlossenheit der proletari­fchen Marschkolonnen der Polizei keinen Bor wand gab, ein Blutbad unter den De monstranten anzurichten.

Wenn die Stampfer und Löbe so sind, daß sie das Arbeiterblut gleich liter­weise faufen wollen, wie fann man sich da über die Sozialdemokraten von Zella- Mehlis entrusten, weil sie einem Kommunisten ihre Stimmer verweigerten? Wo bleibt da die Logik?

Die KPD . will tein gemeinsames Vor­gehen gegen den Faschismus! Sie will feine ehrlichen Verhandlungen über ein solches Borgehen! Sie handelt konsequent nach der Vorschrift, die Sozialdemokratie als den Hauptfeind zu bekämpfen, gegen den jede Berleumdung und jede Lüge, auch die dümmste, erlaubt ist! Solange sie bei diesem irrsinnigen Treiben verharrt, hat sie nicht das geringste Recht, der Sozialdemo­fratie Vorwürfe zu machen, wenn sie ihr da oder dort die gewünschte Unterstützung versagt.

Erst wenn die Kommunisten begreifen werden, daß nicht die Sozialdemokratie, son­dern der Faschismus der Hauptfeind ist und daß man von der Sozialdemokratie keine Unterstügung verlangen kann, wenn man nicht bereit ist, in anständiger Form Gegenseitigteit zu gewähren, erst dann wird der gemeinsame Kampf gegen den Faschismus möglich sein. Das ist der flare Sachverhalt. Kein Einheitspakt". Schwindel fann ihn vermirren!

Der Stand der Reichsfinanzen

800 Millionen Defizit im Jahre 1932

Der Haushaltausschuß des Deutschen Reichstages zeigte heute das Bild eines großen Tages; die Parteien waren vollständig vertreten. Vor ihnen faß unter Führung des Reichsfinanz­ministers v. Krosigk der Behördenstab des Finanzministeriums, hinter ihm standen die Dutzende der Referenten aus den verschiedenen Ministerien und die Vertreter des Rechnungshofes, Sparkommissars usw. usw.

Die Sozialdemokraten hatten in der letzten Sihung des Haushaltausschuffes im alten Jahre den Antrag gestellt, daß der Reichsfinanzminister dem Etatsausschuß des Reichstages einen Be­richt über die Lage der Reichsfinan­zen gebe. Dieser Antrag war zum Beschluß er­hoben worden; nunmehr erstattete der Reichs­finanzminister in Ausführung jenes Beschlusses feinen Bericht. Leider entsprach er nicht ganz den Erwartungen!

Das gilt hier weniger für die Ziffern selbst, die in mancher Hinsicht durchaus nicht erfreulich find, vielmehr gilt es für das, was der Reichsfinanz­minister des Kabinetts Schleicher als eigene Mei­nung zu den Zahlen selbst sagte. Man hatte den Eindruck, daß ein qualifizierter Beamter einen fauber ausgearbeiteten zahlenmäßig belegten Be­richt gibt. Je länger Herr v. Krosigk aber sprach, um so weniger war er Minister, um so mehr er­schien er als der frühere Etatsdirektor des Reichsfinanzminifteriums.

Der Reichsfinanzminister begann mit einem Rückblick über die Entwicklung des Etats­defizits, das sich aus den Krisenjahren mit ihrem ständigen Rüdgang der Einnahmen und mit den wachsenden Ausgaben entwickelt hat. Das Defizit, das 1930 1190 Millionen Mark betrug, war schon wesentlich dadurch mit entstanden, daß im außerordentlichen Haushalt Ausgaben gemacht wurden, die durch Anleihen gedeckt werden sollten. Nachdem sich die Unmöglichkeit herausstellte, An leihe zu begeben, wuchs damit der Fehlbetrag des Reichshaushalts. Mit dem Ende des Reichs­haushaltes 1931( 31. März 1932) ist der Fehl­betrag auf 1690 Millionen Marf gestiegen. Dieses Wachstum erklärt sich auch daraus, daß kurz­fristige Schulden ordnungsgemäß getilgt wurden( 420 Millionen Marf), dafür aber neue furzfristige Schulden( Aus gabe von Schatzscheinen) gemacht werden mußten. Außerdem sind im Haushaltsjahr 1931 Einnahmen

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Schwere Vorbelastung kommender Haushalte

gegenüber dem Voranschlag zurückgeblieben und Mehrausgaben entstanden.

Für das Haushaltsjahr 1932 war ein Ein­ahme soll von 7464 Millionen im Blan festgelegt. Nach der jüngsten Schätzung wird die Einnahme aber nur etwa 6681 Millionen betragen, weil im besonderen die Umsatzsteuer um rund 420 Millionen und die Einkommensteuer um etwa 270 Millionen gegenüber der ursprünglichen Annahme zurückbleiben werden. Auf der anderen Seite sind im laufenden Haushaltsjahre auch nicht vorgesehene Mehrausgaben entstanden; sie werden etwa eine Größenordnung zwischen 350 und 400 Millionen erreichen.

