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Morgen- Ausgabe

Nr. 17 A 9 50. Jahrg.

Redaktion und Berlagi Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Ferniprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

11. Januar 1933

9

Jn Groß Berlin   10 Pf. Auswärts......

15 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Leils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Schlacht im Friedrichshain  

SA.   gegen Kommunisten und Polizei- Zahlreiche Verletzte

Das Auftreten der SA.   in Berlin  nimmt allmählich wieder Formen an, die eine Gefahr für die Hauptstadt bedeuten. Vorgestern abend drangen unifor. mierte Hitler Gardist en in eine Versammlung der Kommunisten in den Unions- Festsälen in der Greifswalder Straße ein und entfesselten eine regel. rechte Saalschlacht. Ein Dutzend Verlette war die Bilanz dieses national­sozialistischen Terroraktes.

Gestern abend sollte zu einem weit grö­ßeren Schlage gegen die Kommunisten ausgeholt werden, die im Saalbau Fried­richshain eine große öffentliche Kund­gebung veranstalteten. Rund 400 uni­formierte A. Leute versuchten in die bereits um 20 Uhr stark gefüllte Ver­sammlung einzudringen. Polizei trieb die Terroristen zurück. Im Friedrichshain  kam es dann zu einem

=

Feuerkampf zwischen der SA.   und Schupobeamten,

nachdem die nationalsozialistische Horde über eine Gruppe tommunistischer Nach zügler hergefallen war, die ahnungslos dem Versammlungslokal zustrebte. Es gab mehrere Schwerverletzte, die ins Krankenhaus am Friedrichshain   trans  portiert wurden. Eine Reihe von Haken­freuzlern wurde festgenommen.

Ueber diese neueste Tat der braunen ,, Kame raden" Hitlers   erfahren wir folgende Einzelheiten:

Kurz vor 20 Uhr, als der große Raum des Saalbaues Friedrichshain   mit Bersammlungsteil nehmern bereits dicht besetzt, nach einer anderen Mitteilung jogar schon überfüllt war, marschierten etwa 400 uniformierte SA.  - Leute an. Die Hitler­Gardisten waren bereits in den Vorraum einge­drungen, um sich den Zutritt zum Saal mit Ge­walt zu erzwingen. Polizeibeamte drängten die SA.  - Leute mit aller Energie zurück In dem Vorraum verbreitete sich alsbald ein pestilenz­artiger Gestant; die Hitler  - Burschen hatten

wieder einmal mit Stinkbomben ,, gearbeitet".

Es wurden unverzüglich Polizeiver. stärkungen eingesetzt, die mit dem Gummi­knüppel gegen die Hitler- Banden, die sich maßlos unverschämt und provozierend gegen die Polizei benahm, vorging. Mit einiger Mühe wurde die ganze Bande auf die gegenüberliegende Straßen­feite gedrängt. Schließlich nahm die Polizei eine allgemeine Säuberungsaktion des südlichen Teils des Friedrichshains   vor. Der größte Teil der SA. 30g sich in den Friedrichshain   zurüd. Dort ertönte plöglich lautes Kampfgetümmel, Schüsse frachten und Hilferufe ertönten. Eine Gruppe Kommunisten, die noch dem Saal­bau Friedrichshain   zustrebten, war den SA  .. Leuten offenbar direkt in die Arme gelaufen. Minutenlang tobte in den dunklen Parkanlagen

stärkungen auf Lastautos alarmiert worden

waren.

Die Versammlung aber wurde im Saalbau Friedrichshain in voller Ruhe und Ordnung weiter und zu Ende geführt.

Die Verletzten

Zwei bei dem Kampfe Verletzte sind die Brüder Siegfried und Gerhard Hillerkuß, Haus­burgstraße 8 wohnhaft.

Siegfried Hillerfuß hat einen Stich in den Oberschenkel und eine Gehirn= erschütterung davongetragen, während sein Bruder Kopf und Gesichtsverlegungen und eben­falls eine Gehirnerschütterung erlitten hat.

Außerdem sind die 3 3 wangsgestellten sämtlich als Nationalsozialisten festge= stellt worden. Die Parteizugehörigkeit der beiden Verletzten ist noch nicht bekannt. Am Tatort wurde ein Schlagring, eine Schußhülse und ein Karabinerhaken gefunden.

SA.  - Mörder verhaftet

Lichtenrader   Bluttat aufgeklärt

In der Silvesternacht wurde der Jung­tommunist Erich Hermann auf dem Prinz­

Heinrich- Platz in Lichtenrade   von SA.  - Leuten überfallen und durch Messerstiche furchtbar zugerichtet. Der junge Mann starb unter den Händen seiner Freunde, die ihn furze Zeit darauf blutüberströmt auffanden.

Die bestialische Bluttat ist durch die Politische Polizei   aufgeklärt worden. Der Mörder ist ein 22jähriger Schlächter Fritz Osth of aus Lichten rade, ein Angehöriger der nationalsozialistischen SA. Der Bursche, ebenso wie der Schlächter und Sturmführer der SA.  , Baumgart, haben nach längerem Leugnen gestern abend ein Geständ= nis abgelegt.

Es klingt wie Hohn, wenn der stämmige 22jäh­rige Schlächtergeselle, der über große Körperkräfte verfügt, aussagt, er sei von dem jungen 18jährigen Kommunisten angefallen worden und hätte ,, in der Notwehr" zum Messer gegriffen. Genau wie der Schlächter Baumgart, der SA.  - Mörder an der Frau Martha Künstler aus der Ackerstraße, spielt auch der SA.  - Mörder Frizz Oſthof in der Lichten­

rader SA. eine Rolle. Osthof wird heute dem Bernehmungsrichter des Polizeipräsidiums vorge­führt, der Haftbefehl gegen ihn erlassen wird.

Der ermordete Jungkommunist ist gestern auf dem Lichtenrader   Friedhof beigesetzt worden. Hinter dem Sarg, der mit einer roten Fahne bedeckt von Jungfommunisten durch den Ort zum Friedhof getragen wurde, folgte ein unüberseh­barer Trauerzug.

Die Arbeitslosigkeit steigt!

In der zweiten Dezemberhälfte 168 000 Erwerbslose mehr

-

Die Arbeitslosigkeit hat in der zweiten Dezember hälfte weiter zugenommen. Wenn auch nach dem jezt vorliegenden Ausweis der Reichsanstalt das Tempo des Zuwachses sich verlangsamt hat, in der ersten Dezemberhälfte betrug die Zu­nahme rund 248 600, der z metten Dezember= hälfte rund 168 800 Erwerbslose so macht sich doch das mit großer Propaganda aufgezogene Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung noch in keiner Weise fühlbar. Die von den Arbeits­ämtern ausgewiesenen Erwerbslosenziffern be­trugen:

Ende November 15. Dezember. Ende Dezember

·

.

.

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Millionen Erwerbslose 1931 1932 5,35

.

5,06

5,35

5,66

5,60 5,77

Danach ist also die Flut der Erwerbslosigkeit im vergangenen Monat um rund 415 000 Per­sonen gestiegen, während im Dezember 1931 der Zuwachs 608 000 Erwerbslose umfaßte. In der zweiten Dezemberhälfte 1932 hat sich die Ent­widlung gegenüber der entsprechenden Zeit des Vorjahres insofern etwas gebessert, als in den

Gemäߧ 17 unseres Organisations­statuts vom 28. April 1929 berufen wir hiermit einen

der Kampf Mann gegen Mann. Als As Außerordentl. Bezirksparteitag

mehrere Polizeigruppen in den Hain   vordrangen, wurden sie von verschiedenen Seiten be= Die Beamten erwiderten schossen.

-

das Feuer ob von den Kugeln jemand ge= troffen wurde, steht bis zur Stunde noch nicht fest, da die Gegner ihre Verlegten in Sicherheit gebracht zu haben scheinen. Zwei junge Leute wurden schwerverletzt auf einem Parfmeg auf­gefunden und von der Polizei ins Krankenhaus am Friedrichshain   gebracht.

Diese Schlacht im dunklen Hain   war für die Polizei das Signal, den ganzen Friedrichshain fyftematisch abzufämmen", nachdem weitere Vere

für Sonnabend, den 4. Februar, ab 16 Uhr, und Sonntag, den 5. Februar, ab 9 Uhr, nach dem Plenarsaal des ehe­maligen Herrenhauses, Leipziger Str. 3, ein.

Tagesordnung: 1. Stellungnahme zum Reichsparteitag. 2. Wahl der Dele­gierten.

Anträge sowie die Namen der Dele­gierten müssen bis spätestens 24. Januar dem Bezirkssekretariat eingereicht werden.

Referent wird noch bekanntgegeben.

Bezirksverband Berlin  .

beiden letzten Dezemberwochen 1931 rund 319 000 neue Erwerbslose zu den Arbeitsämtern strömten gegen 168 000 in der legten Berichtsperiode. Diese Differenz ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Steigerung der Arbeitslosigkeit im vergangenen Dezember erschreckend hoch ist und den traurigen Beweis für das bisherige Verpuffen der Schleicherschen Arbeitsbeschaffung liefert.

Der Gesamtumfang der von den Arbeitsämtern erfaßten Erwerbslosigkeit wird von der Reichs­anstalt mit 5 773 000 Perfonen angegeben. Ende Dezember 1931 betrug die Arbeitslosigkeit 5 668 000 Personen. Wenn die Reichsanstalt ihrem Bericht aber darauf hinweist, daß die Ueberlagerung gegenüber dem vorher: gehenden Jahre, die Ende Juni ihren Höhepunkt mit mehr als 1,7 millionen erreichte, zum Jahres­ende mit nur noch 105 000 Personen nahezu ver­schwunden sei, so steht diese Besserung leider nur auf dem Papier. Die Reichsanstalt sollte sich angesichts der Tatsache, daß mindestens heute noch Millionen Erwerbslose verschwunden" sind und daher von der Statistik der Arbeitsämter nicht erfaßt werden, derartige schönfärbe rische Hinweise schenken und lieber mit praf­tischen Vorschlägen aufwarten, wie man in Deutschland   wieder eine Arbeitslosen- Statistik her= stellt, mit der die Wirtschafts- und Sozialpolitik etwas anfangen kann.