So ist damit zu rechnen, daß der Haus­halt 1932 mit einem Defizit von 800 Millionen abschließen wird. Das be­deutet bei der Zusammenrechnung mit den ungedeckten Fehlbeträgen der Vor­jahre einen Gesamtfehlbetrag oder mit anderen Worten eine unfundierte kurz­fristige Schuld des Reiches in Höhe von etwa 2,1 Milliarden Mark.

Der Reichsfinanzminister flärte dazu, daß dieje 2,1 Milliarden der Ausdrud der Krisen= jahre 1930 bis 1932 jei, menn man dabei beachte, wie es mit den Defiziten anderer Länder aussähe, so könne sich Deutschland mit diesem finanziellen Ergebnis immerhin sehen lassen. Dabei hat der Herr Reichsfinanzminister vergessen hinzuzufügen, wodurch es möglich geworden ist, das Defizit des Deutschen Reiches troß der Krisen­jahre so niedrig zu halten und wer dabei die Haupttoften getragen hat.

Der Reichsfinanzminister rechnet damit, daß in den ersten Monaten dieses Jahres die Kaffen­schwierigkeiten beim Reich etwas zunehmen werden. Aber die flüssige Lage des Geldmarktes, in der sich die Beendigung der Krise ausdrücke, werde es ermöglichen, über diese Zeit hinwegzukommen.

Der weitere Bericht des Reichsfinanzministers enthielt dann eine Fülle von einzelnen Zahlen über die Verpflichtungen des Reiches aus Darlehen und Bürgschaften. Die Unterlagen dazu find dem Haushaltsausschuß ver­traulich schon zugegangen; deswegen ergab der Bericht des Ministers in dieser Richtung nicht viel Neues.

Der Minister faßte dann zusammen, welche Belastungen voraussichtlich das Reich aus den im wesentlichen in den Krisenjahren einge­gangenen Verpflichtungen zu erwarten habe.

Der Reichshaushalt werde von 1933 bis 1937 jährlich mit 125 bis 200 Mil­lionen Mark vorbelastet sein, dazu kämen außerdem von 1933 bis 1935 durchschnittlich jährlich 115 Millionen Mark Deckung des Arbeitsbeschaffungs. programms der Regierung Papen . Im weiteren kommen dann noch die Be­lastungen aus den Steuergutscheinen, die bei voller Inanspruchnahme in den Jahren 1934 bis 1938 den Reichsetat jährlich mit 500 Millionen Mark be­lasten würden.

Der Haushalt für 1933 hänge voll­tommen ab von der Gestaltung der Steuerein­nahmen und den Aufwendungen für die Arbeits­

Sie wollen Papen wieder

Schwerindustrie und Agrarier für die Politik der Provokation

Das Kulissenspiel geht weiter. Heute mittag ist Hitler in Berlin eingetroffen, natürlich wohnt er wieder im& aiserhof, wie es sich für den Freund der feinen Leute ziemi.

Der Zweck des Berliner Bejuches ist es, die Besprechungen weiterzuführen, die in Köln begonnen haben. Während die Mordbandifen

Im Haufe der feinen Leute

In dieser Villa des Baron non Schröder in Köln fand die Verhandlung Hitlers mit Bopen statt. Hitler hält es mit den feinen Beuten!

Hitlers wieder die Straßen unsicher machen, Häufer niederbrennen und als gemeine Raub­mörder sich betätigen, tritt ihr Chef als Agent der Scharfmacher auf, denen die Reichs­regierung noch nicht provokatorisch genug gegen die Arbeiterschaft vorgeht!

Schwerindustrie und Großagrarier find fie mit Schleicher unzufrieden. Sie halten ihn bereits für einen gewefenen Mann und wollen ihren Papen wieder haben! Sie wollen provozieren. Es ist ihnen offenbar zu ruhig in Deutschland !

Die deutsche Not bei den Nazis

Nirgends wird die deutsche Not mehr emp funden als im Lager der nationalsozialistischen Führer.

Pg. Gregor Straßer ist wegen politischer Krankheit abwechseind nach Bozen , Rom und in die bayerischen Berge beurlaubt".

Pg. Röhm ist zur Erholung" für einige Zeit nach Italien beurlaubt.

Pg. Graf Helldorf ist von Hitler ebenfalls zur Erholung nach Italien beurlaubt.

Der Djaf Hitler selbst wohnt während des lippischen Wahlkampfes beim Grafen Metternich auf dessen Schloß.

Der Landtagspräsident Kerri bat es sich in­zwischen in der Villa des Barons von Kanne bequem gemacht.

In Köln trifft sich Herr Hitler mit Papen in der Villa des Banffürsten Baron von Schroeder . Kommt die ganze Gesellschaft nach Berlin , dann können sie doch nicht im ,, Gasthaus zur Wildsau" wohnen, um mit Herrn Göring zu reden, son­dern sie hungern im feudalen Kaiserhof.

Wahrlich, ihre Rot ist nicht mehr zu ertragen, deshalb gehen Helldorfs Refruten mit den Pfennigbüchsen durch die Straßen.