Auswärtiger Ausschuß 20. Januar. Der Aus­wärtige Ausschuß des Reichstags ist jetzt für Frei­tag, den 20. Januar, vormittags 11 Uhr, einbe­rufen worden. Die umfangreiche Tagesordnung sieht neben der Behandlung einer Beschwerde der kommunistischen   Ausschußmitglieder wegen Verletzung der Immunität des kommunisti­ schen   Ausschußmitgliedes Schehr- Hannover die Fortsetzung der Aussprache über Tribute, Aus­landsschulden und und Abrüstungskonferenz vor. Außerdem sollen behandelt werden die Ostfrage, der Schutz der deutschen   Minderheiten im Ausland und die handelspolitische Lage Deutschlands  .

Stalins Bilanz

Licht und Schatten in Sowjetruẞland

Das Jahr 1932 war das letzte der ersten Piatiletka. des mit unendlicher Hoffnung be­grüßten und mit glühendem Haß bekämpften Fünfjahrplans, des großen Experi­ments, in dem die einen den Beginn einer neuen Zeit, die anderen Wahnwitz und Ver­derben sahen. Nüchternes, sachliches Urteil, wie wir es übten, galt vielen nicht viel. nisten als Sabotage, unsere Hoffnungen von Unsere Zweifel wurden von den Kommu­den Advokaten des Kapitalismus als getarn­ter Bolschewismus denunziert. Jezt kann die Bilanz gezogen werden. Stalin   faßte in seiner großen Rede vor dem Zentralfomitee der Bolschewistischen Partei die Ergebnisse des Fünfjahrplanes zusammen. Und diese Rede soll hier betrachtet werden. Der Plan erklärt Stalin   ist in vier Jahren drei Monaten zu 93 Prozent erfüllt worden, alle seine Ziele sind erreicht. Die Sowjetunion   ist aus einem Land rückstän­diger Technik zu einem modernen Induſtrie­land geworden. Betrug 1928 der Anteil der industriellen Produktion an der Gesamt­produktion erst 48 Prozent, so ist er 1932 auf 70 Prozent gestiegen. Wenn zur vollen Erfüllung 7 Prozent fehlen, so nur, weil die Sowjetunion   gezwungen war, angesichts der gespannten außenpolitischen Lage vier Mo­nate lang eine Reihe von Betrieben auf Kriegsproduktion umzustellen. Dennoch: Ruß­ land   ist heute von der kapitalistischen   Welt so gut wie unabhängig. Die industrielle Basis ist geschaffen, das Land kann sich verteidigen.

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Es sei gleich hier hervorgehoben, daß einem gleichen Ziel und es soll damit nicht im mindesten verkleinert werden- heute ebenso gut z. B. die temalistische Türkei   zustrebt, wie ihm das Rußland des Grafen Witte vor dem Weltkrieg zustrebte. Industrialisierung mit dem Ziel der Autarkie hat, für sich ge­nommen, mit dem Sozialismus nur soviel zu tun, als sozialistische Wirtschaft eine ent­wickelte Großindustrie zur

segung hat.

Voraus

Das zweite Ziel des Fünfjahrplans war die Stärkung des sozialistischen   Sek­tors in der Gesamtwirtschaft. Stalin   sagt, auch dieses Ziel sei erreicht. Es gibt keine andere als die sozialistische, die Staats­industrie, in der Landwirtschaft habe der Sozialismus zwar noch nicht ganz gesiegt, aber nichts könne seinen Siegeszug mehr aufhalten. An die Stelle der lebensunfähigen fleinbäuerlichen Wirtschaft, aus der jedoch immer wieder neu der Kapitalismus entstehe, seien die Staatsgüter und Kollektiven ge­treten. Mit 5000 Staatsgütern, mit 200 000 Kollektiven, mit der Kollektioisierung von 70 Prozent der Anbaufläche sei der endgültige Erfolg gesichert.

Im Verlaufe von vier Jahren ist die An­baufläche nach Stalin   um 21 Millionen Hektar größer geworden. Die Lage des Bauern sei unvergleichlich besser, als sie vor vier Jahren war. Wo 1928 noch Millionen mit dem Holzpflug arbeiteten, dort ziehe jetzt der Traktor über die Felder.

Das russische Proletariat fei in einem un­unterbrochenen Aufstieg. Die Arbeitslosigkeit sei vollständig verschwunden. Die Zahl der Industriearbeiter habe sich um 57 Prozent vergrößert, ihr Lohn sei um 67 Prozent ge= stiegen.

Wollte man sich mit diesen Zahlen be­gnügen, dann bliebe in der Tat nur festzu­stellen, daß in der Sowjetunion   nicht bloß die Grundlagen zum Sozialismus gelegt sind, daß er vielmehr bereits Wirklichkeit ge­worden ist. Nach wenigen Jahren wird es feine Klaffen, feine Ausbeutung, feine Unter­drückung mehr geben. Der Sprung vom